Nagels Peepshow
Harald Haack – Angeblich zwecks Prävention zur Fußfallweltmeisterschaft hatte der Hamburger Innensenator Nagel eine Videoüberwachung nach Londoner Vorbild im Rotlichtbereich St. Pauli installieren lassen – Protesten zum Trotz. Doch Fußballfans zeigten nun der Hamburger Polizei, dass die Videoüberwachung keine Randale und Schlägereien verhindern kann.
In St. Pauli spricht man schon von den „Stasi-Kameras“. In der ehemaligen DDR wurden Bürger von der „Staatssicherheit“ total überwacht. Veranlasst hatte dies der Mörder Mielke, vermutlich aus Angst sogar in der DDR als Mörder gefasst zu werden. Für ihn war es ein Vorteil, dass ausgerechnet er zum obersten Dirigenten der Stasi geworden war. So konnte er eine Ermittlungsakte, die ihn als Mörder entlarvte, verschwinden lassen und im Panzerschrank seines Stasi-Büros aufbewahren.
In Hamburg sollen die Verhältnisse aber angeblich anders sein. Der Präses der Hamburger Behörde für Inneres (Innensenator), Udo Nagel, ist nicht der Chef der Stasi, auch wenn ihm dies einige Kritiker gerne nachsagen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist er auch kein Mörder, aber er kam aus München in die Hansestadt an der Elbe; für etliche Hamburger Schelme ein „kapitales Gebrechen“. Geboren wurde der Pfeifenraucher aber 1951 in Görlitz. Seine Karriere verlief, glaubt man seinem Lebenslauf, vorbildlich und gradlinig und zeigt, dass er sich mit aller Strenge der Verbrechensbekämpfung widmet.
Hamburgs Innensenator Udo Nagel geht, wie er meint, neue Wege in der Bekämpfung der Gewaltkriminalität
Keine Schwarzhörer mehr
Die Fußballweltmeisterschafft rückt stetig näher. Am 16. Februar 2006 nahm Innensenator Nagel schon mal ein Digitalfunknetz in Betrieb. Niemand, weder Fußballfan, Journalist noch Hardcore-Rundfunkhörer soll künftig hören, was Polizei und Feuerwehr untereinander funken.
Hamburg musste das Digitalfunknetz von einer Tochter der deutschen Telekom, der Firma T-Systems, mieten. Es wurde speziell zur Unterstützung von Nagels Sicherheitskräfte angeschafft. Sie werden laut Senatspressetext „in Zukunft abhörsicher miteinander kommunizieren, Daten blitzschnell übertragen und selbst mitten im lautesten Trubel Funksprüche ohne störende Nebengeräusche empfangen und senden können. Das Netz versorgt die einsatztaktischen Schwerpunktgebiete Arena, St. Pauli und die Innenstadt. Grundsätzlich erfolgen die Einsätze zur Fußball-Weltmeisterschaft mit der analogen Funktechnik. Das digitale „WM-Netz“ stellt für die Bewältigung der besonderen Herausforderungen, welche ein Großereignis wie die Fußballweltmeisterschaft für die Hamburger Sicherheitskräfte darstellt, eine wertvolle Ergänzung dar. So bietet die Digitalfunktechnik beispielsweise bei der Führung von Einsätzen, der Durchführung von Personenkontrollen und der Verkehrslenkung zusätzliche taktische Möglichkeiten.“
Schwarzseher?
Am 30. März 2006 stellte Innensenator seine „Peepshow“ vor: An 12 Standorten sind Videokameras installiert, die mittels Schwenk- und Zoomfunktionen jeden Winkel der Amüsiermeile filmen werden. In der Polizeidirektion wird das Material gesammelt und vier Wochen lang aufbewahrt.
Totalüberwachung der Reeperbahn? Angeblich können die Kameras zwischen "privat" und "öffentlich" unterscheiden. Laut Innenbehörde sollen die Bildschirme in der Zentrale schwarz und die Datenübertragung umgehend gestoppt werden, sobald z.B. ein „Wohnzimmerfenster“ ins Visier gerät. Es ist jedoch fraglich, ob zwischen den Privat- und Geschäftsräumen an der Reeperbahn unterschieden werden kann und dass die Polizisten vor ihrer Monitorwand nicht zu Spannern verkommen.
Innensenator Nagel begründete die Videoüberwachung mit Kriminalitätsprävention. Gewalttaten, vor allem im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenkonsum sollen so verhindert werden. Experten zweifeln an der Wirksamkeit von Nagels Konzept. So prognostiziert der Hamburger Kriminologe Stefan Czerwinski, die kriminellen Aktivitäten werden sich künftig auf andere Plätze verlagern.
Und so war es denn auch am 1. April 2006. Die Videoüberwachung auf der Reeperbahn und das digitale Funknetz der Polizei konnten nicht verhindern, dass es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans kam. Doch lesen Sie, wie es die Hamburger Polizeipressestelle schildert:
„Am Samstagnachmittag spielte der FC St. Pauli gegen den FC Chemnitz im Millerntorstadion. Sowohl vor, während als auch nach dem Spiel kam es zu Auseinandersetzungen. Dies führte zu 44 Ingewahrsamnahmen und 9 vorläufigen Festnahmen. Bereits auf der Anfahrt zum Spiel randalierten Chemnitzer Fans im Zug, sodass dieser in Harburg gestoppt werden musste. Danach haben Polizeikräfte die Fans in der Bahn über den Hauptbahnhof bis nach St. Pauli begleitet. Im Bereich des Hauptbahnhofes lieferten sich mehrere Chemnitzer Fans Schlägereien. Polizeibeamte haben dort 18 Personen in Gewahrsam genommen. Kurz nach Spielbeginn provozierten Chemnitzer Fans durch rechte Parolen. Dadurch fühlten sich St. Pauli Anhänger provoziert, die Stimmung unter den Fans wurde immer gereizter. Nachdem im Gästefanblock eine größere Fahne in Brand gesteckt und Böller gezündet worden waren, wurde das Spiel für fünf Minuten unterbrochen. Um weitere Störungen zu unterbinden, wurden Polizeikräfte im Gästeblock eingesetzt. Nach Spielende hielten Polizeibeamte die Chemnitzer Fans in der Südkurve zurück, bis die Anhänger des FC St. Pauli das Stadion verlassen hatten. Im Umfeld des Stadions wurden zahlreiche Störergruppen festgestellt. Daraufhin wurde entschieden, die Chemnitzer Fans mit Hochbahnbussen vom Stadion wegzufahren. Schon auf der Anfahrt zum Stadion wurden die Busse mit Flaschen beworfen und mit Leuchtkugeln beschossen. Im Bereich Budapester Straße/Clemens-Schulz-Straße hielten sich rund 500 Störer auf. Eine weitere Störergruppe von rund 250 Personen war im Bereich Budapester Straße in Höhe eines Fanlokals.
Die Störergruppen versuchten durch körperliche Angriffe und Flaschenwürfe die Absperrungen der Polizeikräfte in Richtung Millerntorstadion zu durchbrechen. Dies konnte durch starke Polizeikräfte und durch den Einsatz von Wasserwerfern verhindert werden. Polizeibeamte räumten die Budapester Straße, um die Abfahrt der Busse mit den Gästefans zu ermöglichen. Die Busse wurden während der Fahrt vom Millerntorstadion in Richtung Millerntorplatz massiv mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen. Erneut mussten die Wasserwerfer eingesetzt werden. In dieser Phase wurden mehrere Personen in Gewahrsam und vorläufig festgenommen. Am späten Nachmittag wurden in der Silbersackstraße mehr als 20 Chemnitzer Fans in Gewahrsam genommen. Die Polizei war mit mehr als 500 Beamten im Einsatz. Zwei Polizeibeamte wurden leicht verletzt. An drei Gelenkbussen der Hamburger Hochbahn wurden mehrere Fensterscheiben beschädigt.“
Schwarzwerden im Knast
In Gewahrsam nehmen heißt in Hamburg, dass die Betroffenen in einem Massengefängnis bis zu 14 Tage, statt bisher 24 Stunden, festgehalten werden können. Das Polizeigesetz, das dies ermöglicht wurde im Juni 2005 wirksam. Kürzlich erst rügte die Anti-Folter-Kommission des Europäischen Rates die Freie und Hansestadt Hamburg wegen mangelnder Rechts- und Sicherheitsstandards in dem dortigen Knast.
Erlaubt sein wird zur Fußballweltmeisterschaft außerhalb der Stadien noch das Tragen von Waffen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, denn erst Anfang März 2006 beschloss der rechtslastige Hamburger Senat eine Änderung des Waffengesetzes, das erst in einem Jahr wirksam werden soll.
Innensenator Udo Nagel: „Hamburg geht mit der Bundesratsinitiative neue Wege in der Bekämpfung der Gewaltkriminalität. Im Zusammenhang mit den bereits initiierten Maßnahmen wie der Videoüberwachung, den lageabhängigen Kontrollen und der verstärkten Polizeipräsenz auf der Reeperbahn ist die angestrebte länderrechtliche Öffnungsklausel ein zusätzliches Instrument, um die Sicherheit für die Bürger und Touristen in den betroffenen Bereichen zu verbessern.“
Offenbar scheint die Karriere von Innensenator Nagel in Hamburg gegenwärtig von einem gravierenden Realitätsverlust getrübt zu werden.
In St. Pauli spricht man schon von den „Stasi-Kameras“. In der ehemaligen DDR wurden Bürger von der „Staatssicherheit“ total überwacht. Veranlasst hatte dies der Mörder Mielke, vermutlich aus Angst sogar in der DDR als Mörder gefasst zu werden. Für ihn war es ein Vorteil, dass ausgerechnet er zum obersten Dirigenten der Stasi geworden war. So konnte er eine Ermittlungsakte, die ihn als Mörder entlarvte, verschwinden lassen und im Panzerschrank seines Stasi-Büros aufbewahren.
In Hamburg sollen die Verhältnisse aber angeblich anders sein. Der Präses der Hamburger Behörde für Inneres (Innensenator), Udo Nagel, ist nicht der Chef der Stasi, auch wenn ihm dies einige Kritiker gerne nachsagen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist er auch kein Mörder, aber er kam aus München in die Hansestadt an der Elbe; für etliche Hamburger Schelme ein „kapitales Gebrechen“. Geboren wurde der Pfeifenraucher aber 1951 in Görlitz. Seine Karriere verlief, glaubt man seinem Lebenslauf, vorbildlich und gradlinig und zeigt, dass er sich mit aller Strenge der Verbrechensbekämpfung widmet.
Hamburgs Innensenator Udo Nagel geht, wie er meint, neue Wege in der Bekämpfung der Gewaltkriminalität
Keine Schwarzhörer mehr
Die Fußballweltmeisterschafft rückt stetig näher. Am 16. Februar 2006 nahm Innensenator Nagel schon mal ein Digitalfunknetz in Betrieb. Niemand, weder Fußballfan, Journalist noch Hardcore-Rundfunkhörer soll künftig hören, was Polizei und Feuerwehr untereinander funken.
Hamburg musste das Digitalfunknetz von einer Tochter der deutschen Telekom, der Firma T-Systems, mieten. Es wurde speziell zur Unterstützung von Nagels Sicherheitskräfte angeschafft. Sie werden laut Senatspressetext „in Zukunft abhörsicher miteinander kommunizieren, Daten blitzschnell übertragen und selbst mitten im lautesten Trubel Funksprüche ohne störende Nebengeräusche empfangen und senden können. Das Netz versorgt die einsatztaktischen Schwerpunktgebiete Arena, St. Pauli und die Innenstadt. Grundsätzlich erfolgen die Einsätze zur Fußball-Weltmeisterschaft mit der analogen Funktechnik. Das digitale „WM-Netz“ stellt für die Bewältigung der besonderen Herausforderungen, welche ein Großereignis wie die Fußballweltmeisterschaft für die Hamburger Sicherheitskräfte darstellt, eine wertvolle Ergänzung dar. So bietet die Digitalfunktechnik beispielsweise bei der Führung von Einsätzen, der Durchführung von Personenkontrollen und der Verkehrslenkung zusätzliche taktische Möglichkeiten.“
Schwarzseher?
Am 30. März 2006 stellte Innensenator seine „Peepshow“ vor: An 12 Standorten sind Videokameras installiert, die mittels Schwenk- und Zoomfunktionen jeden Winkel der Amüsiermeile filmen werden. In der Polizeidirektion wird das Material gesammelt und vier Wochen lang aufbewahrt.
Totalüberwachung der Reeperbahn? Angeblich können die Kameras zwischen "privat" und "öffentlich" unterscheiden. Laut Innenbehörde sollen die Bildschirme in der Zentrale schwarz und die Datenübertragung umgehend gestoppt werden, sobald z.B. ein „Wohnzimmerfenster“ ins Visier gerät. Es ist jedoch fraglich, ob zwischen den Privat- und Geschäftsräumen an der Reeperbahn unterschieden werden kann und dass die Polizisten vor ihrer Monitorwand nicht zu Spannern verkommen.
Innensenator Nagel begründete die Videoüberwachung mit Kriminalitätsprävention. Gewalttaten, vor allem im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenkonsum sollen so verhindert werden. Experten zweifeln an der Wirksamkeit von Nagels Konzept. So prognostiziert der Hamburger Kriminologe Stefan Czerwinski, die kriminellen Aktivitäten werden sich künftig auf andere Plätze verlagern.
Und so war es denn auch am 1. April 2006. Die Videoüberwachung auf der Reeperbahn und das digitale Funknetz der Polizei konnten nicht verhindern, dass es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans kam. Doch lesen Sie, wie es die Hamburger Polizeipressestelle schildert:
„Am Samstagnachmittag spielte der FC St. Pauli gegen den FC Chemnitz im Millerntorstadion. Sowohl vor, während als auch nach dem Spiel kam es zu Auseinandersetzungen. Dies führte zu 44 Ingewahrsamnahmen und 9 vorläufigen Festnahmen. Bereits auf der Anfahrt zum Spiel randalierten Chemnitzer Fans im Zug, sodass dieser in Harburg gestoppt werden musste. Danach haben Polizeikräfte die Fans in der Bahn über den Hauptbahnhof bis nach St. Pauli begleitet. Im Bereich des Hauptbahnhofes lieferten sich mehrere Chemnitzer Fans Schlägereien. Polizeibeamte haben dort 18 Personen in Gewahrsam genommen. Kurz nach Spielbeginn provozierten Chemnitzer Fans durch rechte Parolen. Dadurch fühlten sich St. Pauli Anhänger provoziert, die Stimmung unter den Fans wurde immer gereizter. Nachdem im Gästefanblock eine größere Fahne in Brand gesteckt und Böller gezündet worden waren, wurde das Spiel für fünf Minuten unterbrochen. Um weitere Störungen zu unterbinden, wurden Polizeikräfte im Gästeblock eingesetzt. Nach Spielende hielten Polizeibeamte die Chemnitzer Fans in der Südkurve zurück, bis die Anhänger des FC St. Pauli das Stadion verlassen hatten. Im Umfeld des Stadions wurden zahlreiche Störergruppen festgestellt. Daraufhin wurde entschieden, die Chemnitzer Fans mit Hochbahnbussen vom Stadion wegzufahren. Schon auf der Anfahrt zum Stadion wurden die Busse mit Flaschen beworfen und mit Leuchtkugeln beschossen. Im Bereich Budapester Straße/Clemens-Schulz-Straße hielten sich rund 500 Störer auf. Eine weitere Störergruppe von rund 250 Personen war im Bereich Budapester Straße in Höhe eines Fanlokals.
Die Störergruppen versuchten durch körperliche Angriffe und Flaschenwürfe die Absperrungen der Polizeikräfte in Richtung Millerntorstadion zu durchbrechen. Dies konnte durch starke Polizeikräfte und durch den Einsatz von Wasserwerfern verhindert werden. Polizeibeamte räumten die Budapester Straße, um die Abfahrt der Busse mit den Gästefans zu ermöglichen. Die Busse wurden während der Fahrt vom Millerntorstadion in Richtung Millerntorplatz massiv mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen. Erneut mussten die Wasserwerfer eingesetzt werden. In dieser Phase wurden mehrere Personen in Gewahrsam und vorläufig festgenommen. Am späten Nachmittag wurden in der Silbersackstraße mehr als 20 Chemnitzer Fans in Gewahrsam genommen. Die Polizei war mit mehr als 500 Beamten im Einsatz. Zwei Polizeibeamte wurden leicht verletzt. An drei Gelenkbussen der Hamburger Hochbahn wurden mehrere Fensterscheiben beschädigt.“
Schwarzwerden im Knast
In Gewahrsam nehmen heißt in Hamburg, dass die Betroffenen in einem Massengefängnis bis zu 14 Tage, statt bisher 24 Stunden, festgehalten werden können. Das Polizeigesetz, das dies ermöglicht wurde im Juni 2005 wirksam. Kürzlich erst rügte die Anti-Folter-Kommission des Europäischen Rates die Freie und Hansestadt Hamburg wegen mangelnder Rechts- und Sicherheitsstandards in dem dortigen Knast.
Erlaubt sein wird zur Fußballweltmeisterschaft außerhalb der Stadien noch das Tragen von Waffen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, denn erst Anfang März 2006 beschloss der rechtslastige Hamburger Senat eine Änderung des Waffengesetzes, das erst in einem Jahr wirksam werden soll.
Innensenator Udo Nagel: „Hamburg geht mit der Bundesratsinitiative neue Wege in der Bekämpfung der Gewaltkriminalität. Im Zusammenhang mit den bereits initiierten Maßnahmen wie der Videoüberwachung, den lageabhängigen Kontrollen und der verstärkten Polizeipräsenz auf der Reeperbahn ist die angestrebte länderrechtliche Öffnungsklausel ein zusätzliches Instrument, um die Sicherheit für die Bürger und Touristen in den betroffenen Bereichen zu verbessern.“
Offenbar scheint die Karriere von Innensenator Nagel in Hamburg gegenwärtig von einem gravierenden Realitätsverlust getrübt zu werden.
sfux - 4. Apr, 10:03 Article 4868x read