Jacques Chirac: "Der Planet ist krank"
Rede von Staatspräsident Jacques Chirac zur Eröffnung der Konferenz für eine globale Umweltordnung „Bürger der Erde“.
Paris, 2. Februar 2007
Jacques Chirac - Der Planet ist krank: Die Vielzahl von extremen Reaktionen, Orkane, Überschwemmungen, Dürren, sind die besten Symptome dafür, wenn ich so sagen darf. Die Natur ist krank: Die Artenvielfalt nimmt in einem alarmierenden Tempo ab. Wir haben den Beweis dafür, dass menschliches Tun diese Störungen mit sich bringt. Der Tag rückt näher, an dem die klimatischen Verwerfungen außer Kontrolle geraten: Wir stehen in der Tat an der historischen Schwelle des Unumkehrbaren.
Wie Professor Yves Coppens aufgezeigt hat, haben Klimaveränderungen dazu geführt, dass sich die Menschheit in ihrer afrikanischen Wiege entwickeln konnte. Heute könnte die rasante Beschleunigung des Klimawandels unser Verschwinden bewirken. Kulturen sind sterblich, und zwar nicht immer als Folge von Kriegen. Die übermäßige Ausbeutung von Rohstoffen hat zum Untergang der Mayas, der Wikinger in Grönland, der Polynesier auf den Pitcairn-Inseln und der Anasazi-Indianer geführt. Jede dieser hochentwickelten Kulturen lebte bis zum Schluss in Sorglosigkeit und Verblendung. Jede einzelne steht für die Verletzlichkeit des Menschen und für das, was das Schicksal der Menschheit sein könnte.
Seit Jahren kämpft Frankreich in den europäischen Institutionen, in der G8 und in allen internationalen Gremien um Aufmerksamkeit für die Dringlichkeit des Umweltschutzes. Von Rio über Kyoto bis Johannesburg ist die Staatengemeinschaft zwar aktiv geworden und hat sich mit Instrumenten, Konventionen und Institutionen ausgestattet. Aber wir müssen wesentlich schneller dafür sorgen, ein entsprechendes Bewusstsein zu entwickeln, und wir müssen entschieden mehr tun. Deshalb wollte ich diese Konferenz von Paris für eine ökologische Weltordnung. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass Sie heute hier sind, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihr Kommen.
Wir sind, und zwar zu Recht, stolz auf unsere Intelligenz und unsere technischen Meisterleistungen. Doch haben wir in wenigen Jahrhunderten Ressourcen verbrannt, die hunderte Millionen Jahre zu ihrer Entstehung brauchten. Wir zerstören Ökosysteme, die einer für immer verlorenen biologischen Vielfalt Schutz bot und machen damit zunichte, was für unsere Zukunft unverzichtbar ist. Wir wissen das alles. Warum ergreifen wir dann nicht die zwingend notwendigen Maßnahmen? Weil wir in einem schuldhaften Egoismus verfangen sind und uns weigern, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Weil wir nicht in der Lage sind, uns von überkommenden Denkweisen und einer aus dem 19. Jahrhundert übernommenen Wirtschaftsstruktur freizumachen. Weil unsere internationale politische Ordnung für die lebenswichtige Herausforderung des 21. Jahrhunderts, nämlich die ökologische Herausforderung, ungeeignet ist.
Angesichts der Dringlichkeit ist die Zeit der Halbheiten vorbei. Jetzt ist es Zeit für eine Revolution im eigentlichen Sinn des Wortes. Die Revolution des Bewusstseins. Die Revolution der Wirtschaft. Die Revolution des politischen Handelns.
Die Revolution des Bewusstseins. Der Mensch darf sich nicht mehr nur als „Herr und Besitzer der Natur“ verstehen. Ein solches Verständnis, das in früheren Zeiten notwendig war, um der Idee des Fortschritts zum Sieg zu verhelfen, führt uns heute an den Rand des Abgrunds. Wir müssen ein neues Stadium des menschlichen Bewusstseins erlangen: Unsere Intelligenz muss dem Schutz des Planeten gelten. Wir müssen lernen, ein harmonisches Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu pflegen. Ein neues und notwendiges Verhältnis.
Unsere Verantwortung für die Erde ist nicht zu trennen von unserer Verantwortung für die Menschheit: Die ökologischen Erfordernisse eröffnen ein neues Kapitel der Menschenrechte. Wir müssen ein neues Grundrecht bekräftigen und durchsetzen: Das Recht auf eine gesunde und geschützte Umwelt. Das ist es, was unter humanistischer Ökologie zu verstehen ist.
Die Revolution der Kultur. Sie erfolgt über die Umwelterziehung aller, insbesondere der Jüngsten. Damit wir alle „Bürger der Erde“ werden, sollten wir in den Vereinten Nationen eine allgemeine Erklärung der Umweltrechte und -pflichten verabschieden: Sie wäre Ausdruck einer gemeinsamen Umweltethik, die sich sowohl auf das öffentliche Handeln als auch auf unser individuelles Tun auswirken würde. Frankreich hat als erstes Land seiner Verfassung eine Umweltcharta hinzugefügt. Ich wünsche mir, dass diese Initiative die UNO anregt und dass jeder Staat den Schutz der Umwelt in seine Grundlagentexte aufnimmt.
Die Revolution des Bewusstseins wird eine Revolution der Wirtschaft möglich machen. In einer Welt, in der mehr als 800 Millionen Männer, Frauen und Kinder Hunger leiden, wird die Antwort auf die ökologische Herausforderung nicht „Nullwachstum“ heißen können. Das Streben der Völker nach einem besseren Leben ist legitim: Es muss unsere Politik leiten. Aber der Planet wird nicht lange ein Wachstum, wie wir es betreiben, aushalten. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, müssen wir ein anderes Wachstum erfinden.
Eine neue industrielle Revolution liegt vor uns, nämlich die der nachhaltigen Entwicklung. Sie erfolgt über den radikalen Wandel unserer Produktionsmethoden und unseres Konsumverhaltens: Bewahrung der natürlichen Ressourcen und des natürlichen Umfelds; Einschränkung der Umweltverschmutzung; Einbeziehung der Umweltqualität in die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung; angemessene Bewertung der natürlichen Rohstoffe. Die Unternehmen müssen ihre Verantwortung für die Umwelt übernehmen. Und wir müssen technologische Durchbrüche fördern: Wir müssen Energien ohne Treibhausgas entwickeln; für Heizung und Strom die Sonnenenergie nutzen; Wärme aus Bioenergie statt aus Öl gewinnen; mehr Strom sparen durch Gebäude, die keine Energie verbrauchen, sondern erzeugen; wir brauchen saubere Autos und Lastwagen; und wir müssen bei der CO2-Abscheidung und -Lagerung für die Stromerzeugung sowie für die Zement- und Stahlproduktion Fortschritte machen.
Diese neue Ära verspricht ein besseres Leben für alle. Die innovativsten und umweltgerechtesten Volkswirtschaften werden morgen die stärksten Volkswirtschaften sein. Dafür brauchen wir jedoch klare und loyale Wettbewerbsregeln. Entweder beschäftigt sich die Staatengemeinschaft damit, oder wir erleben den „ökologischen Krieg“.
Die Anstrengungen müssen gerecht verteilt sein. Die Länder des Nordens haben als erste ihren Reichtum auf der massiven Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe aufgebaut. Sie müssen ihre Verantwortung übernehmen und in einem abgestimmten Rahmen umweltgerechte Produktionsregeln und Normen einhalten. Darum geht es bei den Verhandlungen über die Bekämpfung des Klimawandels im Rahmen der UN-Konvention zur Zukunft des Kyoto-Protokolls, die vor 2009 Ergebnisse bringen sollen. Mit der Verpflichtung, auf Initiative Frankreichs und Großbritanniens und mit Unterstützung der Kommission, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf ein Viertel zu senken, weist die Europäische Union den Weg.
Die Schwellenländer haben viele Vorteile. Sie verfügen über ein reiches natürliches Erbe. Sie müssen dazu angehalten werden, dieses Erbe zu schützen und die neue Verantwortung zu übernehmen, die ihnen zufällt. Das ist die andere Herausforderung für die Nach-Kyoto-Zeit. Die Verfügbarkeit der „grünen“ Technologien macht es ihnen möglich, schneller als die alten Industrienationen zur Wirtschaft der nachhaltigen Entwicklung zu gelangen.
Was die armen Länder betrifft, so müssen wir ihnen helfen, sich zu entwickeln und dabei die Umwelt zu achten und sich vor den katastrophalen Folgen der Erderwärmung zu schützen, an denen sie nicht ganz unschuldig sind. Ich denke an die Inseln, die durch den Anstieg des Meeresspiegels gefährdet sind, oder auch an Länder wie in der Sahelzone, die von Dürren dramatischen Ausmaßes betroffen sein werden.
Wir müssen die Bekämpfung der Armut und die ökologische Revolution miteinander zu verbinden wissen und dazu neu über den Begriff des gemeinsamen Erbes der Menschheit nachdenken. Über innovative Finanzierungen, wie die internationale CO2-Steuer, könnten Entwicklungsländer, die dabei mitmachen, sich die Mittel verschaffen, um die ökologischen Schätze, über die sie verfügen, wie Urwälder, zum Wohle aller zu bewahren und von vornherein auf saubere Technologien zu setzen. Der Erfolg des Solidaritätsbeitrags auf Flugtickets für die Bekämpfung der großen Pandemien gibt uns ein Beispiel, das weitergeführt werden muss und zeigt uns, was getan werden muss.
Die Revolution in den Köpfen bliebe aber fruchtlos und die wirtschaftliche Revolution würde behindert, wenn nicht gleichzeitig eine politische Revolution erfolgen würde. Sie ist auf dem Weg: Dank den Vereinen und Initiativen, dank der Mitwirkung der Bürger, dank der zunehmenden Mobilisierung der gewählten Vertreter wirkt sich das Umweltgebot zunehmend auf lokale und nationale Politikbereiche aus. Dieser Kampf wird jedoch auf globaler Ebene geführt: Die ökologische Krise kennt keine Grenzen. Dafür fehlt unserem Handeln allerdings noch zu häufig Kohärenz.
Wir müssen eine globale Umweltordnung entwickeln. Auch in diesem Bereich führt Einseitigkeit in die Sackgasse. So wie Multilateralismus die Voraussetzung für den Frieden ist, so ist er auch der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung. Das UN-Umweltprogramm ist ein bemerkenswertes Programm, das ich an dieser Stelle würdigen möchte. Aber es hat nicht genügend Macht und institutionelles Gewicht. Unser Ziel muss sein, dieses Programm in eine vollwertige Organisation der Vereinten Nationen umzuwandeln. Diese UN-Umweltorganisation wird das Umweltgewissen der Welt sein. Sie wird eine unparteiische und wissenschaftliche Bewertung der Gefahren vornehmen. Ausgestattet mit einem politischen Mandat wird sie legitimiert sein, die gemeinsam getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Sie wird unserem gemeinsamen Handeln mehr Kraft und mehr Kohärenz verleihen.
Mit unserer Konferenz wollen wir alle Bürger und alle Gesellschaftskreise mobilisieren und eine Gruppe von Pionierländern bilden, die bereit ist, dieses Projekt einer UN-Umweltorganisation zu unterstützen, damit wir die Länder überzeugen können, die noch zögern.
Sie alle, die Sie hier sind, Vertreter von Staaten und internationalen Organisationen, namhafte Wissenschaftler, Verantwortliche aus Nichtregierungsorganisationen, Unternehmer, engagierte Bürger, Sie sind die Speerspitze einer globalen Umweltbewegung. Sie werden durch Ihre Debatten und Ihre Arbeit zur Mobilisierung der internationalen Verantwortungsträger und der internationalen Öffentlichkeit beitragen, eine Mobilisierung, die wir mehr denn je dringend notwendig brauchen. Ihnen allen möchte ich meine Wertschätzung, meinen Respekt und vor allem meinen Dank aussprechen.
Vielen Dank.
Diese Rede wurde übersetzt und herausgegeben von der Französischen Botschaft in Berlin
Paris, 2. Februar 2007
Jacques Chirac - Der Planet ist krank: Die Vielzahl von extremen Reaktionen, Orkane, Überschwemmungen, Dürren, sind die besten Symptome dafür, wenn ich so sagen darf. Die Natur ist krank: Die Artenvielfalt nimmt in einem alarmierenden Tempo ab. Wir haben den Beweis dafür, dass menschliches Tun diese Störungen mit sich bringt. Der Tag rückt näher, an dem die klimatischen Verwerfungen außer Kontrolle geraten: Wir stehen in der Tat an der historischen Schwelle des Unumkehrbaren.
Wie Professor Yves Coppens aufgezeigt hat, haben Klimaveränderungen dazu geführt, dass sich die Menschheit in ihrer afrikanischen Wiege entwickeln konnte. Heute könnte die rasante Beschleunigung des Klimawandels unser Verschwinden bewirken. Kulturen sind sterblich, und zwar nicht immer als Folge von Kriegen. Die übermäßige Ausbeutung von Rohstoffen hat zum Untergang der Mayas, der Wikinger in Grönland, der Polynesier auf den Pitcairn-Inseln und der Anasazi-Indianer geführt. Jede dieser hochentwickelten Kulturen lebte bis zum Schluss in Sorglosigkeit und Verblendung. Jede einzelne steht für die Verletzlichkeit des Menschen und für das, was das Schicksal der Menschheit sein könnte.
Seit Jahren kämpft Frankreich in den europäischen Institutionen, in der G8 und in allen internationalen Gremien um Aufmerksamkeit für die Dringlichkeit des Umweltschutzes. Von Rio über Kyoto bis Johannesburg ist die Staatengemeinschaft zwar aktiv geworden und hat sich mit Instrumenten, Konventionen und Institutionen ausgestattet. Aber wir müssen wesentlich schneller dafür sorgen, ein entsprechendes Bewusstsein zu entwickeln, und wir müssen entschieden mehr tun. Deshalb wollte ich diese Konferenz von Paris für eine ökologische Weltordnung. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass Sie heute hier sind, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihr Kommen.
Wir sind, und zwar zu Recht, stolz auf unsere Intelligenz und unsere technischen Meisterleistungen. Doch haben wir in wenigen Jahrhunderten Ressourcen verbrannt, die hunderte Millionen Jahre zu ihrer Entstehung brauchten. Wir zerstören Ökosysteme, die einer für immer verlorenen biologischen Vielfalt Schutz bot und machen damit zunichte, was für unsere Zukunft unverzichtbar ist. Wir wissen das alles. Warum ergreifen wir dann nicht die zwingend notwendigen Maßnahmen? Weil wir in einem schuldhaften Egoismus verfangen sind und uns weigern, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Weil wir nicht in der Lage sind, uns von überkommenden Denkweisen und einer aus dem 19. Jahrhundert übernommenen Wirtschaftsstruktur freizumachen. Weil unsere internationale politische Ordnung für die lebenswichtige Herausforderung des 21. Jahrhunderts, nämlich die ökologische Herausforderung, ungeeignet ist.
Angesichts der Dringlichkeit ist die Zeit der Halbheiten vorbei. Jetzt ist es Zeit für eine Revolution im eigentlichen Sinn des Wortes. Die Revolution des Bewusstseins. Die Revolution der Wirtschaft. Die Revolution des politischen Handelns.
Die Revolution des Bewusstseins. Der Mensch darf sich nicht mehr nur als „Herr und Besitzer der Natur“ verstehen. Ein solches Verständnis, das in früheren Zeiten notwendig war, um der Idee des Fortschritts zum Sieg zu verhelfen, führt uns heute an den Rand des Abgrunds. Wir müssen ein neues Stadium des menschlichen Bewusstseins erlangen: Unsere Intelligenz muss dem Schutz des Planeten gelten. Wir müssen lernen, ein harmonisches Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu pflegen. Ein neues und notwendiges Verhältnis.
Unsere Verantwortung für die Erde ist nicht zu trennen von unserer Verantwortung für die Menschheit: Die ökologischen Erfordernisse eröffnen ein neues Kapitel der Menschenrechte. Wir müssen ein neues Grundrecht bekräftigen und durchsetzen: Das Recht auf eine gesunde und geschützte Umwelt. Das ist es, was unter humanistischer Ökologie zu verstehen ist.
Die Revolution der Kultur. Sie erfolgt über die Umwelterziehung aller, insbesondere der Jüngsten. Damit wir alle „Bürger der Erde“ werden, sollten wir in den Vereinten Nationen eine allgemeine Erklärung der Umweltrechte und -pflichten verabschieden: Sie wäre Ausdruck einer gemeinsamen Umweltethik, die sich sowohl auf das öffentliche Handeln als auch auf unser individuelles Tun auswirken würde. Frankreich hat als erstes Land seiner Verfassung eine Umweltcharta hinzugefügt. Ich wünsche mir, dass diese Initiative die UNO anregt und dass jeder Staat den Schutz der Umwelt in seine Grundlagentexte aufnimmt.
Die Revolution des Bewusstseins wird eine Revolution der Wirtschaft möglich machen. In einer Welt, in der mehr als 800 Millionen Männer, Frauen und Kinder Hunger leiden, wird die Antwort auf die ökologische Herausforderung nicht „Nullwachstum“ heißen können. Das Streben der Völker nach einem besseren Leben ist legitim: Es muss unsere Politik leiten. Aber der Planet wird nicht lange ein Wachstum, wie wir es betreiben, aushalten. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, müssen wir ein anderes Wachstum erfinden.
Eine neue industrielle Revolution liegt vor uns, nämlich die der nachhaltigen Entwicklung. Sie erfolgt über den radikalen Wandel unserer Produktionsmethoden und unseres Konsumverhaltens: Bewahrung der natürlichen Ressourcen und des natürlichen Umfelds; Einschränkung der Umweltverschmutzung; Einbeziehung der Umweltqualität in die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung; angemessene Bewertung der natürlichen Rohstoffe. Die Unternehmen müssen ihre Verantwortung für die Umwelt übernehmen. Und wir müssen technologische Durchbrüche fördern: Wir müssen Energien ohne Treibhausgas entwickeln; für Heizung und Strom die Sonnenenergie nutzen; Wärme aus Bioenergie statt aus Öl gewinnen; mehr Strom sparen durch Gebäude, die keine Energie verbrauchen, sondern erzeugen; wir brauchen saubere Autos und Lastwagen; und wir müssen bei der CO2-Abscheidung und -Lagerung für die Stromerzeugung sowie für die Zement- und Stahlproduktion Fortschritte machen.
Diese neue Ära verspricht ein besseres Leben für alle. Die innovativsten und umweltgerechtesten Volkswirtschaften werden morgen die stärksten Volkswirtschaften sein. Dafür brauchen wir jedoch klare und loyale Wettbewerbsregeln. Entweder beschäftigt sich die Staatengemeinschaft damit, oder wir erleben den „ökologischen Krieg“.
Die Anstrengungen müssen gerecht verteilt sein. Die Länder des Nordens haben als erste ihren Reichtum auf der massiven Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe aufgebaut. Sie müssen ihre Verantwortung übernehmen und in einem abgestimmten Rahmen umweltgerechte Produktionsregeln und Normen einhalten. Darum geht es bei den Verhandlungen über die Bekämpfung des Klimawandels im Rahmen der UN-Konvention zur Zukunft des Kyoto-Protokolls, die vor 2009 Ergebnisse bringen sollen. Mit der Verpflichtung, auf Initiative Frankreichs und Großbritanniens und mit Unterstützung der Kommission, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf ein Viertel zu senken, weist die Europäische Union den Weg.
Die Schwellenländer haben viele Vorteile. Sie verfügen über ein reiches natürliches Erbe. Sie müssen dazu angehalten werden, dieses Erbe zu schützen und die neue Verantwortung zu übernehmen, die ihnen zufällt. Das ist die andere Herausforderung für die Nach-Kyoto-Zeit. Die Verfügbarkeit der „grünen“ Technologien macht es ihnen möglich, schneller als die alten Industrienationen zur Wirtschaft der nachhaltigen Entwicklung zu gelangen.
Was die armen Länder betrifft, so müssen wir ihnen helfen, sich zu entwickeln und dabei die Umwelt zu achten und sich vor den katastrophalen Folgen der Erderwärmung zu schützen, an denen sie nicht ganz unschuldig sind. Ich denke an die Inseln, die durch den Anstieg des Meeresspiegels gefährdet sind, oder auch an Länder wie in der Sahelzone, die von Dürren dramatischen Ausmaßes betroffen sein werden.
Wir müssen die Bekämpfung der Armut und die ökologische Revolution miteinander zu verbinden wissen und dazu neu über den Begriff des gemeinsamen Erbes der Menschheit nachdenken. Über innovative Finanzierungen, wie die internationale CO2-Steuer, könnten Entwicklungsländer, die dabei mitmachen, sich die Mittel verschaffen, um die ökologischen Schätze, über die sie verfügen, wie Urwälder, zum Wohle aller zu bewahren und von vornherein auf saubere Technologien zu setzen. Der Erfolg des Solidaritätsbeitrags auf Flugtickets für die Bekämpfung der großen Pandemien gibt uns ein Beispiel, das weitergeführt werden muss und zeigt uns, was getan werden muss.
Die Revolution in den Köpfen bliebe aber fruchtlos und die wirtschaftliche Revolution würde behindert, wenn nicht gleichzeitig eine politische Revolution erfolgen würde. Sie ist auf dem Weg: Dank den Vereinen und Initiativen, dank der Mitwirkung der Bürger, dank der zunehmenden Mobilisierung der gewählten Vertreter wirkt sich das Umweltgebot zunehmend auf lokale und nationale Politikbereiche aus. Dieser Kampf wird jedoch auf globaler Ebene geführt: Die ökologische Krise kennt keine Grenzen. Dafür fehlt unserem Handeln allerdings noch zu häufig Kohärenz.
Wir müssen eine globale Umweltordnung entwickeln. Auch in diesem Bereich führt Einseitigkeit in die Sackgasse. So wie Multilateralismus die Voraussetzung für den Frieden ist, so ist er auch der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung. Das UN-Umweltprogramm ist ein bemerkenswertes Programm, das ich an dieser Stelle würdigen möchte. Aber es hat nicht genügend Macht und institutionelles Gewicht. Unser Ziel muss sein, dieses Programm in eine vollwertige Organisation der Vereinten Nationen umzuwandeln. Diese UN-Umweltorganisation wird das Umweltgewissen der Welt sein. Sie wird eine unparteiische und wissenschaftliche Bewertung der Gefahren vornehmen. Ausgestattet mit einem politischen Mandat wird sie legitimiert sein, die gemeinsam getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Sie wird unserem gemeinsamen Handeln mehr Kraft und mehr Kohärenz verleihen.
Mit unserer Konferenz wollen wir alle Bürger und alle Gesellschaftskreise mobilisieren und eine Gruppe von Pionierländern bilden, die bereit ist, dieses Projekt einer UN-Umweltorganisation zu unterstützen, damit wir die Länder überzeugen können, die noch zögern.
Sie alle, die Sie hier sind, Vertreter von Staaten und internationalen Organisationen, namhafte Wissenschaftler, Verantwortliche aus Nichtregierungsorganisationen, Unternehmer, engagierte Bürger, Sie sind die Speerspitze einer globalen Umweltbewegung. Sie werden durch Ihre Debatten und Ihre Arbeit zur Mobilisierung der internationalen Verantwortungsträger und der internationalen Öffentlichkeit beitragen, eine Mobilisierung, die wir mehr denn je dringend notwendig brauchen. Ihnen allen möchte ich meine Wertschätzung, meinen Respekt und vor allem meinen Dank aussprechen.
Vielen Dank.
Diese Rede wurde übersetzt und herausgegeben von der Französischen Botschaft in Berlin
onlineredaktion - 6. Feb, 20:00 Article 6144x read