Die Macht der reichen G8 - Ohnmacht für den armen Rest der Welt
Michael Schulze von Glaßer – Vom 6. – 8. Juni 2007 trifft sich die Gruppe der Acht (kurz G8) im Ostseebad Heiligendamm nahe Rostock. Die G8, das sind die Staats- und Regierungs-Chefs der Acht größten Industrienationen. Zu der elitären Gruppe gehören mittlerweile Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland und den USA. Gegründet wurde das auch als Weltwirtschaftsgipfel bekannte Forum 1975 im französischen Rambouillet mit nur sechs Mitgliedern (G6 genannt). Hinzu kam nach kurzer Zeit noch Kanada, das die Gruppe auf sieben Mitglieder anwachsen ließ (die so genannten G7). Russland wurde erst 1998 in die Gruppe aufgenommen, die daraufhin G8 genannt wurde. Jedoch ist Russland im Gegensatz zu den anderen Staaten kein vollständiges Mitglied der Gruppe, weil das große Land weniger wegen seiner Wirtschaft als viel mehr wegen seiner geostrategischen Lage und seinen Rohstoffen wichtig für die Weltwirtschaft ist. Die Hauptakteure sind auch bei diesem Treffen die G7-Staaten.
Die G7 beziehungsweise G8 sind keine eigenständige Organisation, haben jedoch sehr viel Einfluss auf internationale Institutionen wie die Weltbank, den Internationalen Währungsfond und die Welthandelsorganisation. Mit ihrer Macht regieren die G8 die Welt. Auf den jährlichen Treffen, von denen nie ein Protokoll veröffentlicht wird, sollen die Staats- und Regierungschefs Handelssanktionen vereinbaren und über andere wirtschaftliche Vereinbarungen diskutieren.
Die Politik der G8-Staaten führte in der Vergangenheit zu massiven Protesten bei den Treffen dieser „Weltregierung“:
1985 Bonn: 20.000 Demonstranten;
1989 Paris: 100.000 Demonstranten;
1999 Köln: 30.000 Demonstranten (auch wegen des Kosovo-Krieges);
2001 Genua: 250.000 Demonstranten (Höhepunkt der Anti-G8 Bewegung); der 23-jährige Carlo Giuliani wurde bei einer Anti-G8 Demonstration von der italienischen Polizei erschossen;
2003 Evian: 100.000 Demonstranten;
2005 Gleneagles: 220.000 Demonstranten (auch wegen der „Live Aid“-Konzerte);
2006 St. Petersburg: Wenig Protest wegen Abschreckung/Repression seitens der Polizei.
Agenda Ausbeutung
Die deutsche G8-Präsidentschaft 2007 hat sich viel für das diesjährige Treffen vorgenommen. Das von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entworfene vertrauliche Programm wurde jüngst auch vom Bundeskabinett abgesegnet:
„‘Wachstum und Verantwortung‘ - dieses Leitmotiv beschreibt die deutsche G8-Präsidentschaft 2007. Die Ausgestaltung der globalisierten Weltwirtschaft und die Entwicklung Afrikas stehen im Mittelpunkt des Gipfels in Heiligendamm.“
Wie so oft versteckt sich hinter den beschönigenden Sätzen weit mehr als die einzelnen Worte vermuten lassen. Was meint die Bundeskanzlerin und gleichzeitige Präsidentin der G8 (seit dem 1.Januar 2007) mit „Wachstum und Verantwortung“? Glücklicherweise finden sich auf der offiziellen Homepage der deutschen G8-Präsidentschaft genauere: Ein Ziel des diesjährigen G8-Gipfels - der übrigens vom 6. bis Juni 2007 im Ostseebad Heiligendamm in der Nähe von Rostock stattfinden soll – sei „die Stabilisierung globaler Handels- und Finanzbeziehungen“, so heißt es da.
Das Treffen der acht Regierungschefs (G8) soll „Neue Impulse beim Austausch über Strategien zum Abbau der globalen Ungleichgewichte“ geben. Doch dieser viel versprechende Satz bedeutet keinen Schuldenerlass für die armen Länder des Südens, die immerhin 2.000 Milliarden Dollar Schulden haben. Der Satz bedeutet auch nicht, den Hunger und die gefährlichen Krankheiten in südlichen Ländern zu bekämpfen; ebenso wenig wie die Umverteilung von Kapital aus den reichen in die armen Länder, um diesen zu helfen. Doch was verstehen die G8 und was versteht Bundeskanzlerin und G8-Präsidentin Angela Merkel, wohl unter „globalem Ungleichgewicht“? Immerhin verhungert alle 5 Minuten (meist in südlichen Ländern) ein Kind, in derselben Zeit werden in den Industrieländern 12 Tonnen Lebensmittel vernichtet, 1 Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser und 10 Millionen Kinder sterben jährlich an heilbaren Krankheiten.
“Leistungsbilanzdefizit in den USA, unzureichende Binnendynamik in Europa und Japan und das Anwachsen der Währungsreserven in Asien“
Was sollten die G8 sonst auch unter „globalem Ungleichgewicht“ verstehen? Immerhin handelt es sich um die sieben der reichsten und mächtigsten Nationen der Welt und dem geostrategisch wichtigen und Ressourcen reichen Russland. Die G8 erwirtschaften zusammen etwa 63 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und bündeln einen Großteil des weltweiten Kapitals.
Dagegen haben die G7 am Welthandel einen Anteil von etwa 42 Prozent! Durch internationale Institutionen wie den Internationale Währungsfond (IWF), die Welthandelsorganisation (WTO) und die Weltbank, an denen die G7-Staaten großen Einfluss haben, regieren sie die Welt. Mit ihrer Macht treibt die Gruppe der sieben beziehungsweise acht Staaten ihre neoliberale Politik voran und propagiert die neoliberale Marktwirtschaft selbst in den ärmsten Ländern der Welt. Dies lässt sich am besten an der Ausweitung von Freihandelszonen festmachen, die von den G8 Staaten propagiert werden. So versuchen vor allem die europäischen G8 schon jahrelang eine Freihandelszone in Nord-Afrika einzurichten.
Auf der Agenda des G8-Gipfels 2007 stehen noch weitere interessante Punkte. So soll es zu einem „Austausch über Maßnahmen zur Verbesserung der systemischen Stabilität und Transparenz der Finanz- und Kapitalmärkte“ kommen. Werden die Regierungschefs merken wie undurchsichtig ihre Staaten sind?
Das Stichwort „Transparenz“ ist im Zusammenhang mit den G8 sehr heikel. Die Öffentlichkeit wird über die genauen Inhalte der Sitzungen nicht informiert, auch ein Protokoll gelangt nicht an die Öffentlichkeit, womit die Treffen dem Handeln totalitärer Systeme gleich; von den Machenschaften krimineller Vereinigungen einmal abgesehen. Von den Staats- und Regierungschefs wird am Ende eines jeden Gipfels nur eine kurze Abschlusserklärung in die Meute der wartenden Journalisten geworfen. Ob jener Text den Inhalt des Treffens wiedergibt, darf bezweifelt werden und jedes primushafte Geschwafel darüber ist damit als rein spekulativ zu werten.
Wie viel Vertrauen schenken wir also noch den Politikern?
Ein Bekenntnis zur „Investitionsfreiheit in Industrie- und Schwellenländern“ dürfte bei den Staaten der G8 kein Problem sein. Die Agenda des Gipfels sieht auch eine Thematisierung für weltweite Investitionsbedingungen vor. Das Ergebnis scheint jedoch schon vorher festzustehen – weltweiter Freihandel ohne Ausnahmen.
Ob dies auch in der Abschlusserklärung stehen wird?
Außerdem soll es, laut Agenda, bei dem Gipfel um Innovationen und Patente sowie den Klimawandel und den nachhaltigen Umgang von Ressourcen gehen. Was die Gruppe der Acht bei ihrem Gipfel in Heiligendamm aber verabreden wird, erfährt die Öffentlichkeit wohl erst, wenn deren Beschlüsse längst realisiert werden.
Fortsetzung folgt
© Copyright by Michael Schulze von Glaßer
Die G7 beziehungsweise G8 sind keine eigenständige Organisation, haben jedoch sehr viel Einfluss auf internationale Institutionen wie die Weltbank, den Internationalen Währungsfond und die Welthandelsorganisation. Mit ihrer Macht regieren die G8 die Welt. Auf den jährlichen Treffen, von denen nie ein Protokoll veröffentlicht wird, sollen die Staats- und Regierungschefs Handelssanktionen vereinbaren und über andere wirtschaftliche Vereinbarungen diskutieren.
Die Politik der G8-Staaten führte in der Vergangenheit zu massiven Protesten bei den Treffen dieser „Weltregierung“:
1985 Bonn: 20.000 Demonstranten;
1989 Paris: 100.000 Demonstranten;
1999 Köln: 30.000 Demonstranten (auch wegen des Kosovo-Krieges);
2001 Genua: 250.000 Demonstranten (Höhepunkt der Anti-G8 Bewegung); der 23-jährige Carlo Giuliani wurde bei einer Anti-G8 Demonstration von der italienischen Polizei erschossen;
2003 Evian: 100.000 Demonstranten;
2005 Gleneagles: 220.000 Demonstranten (auch wegen der „Live Aid“-Konzerte);
2006 St. Petersburg: Wenig Protest wegen Abschreckung/Repression seitens der Polizei.
Agenda Ausbeutung
Die deutsche G8-Präsidentschaft 2007 hat sich viel für das diesjährige Treffen vorgenommen. Das von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entworfene vertrauliche Programm wurde jüngst auch vom Bundeskabinett abgesegnet:
„‘Wachstum und Verantwortung‘ - dieses Leitmotiv beschreibt die deutsche G8-Präsidentschaft 2007. Die Ausgestaltung der globalisierten Weltwirtschaft und die Entwicklung Afrikas stehen im Mittelpunkt des Gipfels in Heiligendamm.“
Wie so oft versteckt sich hinter den beschönigenden Sätzen weit mehr als die einzelnen Worte vermuten lassen. Was meint die Bundeskanzlerin und gleichzeitige Präsidentin der G8 (seit dem 1.Januar 2007) mit „Wachstum und Verantwortung“? Glücklicherweise finden sich auf der offiziellen Homepage der deutschen G8-Präsidentschaft genauere: Ein Ziel des diesjährigen G8-Gipfels - der übrigens vom 6. bis Juni 2007 im Ostseebad Heiligendamm in der Nähe von Rostock stattfinden soll – sei „die Stabilisierung globaler Handels- und Finanzbeziehungen“, so heißt es da.
Das Treffen der acht Regierungschefs (G8) soll „Neue Impulse beim Austausch über Strategien zum Abbau der globalen Ungleichgewichte“ geben. Doch dieser viel versprechende Satz bedeutet keinen Schuldenerlass für die armen Länder des Südens, die immerhin 2.000 Milliarden Dollar Schulden haben. Der Satz bedeutet auch nicht, den Hunger und die gefährlichen Krankheiten in südlichen Ländern zu bekämpfen; ebenso wenig wie die Umverteilung von Kapital aus den reichen in die armen Länder, um diesen zu helfen. Doch was verstehen die G8 und was versteht Bundeskanzlerin und G8-Präsidentin Angela Merkel, wohl unter „globalem Ungleichgewicht“? Immerhin verhungert alle 5 Minuten (meist in südlichen Ländern) ein Kind, in derselben Zeit werden in den Industrieländern 12 Tonnen Lebensmittel vernichtet, 1 Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser und 10 Millionen Kinder sterben jährlich an heilbaren Krankheiten.
“Leistungsbilanzdefizit in den USA, unzureichende Binnendynamik in Europa und Japan und das Anwachsen der Währungsreserven in Asien“
Was sollten die G8 sonst auch unter „globalem Ungleichgewicht“ verstehen? Immerhin handelt es sich um die sieben der reichsten und mächtigsten Nationen der Welt und dem geostrategisch wichtigen und Ressourcen reichen Russland. Die G8 erwirtschaften zusammen etwa 63 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und bündeln einen Großteil des weltweiten Kapitals.
Dagegen haben die G7 am Welthandel einen Anteil von etwa 42 Prozent! Durch internationale Institutionen wie den Internationale Währungsfond (IWF), die Welthandelsorganisation (WTO) und die Weltbank, an denen die G7-Staaten großen Einfluss haben, regieren sie die Welt. Mit ihrer Macht treibt die Gruppe der sieben beziehungsweise acht Staaten ihre neoliberale Politik voran und propagiert die neoliberale Marktwirtschaft selbst in den ärmsten Ländern der Welt. Dies lässt sich am besten an der Ausweitung von Freihandelszonen festmachen, die von den G8 Staaten propagiert werden. So versuchen vor allem die europäischen G8 schon jahrelang eine Freihandelszone in Nord-Afrika einzurichten.
Auf der Agenda des G8-Gipfels 2007 stehen noch weitere interessante Punkte. So soll es zu einem „Austausch über Maßnahmen zur Verbesserung der systemischen Stabilität und Transparenz der Finanz- und Kapitalmärkte“ kommen. Werden die Regierungschefs merken wie undurchsichtig ihre Staaten sind?
Das Stichwort „Transparenz“ ist im Zusammenhang mit den G8 sehr heikel. Die Öffentlichkeit wird über die genauen Inhalte der Sitzungen nicht informiert, auch ein Protokoll gelangt nicht an die Öffentlichkeit, womit die Treffen dem Handeln totalitärer Systeme gleich; von den Machenschaften krimineller Vereinigungen einmal abgesehen. Von den Staats- und Regierungschefs wird am Ende eines jeden Gipfels nur eine kurze Abschlusserklärung in die Meute der wartenden Journalisten geworfen. Ob jener Text den Inhalt des Treffens wiedergibt, darf bezweifelt werden und jedes primushafte Geschwafel darüber ist damit als rein spekulativ zu werten.
Wie viel Vertrauen schenken wir also noch den Politikern?
Ein Bekenntnis zur „Investitionsfreiheit in Industrie- und Schwellenländern“ dürfte bei den Staaten der G8 kein Problem sein. Die Agenda des Gipfels sieht auch eine Thematisierung für weltweite Investitionsbedingungen vor. Das Ergebnis scheint jedoch schon vorher festzustehen – weltweiter Freihandel ohne Ausnahmen.
Ob dies auch in der Abschlusserklärung stehen wird?
Außerdem soll es, laut Agenda, bei dem Gipfel um Innovationen und Patente sowie den Klimawandel und den nachhaltigen Umgang von Ressourcen gehen. Was die Gruppe der Acht bei ihrem Gipfel in Heiligendamm aber verabreden wird, erfährt die Öffentlichkeit wohl erst, wenn deren Beschlüsse längst realisiert werden.
Fortsetzung folgt
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onlineredaktion - 20. Apr, 10:28 Article 3580x read