Reichstag: Rätselraten nach Umwidmung der Westfassade
World Content News - Aufgeregte Berichterstatter, ein vergeigter Hammelsprung sowie eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs - dies ist die Ausbeute acht wagemutiger Akteure, die gestern mit einer spektakulären Banner-Aktion dem deutschen Bundestag für eine kurze Zeit lang die landauf-landab vertretene Volksmeinung vermittelte: Den Wünschen "Der deutschen Wirtschaft" seien die Parlamentarier in erster Linie verpflichtet, das Humankapital hätte Vorrang vor der Weiterentwicklung der parlamentarischen Demokratie. Wer aber steckt hinter dieser Botschaft fragen sich staunend an diesem gleißenden Apriltag nicht nur die üblichen politisch Verdächtigen - ist es gar das vielzitierte Volk selbst?
Auf der "Bekenner-Webseite" der - ausnahmslos jungen - Demonstranten mit dem Titel "Geld oder Leben" weist jedenfalls nichts darauf hin, das sie bisher bekannten organisierten Globalisierungskritikern oder anderen anti-kapitalistischen Gruppen zuzurechnen sind. Und gar die Vermutung des "Berliner Kurier", oppositionelle Parlamentsabgeordnete wären den unbekannten Demokratie-Künstlern bei ihren Turnübungen behilflich gewesen, ist absurd. Da ließe sich genauso gut mutmaßen, ein SEK-Trupp hätte im Rahmen der Vorbereitungen für das G8-Spektakel in Heiligendamm schon mal die Bewältigung des Ernstfalls für diese Republik geprobt. Das Bundestagspräsidium (von Thierse wie immer mal abgesehen) verhielt sich erstaunlich gelassen, die Abstimmung über den Hammelsprung, in dessen Getümmel sich die Aktion erst richtig entfalten konnte, wirkte wie vorinszeniert.
Was immer sich da vor dem staunenden Publikum über der Westfassade des Hohen Hauses entfaltet hat, könnte ein frisches Lüftchen in die Diskussion um die Wirtschaftshörigkeit der Lobbby-Demokratur und der Vernachlässigung des Volkwillens entfachen. Schon lange gehen grundsätzliche Entscheidungen des Parlaments, seien es Kriegseinsätze wie in Afghanistan oder anderen Teilen der Welt, die rigide Reformpolitik in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheits- und Sozialwesen oder der Abbau der demokratischen Grundrechte im Zuge des gegenwärtigen Sicherheitswahns an der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung achtlos vorbei, wie Umfragen zunehmend beweisen.
Schlussendlich: Ob das Vorgehen der unbekannte Akteure nur als eine Schmunzel-Anekdote in die Annalen des Reichstags eingehen wird oder als Zeichen für den Auftakt zu mehr zivilen Ungehorsam zu werten ist - deren Forderungen sollen, hier kurz skizziert - nicht unerwähnt bleiben:
Eine Gesellschaft, in der alle Menschen Politik leben und ein andauernder Diskurs grundlegende Veränderungen ermöglicht.
Solidarisches Miteinander statt eines wirtschafts-vergötternden Denkens
Die Entkopplung von Arbeit und materieller Grundausstattung,
Eine kostenlose Grundversorgung mit Bildung, Gesundheit, Wohnraum, Lebensmittel und Kultur
Keine Selektionskriterien mehr nach sozialem Status, persönlichen Fähigkeiten, Geschlecht sowie religiösem, nationalem oder kulturellem Hintergrund
Zerteilung und Vergesellschaftung aller Konzerne
Das Ziel ist eine menschliche, ökologische und soziale Wirtschaft ohne Konzerne und eine solidarische, freie, emanzipatorische Gesellschaft.
Na also, nichts Schlimmes, noch nicht mal die Ostfassade. Die üblichen Wünsche seit eh und je, nur halt mal neu und unbefangener formuliert. Der Diskurs unter den wachsamen Augen der Fetten Henne ist hiermit eröffnet.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei World Content News
Auf der "Bekenner-Webseite" der - ausnahmslos jungen - Demonstranten mit dem Titel "Geld oder Leben" weist jedenfalls nichts darauf hin, das sie bisher bekannten organisierten Globalisierungskritikern oder anderen anti-kapitalistischen Gruppen zuzurechnen sind. Und gar die Vermutung des "Berliner Kurier", oppositionelle Parlamentsabgeordnete wären den unbekannten Demokratie-Künstlern bei ihren Turnübungen behilflich gewesen, ist absurd. Da ließe sich genauso gut mutmaßen, ein SEK-Trupp hätte im Rahmen der Vorbereitungen für das G8-Spektakel in Heiligendamm schon mal die Bewältigung des Ernstfalls für diese Republik geprobt. Das Bundestagspräsidium (von Thierse wie immer mal abgesehen) verhielt sich erstaunlich gelassen, die Abstimmung über den Hammelsprung, in dessen Getümmel sich die Aktion erst richtig entfalten konnte, wirkte wie vorinszeniert.
Was immer sich da vor dem staunenden Publikum über der Westfassade des Hohen Hauses entfaltet hat, könnte ein frisches Lüftchen in die Diskussion um die Wirtschaftshörigkeit der Lobbby-Demokratur und der Vernachlässigung des Volkwillens entfachen. Schon lange gehen grundsätzliche Entscheidungen des Parlaments, seien es Kriegseinsätze wie in Afghanistan oder anderen Teilen der Welt, die rigide Reformpolitik in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheits- und Sozialwesen oder der Abbau der demokratischen Grundrechte im Zuge des gegenwärtigen Sicherheitswahns an der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung achtlos vorbei, wie Umfragen zunehmend beweisen.
Schlussendlich: Ob das Vorgehen der unbekannte Akteure nur als eine Schmunzel-Anekdote in die Annalen des Reichstags eingehen wird oder als Zeichen für den Auftakt zu mehr zivilen Ungehorsam zu werten ist - deren Forderungen sollen, hier kurz skizziert - nicht unerwähnt bleiben:
Eine Gesellschaft, in der alle Menschen Politik leben und ein andauernder Diskurs grundlegende Veränderungen ermöglicht.
Solidarisches Miteinander statt eines wirtschafts-vergötternden Denkens
Die Entkopplung von Arbeit und materieller Grundausstattung,
Eine kostenlose Grundversorgung mit Bildung, Gesundheit, Wohnraum, Lebensmittel und Kultur
Keine Selektionskriterien mehr nach sozialem Status, persönlichen Fähigkeiten, Geschlecht sowie religiösem, nationalem oder kulturellem Hintergrund
Zerteilung und Vergesellschaftung aller Konzerne
Das Ziel ist eine menschliche, ökologische und soziale Wirtschaft ohne Konzerne und eine solidarische, freie, emanzipatorische Gesellschaft.
Na also, nichts Schlimmes, noch nicht mal die Ostfassade. Die üblichen Wünsche seit eh und je, nur halt mal neu und unbefangener formuliert. Der Diskurs unter den wachsamen Augen der Fetten Henne ist hiermit eröffnet.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei World Content News
sfux - 28. Apr, 19:32 Article 2455x read
Konzerne
Da wird aber auch ein Schwachpunkt der Aktion deutlich: Wer von "der Wirtschaft" spricht, bezieht damit Unternehmen jeder Grössenordnung ein, "Konzerne" ist etwas anderes.
Fragen sie einmal den Besitzer des Ladens an der Ecke, ob Politik für ihn gemacht wird, ob sich seine Steuer- und Abgabenlast gesenkt hat, ob ihm Geld aus allen möglichen Quellen zufliesst.
Wir leben nicht mehr im Kapitalismus zu seiner Anfangszeit. Inzwischen haben nur noch die Grosskonzerne die Macht und sind mit dem Staatsapparat weitgehend verschmolzen. Das wird mit "Wirtschaft" nicht korrekt ausgedrückt.
Trotzdem: Die Forderungen unterstütze ich (man glaubt allerdings offenbar, auch eine sozialistische Gesellschaft würde noch Arbeitslosigkeit kennen, wenn man die Abkoppelung des Lebensunterhalts von der Arbeit fordert. Im Sozialismus stehen aber natürlich Arbeitsplätze für alle zur Verfügung. Es gibt ja soviel zu tun.