Ex und hopp - Achter versenkt
Hanns Fuchs - Alexander Ruckstuhl, 36, ist als SRV-Verbandstrainer per sofort freigestellt und auf Ende März 2008 entlassen. Das liessen SRV-Direktor Lukas Rieder, 50, und Chef Leistungssport Heinz Schaller, 50, am Dienstag über die Medien mitteilen. Ruckstuhl war der Baumeister des ambitionierten Schweizer Acherprojekts. Mit seiner Freistellung und Entlassung versenkt der Schweizerische Ruderverband acht Monate vor der letzten Selektionsmöglichkeit für die olympischen Spiele in Beijing sein eigenes Flaggschiff.
Quotenplatz knapp verpasst: An der WM in München fuhr der «Alpenachter» auf Platz drei hinter China und Australien und damit auf Schlussrang neun statt sieben. Die objektiv gute Leistung war der Anfang vom Ende des ehrgeizigen Projekts.
Die Schweizer Zeitungen berichten heute praktisch Flächen deckend über den «Eklat um den Achter» (Der Bund, Berner Zeitung), vermelden «Achter vor Auflösung» (Basler Zeitung) oder zumindest «Achter-Projekt stark gefährdet». Natürlich würde man gerne die offizielle Begründung der Verbandsleitung für diesen Radikalschnitt kennen. Dem SRV ist der Vorgang aber anscheinend nicht der Rede wert. Auf der SRV Homepage heisst es auch heute, einen Tag nach der Freistellung und Kündigung lapidar: «Keine aktuellen Informationen». Dafür liest man auf der Homepage des Männerachters ziemlich viel und vor allem auch bittere Worte. Es lohnt sich auch ein Blick ins Gästebuch - dort hagelt es Vorwürfe an die Verbandsleitung und die Enttäuschung über den Untergang des Schweizer Achterprojekts ist mit Händen zu greifen.
Mobbing-Opfer
Die Darstellung aus der Sicht der betroffenen Athleten legt die Frage nahe, ob Ruckstuhl ein Mobbing-Opfer geworden ist. Anscheinend wurde ihm das Vertrauen schleichend entzogen. Im nachhinein wird man dann wohl aus Sarnen hören, die Chemie zwischen Headcoach Tim Foster und Verbandstrainer Ruckstuhl habe nicht gestimmt. Den Auftakt zu dieser Lesart macht heute Paul Kölliker in seinem Artikel in der NZZ. Meiner Meinung nach lässt sich der abrupte Abbruch des Achterprojekts nicht auf Abgrenzungs- und Kompetenzprobleme zwichen Headcoach und Verbandstrainer reduzieren - es wäre nicht das Niveau von Profis. Sollte es aber tatsächlich tief gehende Meinungsverschiedenheiten zwischen Headcoach und Verbandstrainer gegeben haben, wäre es Pflicht erstens des SRV-Direktors, zweitens des Chef Leistungssport und drittens des SRV-Präsidenten gewesen, die beiden ins gleiche Boot zu bringen.
Arbeitsverweigerung
Auslöser für den Eklat war nach Lesart Rieders die Tatsache, das drei Athleten nicht zum Trainingslager nach Sevilla einrückten. Man könnte das Arbeitsverweigerung nennen. Auch hier wäre es Pflicht der Verbandsverantwortlichen (Reihenfolge siehe oben) gewesen, zu vermitteln, zu versöhnen, zu motivieren, kurz: das Projekt zu retten. Das allerdings würde kommunikative Kompetenz voraussetzen. Stattdessen reiste SRV-Direktor Lukas Rieder nach Sevilla, um Ruckstuhl und den sechs Achterathleten im Trainingslager die bad news zu überbringen - ziemlich viel Aufwand für einen Scherbenhaufen.
Tohuwabohu seit acht Jahren
Mit der Versenkung des Achter hat das Tohuwabohu (völliges Durcheinander, Wirrwarr, Chaos) im SRV einen neuen, schon fast suizidalen Höhepunkt erreicht. Denn versenkt werden mit dem Achterprojekt auch Glaubwürdigkeit, strategische Führungsstärke und Klarheit in der operativen Führung. Der Männerachter war explizit als Langzeitprojekt lanciert worden - mit Zielsetzung Olympia 2012 und Zwischenziel Olympia 2008. Der lange Atem ist dem Verbandskörper nun schon nach der ersten Enttäuschung ausgegangen.
Seit den olympischen Spielen 2000 geht's im SRV-Leistungssport bergab, seit 2004 in zunehmendem Tempo. Einzige Konstante auf dem Weg ins leistungssportliche Niemandsland war der Personalwechsel im Trainerboot: Mal gab man Geld für die Fernbehandlung durch einen «Berater» (Eberhard Mund, Paris) aus, dann nahm der Verband die Projekttrainer stärker in die Pflicht, dann wurde René Mijnders als Headcoach verpflichtet (um nach einem Jahr festzustellen, dass er «ein guter Bootstrainer, aber nicht mit Headcoach-Qualitäten» sei) und danach als Achter-Berater unter Vertrag gehalten, dann wurde Alexander Ruckstuhl als Verbandstrainer für den Achter verpflichtet, vor einem Jahr wurde Tim Foster als Headcoach unter Vertrag genommen, jetzt wird ihm das auf Grund gesetzte Achterprojekt ins Dossier gelegt. Nachwuchstrainer Ueli Bodenmanns Feuer für den Job in Sarnen war nach vier Jahren «erloschen», wie er selber sagte. Seither gibt's im SRV keinen Verbandstrainer für den Nachwuchs mehr. Am Coupe de la Jeunesse fuhren die Jungen um Seemeilen neben der hochmütigen Zielsetzung (sechs Medaillen) vorbei.
Sponsoren-Bashing
Und jetzt also: der Achter versenkt. Wenn's wahr ist, was der Tages-Anzeiger schreibt, erfuhr auch der Projektsponsor «Hochdorf» aus den Medien von der Zerschlagung des Flaggboots. Ohne Achter kein Geld, wird man in Hochdorf zu Recht beschliessen. Andere potentielle Sponsoren werden ihr Interesse am Rudersport erschreckt relativieren - wer will schon risikieren, dass mit seinem Geld auch noch das Image versenkt wird. Und bei Swiss Olympic wird man sich fragen, was von einem Verband zu halten ist, der sein eigenes Flaggboot versenkt. Vielleicht verbucht man das alles aber in der Verbandsleitung als Kollateralschaden.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei Hanns Fuchs
Quotenplatz knapp verpasst: An der WM in München fuhr der «Alpenachter» auf Platz drei hinter China und Australien und damit auf Schlussrang neun statt sieben. Die objektiv gute Leistung war der Anfang vom Ende des ehrgeizigen Projekts.
Die Schweizer Zeitungen berichten heute praktisch Flächen deckend über den «Eklat um den Achter» (Der Bund, Berner Zeitung), vermelden «Achter vor Auflösung» (Basler Zeitung) oder zumindest «Achter-Projekt stark gefährdet». Natürlich würde man gerne die offizielle Begründung der Verbandsleitung für diesen Radikalschnitt kennen. Dem SRV ist der Vorgang aber anscheinend nicht der Rede wert. Auf der SRV Homepage heisst es auch heute, einen Tag nach der Freistellung und Kündigung lapidar: «Keine aktuellen Informationen». Dafür liest man auf der Homepage des Männerachters ziemlich viel und vor allem auch bittere Worte. Es lohnt sich auch ein Blick ins Gästebuch - dort hagelt es Vorwürfe an die Verbandsleitung und die Enttäuschung über den Untergang des Schweizer Achterprojekts ist mit Händen zu greifen.
Mobbing-Opfer
Die Darstellung aus der Sicht der betroffenen Athleten legt die Frage nahe, ob Ruckstuhl ein Mobbing-Opfer geworden ist. Anscheinend wurde ihm das Vertrauen schleichend entzogen. Im nachhinein wird man dann wohl aus Sarnen hören, die Chemie zwischen Headcoach Tim Foster und Verbandstrainer Ruckstuhl habe nicht gestimmt. Den Auftakt zu dieser Lesart macht heute Paul Kölliker in seinem Artikel in der NZZ. Meiner Meinung nach lässt sich der abrupte Abbruch des Achterprojekts nicht auf Abgrenzungs- und Kompetenzprobleme zwichen Headcoach und Verbandstrainer reduzieren - es wäre nicht das Niveau von Profis. Sollte es aber tatsächlich tief gehende Meinungsverschiedenheiten zwischen Headcoach und Verbandstrainer gegeben haben, wäre es Pflicht erstens des SRV-Direktors, zweitens des Chef Leistungssport und drittens des SRV-Präsidenten gewesen, die beiden ins gleiche Boot zu bringen.
Arbeitsverweigerung
Auslöser für den Eklat war nach Lesart Rieders die Tatsache, das drei Athleten nicht zum Trainingslager nach Sevilla einrückten. Man könnte das Arbeitsverweigerung nennen. Auch hier wäre es Pflicht der Verbandsverantwortlichen (Reihenfolge siehe oben) gewesen, zu vermitteln, zu versöhnen, zu motivieren, kurz: das Projekt zu retten. Das allerdings würde kommunikative Kompetenz voraussetzen. Stattdessen reiste SRV-Direktor Lukas Rieder nach Sevilla, um Ruckstuhl und den sechs Achterathleten im Trainingslager die bad news zu überbringen - ziemlich viel Aufwand für einen Scherbenhaufen.
Tohuwabohu seit acht Jahren
Mit der Versenkung des Achter hat das Tohuwabohu (völliges Durcheinander, Wirrwarr, Chaos) im SRV einen neuen, schon fast suizidalen Höhepunkt erreicht. Denn versenkt werden mit dem Achterprojekt auch Glaubwürdigkeit, strategische Führungsstärke und Klarheit in der operativen Führung. Der Männerachter war explizit als Langzeitprojekt lanciert worden - mit Zielsetzung Olympia 2012 und Zwischenziel Olympia 2008. Der lange Atem ist dem Verbandskörper nun schon nach der ersten Enttäuschung ausgegangen.
Seit den olympischen Spielen 2000 geht's im SRV-Leistungssport bergab, seit 2004 in zunehmendem Tempo. Einzige Konstante auf dem Weg ins leistungssportliche Niemandsland war der Personalwechsel im Trainerboot: Mal gab man Geld für die Fernbehandlung durch einen «Berater» (Eberhard Mund, Paris) aus, dann nahm der Verband die Projekttrainer stärker in die Pflicht, dann wurde René Mijnders als Headcoach verpflichtet (um nach einem Jahr festzustellen, dass er «ein guter Bootstrainer, aber nicht mit Headcoach-Qualitäten» sei) und danach als Achter-Berater unter Vertrag gehalten, dann wurde Alexander Ruckstuhl als Verbandstrainer für den Achter verpflichtet, vor einem Jahr wurde Tim Foster als Headcoach unter Vertrag genommen, jetzt wird ihm das auf Grund gesetzte Achterprojekt ins Dossier gelegt. Nachwuchstrainer Ueli Bodenmanns Feuer für den Job in Sarnen war nach vier Jahren «erloschen», wie er selber sagte. Seither gibt's im SRV keinen Verbandstrainer für den Nachwuchs mehr. Am Coupe de la Jeunesse fuhren die Jungen um Seemeilen neben der hochmütigen Zielsetzung (sechs Medaillen) vorbei.
Sponsoren-Bashing
Und jetzt also: der Achter versenkt. Wenn's wahr ist, was der Tages-Anzeiger schreibt, erfuhr auch der Projektsponsor «Hochdorf» aus den Medien von der Zerschlagung des Flaggboots. Ohne Achter kein Geld, wird man in Hochdorf zu Recht beschliessen. Andere potentielle Sponsoren werden ihr Interesse am Rudersport erschreckt relativieren - wer will schon risikieren, dass mit seinem Geld auch noch das Image versenkt wird. Und bei Swiss Olympic wird man sich fragen, was von einem Verband zu halten ist, der sein eigenes Flaggboot versenkt. Vielleicht verbucht man das alles aber in der Verbandsleitung als Kollateralschaden.
Dieser Artikel erschien erstmalig bei Hanns Fuchs
sfux - 11. Dez, 20:49 Article 6424x read