Bankrotterklärung im Kampf gegen die Kriminalität
Südafrikas Regierung bekennt sich zum desolaten Zustand der Strafverfolgungsbehörden
Dr. Günter Pabst - Wenn es um Kriminalität ging, war bisher die Devise der Regierung: Bagatellisieren, Verdrängen, Herunterspielen. Minister und Mandatsträger des ANC waren allenfalls bereit, die hohen Kriminalitätsraten gelegentlich in Sonntagsreden zu beklagen oder einmal im Jahr bei der Vorstellung der Verbrechensstatistiken Betroffenheit zu zeigen.
Für viele Beobachter der politischen Entwicklung des Landes war die Leistungsbilanz der Regierung in der Verbrechensbekämpfung immer schon ein schlagender Beweis, wie sehr das ANC-geführte Regime versagt hat. Dabei sollte man nach traditionellem Staatsverständnis erwarten, dass die politische Führung zwei vorrangige Aufgaben für das Volk erledigt: den Schutz vor äußeren und vor inneren Feinden. Vom Ausland droht dem Kap weit und breit keine Gefahr. Also könnte man sich ganz auf die Feinde im Inneren konzentrieren, die Ressourcen hierauf konzentrieren.
Am Geld kann es nicht gefehlt haben. So um die 50 Milliarden Rand sind in die Rüstung investiert worden. Moderne Fregatten, U-Boote, Jagdflugzeuge und weiteres Spielzeug für die Militärs warten auf einen – nicht vorhandenen - Feind. Während dessen hat sich die Kriminalität in einem Ausmaß breitgemacht, dass sie wie Mehltau über dem Land liegt. Die Menschen werden zunehmend verzweifelt. In wildem Aktionismus werden Haus und Geschäft zur Festung ausgebaut. Nur um dann außerhalb des eigenen Bereichs mit der schnöden Realität umso heftiger konfrontiert zu werden. Es war seit langem greifbar: das System zur Verhinderung und Verfolgung von Verbrechen ist hoffnungslos marode.
Dies hat nun endlich einmal ein Mitglied der Regierung so beim Namen genannt. Der Stellvertretende Justizminister Johnny de Lange sprach vor dem Sicherheits¬ausschuss des Parlaments am 13. August aus, was Sache ist. „Der Kampf gegen die Kriminalität ist paralysiert, und zwar durch fehlerhafte Polizeiarbeit, unprofessionelles Personal und einen Mangel an Ressourcen und Verantwortlichkeit. Das Strafrechtssystem ist ineffizient; es ist gekennzeichnet von Zersplitterung, Fehlfunktionen und Bearbeitungsrückständen.“ Er wurde noch deutlicher: „ Die Lage ist manchmal so überwältigend, dass wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen.“ Wie wahr doch, denn das ist genau der Eindruck, den man seit langem hat. Und dann kam die Bankrotterklärung mit dem Satz: „Wir haben wohl in den letzten 15 Jahren nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen oder unsere Mittel richtig eingesetzt. Jetzt müssen wir in die Hände spucken.“
Wie schlecht es um den Zustand des Strafrechtssystems bestellt ist, hat De Lange an einigen Beispielen illustriert.
2.000.000 (in Worten: zwei Millionen) Straftaten pro Jahr werden nie aufgeklärt (weil oft nicht, zu spät oder fehlerhaft ermittelt wird).
Mehr als 700.000 Anklagen werden von den Gerichten nicht zugelassen oder zurückgenommen, weil Verfahrensfehler oder sonstige Mängel vorliegen.
In 500.000 Fällen werden die Tatorte nicht untersucht, weil es an Personal oder sonstigen Ressourcen fehlt.
17% der Planstellen bei den Staatsanwaltschaften sind unbesetzt (Gründe: schlechte Bezahlung, hohe Fluktuation, Affirmative Action).
Ein Strafgericht bringt im Durchschnitt sechs Fälle pro Monat zum Abschluss (Gründe: Vertagungen wegen formaler Mängel, schwerfälliges Strafprozessrecht, schlecht qualifizierte Staatsanwälte und Richter).
(Anmerkung: Soweit die Gründe in Klammern gesetzt sind, stammen sie vom Verfasser; ansonsten von De Lange)
Man darf gespannt sein, ob De Lange mit diesen freimütigen Bekenntnissen einen Ruck herbeigeführt hat. Jedenfalls hat sein Auftritt in Südafrika große Beachtung gefunden. Und das sicher nicht nur in den Medien, sondern auch bei Kriminellen. Denn die sehen sich mal wieder bestätigt in ihrer Einschätzung der Lage: Eine Karriere als Gauner in einem Land mit einen solch desolaten Justizsystem ist verlockend - das Risiko ist ziemlich gering.
Dieser Artikel wurde durch Capetown-online ermöglicht
Dr. Günter Papst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Papst & Papst Consulting.
Dr. Günter Pabst - Wenn es um Kriminalität ging, war bisher die Devise der Regierung: Bagatellisieren, Verdrängen, Herunterspielen. Minister und Mandatsträger des ANC waren allenfalls bereit, die hohen Kriminalitätsraten gelegentlich in Sonntagsreden zu beklagen oder einmal im Jahr bei der Vorstellung der Verbrechensstatistiken Betroffenheit zu zeigen.
Für viele Beobachter der politischen Entwicklung des Landes war die Leistungsbilanz der Regierung in der Verbrechensbekämpfung immer schon ein schlagender Beweis, wie sehr das ANC-geführte Regime versagt hat. Dabei sollte man nach traditionellem Staatsverständnis erwarten, dass die politische Führung zwei vorrangige Aufgaben für das Volk erledigt: den Schutz vor äußeren und vor inneren Feinden. Vom Ausland droht dem Kap weit und breit keine Gefahr. Also könnte man sich ganz auf die Feinde im Inneren konzentrieren, die Ressourcen hierauf konzentrieren.
Am Geld kann es nicht gefehlt haben. So um die 50 Milliarden Rand sind in die Rüstung investiert worden. Moderne Fregatten, U-Boote, Jagdflugzeuge und weiteres Spielzeug für die Militärs warten auf einen – nicht vorhandenen - Feind. Während dessen hat sich die Kriminalität in einem Ausmaß breitgemacht, dass sie wie Mehltau über dem Land liegt. Die Menschen werden zunehmend verzweifelt. In wildem Aktionismus werden Haus und Geschäft zur Festung ausgebaut. Nur um dann außerhalb des eigenen Bereichs mit der schnöden Realität umso heftiger konfrontiert zu werden. Es war seit langem greifbar: das System zur Verhinderung und Verfolgung von Verbrechen ist hoffnungslos marode.
Dies hat nun endlich einmal ein Mitglied der Regierung so beim Namen genannt. Der Stellvertretende Justizminister Johnny de Lange sprach vor dem Sicherheits¬ausschuss des Parlaments am 13. August aus, was Sache ist. „Der Kampf gegen die Kriminalität ist paralysiert, und zwar durch fehlerhafte Polizeiarbeit, unprofessionelles Personal und einen Mangel an Ressourcen und Verantwortlichkeit. Das Strafrechtssystem ist ineffizient; es ist gekennzeichnet von Zersplitterung, Fehlfunktionen und Bearbeitungsrückständen.“ Er wurde noch deutlicher: „ Die Lage ist manchmal so überwältigend, dass wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen.“ Wie wahr doch, denn das ist genau der Eindruck, den man seit langem hat. Und dann kam die Bankrotterklärung mit dem Satz: „Wir haben wohl in den letzten 15 Jahren nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen oder unsere Mittel richtig eingesetzt. Jetzt müssen wir in die Hände spucken.“
Wie schlecht es um den Zustand des Strafrechtssystems bestellt ist, hat De Lange an einigen Beispielen illustriert.
2.000.000 (in Worten: zwei Millionen) Straftaten pro Jahr werden nie aufgeklärt (weil oft nicht, zu spät oder fehlerhaft ermittelt wird).
Mehr als 700.000 Anklagen werden von den Gerichten nicht zugelassen oder zurückgenommen, weil Verfahrensfehler oder sonstige Mängel vorliegen.
In 500.000 Fällen werden die Tatorte nicht untersucht, weil es an Personal oder sonstigen Ressourcen fehlt.
17% der Planstellen bei den Staatsanwaltschaften sind unbesetzt (Gründe: schlechte Bezahlung, hohe Fluktuation, Affirmative Action).
Ein Strafgericht bringt im Durchschnitt sechs Fälle pro Monat zum Abschluss (Gründe: Vertagungen wegen formaler Mängel, schwerfälliges Strafprozessrecht, schlecht qualifizierte Staatsanwälte und Richter).
(Anmerkung: Soweit die Gründe in Klammern gesetzt sind, stammen sie vom Verfasser; ansonsten von De Lange)
Man darf gespannt sein, ob De Lange mit diesen freimütigen Bekenntnissen einen Ruck herbeigeführt hat. Jedenfalls hat sein Auftritt in Südafrika große Beachtung gefunden. Und das sicher nicht nur in den Medien, sondern auch bei Kriminellen. Denn die sehen sich mal wieder bestätigt in ihrer Einschätzung der Lage: Eine Karriere als Gauner in einem Land mit einen solch desolaten Justizsystem ist verlockend - das Risiko ist ziemlich gering.
Dieser Artikel wurde durch Capetown-online ermöglicht
Dr. Günter Papst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Papst & Papst Consulting.
sfux - 17. Aug, 12:25 Article 2850x read
Wundert mich überhaupt nicht