Kranke Soldaten
Michael Schulze von Glaßer - Paradigmenwechsel: die Bundeswehr spricht neuerdings von ihren traumatisierten Kämpferinnen und Kämpfern. In einer - von langer Hand - vorbereiteten Kampagne versucht die Bundesregierung die den Auslandseinsätzen der Armee ablehnend gegenüberstehende Bevölkerung umzustimmen. Die Schützenhilfe kommt dabei von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Bis vor wenigen Wochen sprachen deutsche Militärs nicht gerne über die posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nicht weniger Bundeswehr-Angehöriger. Die wegen der zahlreichen Auslandseinsätze der vergangenen Jahre explodierende Zahlen PTBS-Kranker Soldatinnen und Soldaten zwang die Bundeswehr nun aber zum Umdenken: der unangenehme Fakt wird nicht länger verschwiegen sondern offensiv in die Öffentlichkeit getragen.
Am 12. Februar verabschiedete der Bundestag einen Antrag (1) zur Verbesserung der Betreuung PTBS-Kranker Soldatinnen und Soldaten. Mitte des Jahres soll nun in Berlin ein Forschungs- und Kompetenzzentrum eingerichtet werden. Auch eine Telefon-Hotline soll unter Wahrung der Anonymität der Soldatinnen und Soldaten eingerichtet werden (2).
„Seelische Verwundungen sind genauso ernst zu nehmen wie körperliche Verwundungen“, erklärte Verteidigungsminister Franz Josef Jung dazu. Waren 2005 noch 105 Soldaten betroffen sind 2008 schon 245 an PTBS erkrankt (3). Typische Symptome sind wiederkehrende Erinnerungen an das belastende Erlebnis, Depressionen, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Angstzustände, Suchtprobleme und Rückzug aus der Umgebung. Das Verteidigungsministerium geht von etwa einem Prozent traumatisierter Soldaten aus – bei anderen NATO-Armeen sind es fünf Prozent der Soldaten, die nach Einsätzen an psychischen Folgeschäden zu leiden haben (4).
„Damit stehen wir im internationalen Vergleich gut da“, so Jung (5). Die geringe offizielle Zahl der erkrankten Bundeswehr-Soldatinnen und Soldaten lässt im internationalen Vergleich allerdings auf eine hohe Dunkelziffer in Deutschland schließen. Oftmals würden sich die erkrankten Kämpferinnen und Kämpfer für ihr Trauma schämen und deshalb nicht in ärztliche Behandlung gehen.
Bereits Anfang Februar wurde der Paradigmenwechsel der Bundeswehr eingeläutet. Zu bester Sendezeit - um 20.15Uhr - zeigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender ARD am Montag, dem 2. Februar, den Film „Willkommen zuhause“ (6). Der vom Südwestrundfunk produzierte Spielfilm handelt von einem aus dem Afghanistan-Krieg heimkehrenden Bundeswehr-Soldaten der seit einem Anschlag auf seine Patrouille an PTBS leidet, sich jedoch zunächst nicht ärztlich behandeln lässt.
In der Heimat zurück prügelt er dann einen Freund krankenhausreif. Seine schwangere Frau verlässt ihn und er grenzt sich von seinem Umfeld ab. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr Verbands Oberstleutnant Ulrich Kirsch zeigte sich in einem Interview mit dem Deutschlandradio vom Film begeistert: Es müsse „deutlich werden - und das ist zu lange schöngefärbt worden -, dass wir dort in einem Kampfeinsatz sind, dass Tod und Verwundung Teil der Einsätze geworden ist und dass wir in kriegerischen Handlungen sind.“, so Kirsch (7).
Der Soldatenverband fordert neben einem Zentrum zur Behandlung der Soldaten-Traumata mehr Unterstützung für die Angehörigen der kranken Soldaten (8). Auf Nachfrage von NachrichtenHeute gab der SWR an, dass die Bundeswehr den Dreharbeiten beratend zur Seite gestanden hat und auch die Drehgenehmigungen auf dem Militärflugplatz Köln-Wahn erteilte.
Mit dem Paradigmenwechsel und der einhergehenden Medienoffensive versucht die Bundeswehr der immer noch ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber Auslandseinsätzen entgegenzuwirken. Wie die Linksfraktion in ihrem am 12. Februar abgelehnten Bundestags-Gegenantrag zu traumatisierten Soldatinnen und Soldaten feststellt wird nicht der Kern des Problems diskutiert: „Solange die Bundesregierung an der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Strategie festhält und sich an militärischen Interventionen beteiligt, wird es trotz aller Präventionsmaßnahmen weiter zu PTBS bei Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr kommen.“(9)
1 Bundestags-Drucksache 16/11882 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/118/1611882.pdf)
2 Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Pressemitteilung 12.02.2009: „Bestmögliche Behandlung für unsere Soldaten“ (http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/ministerium?yw_contentURL=/C1256F1200608B1B/W27P7APT842INFODE/content.jsp)
3 Ebenda
4 ARD-Tagesschau. 03.02.2009: „Immer mehr Afghanistan-Heimkehrer traumatisiert“ (http://www.tagesschau.de/inland/afghanistan768.html)
5 Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Pressemitteilung 12.02.2009: „Bestmögliche Behandlung für unsere Soldaten“ (http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/ministerium?yw_contentURL=/C1256F1200608B1B/W27P7APT842INFODE/content.jsp)
6 DasErste.de – TV-Tipp des Tages 02.02.2009 (http://www.daserste.de/programm/tvtipp.asp?datum=02.02.2009)
7 Deutschlandradio Kultur. Interview 02.02.2009: „Bundeswehrverband: Auslandseinsätze wurden zu lange ‚schöngefärbt’“ (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/913181/)
8 Deutscher BundeswehrVerband. Pressemitteilung 03.02.2009: „Hilfsangebote bei posttraumatischen Belastungsstörrungen (PTBS) müssen angenommen werden – Anonyme Hotline gefordert“ (http://www.presseportal.de/pm/12472/1346379/dbwv_dt_bundeswehrverband)
9 Bundestags-Drucksache 16/8383 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/083/1608383.pdf
Bis vor wenigen Wochen sprachen deutsche Militärs nicht gerne über die posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nicht weniger Bundeswehr-Angehöriger. Die wegen der zahlreichen Auslandseinsätze der vergangenen Jahre explodierende Zahlen PTBS-Kranker Soldatinnen und Soldaten zwang die Bundeswehr nun aber zum Umdenken: der unangenehme Fakt wird nicht länger verschwiegen sondern offensiv in die Öffentlichkeit getragen.
Am 12. Februar verabschiedete der Bundestag einen Antrag (1) zur Verbesserung der Betreuung PTBS-Kranker Soldatinnen und Soldaten. Mitte des Jahres soll nun in Berlin ein Forschungs- und Kompetenzzentrum eingerichtet werden. Auch eine Telefon-Hotline soll unter Wahrung der Anonymität der Soldatinnen und Soldaten eingerichtet werden (2).
„Seelische Verwundungen sind genauso ernst zu nehmen wie körperliche Verwundungen“, erklärte Verteidigungsminister Franz Josef Jung dazu. Waren 2005 noch 105 Soldaten betroffen sind 2008 schon 245 an PTBS erkrankt (3). Typische Symptome sind wiederkehrende Erinnerungen an das belastende Erlebnis, Depressionen, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Angstzustände, Suchtprobleme und Rückzug aus der Umgebung. Das Verteidigungsministerium geht von etwa einem Prozent traumatisierter Soldaten aus – bei anderen NATO-Armeen sind es fünf Prozent der Soldaten, die nach Einsätzen an psychischen Folgeschäden zu leiden haben (4).
„Damit stehen wir im internationalen Vergleich gut da“, so Jung (5). Die geringe offizielle Zahl der erkrankten Bundeswehr-Soldatinnen und Soldaten lässt im internationalen Vergleich allerdings auf eine hohe Dunkelziffer in Deutschland schließen. Oftmals würden sich die erkrankten Kämpferinnen und Kämpfer für ihr Trauma schämen und deshalb nicht in ärztliche Behandlung gehen.
Bereits Anfang Februar wurde der Paradigmenwechsel der Bundeswehr eingeläutet. Zu bester Sendezeit - um 20.15Uhr - zeigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender ARD am Montag, dem 2. Februar, den Film „Willkommen zuhause“ (6). Der vom Südwestrundfunk produzierte Spielfilm handelt von einem aus dem Afghanistan-Krieg heimkehrenden Bundeswehr-Soldaten der seit einem Anschlag auf seine Patrouille an PTBS leidet, sich jedoch zunächst nicht ärztlich behandeln lässt.
In der Heimat zurück prügelt er dann einen Freund krankenhausreif. Seine schwangere Frau verlässt ihn und er grenzt sich von seinem Umfeld ab. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr Verbands Oberstleutnant Ulrich Kirsch zeigte sich in einem Interview mit dem Deutschlandradio vom Film begeistert: Es müsse „deutlich werden - und das ist zu lange schöngefärbt worden -, dass wir dort in einem Kampfeinsatz sind, dass Tod und Verwundung Teil der Einsätze geworden ist und dass wir in kriegerischen Handlungen sind.“, so Kirsch (7).
Der Soldatenverband fordert neben einem Zentrum zur Behandlung der Soldaten-Traumata mehr Unterstützung für die Angehörigen der kranken Soldaten (8). Auf Nachfrage von NachrichtenHeute gab der SWR an, dass die Bundeswehr den Dreharbeiten beratend zur Seite gestanden hat und auch die Drehgenehmigungen auf dem Militärflugplatz Köln-Wahn erteilte.
Mit dem Paradigmenwechsel und der einhergehenden Medienoffensive versucht die Bundeswehr der immer noch ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber Auslandseinsätzen entgegenzuwirken. Wie die Linksfraktion in ihrem am 12. Februar abgelehnten Bundestags-Gegenantrag zu traumatisierten Soldatinnen und Soldaten feststellt wird nicht der Kern des Problems diskutiert: „Solange die Bundesregierung an der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Strategie festhält und sich an militärischen Interventionen beteiligt, wird es trotz aller Präventionsmaßnahmen weiter zu PTBS bei Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr kommen.“(9)
1 Bundestags-Drucksache 16/11882 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/118/1611882.pdf)
2 Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Pressemitteilung 12.02.2009: „Bestmögliche Behandlung für unsere Soldaten“ (http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/ministerium?yw_contentURL=/C1256F1200608B1B/W27P7APT842INFODE/content.jsp)
3 Ebenda
4 ARD-Tagesschau. 03.02.2009: „Immer mehr Afghanistan-Heimkehrer traumatisiert“ (http://www.tagesschau.de/inland/afghanistan768.html)
5 Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Pressemitteilung 12.02.2009: „Bestmögliche Behandlung für unsere Soldaten“ (http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/ministerium?yw_contentURL=/C1256F1200608B1B/W27P7APT842INFODE/content.jsp)
6 DasErste.de – TV-Tipp des Tages 02.02.2009 (http://www.daserste.de/programm/tvtipp.asp?datum=02.02.2009)
7 Deutschlandradio Kultur. Interview 02.02.2009: „Bundeswehrverband: Auslandseinsätze wurden zu lange ‚schöngefärbt’“ (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/913181/)
8 Deutscher BundeswehrVerband. Pressemitteilung 03.02.2009: „Hilfsangebote bei posttraumatischen Belastungsstörrungen (PTBS) müssen angenommen werden – Anonyme Hotline gefordert“ (http://www.presseportal.de/pm/12472/1346379/dbwv_dt_bundeswehrverband)
9 Bundestags-Drucksache 16/8383 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/083/1608383.pdf
sfux - 26. Feb, 08:01 Article 2987x read