Südafrika: Wie das Erbe Madelas verspielt wird
Dr. Günter Pabst, Kapstadt - Ein Land erhält die politische Führung, die es verdient. Heisst es gemeinhin. Als Nelson Mandela 1994 erster Staatspräsident im Nach-Apartheid-Südafrika wurde, konnte man dieser Weisheit nur zustimmen. Ein zerrissenes Volk hatte sich auf weitgehend friedliche Weise auf revolutionäre Veränderungen verständigt. Dazu passte eine Lichtgestalt wie eben der Friedensnobel-Preisträger Mandela. 1999 folgte Thabo Mbeki, bei dem zwar immer wieder mal Zweifel auftauchten, ob er die richtige Besetzung war. Aber immerhin hatte er es bis zu seinem von der Partei erzwungenen Abschied im vergangenen Jahr geschafft, den inneren Frieden zu erhalten, mit seiner marktwirtschaftlichen Politik Wachstum zu schaffen und das Ansehen Südafrika in der Welt zu mehren.
Nun droht dem Land Jacob Zuma. Sein African National Congress (ANC) wird die Wahlen am 22. April 2009, wie immer seit 1994, deutlich gewinnen; als Spitzenkandidat der Partei wird er in das Amt des Staatspräsidenten gewählt werden. Ich hatte in den letzten 7 Jahren vielfach über JZ, wie ihn viele kurz nennen, berichtet. Davon soll hier nichts wiedergekäut werden; die informierte Öffentlichkeit weiss Bescheid. Nur so viel: Zuma ist über Jahre mit Millionenbeträgen finanziell ausgehalten worden, und zwar von Schabir Shaik, der u.a. wegen dieser Korruption zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden ist.
Was die beiden noch so alles ausgeheckt hatten, lässt sich in einem bemerkenswerten Buch von Paul Holden (The Arms Deals in Your Pocket) nachlesen. Während Zumas Kampf gegen die Anklage der National Prosecuting Authority (NPA) ist der finanzielle Aspekt der Symbiose Shaik/Zuma eigentlich unstreitig gewesen. Im Zentrum der Verteidigungslinie Zumas stand immer die Behauptung, die Anklage sei eine politische Konspiration seines großen Widersachers Mbeki. Letzter Stand des zähen Ringens zwischen Zumas Verteidigung und der Anklagebehörde war: die NPA hatte Oberwasser und es sah gar nicht mehr gut aus für JZ. Der Auftakt für das Gerichtsverfahren war für August terminiert.
Mitte März machte dann die Nachricht die Runde, Zuma hätte der NPA Material vorgelegt, das die politische Konspiration belege. Gerüchte zirkulierten, der Geheimdienst hätte Telefonate zwischen Thabo Mbeki und der NPA-Führung abgehört und dem JZ-Lager zugespielt – was für eine Ungeheuerlichkeit! Als unbefangener Beobachter musste man schon die Luft anhalten. Denn was für ein Abgrund sich da auftun würde, wenn dieses Gerücht der Wahrheit entspräche. Der Geheimdienst hätte dann das eigene Staatsoberhaupt abgehört. Natürlich unauthorisiert - und das Material als hochbrisanten politischen Zündstoff eingesetzt.
Am Montag dieser Woche platzte dann die Bombe. Die NPA hatte zu einer Pressekonferenz geladen und verkündete, man werde die Anklage gegen JZ fallen lassen. Einzige Begründung: politische Einflussnahme auf das Verfahren durch die Ermittlungsbehörden. Zuma sei zwar nach Aktenlage weiterhin dringend der angeklagten Taten verdächtig. Die Fortführung des Verfahrens sei aber nicht mehr fair. Und dazu verlas NPA-Boss Moketedi Mpshe in der Tat Transskripte von Telefonaten, abgehört vom südafrikanischen Geheimdienst. Also doch! Zwar taucht Mbeki als Gesprächsteilnehmer nicht auf.
Es sind Mitschnitte unzähliger Telefongespräche zwischen dem ehemaligen NPA-Direktor Bulelani Ngcuka und dem damaligen Scorpions-Chef Leonard McCarthy im November/Dezember 2007. Vereinfacht: da unterhielten sich der frühere Generalstaatsanwalt und der amtierende Leiter der Kripo, letzterer verantwortlich für die Ermittlungen und deren Konsequenzen. Der Geheimdienst bespitzelt also den Top-Ermittler des Landes im Verfahren gegen den einflussreichsten Politiker – wie in einem schlechten Thriller.
Unterstellt man einmal, dass die Gespräche authentisch sind (wovon man nicht unbedingt ausgehen muss), ergeben sich folgende Erkenntnisse. Ngcuka und McCarthy geben sich als Mbeki-Freunde zu erkennen. Die beiden sind sich ihrer Machtposition bewusst und wissen, was die NPA für eine Trumpfkarte in der Hand halten. Sie diskutieren das richtige Timing der – erneuten – Anklage gegen Zuma, um daraus politisches Kapital zu schlagen. So wird u.a. darüber fabuliert, dass damit Mbeki die Grundlage für ein Come-back nach dessen Niederlage gegen Zuma in Polokwane am 16.12.2007 ermöglicht werde. Mehrfach deuten die Konversationen an (mehr nicht), dass die taktischen Überlegungen in Abstimmung mit Mbeki geschehen würden.
Politische Konspiration? Wohl sicher bei Ngcuka und McCarthy. Sie sind klar getrieben von der Idee, das Verfahren gegen Zuma politisch zum Vorteil seines Gegenspielers zu instrumentalisieren. Aber reicht das, um damit ein Strafverfahren zu beenden? Zumal die NPA nach wie vor darauf besteht, einen Fall gegen Zuma zu haben. Und weiter: Kann eine so weitreichende Entscheidung nach Aktenlage getroffen werden, ohne die Fakten in einem ordentlichen Verfahren richterlich prüfen zu lassen? Die Gerichte sind in diesem Fall schon so lange und extensiv bemüht worden.
Ausgerechnet in dem entscheidenden Punkt, ob die neuen Erkenntnisse einer Anklage die Basis entziehen, trifft die NPA eine einsame Entscheidung. Und die erscheint noch nict einmal schlüssig zu sein. Der oberste Strafverfolger will Zumas Kopf. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn sich Ermittler erst einmal in einem Fall festgebissen haben. Dann entwickeln sie den Ehrgeiz, das Opfer fallen zu sehen. Denn schliesslich glaubt man ja fest an dessen Schuld. Sonst hätte es ja keine Anklage gegeben. Das Korrektiv solcher Ermittlungsarbeit ist das Gerichtsverfahren. So jedenfalls entspricht es rechtsstaatlicher Tradition.
Statt dessen spricht so vieles nun dafür, dass die NPA als höchste Strafverfolgungsinstanz sich wieder vor einen politischen Karren hat spannen lassen. Zuerst, um Zuma als Präsident zu verhindern. Dann, um Zuma zu gefallen, nachdem dessen Aufstieg scheinbar unaufhaltsam geworden war. Zwei Wochen vor den Wahlen beseitigt die NPA das Damoklesschwert eines Strafverfahrens über Zumas Haupt. Hat doch der neue Staatspräsident das alleinige Recht, die Spitze der NPA zu ernennen und eben auch zu feuern.
Jacob Zuma wird sich also nicht zu verantworten haben. Viele Vorwürfe aus der Anklageschrift sind aber so klar dokumentiert, das sie an seiner Käuflichkeit, seinem Lebensstil über die eigenen Verhältnisse und an seiner mangelnden charakterlichen Eignung für das höchste Staatsamt keinen vernünftigen Zweifel lassen. Sie werden immer als Flecken auf seiner Weste bleiben. Ein solcher Mann wird also demnächst Südafrika repräsentieren. Und die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates hat schweren Schaden genommen.
Das Land wird die moralische Lufthoheit verlieren, die einst Nelson Mandela gewonnen hatte.
Dieser Artikel wurde durch Capetown-online ermöglicht
Dr. Günter Pabst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Pabst & Pabst Consulting.
Nun droht dem Land Jacob Zuma. Sein African National Congress (ANC) wird die Wahlen am 22. April 2009, wie immer seit 1994, deutlich gewinnen; als Spitzenkandidat der Partei wird er in das Amt des Staatspräsidenten gewählt werden. Ich hatte in den letzten 7 Jahren vielfach über JZ, wie ihn viele kurz nennen, berichtet. Davon soll hier nichts wiedergekäut werden; die informierte Öffentlichkeit weiss Bescheid. Nur so viel: Zuma ist über Jahre mit Millionenbeträgen finanziell ausgehalten worden, und zwar von Schabir Shaik, der u.a. wegen dieser Korruption zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden ist.
Was die beiden noch so alles ausgeheckt hatten, lässt sich in einem bemerkenswerten Buch von Paul Holden (The Arms Deals in Your Pocket) nachlesen. Während Zumas Kampf gegen die Anklage der National Prosecuting Authority (NPA) ist der finanzielle Aspekt der Symbiose Shaik/Zuma eigentlich unstreitig gewesen. Im Zentrum der Verteidigungslinie Zumas stand immer die Behauptung, die Anklage sei eine politische Konspiration seines großen Widersachers Mbeki. Letzter Stand des zähen Ringens zwischen Zumas Verteidigung und der Anklagebehörde war: die NPA hatte Oberwasser und es sah gar nicht mehr gut aus für JZ. Der Auftakt für das Gerichtsverfahren war für August terminiert.
Mitte März machte dann die Nachricht die Runde, Zuma hätte der NPA Material vorgelegt, das die politische Konspiration belege. Gerüchte zirkulierten, der Geheimdienst hätte Telefonate zwischen Thabo Mbeki und der NPA-Führung abgehört und dem JZ-Lager zugespielt – was für eine Ungeheuerlichkeit! Als unbefangener Beobachter musste man schon die Luft anhalten. Denn was für ein Abgrund sich da auftun würde, wenn dieses Gerücht der Wahrheit entspräche. Der Geheimdienst hätte dann das eigene Staatsoberhaupt abgehört. Natürlich unauthorisiert - und das Material als hochbrisanten politischen Zündstoff eingesetzt.
Am Montag dieser Woche platzte dann die Bombe. Die NPA hatte zu einer Pressekonferenz geladen und verkündete, man werde die Anklage gegen JZ fallen lassen. Einzige Begründung: politische Einflussnahme auf das Verfahren durch die Ermittlungsbehörden. Zuma sei zwar nach Aktenlage weiterhin dringend der angeklagten Taten verdächtig. Die Fortführung des Verfahrens sei aber nicht mehr fair. Und dazu verlas NPA-Boss Moketedi Mpshe in der Tat Transskripte von Telefonaten, abgehört vom südafrikanischen Geheimdienst. Also doch! Zwar taucht Mbeki als Gesprächsteilnehmer nicht auf.
Es sind Mitschnitte unzähliger Telefongespräche zwischen dem ehemaligen NPA-Direktor Bulelani Ngcuka und dem damaligen Scorpions-Chef Leonard McCarthy im November/Dezember 2007. Vereinfacht: da unterhielten sich der frühere Generalstaatsanwalt und der amtierende Leiter der Kripo, letzterer verantwortlich für die Ermittlungen und deren Konsequenzen. Der Geheimdienst bespitzelt also den Top-Ermittler des Landes im Verfahren gegen den einflussreichsten Politiker – wie in einem schlechten Thriller.
Unterstellt man einmal, dass die Gespräche authentisch sind (wovon man nicht unbedingt ausgehen muss), ergeben sich folgende Erkenntnisse. Ngcuka und McCarthy geben sich als Mbeki-Freunde zu erkennen. Die beiden sind sich ihrer Machtposition bewusst und wissen, was die NPA für eine Trumpfkarte in der Hand halten. Sie diskutieren das richtige Timing der – erneuten – Anklage gegen Zuma, um daraus politisches Kapital zu schlagen. So wird u.a. darüber fabuliert, dass damit Mbeki die Grundlage für ein Come-back nach dessen Niederlage gegen Zuma in Polokwane am 16.12.2007 ermöglicht werde. Mehrfach deuten die Konversationen an (mehr nicht), dass die taktischen Überlegungen in Abstimmung mit Mbeki geschehen würden.
Politische Konspiration? Wohl sicher bei Ngcuka und McCarthy. Sie sind klar getrieben von der Idee, das Verfahren gegen Zuma politisch zum Vorteil seines Gegenspielers zu instrumentalisieren. Aber reicht das, um damit ein Strafverfahren zu beenden? Zumal die NPA nach wie vor darauf besteht, einen Fall gegen Zuma zu haben. Und weiter: Kann eine so weitreichende Entscheidung nach Aktenlage getroffen werden, ohne die Fakten in einem ordentlichen Verfahren richterlich prüfen zu lassen? Die Gerichte sind in diesem Fall schon so lange und extensiv bemüht worden.
Ausgerechnet in dem entscheidenden Punkt, ob die neuen Erkenntnisse einer Anklage die Basis entziehen, trifft die NPA eine einsame Entscheidung. Und die erscheint noch nict einmal schlüssig zu sein. Der oberste Strafverfolger will Zumas Kopf. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn sich Ermittler erst einmal in einem Fall festgebissen haben. Dann entwickeln sie den Ehrgeiz, das Opfer fallen zu sehen. Denn schliesslich glaubt man ja fest an dessen Schuld. Sonst hätte es ja keine Anklage gegeben. Das Korrektiv solcher Ermittlungsarbeit ist das Gerichtsverfahren. So jedenfalls entspricht es rechtsstaatlicher Tradition.
Statt dessen spricht so vieles nun dafür, dass die NPA als höchste Strafverfolgungsinstanz sich wieder vor einen politischen Karren hat spannen lassen. Zuerst, um Zuma als Präsident zu verhindern. Dann, um Zuma zu gefallen, nachdem dessen Aufstieg scheinbar unaufhaltsam geworden war. Zwei Wochen vor den Wahlen beseitigt die NPA das Damoklesschwert eines Strafverfahrens über Zumas Haupt. Hat doch der neue Staatspräsident das alleinige Recht, die Spitze der NPA zu ernennen und eben auch zu feuern.
Jacob Zuma wird sich also nicht zu verantworten haben. Viele Vorwürfe aus der Anklageschrift sind aber so klar dokumentiert, das sie an seiner Käuflichkeit, seinem Lebensstil über die eigenen Verhältnisse und an seiner mangelnden charakterlichen Eignung für das höchste Staatsamt keinen vernünftigen Zweifel lassen. Sie werden immer als Flecken auf seiner Weste bleiben. Ein solcher Mann wird also demnächst Südafrika repräsentieren. Und die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates hat schweren Schaden genommen.
Das Land wird die moralische Lufthoheit verlieren, die einst Nelson Mandela gewonnen hatte.
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Dr. Günter Pabst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Pabst & Pabst Consulting.
sfux - 13. Apr, 19:31 Article 2780x read