Eine Visitenkarte und die Mossad-Affäre von Lillehammer
Dr. Alexander von Paleske - 14.6. 2009 --- Der nachfolgende Artikel, der in die Kategorie „Zeitläufte“ fällt, hat meinerseits eine Vorgeschichte.
Beim Aufräumen blätterte ich gestern in einem Ordner, in dem ich Visitenkarten aufbewahre.Davon viele, die nicht mehr gültige Adressen enthalten. Ich gehöre leider zu der Spezies Mensch, die schlecht etwas wegwerfen kann .
Mein Blick fiel auf eine Visitenkarte auf welcher der Name Annaeus Schjodt stand.
Die Visitenkarte -
Nach einem Moment des Nachdenkens fiel mir ein, das war ein Norweger, der aber in Südafrika lebte und den ich per Zufall in Bulawayo/Simbabwe im Jahre 1995 kennengelernt hatte. Er war dort für ein paar Tage zu Besuch.
.
Wir kamen seinerzeit ins Gespräch und er erzählte mir, dass er seine Frau im Gefängnis in Norwegen kennengelernt habe. Er sei ihr Anwalt gewesen.
Etwas ungewöhnlich meinte ich und er erläuterte , seine Frau sei Mossad-Agentin gewesen und der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad habe damals in Norwegen ein Mitglied der Palästinensergruppe „Schwarzer September“ umbringen wollen, aber den falschen erwischt. Die norwegische Polizei habe dann die ganze Gruppe festgenommen.
Seine Frau würde aber – auch ihm gegenüber – absolutes Stillschweigen über ihre Zeit als Mossad-Agentin bewahren.
Damals erinnerte ich mich dunkel an diesen Vorfall, der bereits 22 Jahre zurücklag und der erst durch Spielbergs Film „München“ vor vier Jahren dann wieder Aktualität bekam, die Vorfälle in Norwegen aber in dem Film nicht thematisiert wurden.
Das Internet machts möglich, innerhalb von wenigen Minuten nach Eingabe des Namens Schjodt waren die Informationen vollständig.
Seine Frau hiess Sylvia Rafael.
Eine Agentenkarriere beim Mossad
Die 1937 in der Nähe von Kapstadt/Südafrika geborene Sylvia Rafael war die Tochter eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter.
Aber ihre Mutter weckte in ihr das Interesse am jüdischen Staat und 1963 emigrierte sie nach Israel. wo sie zunächst in einem Kibbuz als Lehrerin arbeitete.
Später zog sie nach Tel Aviv und wurde vom Mossad rekrutiert. Schnell stieg sie die Stufenleiter im Auslandsgeheimdienst auf und wurde „Kombattantin “ also jemand, der für Auslandseinsätze qualifiziert ist.
Ausgestattet mit einem falschen kanadischen Pass mit dem Decknamen Patricia Roxburgh, und der falschen Berufsbezeichnung „freie Journalistin“ schaffte sie es, von Paris aus in die Palästinenserlager im Libanon und Syrien zu kommen und auch mit dem PLO-Vorsitzenden Yassir Arafat bekannt zu werden.
München und die Folgen
Am 5. September 1972 überfiel eine Gruppe von Palästinensern im olympischen Dorf die Unterkunft des israelischen Teams und verlangte im Austausch gegen die Geiseln die Freilassung einer Reihe von Palästinensern aus israelischen Gefängnissen plus zwei in Deutschland einsitzende RAF Leute.
Der Ausgang des Geiseldramas ist bekannt, alle Israelis starben. Drei der Attentäter überlebten und wurden später durch die Entführung einer Lufthansa Maschine auf dem Weg von Beirut nach Frankfurt freigepresst.
Ein israelisches Mordkommando
Nach der tödlichen Geiselnahme flog die israelische Luftwaffe Angriffe gegen Palästinenserlager im Libanon und Syrien.
Aber das war den Israelis nicht genug. Sie stellten eine Liste von 35 Personen zusammen, die getötet werden sollten, von denen aber nur 11 direkt mit dem Anschlag in München in Verbindung standen.
Auf Anweisung der damaligen Ministerpräsidentin Golda Meir und des damaligen Verteidigungsministers Moshe Dayan wurde aus Mossad–Mitarbeitern eine Todesschwadron zusammengestellt, Codename: Caesarea .
Die Aktion selbst lief unter dem Codenamen „Wrath of God“, zu Deutsch „Zorn Gottes“ Mit Gott hate diese Aktion allerdings nichts zu tun, sondern vielmehr mit dem Zorn der Israelis.
Informationen, die Sylvia Rafael über PLO-Mitglieder lieferte, führten zu der Ermordung von drei PLO-Mitgliedern in Frankreich.
Sylvia Rafael wurde nun selbst Mitglied dieser Todesschwadron und zwar einer Gruppe, welche die Aufgabe hatte, den Anführer des Schwarzen September, Ali Hassan Salameh, umzubringen.
Der sollte sich nach Geheimdienstinformationen angeblich in Norwegen aufhalten.
Der fliessend norwegisch sprechende seit 1965 in Norwegen lebende und seit 1972 mit einer Norwegerin verheiratete Ahmed Bouchiki wurde von der Todesschwadron als Ali Hassan Salameh identifiziert, obgleich die bekannten Merkmale des Salameh (gross, Narbe im Gesicht, , nicht norwegisch sprechend, nicht mit einer Norwegerin verheiratet) überhaupt nicht zutrafen.
Ein kaltblütiger Mord
Die Schwadron ermordete Ahmed Bouchiki vor den Augen seiner schwangeren Frau auf offener Strasse am 21. Juli 1973.
Der Grossteil der Todeschwadron wurde in Norwegen verhaftet und zu Freiheitsstrafen zwischen 2 1/2 und 5 Jahren verurteilt, auf massiven diplomatischen Druck Israels hin aber bereits nach 19-22 Monaten in ihr Heimatland abgeschoben.
Erst 1996 bequemte sich die Regierung Israels, die Familie Bouchiki zu entschädigen. Das war mehr als 20 Jahre nach dem Attentat, ohne Anerkennung einer Schuld versteht sich.
Eine Liebe im Knast
Annaeus Schjodt stammt aus einer Anwaltsfamilie , der eine der renommiertesten Wirtschaftskanzleien in Norwegen gehört.
Schjodt heiratete Sylvia Rafael im Gefängnis und beide wohnten zunächst in Norwegen (Bild der beiden siehe hier).
Anfang der 90er Jahre zog das Paar nach Südafrika, wohl auch deshalb, weil sie Todesdrohungen in Norwegen erhielten.
Von Freunden in Südafrika wurde Sylvia Rafael Schjodt als ausserordentlich humorvoll bezeichnet.
In Israel galt sie als „Heldin“ , aber in Wirklichkeit leistete sie Beihilfe zu einem kaltblütigen Mord an einem Mann, der mit den Palästinensern nichts zu tun hatte.
Sylvia Rafael starb am 9. Februar 2005 in Pretoria an Leukämie. Begraben ist sie in Israel.
Die Visitenkarte habe ich entsorgt, nachdem ich feststellte, dass die Telefonnummer nicht mehr stimmt und er dort wohl auch nicht mehr lebt.
Ich hatte eigentlich noch ein paar Fragen an Annaeus Schjodt stellen wollen.......
Beim Aufräumen blätterte ich gestern in einem Ordner, in dem ich Visitenkarten aufbewahre.Davon viele, die nicht mehr gültige Adressen enthalten. Ich gehöre leider zu der Spezies Mensch, die schlecht etwas wegwerfen kann .
Mein Blick fiel auf eine Visitenkarte auf welcher der Name Annaeus Schjodt stand.
Die Visitenkarte -
Nach einem Moment des Nachdenkens fiel mir ein, das war ein Norweger, der aber in Südafrika lebte und den ich per Zufall in Bulawayo/Simbabwe im Jahre 1995 kennengelernt hatte. Er war dort für ein paar Tage zu Besuch.
.
Wir kamen seinerzeit ins Gespräch und er erzählte mir, dass er seine Frau im Gefängnis in Norwegen kennengelernt habe. Er sei ihr Anwalt gewesen.
Etwas ungewöhnlich meinte ich und er erläuterte , seine Frau sei Mossad-Agentin gewesen und der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad habe damals in Norwegen ein Mitglied der Palästinensergruppe „Schwarzer September“ umbringen wollen, aber den falschen erwischt. Die norwegische Polizei habe dann die ganze Gruppe festgenommen.
Seine Frau würde aber – auch ihm gegenüber – absolutes Stillschweigen über ihre Zeit als Mossad-Agentin bewahren.
Damals erinnerte ich mich dunkel an diesen Vorfall, der bereits 22 Jahre zurücklag und der erst durch Spielbergs Film „München“ vor vier Jahren dann wieder Aktualität bekam, die Vorfälle in Norwegen aber in dem Film nicht thematisiert wurden.
Das Internet machts möglich, innerhalb von wenigen Minuten nach Eingabe des Namens Schjodt waren die Informationen vollständig.
Seine Frau hiess Sylvia Rafael.
Eine Agentenkarriere beim Mossad
Die 1937 in der Nähe von Kapstadt/Südafrika geborene Sylvia Rafael war die Tochter eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter.
Aber ihre Mutter weckte in ihr das Interesse am jüdischen Staat und 1963 emigrierte sie nach Israel. wo sie zunächst in einem Kibbuz als Lehrerin arbeitete.
Später zog sie nach Tel Aviv und wurde vom Mossad rekrutiert. Schnell stieg sie die Stufenleiter im Auslandsgeheimdienst auf und wurde „Kombattantin “ also jemand, der für Auslandseinsätze qualifiziert ist.
Ausgestattet mit einem falschen kanadischen Pass mit dem Decknamen Patricia Roxburgh, und der falschen Berufsbezeichnung „freie Journalistin“ schaffte sie es, von Paris aus in die Palästinenserlager im Libanon und Syrien zu kommen und auch mit dem PLO-Vorsitzenden Yassir Arafat bekannt zu werden.
München und die Folgen
Am 5. September 1972 überfiel eine Gruppe von Palästinensern im olympischen Dorf die Unterkunft des israelischen Teams und verlangte im Austausch gegen die Geiseln die Freilassung einer Reihe von Palästinensern aus israelischen Gefängnissen plus zwei in Deutschland einsitzende RAF Leute.
Der Ausgang des Geiseldramas ist bekannt, alle Israelis starben. Drei der Attentäter überlebten und wurden später durch die Entführung einer Lufthansa Maschine auf dem Weg von Beirut nach Frankfurt freigepresst.
Ein israelisches Mordkommando
Nach der tödlichen Geiselnahme flog die israelische Luftwaffe Angriffe gegen Palästinenserlager im Libanon und Syrien.
Aber das war den Israelis nicht genug. Sie stellten eine Liste von 35 Personen zusammen, die getötet werden sollten, von denen aber nur 11 direkt mit dem Anschlag in München in Verbindung standen.
Auf Anweisung der damaligen Ministerpräsidentin Golda Meir und des damaligen Verteidigungsministers Moshe Dayan wurde aus Mossad–Mitarbeitern eine Todesschwadron zusammengestellt, Codename: Caesarea .
Die Aktion selbst lief unter dem Codenamen „Wrath of God“, zu Deutsch „Zorn Gottes“ Mit Gott hate diese Aktion allerdings nichts zu tun, sondern vielmehr mit dem Zorn der Israelis.
Informationen, die Sylvia Rafael über PLO-Mitglieder lieferte, führten zu der Ermordung von drei PLO-Mitgliedern in Frankreich.
Sylvia Rafael wurde nun selbst Mitglied dieser Todesschwadron und zwar einer Gruppe, welche die Aufgabe hatte, den Anführer des Schwarzen September, Ali Hassan Salameh, umzubringen.
Der sollte sich nach Geheimdienstinformationen angeblich in Norwegen aufhalten.
Der fliessend norwegisch sprechende seit 1965 in Norwegen lebende und seit 1972 mit einer Norwegerin verheiratete Ahmed Bouchiki wurde von der Todesschwadron als Ali Hassan Salameh identifiziert, obgleich die bekannten Merkmale des Salameh (gross, Narbe im Gesicht, , nicht norwegisch sprechend, nicht mit einer Norwegerin verheiratet) überhaupt nicht zutrafen.
Ein kaltblütiger Mord
Die Schwadron ermordete Ahmed Bouchiki vor den Augen seiner schwangeren Frau auf offener Strasse am 21. Juli 1973.
Der Grossteil der Todeschwadron wurde in Norwegen verhaftet und zu Freiheitsstrafen zwischen 2 1/2 und 5 Jahren verurteilt, auf massiven diplomatischen Druck Israels hin aber bereits nach 19-22 Monaten in ihr Heimatland abgeschoben.
Erst 1996 bequemte sich die Regierung Israels, die Familie Bouchiki zu entschädigen. Das war mehr als 20 Jahre nach dem Attentat, ohne Anerkennung einer Schuld versteht sich.
Eine Liebe im Knast
Annaeus Schjodt stammt aus einer Anwaltsfamilie , der eine der renommiertesten Wirtschaftskanzleien in Norwegen gehört.
Schjodt heiratete Sylvia Rafael im Gefängnis und beide wohnten zunächst in Norwegen (Bild der beiden siehe hier).
Anfang der 90er Jahre zog das Paar nach Südafrika, wohl auch deshalb, weil sie Todesdrohungen in Norwegen erhielten.
Von Freunden in Südafrika wurde Sylvia Rafael Schjodt als ausserordentlich humorvoll bezeichnet.
In Israel galt sie als „Heldin“ , aber in Wirklichkeit leistete sie Beihilfe zu einem kaltblütigen Mord an einem Mann, der mit den Palästinensern nichts zu tun hatte.
Sylvia Rafael starb am 9. Februar 2005 in Pretoria an Leukämie. Begraben ist sie in Israel.
Die Visitenkarte habe ich entsorgt, nachdem ich feststellte, dass die Telefonnummer nicht mehr stimmt und er dort wohl auch nicht mehr lebt.
Ich hatte eigentlich noch ein paar Fragen an Annaeus Schjodt stellen wollen.......
onlinedienst - 14. Jun, 21:19 Article 6842x read