Was geht uns die Übernahme von Sat.1 durch Springer an?
Klaus Bonanomi - Der Axel Springer Verlag ist der grösste und mächtigste Zeitungsverleger Europas. Zum Springer-Imperium gehört die Boulevardzeitung «Bild» mit ihrer Auflage von 3,8 Millionen; die konservative Tageszeitung «Die Welt», verschiedene weitere Tages- und Sonntagstitel sowie mehrere Zeitschriften von «Hörzu» bis zum deutschen «Rolling Stone». Tag für Tag erreichen die Springer-Titel 35 Millionen Menschen in Deutschland – mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung.
Doch das reicht Springer nicht: Nun will der Grossverleger auch noch gross ins Fernsehgeschäft einsteigen. Für gut 4 Milliarden Euro will Springer die Privatfernseh- «Familie» Sat.1-ProSieben übernehmen – neben RTL die grösste Privat-TV-Gruppe Deutschlands. «Wenn das Bundes-Kartellamt die Übernahme genehmigt, könnte ein Konzern mit konservativer Ausrichtung entstehen, wie es ihn in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hat», befürchtet die liberale Wochenzeitung «Die Zeit». Ein Medienverbund, der Themen setzen und Themen verschweigen, Stars heute hochjubeln und morgen niedermachen und im Zusammenspiel von Boulevardpresse, Tageszeitungen und Fernseh-Magazinen in nie gekanntem Ausmass die politische Stimmung im ganzen Land beeinflussen könnte.
Und zwar in konservativem Sinne: Konzerngründer Axel Cäsar Springer stand zeitlebens unverrückbar im rechten Lager, liess seine Zeitungen gegen die 68er- Studentenbewegung und gegen Willy Brandts Entspannungspolitik mit der DDR anschreiben. Und heute, 20 Jahre nach dem Tod des Patriarchen, zeigt sich seine Witwe Friede Springer demonstrativ gerne an der Seite von CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Bevorzugtes Opfer der «Bild»-Kampagnen sind auch heute noch rot-grüne, allenfalls auch liberale Politiker. «Das politische Sendungsbewusstsein ist 20 Jahre nach Springers Tod schwächer geworden, erloschen ist es noch nicht», heisst es in dem «Zeit»-Text. Wer nun erwartet hätte, dass sich die deutschen PolitikerInnen – insbesondere natürlich die rot-grünen – gegen den Springer Sat.1-Deal au. ehnen würden, sah sich freilich getäuscht. Die «Zeit» versuchte für ihren Artikel kritische Politiker-Statements einzuholen – vergebens: Sämtliche angefragten Spitzenpolitiker hatten entweder «keine Zeit» oder (wie SPD-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse) die Ausrede parat, «da müsste er sich zuerst einarbeiten», bevor er eine Stellungnahme abgeben würde. «Politisches Wegducken» nennt dies die «Zeit»: Schon heute ist «Bild» so mächtig, dass sich keiner dagegen aufzulehnen getraut. Insbesondere jetzt, mitten im Wahlkampf. – Und nun droht die konservative Springer-Macht auch noch aufs Privatfernsehen überzugreifen.
Natürlich verbittet sich Sat.1-Chef Roger Schawinski tapfer jede politische Einflussnahme: Sein Sender bietet in erster Linie Unterhaltung und News; und sein einziger Erfolgs-Massstab ist die Einschaltquote: Und mit einem auf konservativen Kurs getrimmten Polit-TV würde er zumindest einen Teil seines Publikums vergraulen. Doch zu Sat.1 gehören auch der Newskanal N24 und der kleinere Sender ProSieben; da lässt sich einiges machen. Und warum sollte sich der Springer Verlag auf das finanzielle Hochrisikogeschäft Fernsehen einlassen, wo seit Jahren ein erbitterter Kampf um die rückläufigen Werbeeinnahmen tobt und wo es wenig zu verdienen, aber viel Geld zu verlieren gibt, wenn es ihm nicht darum ginge, politischen Einfluss zu nehmen? Gerade jetzt, wo die politische Wende nach rechts naht. Mit Frau Merkel an der Macht und Springer-Sat.1 als publizistischem Flankenschutz könne man die konservative Linie auf Jahre hinaus zementieren.
Und was geht dies alles uns hier in der Schweiz an? Auch wir haben, wenn auch in lokalerem Rahmen, unsere mächtigen Medienfürsten und Kartelle. Zum Beispiel in Chur. Dort führt kein Weg am Imperium der «Südostschweiz» vorbei: Zwei deutschsprachige und eine rätoromanische Zeitung, Lokalfernsehen und Lokalradio sind in einer Hand. Das bekam auch der Leiter der Churer Theatergruppe «In Situ», Wolfram Frank, zu spüren: Wie kürzlich die Wochenzeitung WOZ berichtete, gerieten der Theatermann und der «Südostschweiz»- Chefredaktor Andrea Masüger abends in einer Kneipe aneinander, es kam zu einem heftigen Wortgefecht, mit der Folge, dass Masüger drohte, in sämtlichen ihm unterstellten Medien nie mehr ein Wort über «In Situ» zu veröffentlichen, bis sich Frank bei ihm entschuldige. Auf diese flagrante Zensurdrohung reagierte Theatermann Frank mit einer Beschwerde an den Presserat – in dessen Stiftungsrat unter anderem auch «Südostschweiz»- Mann Masüger sitzt...
Der Fall ist noch hängig, und man darf gespannt sein, ob und wie in der «Südostschweiz» über die «In Situ»- Premiere vom 8. September berichtet wird!
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Und zwar in konservativem Sinne: Konzerngründer Axel Cäsar Springer stand zeitlebens unverrückbar im rechten Lager, liess seine Zeitungen gegen die 68er- Studentenbewegung und gegen Willy Brandts Entspannungspolitik mit der DDR anschreiben. Und heute, 20 Jahre nach dem Tod des Patriarchen, zeigt sich seine Witwe Friede Springer demonstrativ gerne an der Seite von CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Bevorzugtes Opfer der «Bild»-Kampagnen sind auch heute noch rot-grüne, allenfalls auch liberale Politiker. «Das politische Sendungsbewusstsein ist 20 Jahre nach Springers Tod schwächer geworden, erloschen ist es noch nicht», heisst es in dem «Zeit»-Text. Wer nun erwartet hätte, dass sich die deutschen PolitikerInnen – insbesondere natürlich die rot-grünen – gegen den Springer Sat.1-Deal au. ehnen würden, sah sich freilich getäuscht. Die «Zeit» versuchte für ihren Artikel kritische Politiker-Statements einzuholen – vergebens: Sämtliche angefragten Spitzenpolitiker hatten entweder «keine Zeit» oder (wie SPD-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse) die Ausrede parat, «da müsste er sich zuerst einarbeiten», bevor er eine Stellungnahme abgeben würde. «Politisches Wegducken» nennt dies die «Zeit»: Schon heute ist «Bild» so mächtig, dass sich keiner dagegen aufzulehnen getraut. Insbesondere jetzt, mitten im Wahlkampf. – Und nun droht die konservative Springer-Macht auch noch aufs Privatfernsehen überzugreifen.
Natürlich verbittet sich Sat.1-Chef Roger Schawinski tapfer jede politische Einflussnahme: Sein Sender bietet in erster Linie Unterhaltung und News; und sein einziger Erfolgs-Massstab ist die Einschaltquote: Und mit einem auf konservativen Kurs getrimmten Polit-TV würde er zumindest einen Teil seines Publikums vergraulen. Doch zu Sat.1 gehören auch der Newskanal N24 und der kleinere Sender ProSieben; da lässt sich einiges machen. Und warum sollte sich der Springer Verlag auf das finanzielle Hochrisikogeschäft Fernsehen einlassen, wo seit Jahren ein erbitterter Kampf um die rückläufigen Werbeeinnahmen tobt und wo es wenig zu verdienen, aber viel Geld zu verlieren gibt, wenn es ihm nicht darum ginge, politischen Einfluss zu nehmen? Gerade jetzt, wo die politische Wende nach rechts naht. Mit Frau Merkel an der Macht und Springer-Sat.1 als publizistischem Flankenschutz könne man die konservative Linie auf Jahre hinaus zementieren.
Und was geht dies alles uns hier in der Schweiz an? Auch wir haben, wenn auch in lokalerem Rahmen, unsere mächtigen Medienfürsten und Kartelle. Zum Beispiel in Chur. Dort führt kein Weg am Imperium der «Südostschweiz» vorbei: Zwei deutschsprachige und eine rätoromanische Zeitung, Lokalfernsehen und Lokalradio sind in einer Hand. Das bekam auch der Leiter der Churer Theatergruppe «In Situ», Wolfram Frank, zu spüren: Wie kürzlich die Wochenzeitung WOZ berichtete, gerieten der Theatermann und der «Südostschweiz»- Chefredaktor Andrea Masüger abends in einer Kneipe aneinander, es kam zu einem heftigen Wortgefecht, mit der Folge, dass Masüger drohte, in sämtlichen ihm unterstellten Medien nie mehr ein Wort über «In Situ» zu veröffentlichen, bis sich Frank bei ihm entschuldige. Auf diese flagrante Zensurdrohung reagierte Theatermann Frank mit einer Beschwerde an den Presserat – in dessen Stiftungsrat unter anderem auch «Südostschweiz»- Mann Masüger sitzt...
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sfux - 6. Sep, 09:30 Article 3887x read
und überhaupt...
..."Doch zu Sat.1 gehören auch der Newskanal N24 und der kleinere Sender ProSieben; da lässt sich einiges machen."
Sat.1 kämpft um Einschaltquoten und ist um einiges kleiner als ProSieben.
Ansonsten ein guter Artikel