Kenia: Friedliche Wahlen nächstes Jahr? – Eindrücke von einem Kurzbesuch
Dr. Alexander von Paleske --- 28.8. 2012 ----
Vor zwei Wochen, machte ich auf dem Weg von Frankfurt nach Harare einen Kurzbesuch in Nairobi, Hauptstadt Kenias und wirtschaftliches Zentrum Ostafrikas. Freunde, die für eine Nichtregierungsorganisation arbeiten, hatten mich eingeladen.
Kenia
Ich kannte Nairobi bisher nicht, und war natürlich auch interessiert zu hören, wie sich die politische Situation heute darstellt - fast fünf Jahre nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen 2007.
Auf den ersten Blick ist Nairobi beeindruckend, eine moderne Metropole, sechsspurige Autobahnen, gebaut von den Chinesen, Schoppingcenter in grosser Zahl, enorme Bautätigkeit mit Hochziehen von Wohn-und Geschäftshäusern.
Stadtautobahn und Innenansichten eines Einkaufstempels in Nairobi
Photos: Dr. v. Paleske
Überall in Nairobi stösst man auf UN-Fahrzeuge und Fahrzeuge von NGO‘s: Ausdruck der grossen Zahl von UN-Unterorganisationen, die ihr Quartier hier aufgeschlagen haben, und deren zahlreiche gutbezahlte Angestellten die Shopping-Malls bevölkern, gleichzeitig die Existenz einer breiten Mittelschicht vorgaukeln, und die in Luxusvillen in den „Low density areas“ leben. Villen, die von hohen Mauern und darauf sitzenden Elektrozäunen umgeben sind und von Security-Guards bewacht werden..
Also alles bestens?
Diese Glitzerfassade verbirgt nur notdürftig, wie es der breiten Masse der Bevölkerung in Kenia wirklich geht.
Ein Ausflug in den wenige Kilometer vom Zentrum entfernt liegenden Slum Kibera zeigt die bittere Realität: Auf 2,5 Quadratkilometern zusammengepfercht leben hier fast eine Million Menschen. Nicht Flüchtlinge, sondern Kenianer, die auf den vielen Baustellen schuften, deren Frauen als „Maids“ die Küchen- und Putzdienste in den Villen der Mittel und Oberschicht versehen, oder die arbeitslos sind, und nur dank der Verpflichtung der „Extended family“ für einander zu sorgen, überleben können.
Slum-Stadtteil Kibera
In Kibera und anderen Slums der Hauptstadt gibt es keine geordnete Entsorgung: nicht nur des Mülls, sondern auch der Abwässer. Die Abfälle - und menschliche Exkremente - werden am Strassenrand abgeladen und nur höchst gelegentlich von der Müllabfuhr abgeholt. Ein Eldorado für Ratten und anderes Ungeziefer, ein Seuchenherd noch dazu.
Eldorado für Ratten: Müllhalde in unmittelbarer Nähe des Kibera-Slums, "auf der anderen Strassenseite". Photo: Dr. v. Paleske
Wahlkreis des Premiers
Kibera ist auch der Wahlkreis des Premierministers Raila Odinga, der ganz offensichtlich um seinen Wahlsieg im Dezember 2007 betrogen wurde, was zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen landesweit und auch in Kibera führte: rund 1.500 Tote und mehr als 600.000 interne Flüchtlinge war die Schreckensbilanz, bis es dann unter Vermittlung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zu einer Regierung der Nationalen Einheit kam. Mwai Kibaki blieb Präsident, Raila Odinga wurde Premier.
Leere Versprechen
Odinga hatte seinem Elektrorat eine nachhaltige Verbesserung der Wohnverhältnisse versprochen. Geschehen ist jedoch seither praktisch nichts.
"Shopping Mall" in Kibera Photo: Dr. v.Paleske
Schlimmer noch: Die ärmlichsten Hütten gehören nicht etwa den Bewohnern, sondern wiederum Politikern, die aus diesem Slum noch Geld in der Form von Mieten pressen, eingetrieben von bezahlten Gangs.
Kibera: Wuchermieten für Bruchbuden Photo: Dr. v. Paleske
Hinzu kommt die allgegenwärtige Korruption, die seinerzeit im sog. Goldenberg-Skandal gipfelte. Die damals geplünderte Summe lag bei rund 500 Millionen US Dollar – 10% des jährlichen Bruttosozialprodukts Kenias.
Die Plünderer waren in den höchsten Kreisen zu finden – und wurden nicht belangt. Zu viele aus der alten Regierung Arap Moi und seinem Nachfolger und jetzigen Präsidenten Mwai Kibaki hatten von dem (Staats-)Geldsegen offenbar profitiert.
Und um das Mass vollzumachen: Staatsgelder werden nun nicht etwa für eine Sanierung dieses und anderer Slums rund um Nairobi eingeplant, stattdessen wird nicht nur der jetzige Flughafen erweitert, sondern bereits ein neuer Flughafen für umgerechnet rund 800 Millionen Dollar geplant.
Verarmte Landbevölkerung
Auch eine Fahrt Richtung Mount Kenia lohnt sich, nicht nur um festzustellen, dass die Autobahn 40km hinter Nairobi endet, sondern auch um die Armut der Landbevölkerung kennenzulernen.
Im März nächsten Jahres stehen wieder Wahlen an. Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, will antreten und Nachfolger des jetzigen Präsidenten Mwai Kibaki (80) werden, der nicht wieder antritt.
Gegen Uhuru Kenyatta ist Anklage vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit erhoben worden. Er soll angeblich die Kikuyu-Miliz Mungiki bei den Unruhen in Kenia 2007/2008 organisiert haben, die für zahlreiche Tötungen und Plünderungen verantwortlich war.
Sozialen Sprengstoff durch den Wohlstand einiger Weniger, und die Armut und unerträglichen Lebensverhältnisse Vieler, gibt es genügend.
Und reichlichst Politiker, die vorwiegend mit der eigenen Wohlstandsvermehrung beschäftigt sind, und denen die Lage der breiten Armenschicht herzlich gleichgültig ist.
Friedliche Wahlen nächstes Jahr? Time will tell. Bereits jetzt gab es gewalttätige Auseinandersetzungen – vordergründig um Weideland. Auch hier sollen angeblich Politiker ihre Finger mit im Spiel gehabt haben.
Vor zwei Wochen, machte ich auf dem Weg von Frankfurt nach Harare einen Kurzbesuch in Nairobi, Hauptstadt Kenias und wirtschaftliches Zentrum Ostafrikas. Freunde, die für eine Nichtregierungsorganisation arbeiten, hatten mich eingeladen.
Kenia
Ich kannte Nairobi bisher nicht, und war natürlich auch interessiert zu hören, wie sich die politische Situation heute darstellt - fast fünf Jahre nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen 2007.
Auf den ersten Blick ist Nairobi beeindruckend, eine moderne Metropole, sechsspurige Autobahnen, gebaut von den Chinesen, Schoppingcenter in grosser Zahl, enorme Bautätigkeit mit Hochziehen von Wohn-und Geschäftshäusern.
Stadtautobahn und Innenansichten eines Einkaufstempels in Nairobi
Photos: Dr. v. Paleske
Überall in Nairobi stösst man auf UN-Fahrzeuge und Fahrzeuge von NGO‘s: Ausdruck der grossen Zahl von UN-Unterorganisationen, die ihr Quartier hier aufgeschlagen haben, und deren zahlreiche gutbezahlte Angestellten die Shopping-Malls bevölkern, gleichzeitig die Existenz einer breiten Mittelschicht vorgaukeln, und die in Luxusvillen in den „Low density areas“ leben. Villen, die von hohen Mauern und darauf sitzenden Elektrozäunen umgeben sind und von Security-Guards bewacht werden..
Also alles bestens?
Diese Glitzerfassade verbirgt nur notdürftig, wie es der breiten Masse der Bevölkerung in Kenia wirklich geht.
Ein Ausflug in den wenige Kilometer vom Zentrum entfernt liegenden Slum Kibera zeigt die bittere Realität: Auf 2,5 Quadratkilometern zusammengepfercht leben hier fast eine Million Menschen. Nicht Flüchtlinge, sondern Kenianer, die auf den vielen Baustellen schuften, deren Frauen als „Maids“ die Küchen- und Putzdienste in den Villen der Mittel und Oberschicht versehen, oder die arbeitslos sind, und nur dank der Verpflichtung der „Extended family“ für einander zu sorgen, überleben können.
Slum-Stadtteil Kibera
In Kibera und anderen Slums der Hauptstadt gibt es keine geordnete Entsorgung: nicht nur des Mülls, sondern auch der Abwässer. Die Abfälle - und menschliche Exkremente - werden am Strassenrand abgeladen und nur höchst gelegentlich von der Müllabfuhr abgeholt. Ein Eldorado für Ratten und anderes Ungeziefer, ein Seuchenherd noch dazu.
Eldorado für Ratten: Müllhalde in unmittelbarer Nähe des Kibera-Slums, "auf der anderen Strassenseite". Photo: Dr. v. Paleske
Wahlkreis des Premiers
Kibera ist auch der Wahlkreis des Premierministers Raila Odinga, der ganz offensichtlich um seinen Wahlsieg im Dezember 2007 betrogen wurde, was zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen landesweit und auch in Kibera führte: rund 1.500 Tote und mehr als 600.000 interne Flüchtlinge war die Schreckensbilanz, bis es dann unter Vermittlung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zu einer Regierung der Nationalen Einheit kam. Mwai Kibaki blieb Präsident, Raila Odinga wurde Premier.
Leere Versprechen
Odinga hatte seinem Elektrorat eine nachhaltige Verbesserung der Wohnverhältnisse versprochen. Geschehen ist jedoch seither praktisch nichts.
"Shopping Mall" in Kibera Photo: Dr. v.Paleske
Schlimmer noch: Die ärmlichsten Hütten gehören nicht etwa den Bewohnern, sondern wiederum Politikern, die aus diesem Slum noch Geld in der Form von Mieten pressen, eingetrieben von bezahlten Gangs.
Kibera: Wuchermieten für Bruchbuden Photo: Dr. v. Paleske
Hinzu kommt die allgegenwärtige Korruption, die seinerzeit im sog. Goldenberg-Skandal gipfelte. Die damals geplünderte Summe lag bei rund 500 Millionen US Dollar – 10% des jährlichen Bruttosozialprodukts Kenias.
Die Plünderer waren in den höchsten Kreisen zu finden – und wurden nicht belangt. Zu viele aus der alten Regierung Arap Moi und seinem Nachfolger und jetzigen Präsidenten Mwai Kibaki hatten von dem (Staats-)Geldsegen offenbar profitiert.
Und um das Mass vollzumachen: Staatsgelder werden nun nicht etwa für eine Sanierung dieses und anderer Slums rund um Nairobi eingeplant, stattdessen wird nicht nur der jetzige Flughafen erweitert, sondern bereits ein neuer Flughafen für umgerechnet rund 800 Millionen Dollar geplant.
Verarmte Landbevölkerung
Auch eine Fahrt Richtung Mount Kenia lohnt sich, nicht nur um festzustellen, dass die Autobahn 40km hinter Nairobi endet, sondern auch um die Armut der Landbevölkerung kennenzulernen.
Im März nächsten Jahres stehen wieder Wahlen an. Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, will antreten und Nachfolger des jetzigen Präsidenten Mwai Kibaki (80) werden, der nicht wieder antritt.
Gegen Uhuru Kenyatta ist Anklage vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit erhoben worden. Er soll angeblich die Kikuyu-Miliz Mungiki bei den Unruhen in Kenia 2007/2008 organisiert haben, die für zahlreiche Tötungen und Plünderungen verantwortlich war.
Sozialen Sprengstoff durch den Wohlstand einiger Weniger, und die Armut und unerträglichen Lebensverhältnisse Vieler, gibt es genügend.
Und reichlichst Politiker, die vorwiegend mit der eigenen Wohlstandsvermehrung beschäftigt sind, und denen die Lage der breiten Armenschicht herzlich gleichgültig ist.
Friedliche Wahlen nächstes Jahr? Time will tell. Bereits jetzt gab es gewalttätige Auseinandersetzungen – vordergründig um Weideland. Auch hier sollen angeblich Politiker ihre Finger mit im Spiel gehabt haben.
onlinedienst - 28. Aug, 09:58 Article 7795x read