Mehr Transplantationen mit neuem FDP-Vorschlag?
Dr. Alexander von Paleske ----- 16.10. 2024 -
Die FDP hat einen neuen Vorschlag präsentiert, um die unakzeptabel niedrige Zahl von Transplantationen in Deutschland zu erhöhen.
Die Lage:
Rund 9000 Patienten warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Diesem grossen Bedarf an Spenderorganen stehen lediglich rund 900 Transplantationen pro Jahr gegenüber. Patienten warten oft jahrelang auf ein Spenderorgan - nicht wenige sterben während der Wartezeit.
Genug potentielle Spender
Organ-Spender gäbe es theoretisch genug, denn viele Patienten, die im Krankenhaus sterben, kämen als Spender in Frage. Erforderlich war – und ist – jedoch die zu Lebzeiten erteilte Einwilligung, in einem solchen Falle zum Organspender zu werden, oder, wenn diese fehlt, die Einwilligung der nächsten Angehörigen nach dem Tode.
Gerade das bringt nicht selten die Angehörigen – und die behandelnden Ärzte – insbesondere bei Unfallopfern, in eine geradezu unerträgliche Situation: Nicht nur muss den Angehörigen die schockierende Diagnose mitgeteilt werden, und diese müssen mit dieser schockierenden Nachricht ja erst einmal zurechtkommen, anschliessend werden sie auch noch um die Einwilligung zur Organentnahme gebeten – und müssen sich rasch entscheiden, denn die Zeit drängt.
Neue Gesetze – keine Problemlösung
2021 wurden Änderungen des Transplantationsgesetzes im Bundestag beschlossen – verbessert hat sich jedoch bisher nichts, was kaum überraschend ist.
Die 2019 vom damaligen Gesundheitsminister Spahn vorgeschlagene Widerspruchslösung, also eine Organentnahme nur dann unterbleibt, wenn entweder der Spender zu Lebzeiten, oder nahe Angehörige nach seinem Tode der Entnahme widersprachen, fand keine Mehrheit im Bundestag, und dies obwohl bereits positive Erfahrungen aus europäischen Ländern wie z.B. Österreich vorlagen.
Hauptargument der Gegner der Widerspruchslösung , allen voran Annalena Baerbock von den Grünen, war damals: Hier werde in die Entscheidungsfreiheit, in die Selbstbestimmung des Patienten bzw. seiner Angehörigen eingegriffen.
Das ist ziemlich daneben gegriffen: Zum einen kann der potentielle Spender zu Lebzeiten eine Nichteinwilligungserklärung abgeben, die zu 100% respektiert wird.
Zum anderen ist das Interesse der Angehörigen durch die Möglichkeit, einer Organentnahme zu widersprechen, gewahrt..
Wenig stichhaltig
Das Argument der Verletzung der körperlichen Integrität des sterbenden Hirn-Toten ist wenig stichhaltig:
Rund 80 % aller Toten werden heute eingeäschert – damit auch die potentiell lebensrettenden Organe verbrannt. Der mutmassliche oder zu Lebzeiten geäusserte Wille des Verstorbenen spielt da oftmals gar keine Rolle, da die Urnenbestattung ist erheblich billiger ist, was insbesondere ins Gewicht fällt, nachdem das Sterbegeld der Krankenkassen abgeschafft wurde.
Mehr noch: Sektionen in Universitätskrankenhäusern können auch ohne Einwilligung vorgenommen werden, wenn seitens der Angehörigen nicht binnen einer Frist widersprochen wird. Auch hier werden die Organe zur weiteren feingeweblichen Untersuchung entnommen.
Keine Mehrheit
Die Widerspruchslösung fand damals keine Mehrheit. Stattdessen beschloss das Parlament Aufklärungskampagnen durchzuführen.
Diese Einverständniserklärung zu Lebzeiten wurde zwar mit dem neuen Gesetz vereinfacht, und ein Online- Zentralregister beschlossen, dazu verstärkte Aufklärung durch die Krankenkassen. Aber bisher schon hatten die Krankenkassen ihre Mitglieder angeschrieben, ohne damit signifikant die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Ein recht absurder Vorschlag der Grünen lief in die Richtung, auch die Ordnungsämter bei der Ausgabe von Personalausweisen mit der Aufklärung zu betrauen.
Kaum überraschend: die Zahl an Transplantationen hat sich nach der Verabschiedung des neuen Transplantationsgesetzes nicht erhöht, ganz im Gegenteil: die Zahl der Transplantationen sank sogar.
War vorhersehbar
Das war vorhersehbar denn die Zahl der Menschen, die sich zu Lebzeiten damit beschäftigen wollen, was nach dem Tod mit ihren Organen geschehen soll, ist und bleibt denkbar gering. Viele Menschen schieben die Auseinandersetzung mit dieser Frage von sich – oder vor sich her – wie generell die Beschäftigung mit dem Tode. So bleibt die Entscheidung nach dem Tode schliesslich bei den Angehörigen hängen. Eine ausserordentlich unbefriedigende Lösung.
Nun die FDP
Angesichts dieser Lage tischt die FDP nun einen neuen Vorschlag auf: Nicht etwa eine Widerspruchslösung, sondern unter Beibehaltung der bisherigen Regelung soll die Feststellung des Todes vorverlegt werden: durch eine Ausweitung der Todesdefinition.
Bisher musste der Hirntod festgestellt werden, der nicht notwendigerweise mit dem Herz-Kreislaufstillstand einhergeht, vielmehr ihm um Tage und Wochen vorausgehen kann.
Das soll nach Vorstellung der FDP jetzt anders werden: auch der Herz-Kreislauf-Stillstand soll als Todesfeststellung genügen. Zwar hat der endgültige Herz-Kreislaufstillstand schliesslich den Hirntod zur Folge, aber erst der endgültige, nicht aber der vorübergehende, etwa durch Reanimationsmassnahmen.
Gegen diese wenig aufwändige Ausweitung der Todesfestellung gibt es jedoch erhebliche Bedenken, die von einer Fehldiagnose beim Herz-Kreislaufstillstand bis zur Frage des unakzeptablen Verzichts auf Reanimation (Wiederbelebung) gehen. Schwerwiegende Bedenken in der Tat.
In Deutschland wird auch die Änderung des Todeszeitpunkts wenig an den gegenwärtig niedigen Transplantationszahlen ändern, denn Einwilligung bleibt Einwilligung, warum soll die anders aussehen, wenn auf andere Weise der Tod festgestellt wird?
Die Lösung des Transplatationsproblems liegt in Deutschland zur Zeit einzig und allein in der Widerspruchslösung, die allerdings von vertrauensbildenden Massnahmen flankiert werden muss. Auch daran mangelt es – anders als z.B. in Spanien.
Fazit:
Der Vorschlag der FDP zur Änderung des Transplantationsgesetzes ist ungeeignet und schafft mehr Probleme, als er löst.
Der Verfasser ist Arzt für Innere Medizin und Rechtsanwalt
E Mail: avonpaleske@yahoo.de
Die FDP hat einen neuen Vorschlag präsentiert, um die unakzeptabel niedrige Zahl von Transplantationen in Deutschland zu erhöhen.
Die Lage:
Rund 9000 Patienten warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Diesem grossen Bedarf an Spenderorganen stehen lediglich rund 900 Transplantationen pro Jahr gegenüber. Patienten warten oft jahrelang auf ein Spenderorgan - nicht wenige sterben während der Wartezeit.
Genug potentielle Spender
Organ-Spender gäbe es theoretisch genug, denn viele Patienten, die im Krankenhaus sterben, kämen als Spender in Frage. Erforderlich war – und ist – jedoch die zu Lebzeiten erteilte Einwilligung, in einem solchen Falle zum Organspender zu werden, oder, wenn diese fehlt, die Einwilligung der nächsten Angehörigen nach dem Tode.
Gerade das bringt nicht selten die Angehörigen – und die behandelnden Ärzte – insbesondere bei Unfallopfern, in eine geradezu unerträgliche Situation: Nicht nur muss den Angehörigen die schockierende Diagnose mitgeteilt werden, und diese müssen mit dieser schockierenden Nachricht ja erst einmal zurechtkommen, anschliessend werden sie auch noch um die Einwilligung zur Organentnahme gebeten – und müssen sich rasch entscheiden, denn die Zeit drängt.
Neue Gesetze – keine Problemlösung
2021 wurden Änderungen des Transplantationsgesetzes im Bundestag beschlossen – verbessert hat sich jedoch bisher nichts, was kaum überraschend ist.
Die 2019 vom damaligen Gesundheitsminister Spahn vorgeschlagene Widerspruchslösung, also eine Organentnahme nur dann unterbleibt, wenn entweder der Spender zu Lebzeiten, oder nahe Angehörige nach seinem Tode der Entnahme widersprachen, fand keine Mehrheit im Bundestag, und dies obwohl bereits positive Erfahrungen aus europäischen Ländern wie z.B. Österreich vorlagen.
Hauptargument der Gegner der Widerspruchslösung , allen voran Annalena Baerbock von den Grünen, war damals: Hier werde in die Entscheidungsfreiheit, in die Selbstbestimmung des Patienten bzw. seiner Angehörigen eingegriffen.
Das ist ziemlich daneben gegriffen: Zum einen kann der potentielle Spender zu Lebzeiten eine Nichteinwilligungserklärung abgeben, die zu 100% respektiert wird.
Zum anderen ist das Interesse der Angehörigen durch die Möglichkeit, einer Organentnahme zu widersprechen, gewahrt..
Wenig stichhaltig
Das Argument der Verletzung der körperlichen Integrität des sterbenden Hirn-Toten ist wenig stichhaltig:
Rund 80 % aller Toten werden heute eingeäschert – damit auch die potentiell lebensrettenden Organe verbrannt. Der mutmassliche oder zu Lebzeiten geäusserte Wille des Verstorbenen spielt da oftmals gar keine Rolle, da die Urnenbestattung ist erheblich billiger ist, was insbesondere ins Gewicht fällt, nachdem das Sterbegeld der Krankenkassen abgeschafft wurde.
Mehr noch: Sektionen in Universitätskrankenhäusern können auch ohne Einwilligung vorgenommen werden, wenn seitens der Angehörigen nicht binnen einer Frist widersprochen wird. Auch hier werden die Organe zur weiteren feingeweblichen Untersuchung entnommen.
Keine Mehrheit
Die Widerspruchslösung fand damals keine Mehrheit. Stattdessen beschloss das Parlament Aufklärungskampagnen durchzuführen.
Diese Einverständniserklärung zu Lebzeiten wurde zwar mit dem neuen Gesetz vereinfacht, und ein Online- Zentralregister beschlossen, dazu verstärkte Aufklärung durch die Krankenkassen. Aber bisher schon hatten die Krankenkassen ihre Mitglieder angeschrieben, ohne damit signifikant die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Ein recht absurder Vorschlag der Grünen lief in die Richtung, auch die Ordnungsämter bei der Ausgabe von Personalausweisen mit der Aufklärung zu betrauen.
Kaum überraschend: die Zahl an Transplantationen hat sich nach der Verabschiedung des neuen Transplantationsgesetzes nicht erhöht, ganz im Gegenteil: die Zahl der Transplantationen sank sogar.
War vorhersehbar
Das war vorhersehbar denn die Zahl der Menschen, die sich zu Lebzeiten damit beschäftigen wollen, was nach dem Tod mit ihren Organen geschehen soll, ist und bleibt denkbar gering. Viele Menschen schieben die Auseinandersetzung mit dieser Frage von sich – oder vor sich her – wie generell die Beschäftigung mit dem Tode. So bleibt die Entscheidung nach dem Tode schliesslich bei den Angehörigen hängen. Eine ausserordentlich unbefriedigende Lösung.
Nun die FDP
Angesichts dieser Lage tischt die FDP nun einen neuen Vorschlag auf: Nicht etwa eine Widerspruchslösung, sondern unter Beibehaltung der bisherigen Regelung soll die Feststellung des Todes vorverlegt werden: durch eine Ausweitung der Todesdefinition.
Bisher musste der Hirntod festgestellt werden, der nicht notwendigerweise mit dem Herz-Kreislaufstillstand einhergeht, vielmehr ihm um Tage und Wochen vorausgehen kann.
Das soll nach Vorstellung der FDP jetzt anders werden: auch der Herz-Kreislauf-Stillstand soll als Todesfeststellung genügen. Zwar hat der endgültige Herz-Kreislaufstillstand schliesslich den Hirntod zur Folge, aber erst der endgültige, nicht aber der vorübergehende, etwa durch Reanimationsmassnahmen.
Gegen diese wenig aufwändige Ausweitung der Todesfestellung gibt es jedoch erhebliche Bedenken, die von einer Fehldiagnose beim Herz-Kreislaufstillstand bis zur Frage des unakzeptablen Verzichts auf Reanimation (Wiederbelebung) gehen. Schwerwiegende Bedenken in der Tat.
In Deutschland wird auch die Änderung des Todeszeitpunkts wenig an den gegenwärtig niedigen Transplantationszahlen ändern, denn Einwilligung bleibt Einwilligung, warum soll die anders aussehen, wenn auf andere Weise der Tod festgestellt wird?
Die Lösung des Transplatationsproblems liegt in Deutschland zur Zeit einzig und allein in der Widerspruchslösung, die allerdings von vertrauensbildenden Massnahmen flankiert werden muss. Auch daran mangelt es – anders als z.B. in Spanien.
Fazit:
Der Vorschlag der FDP zur Änderung des Transplantationsgesetzes ist ungeeignet und schafft mehr Probleme, als er löst.
Der Verfasser ist Arzt für Innere Medizin und Rechtsanwalt
E Mail: avonpaleske@yahoo.de
onlinedienst - 16. Okt, 20:45 Article 505x read