Militär in Ägypten setzt auf politische Vernichtung der Muslimbrüder-Bewegung
Dr. Alexander von Paleske ---- 19.8. 2013 ---- Nach den Auseinandersetzungen mit Hunderten von Toten, grösstenteils Zivilisten, erschossen von Armee und Polizei, stellt sich jetzt heraus: das ägyptische Militär setzt offenbar auf das Verbot und die Unterdrückung der Moslembrüder als politisch-soziale Bewegung.
Militär in den Strassen der Hauptstadt Kairo. Screenshot: Dr. v. Paleske
Finanziell unterstützt werden die neuen Militär-Machthaber dabei von Staaten wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Kuwait. Deren Machthaber - allesamt nicht demokratisch gewählt - haben sofort nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi zusammen 12 Milliarden US Dollar für die Putschisten bereitgestellt.
Ein Plan, der nicht aufgehen wird
Man braucht kein grosser Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass dieser Plan der ägyptischen Militärführung nicht aufgehen wird, denn es handelt sich bei den Muslimbrüdern nicht um eine kleine Minderheit, sondern schätzungsweise 30% der ägyptischen Bevölkerung dürften zu deren Mitgliedern bzw. Sympathisanten und Unterstützern gezählt werden.
Stattdessen muss damit gerechnet werden, dass es in Ägypten zu einem lang anhaltenden Bürgerkrieg kommt, wie seinerzeit in Algerien nach den gestohlenen Wahlen im Jahre 1992.
Den Muslimbrüdern, von Hasan al Banna vor 85 Jahren in Ägypten geründet, dessen Enkel, Ammar al Banna, vorgestern von der Sicherheitskräften getötet wurde, sind derartige Verbote der politischen Betätigung im übrigen nichts Neues, und diese sie haben die Bewegung keineswegs geschwächt, im Gegenteil.
Denn dank ihres sozialen Engagements mit Armenspeisungen, Krankenhäusern etc. sind sie seit ihrer Gründung im ägyptischen Volk, insbesondere in den Armenvierteln, fest verankert,.
Trauerzug für Ammar al Banna vorgestern in Kairo. Screenshot: Dr. v. Paleske
Ein Blick zurück
Als strenggläubig islamistisch-politische Bewegung gehörten zu ihren seinerzeitigen politischen Zielen:
- Strikte Auslegung und Umsetzung des Islam im täglichen Leben
- Anstreben einer Theokratie (Gottesstaat)
- Einführung der Scharia
- Antikolonialistischer Kampf gegen die damalige britische Vorherrschaft
.
- Soziale Verpflichtung
Dazu: Strikte Abgrenzung gegen Andersgläubige und ggf. deren Verfolgung, erstmalig praktiziert gegenüber den Juden in den 30er Jahren.
Ihre Parolen lauteten:
- Gott ist unser Ziel
- Der Prophet unser Führer
- Der Dshihad ist der Weg
- Der Tod für Gott ist unser nobelster Wunsch
Nasser und die Muslimbrüder
Mit dem Sturz des ägyptischen Königs Faruk im Jahre 1952 durch die freien Offiziere unter Führung des späteren Präsidenten Gamal Abdel Nasser war auch für die Muslimbrüder eines ihrer Ziele zunächst erreicht: Die nationale Unabhängigkeit. Jedoch nicht der Gottessstaat und die Einführung der Scharia.
Als sich zeigte, dass Nasser in ganz anderen Kategorien dachte, und gänzlich andere Visionen hatte, die nicht ihren radikal-islamischen Zielen entsprachen, versuchten Muslimbrüder ihn umzubringen, was misslang. Nasser verbot 1954 im Gegenzug kurzerhand die Muslim-Bruderschaft.
Politische Ziele Nassers
Nassers Pan-Arabismus strebte den politischen Zusammenschluss aller arabischen Staaten, gleich welcher Religionsrichtung, unter der Führerschaft Ägyptens an. Das schloss auch Schiiten ein, die für die Moslembrüder aber zu den Gotteslästerern gehören, ebenso arabische Christen – für Muslimbrüder völlig unakzeptabel, weil sie als Feinde des Islam angesehen wurden und werden.
Ausserdem gehörte Nasser zu den Gründervätern der Organisation für Afrikanische Einheit, OAU und seinerzeit mit dem indischen Premier Nehru, und dem jugoslawischen Staatschef Tito zu den Begründern der Blockfreien-Bewegung , Staaten der Dritten Welt, die sich vom Joch des Kolonialismus befreit hatten, und die sich weder für die USA noch die UdSSR vereinnahmen lassen, sondern unabhängig von diesen Grossmächten bleiben wollten.
Gründer der Blockfreien: Nasser (li), Nehru (m), Tito (re)
Die OAU unterstützte die Befreiungsbewegungen derjenigen Länder Afrikas, die sich noch unter kolonialem Joch befanden, vorwiegend im südlichen Afrika..
OAU-Gründungskonferenz 24.5. 1963. Gamal Abdel Nasser (Mitte)
Gottesstaatliche Ideen hatten dort überhaupt keinen Platz.
Massen elektrisiert
Nasser – nicht aber die Moslembrüder - elektrisierte die Massen in Ägypten und in der arabischen Welt.
Die Islamisten wiederum, die weder den sozialistischen Pan-Arabismus, noch eine Demokratie anstrebten, hielten weiter am Ziel des Gottesstaates fest. Sie standen damit in schroffem Gegensatz zu den damals vorherrschenden säkularen und sozialistischen Strömungen im arabischen Raum.
Aber diese Ideen nutzten sich ab, die Union zwischen Syrien und Ägypten zerfiel bereits in den 60er Jahren, hinzu kam die Niederlage Nassers im Sechstage-Krieg 1967, die Staaten des südlichen Afrika erlangten nach und nach ihre Unabhängigkeit, und mit dem Ende des Ost-West Konflikts verlor auch die Bewegung der Blockfreien ihre Bedeutung.
An die Stelle des säkularen Panarabismus und der Blockfreien-Bewegung trat schliesslich der radikale Pan-Islamismus, die Geburtsstunde für Al Qaida und deren Ableger.
Vom Dschihad zur Demokratie
Bereits Ende der 70er Jahre, nach wie vor von den jeweiligen ägyptischen Regierungen verfolgt, spalteten sich radikalislamische Gruppen von den Muslimbrüdern ab, die mit Gewalt einen Gottesstaat errichten wollten, während gleichzeitig die Muslimbrüder der Gewalt abschworen, abgesehen vom Kampf gegen Besatzer wie im Irak nach 2003.
Auch Nassers Nachfolger, Anwar as Sadat, selbst einstmals Muslimbruder, verfolgte die Muslimbruderschaft und deren radikale Abspaltungen, bis er deren Mordanschlag 1981 zum Opfer fiel.
Erst unter Sadats Nachfolger Mubarak trat eine Änderung ein. Zwar war die Muslimbruderschaft nicht als politische Partei zugelassen, aber viele ihrer Mitglieder zogen als Unabhängige ins Parlament ein.
Neues Ziel: Per Demokratie zur Scharia
Die Muslimbruderschaft strebte nach ihren Worten demokratische Verhältnisse an, unter dem unausgesprochenen Motto:
Islamisten an die Regierung, Islam an die Macht,
und beteiligten sich in der grossen Mehrzahl deshalb auch nicht an den Demonstrationen, die zum Sturz des Präsidenten Mubarak führten.
Die ganz überwiegende Mehrzahl der Demonstranten wollte Demokratie und nicht etwa einen Gottesstaat, auch nicht die Herrschaft des Islam, und keinesfalls Verfolgung der Christen etc .
Aber diese Demonstranten aller Glaubensrichtungen waren politisch unorganisiert, im Gegensatz zu den Muslimbrüdern, die über Jahrzehnte verfolgt im Untergrund ein weitverzweigtes und wohlorganisiertes Netz aufgebaut hatten, das ihnen jetzt im Wahlkampf nach dem Sturz Mubaraks vortrefflich diente.
Und so schaffte es Mohammed Mursi als Präsident gewählt zu werden, der, wie nicht anders zu erwarten, prompt mit der islamischen Umgestaltung der Verfassung Ägyptens begann.
Er selbst versuchte sich auch noch diktatorische Vollmachten zuzuschanzen, parallel dazu die Einschränkung von Freiheiten.
Im Windschatten Mursis: die Terror-Islamisten
In der Folgezeit machten sich im Windschatten des Wahlsiegs der Moslembrüder auch noch radikalislamstische Hass-Prediger wie Scheich Assem Abdel-Maged breit, die zum Kampf für einen Gottesstaat, und gegen die christlichen Kopten aufriefen. Angriffe auf diese Minderheit häuften sich daraufhin.
Mursi war, das kam noch erschwerend hinzu, ausserstande, die sozialen Verhältnisse nachhaltig zu verbessern, und so kam es schliesslich zu den Massendemonstrationen gegen ihn, welche dem Militär die Möglichkeit verschafften, zu putschen.
Unterstützung in der arabischen Welt
Gleichwohl, auf den ersten Blick überraschend, die prompte finanzielle Unterstützung durch Saudi-Arabien und die Golfstaaten, an deren „Tropf“ die Militärs erst einmal hängen. Deren Regierungen zwar auch keinerlei demokratische Legitimation besitzen, aber in deren Ländern strikter Islam praktiziert wird.
Durch die grosse Zahl von ausgebildeten Ägyptern, die in den Golfstaaten und Saudi -Arabien Beschäftigung fanden, breiteten sich auch dort sich die Ideen der Muslimbrüder aus, sehr zum Missfallen der dortigen Herrscher. Diese hatten sich mit Hilfe des islamischen Klerus an der Macht gehalten.
In der strikten Auslegung des Islam, Einführung der Scharia, Entrechtung der Frauen, und Zwang zur Verschleierung sowie Einhaltung der streng islamischen Gebote durch eine Religionspolizei, erfüllten diese Herrscher alle Forderungen des islamischen Klerus, und liessen diesem freie Hand, das mit Hilfe der Religionspolizei auch durchzusetzen.
Auch förderten sie den "Export" des saudischen Wahabismus in andere arabische und moslemische Länder, der dort wiederum den Nährboden für radikalislamische Gläubige darstellte, von denen viele dann zum Terror-Salafismus überwechselten.
Bedroht war die Position der Herrscher in Saudi-Arabien und am Golf aber sowohl durch den sozialistischen Panarabismus, wie auch durch die Verbreitung der Ideen der Moslembruderschaft, die einen Gottesstaat, aber kein Scheichtum, oder gar ein Königshaus mit Hunderten parasitärer Prinzen anstrebten. Anhänger dieser Bewegungen wurden deshalb konsequent verfolgt.
So ist es allerdings keine Überraschung, dass es gerade Saudi-Arabien und die Golfstatten - mit Ausnahme Katars - sind, welche die neuen Militärmachthaber in Ägypten mit Milliarden Dollar unterstützen.
Fazit
Eine seit 85 Jahren zumeist im politischen Untergrund agierende politisch-soziale Bewegung wie die Muslimbrüder lässt sich nicht einfach von der politischen Landkarte fegen. Vielmehr dürfte der Kampf der Militärs die Muslimbrüder re-radikalisieren, viele von ihnen in die Arme der Terror-Salafisten treiben, und die Kopten, von denen viele den Putsch begrüssten, zur Zielscheibe von Gewalttaten radikaler Islamisten machen.
Ein Verhandlungs-Ausweg wird durch mehr und mehr Tote von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Ägypten droht der Weg ins Chaos.
NACHTRAG 20.8. 2013
Die Verhaftungswelle gegen die Muslimbrüder läuft weiter auf vollen Touren. Vergangene Nacht wurde deren Oberhaupt Mohammed Badia verhaftet. Interims-Nachfolger wurde Mahmoud Ezzat.
Mohammed Badia. Screenshot: Dr. v. Paleske
Der ehemalige Präsident Hosni Mubarak soll angeblich demnächst aus dem Gefängnis entlassen werden.
Eine politische Lösung des Konflikts ist damit in noch weitere Ferne gerückt.
Die Gewinner des ägyptischen Bürgerkriegs sind die Terror-Salafisten
Ägypten vor dem Bürgerkrieg?
Bombenanschläge im Irak – was sind die Ziele der Terror-Salafisten?
Schlachthaus Syrien – Chaospolitik des Westens
Die Salafisten wollen an die Macht - oder: hat der Herbst des arabischen Frühlings schon begonnen, oder gar der Winter?
Zu den Emiraten:
Dubai und UAE: Schöner Urlaub gegen Bares - Folter und Gefängnis gratis
So ticken die Scheichs von Katar …… und so schuften und sterben ihre Arbeiter
Vereinigte Arabische Emirate: Eine Söldnertruppe gegen den arabischen Frühling
Dubai – Die einen stehn im Lichte….
Zur OAU
Africa Day – Vor 50 Jahren wurde die OAU gegründet
Militär in den Strassen der Hauptstadt Kairo. Screenshot: Dr. v. Paleske
Finanziell unterstützt werden die neuen Militär-Machthaber dabei von Staaten wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Kuwait. Deren Machthaber - allesamt nicht demokratisch gewählt - haben sofort nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi zusammen 12 Milliarden US Dollar für die Putschisten bereitgestellt.
Ein Plan, der nicht aufgehen wird
Man braucht kein grosser Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass dieser Plan der ägyptischen Militärführung nicht aufgehen wird, denn es handelt sich bei den Muslimbrüdern nicht um eine kleine Minderheit, sondern schätzungsweise 30% der ägyptischen Bevölkerung dürften zu deren Mitgliedern bzw. Sympathisanten und Unterstützern gezählt werden.
Stattdessen muss damit gerechnet werden, dass es in Ägypten zu einem lang anhaltenden Bürgerkrieg kommt, wie seinerzeit in Algerien nach den gestohlenen Wahlen im Jahre 1992.
Den Muslimbrüdern, von Hasan al Banna vor 85 Jahren in Ägypten geründet, dessen Enkel, Ammar al Banna, vorgestern von der Sicherheitskräften getötet wurde, sind derartige Verbote der politischen Betätigung im übrigen nichts Neues, und diese sie haben die Bewegung keineswegs geschwächt, im Gegenteil.
Denn dank ihres sozialen Engagements mit Armenspeisungen, Krankenhäusern etc. sind sie seit ihrer Gründung im ägyptischen Volk, insbesondere in den Armenvierteln, fest verankert,.
Trauerzug für Ammar al Banna vorgestern in Kairo. Screenshot: Dr. v. Paleske
Ein Blick zurück
Als strenggläubig islamistisch-politische Bewegung gehörten zu ihren seinerzeitigen politischen Zielen:
- Strikte Auslegung und Umsetzung des Islam im täglichen Leben
- Anstreben einer Theokratie (Gottesstaat)
- Einführung der Scharia
- Antikolonialistischer Kampf gegen die damalige britische Vorherrschaft
.
- Soziale Verpflichtung
Dazu: Strikte Abgrenzung gegen Andersgläubige und ggf. deren Verfolgung, erstmalig praktiziert gegenüber den Juden in den 30er Jahren.
Ihre Parolen lauteten:
- Gott ist unser Ziel
- Der Prophet unser Führer
- Der Dshihad ist der Weg
- Der Tod für Gott ist unser nobelster Wunsch
Nasser und die Muslimbrüder
Mit dem Sturz des ägyptischen Königs Faruk im Jahre 1952 durch die freien Offiziere unter Führung des späteren Präsidenten Gamal Abdel Nasser war auch für die Muslimbrüder eines ihrer Ziele zunächst erreicht: Die nationale Unabhängigkeit. Jedoch nicht der Gottessstaat und die Einführung der Scharia.
Als sich zeigte, dass Nasser in ganz anderen Kategorien dachte, und gänzlich andere Visionen hatte, die nicht ihren radikal-islamischen Zielen entsprachen, versuchten Muslimbrüder ihn umzubringen, was misslang. Nasser verbot 1954 im Gegenzug kurzerhand die Muslim-Bruderschaft.
Politische Ziele Nassers
Nassers Pan-Arabismus strebte den politischen Zusammenschluss aller arabischen Staaten, gleich welcher Religionsrichtung, unter der Führerschaft Ägyptens an. Das schloss auch Schiiten ein, die für die Moslembrüder aber zu den Gotteslästerern gehören, ebenso arabische Christen – für Muslimbrüder völlig unakzeptabel, weil sie als Feinde des Islam angesehen wurden und werden.
Ausserdem gehörte Nasser zu den Gründervätern der Organisation für Afrikanische Einheit, OAU und seinerzeit mit dem indischen Premier Nehru, und dem jugoslawischen Staatschef Tito zu den Begründern der Blockfreien-Bewegung , Staaten der Dritten Welt, die sich vom Joch des Kolonialismus befreit hatten, und die sich weder für die USA noch die UdSSR vereinnahmen lassen, sondern unabhängig von diesen Grossmächten bleiben wollten.
Gründer der Blockfreien: Nasser (li), Nehru (m), Tito (re)
Die OAU unterstützte die Befreiungsbewegungen derjenigen Länder Afrikas, die sich noch unter kolonialem Joch befanden, vorwiegend im südlichen Afrika..
OAU-Gründungskonferenz 24.5. 1963. Gamal Abdel Nasser (Mitte)
Gottesstaatliche Ideen hatten dort überhaupt keinen Platz.
Massen elektrisiert
Nasser – nicht aber die Moslembrüder - elektrisierte die Massen in Ägypten und in der arabischen Welt.
Die Islamisten wiederum, die weder den sozialistischen Pan-Arabismus, noch eine Demokratie anstrebten, hielten weiter am Ziel des Gottesstaates fest. Sie standen damit in schroffem Gegensatz zu den damals vorherrschenden säkularen und sozialistischen Strömungen im arabischen Raum.
Aber diese Ideen nutzten sich ab, die Union zwischen Syrien und Ägypten zerfiel bereits in den 60er Jahren, hinzu kam die Niederlage Nassers im Sechstage-Krieg 1967, die Staaten des südlichen Afrika erlangten nach und nach ihre Unabhängigkeit, und mit dem Ende des Ost-West Konflikts verlor auch die Bewegung der Blockfreien ihre Bedeutung.
An die Stelle des säkularen Panarabismus und der Blockfreien-Bewegung trat schliesslich der radikale Pan-Islamismus, die Geburtsstunde für Al Qaida und deren Ableger.
Vom Dschihad zur Demokratie
Bereits Ende der 70er Jahre, nach wie vor von den jeweiligen ägyptischen Regierungen verfolgt, spalteten sich radikalislamische Gruppen von den Muslimbrüdern ab, die mit Gewalt einen Gottesstaat errichten wollten, während gleichzeitig die Muslimbrüder der Gewalt abschworen, abgesehen vom Kampf gegen Besatzer wie im Irak nach 2003.
Auch Nassers Nachfolger, Anwar as Sadat, selbst einstmals Muslimbruder, verfolgte die Muslimbruderschaft und deren radikale Abspaltungen, bis er deren Mordanschlag 1981 zum Opfer fiel.
Erst unter Sadats Nachfolger Mubarak trat eine Änderung ein. Zwar war die Muslimbruderschaft nicht als politische Partei zugelassen, aber viele ihrer Mitglieder zogen als Unabhängige ins Parlament ein.
Neues Ziel: Per Demokratie zur Scharia
Die Muslimbruderschaft strebte nach ihren Worten demokratische Verhältnisse an, unter dem unausgesprochenen Motto:
Islamisten an die Regierung, Islam an die Macht,
und beteiligten sich in der grossen Mehrzahl deshalb auch nicht an den Demonstrationen, die zum Sturz des Präsidenten Mubarak führten.
Die ganz überwiegende Mehrzahl der Demonstranten wollte Demokratie und nicht etwa einen Gottesstaat, auch nicht die Herrschaft des Islam, und keinesfalls Verfolgung der Christen etc .
Aber diese Demonstranten aller Glaubensrichtungen waren politisch unorganisiert, im Gegensatz zu den Muslimbrüdern, die über Jahrzehnte verfolgt im Untergrund ein weitverzweigtes und wohlorganisiertes Netz aufgebaut hatten, das ihnen jetzt im Wahlkampf nach dem Sturz Mubaraks vortrefflich diente.
Und so schaffte es Mohammed Mursi als Präsident gewählt zu werden, der, wie nicht anders zu erwarten, prompt mit der islamischen Umgestaltung der Verfassung Ägyptens begann.
Er selbst versuchte sich auch noch diktatorische Vollmachten zuzuschanzen, parallel dazu die Einschränkung von Freiheiten.
Im Windschatten Mursis: die Terror-Islamisten
In der Folgezeit machten sich im Windschatten des Wahlsiegs der Moslembrüder auch noch radikalislamstische Hass-Prediger wie Scheich Assem Abdel-Maged breit, die zum Kampf für einen Gottesstaat, und gegen die christlichen Kopten aufriefen. Angriffe auf diese Minderheit häuften sich daraufhin.
Mursi war, das kam noch erschwerend hinzu, ausserstande, die sozialen Verhältnisse nachhaltig zu verbessern, und so kam es schliesslich zu den Massendemonstrationen gegen ihn, welche dem Militär die Möglichkeit verschafften, zu putschen.
Unterstützung in der arabischen Welt
Gleichwohl, auf den ersten Blick überraschend, die prompte finanzielle Unterstützung durch Saudi-Arabien und die Golfstaaten, an deren „Tropf“ die Militärs erst einmal hängen. Deren Regierungen zwar auch keinerlei demokratische Legitimation besitzen, aber in deren Ländern strikter Islam praktiziert wird.
Durch die grosse Zahl von ausgebildeten Ägyptern, die in den Golfstaaten und Saudi -Arabien Beschäftigung fanden, breiteten sich auch dort sich die Ideen der Muslimbrüder aus, sehr zum Missfallen der dortigen Herrscher. Diese hatten sich mit Hilfe des islamischen Klerus an der Macht gehalten.
In der strikten Auslegung des Islam, Einführung der Scharia, Entrechtung der Frauen, und Zwang zur Verschleierung sowie Einhaltung der streng islamischen Gebote durch eine Religionspolizei, erfüllten diese Herrscher alle Forderungen des islamischen Klerus, und liessen diesem freie Hand, das mit Hilfe der Religionspolizei auch durchzusetzen.
Auch förderten sie den "Export" des saudischen Wahabismus in andere arabische und moslemische Länder, der dort wiederum den Nährboden für radikalislamische Gläubige darstellte, von denen viele dann zum Terror-Salafismus überwechselten.
Bedroht war die Position der Herrscher in Saudi-Arabien und am Golf aber sowohl durch den sozialistischen Panarabismus, wie auch durch die Verbreitung der Ideen der Moslembruderschaft, die einen Gottesstaat, aber kein Scheichtum, oder gar ein Königshaus mit Hunderten parasitärer Prinzen anstrebten. Anhänger dieser Bewegungen wurden deshalb konsequent verfolgt.
So ist es allerdings keine Überraschung, dass es gerade Saudi-Arabien und die Golfstatten - mit Ausnahme Katars - sind, welche die neuen Militärmachthaber in Ägypten mit Milliarden Dollar unterstützen.
Fazit
Eine seit 85 Jahren zumeist im politischen Untergrund agierende politisch-soziale Bewegung wie die Muslimbrüder lässt sich nicht einfach von der politischen Landkarte fegen. Vielmehr dürfte der Kampf der Militärs die Muslimbrüder re-radikalisieren, viele von ihnen in die Arme der Terror-Salafisten treiben, und die Kopten, von denen viele den Putsch begrüssten, zur Zielscheibe von Gewalttaten radikaler Islamisten machen.
Ein Verhandlungs-Ausweg wird durch mehr und mehr Tote von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Ägypten droht der Weg ins Chaos.
NACHTRAG 20.8. 2013
Die Verhaftungswelle gegen die Muslimbrüder läuft weiter auf vollen Touren. Vergangene Nacht wurde deren Oberhaupt Mohammed Badia verhaftet. Interims-Nachfolger wurde Mahmoud Ezzat.
Mohammed Badia. Screenshot: Dr. v. Paleske
Der ehemalige Präsident Hosni Mubarak soll angeblich demnächst aus dem Gefängnis entlassen werden.
Eine politische Lösung des Konflikts ist damit in noch weitere Ferne gerückt.
Die Gewinner des ägyptischen Bürgerkriegs sind die Terror-Salafisten
Ägypten vor dem Bürgerkrieg?
Bombenanschläge im Irak – was sind die Ziele der Terror-Salafisten?
Schlachthaus Syrien – Chaospolitik des Westens
Die Salafisten wollen an die Macht - oder: hat der Herbst des arabischen Frühlings schon begonnen, oder gar der Winter?
Zu den Emiraten:
Dubai und UAE: Schöner Urlaub gegen Bares - Folter und Gefängnis gratis
So ticken die Scheichs von Katar …… und so schuften und sterben ihre Arbeiter
Vereinigte Arabische Emirate: Eine Söldnertruppe gegen den arabischen Frühling
Dubai – Die einen stehn im Lichte….
Zur OAU
Africa Day – Vor 50 Jahren wurde die OAU gegründet
onlinedienst - 19. Aug, 08:45 Article 4361x read