Wissenschaftliche Veröffentlichungen: Wer verdient daran, was sollte sich ändern?
Dr. Alexander von Paleske --- 3.5. 2013 ----
„Publish or perish“- Veröffentliche oder geh unter - so lautet die zutreffende Beschreibung des akademischen Ausleseprozesses, der Ochsentour auf dem Wege zum Universitätsprofessor.
Nur wer genügend Publikationen vorweisen kann, kommt überhaupt in die engere Wahl, aber zumindest in der Medizin besteht dann immer noch – wenn schon kein Uni-Professor dann wenigstens die Chance auf eine Chefarztstelle, denn selbst mittlere Krankenhäuser verlangen mittlerweile von einem Bewerber zumindest die Habilitation, besser noch den Professorentitel.
150 Publikationen mindestens in der Medizin, vorzugsweise in "Peer reviewed“ Journals, also Fachzeitschriften, die eingereichte wissenschaftliche Arbeiten erst einmal einer rigorosen Überprüfung durch externe Prüfer (Peers) unterziehen, und die dann entweder akzeptiert - gelegentlich erst nach einer angeforderten Nachbesserung - oder abgelehnt werden.
Hohe Ablehnungsrate
Bei international hoch angesehenen Fachzeitschriften liegt die Ablehnungsquote nicht selten deutlich über 60% - Bei den führenden internationalen Medizinzeitschriften wie dem LANCET und dem New England Journal of Medicine werden mehr als 85% der eingereichten Arbeiten zurückgewiesen - entsprechend angesehen dann eine Arbeit, die es zur Publikation schafft.
Als Ausweg nach einer Ablehnung blieben dann die Fachzeitschriften der zweiten oder dritten Reihe (Wahl), auch diese oftmals „Peer reviewed“. So schaffen es dann einige der abgelehnten Arbeiten doch noch zur Veröffentlichung.
Für diese in einem Fachjournal publizierten Veröffentlichungen bekommen die Autoren kein Honorar. Die Ehre der Veröffentlichung ist das Honorar. Das Geld machen einzig und allein die Verlage dieser Fachzeitschriften, wie z. B. der Elsevier Verlag, der unter anderem auch die hochangesehene Medizinzeitschrift LANCET herausgibt.
Hohe Abo-Preise
Diese Journale sind nur über Abonnement erhältlich. Die Einzelbezieher bzw. Bibliotheken müssen knackige Abonnementgebühren berappen: Für den LANCET sind es beispielsweise 269 Euro pro Einzel-Abo pro Jahr.
Keine Überraschung, dass ein grosser Verlag wie Elsevier, mit seinen Publikationen Milliardenumsätze macht.
Mehr noch: Nicht nur, dass für derartige Veröffentlichungen wissenschaftlicher Arbeiten die Autoren keinen Pfennig bekommen, auch die Peers, welche die Arbeit beurteilen, bekommen dafür nichts.
Es wird vielmehr als Ehre und Auszeichnung angesehen, zum Kreis der Peers zu gehören: in der Regel Professoren mit Forschungs- Schwerpunkt auf dem Gebiet, in dem auch die eingereichte Arbeit liegt
So weit o.k.
So schön so gut, die Wissenschaftler und die Peers werden ja von ihren Instituten bezahlt, und die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse gehört ja naturgemäss zu ihrem Aufgabenbereich.
Der Zorn der Gerechten
Was aber jetzt den Zorn von Wissenschaftlern - und nicht nur von ihnen - provoziert hat: Ihre kostenlos angelieferten Arbeiten können nicht im Internet kostenfrei heruntergeladen werden, und damit eine weitestmögliche Verbreitung finden, sondern nur gegen Bezahlung. Und dies, obgleich die wissenschaftlichen Arbeiten ja in der Regel das Resultat eines staatlich unterhaltenen bzw. geförderten Wissenschaftsbetriebes, also mit Steuergeldern finanziert sind. Warum sollten also Bürger noch ein weiteres Mal bezahlen?
Das ganze bisherige System kam durch das Internet in die Kritik, denn vor dessen Einführung gab es ja keine Möglichkeit, in anderer Weise zu publizieren, als über diese gedruckten Fachjournale. Von den Autoren konnten dann kostenlose Artikel-Sonderdrucke angefordert werden. Das beansprucht jedoch Zeit und Kosten, beim Autor wie beim Petenten.
Das Internet hat jedoch mittlerweile neue Publikationswege geschaffen, und damit ist gleichzeitig der Druck auf die Verlage gewachsen, diese Artikel online kostenlos verfügbar zu machen.
Mehr noch: das Internet hat die Möglichkeit eröffnet, Plattformen zu kreieren, auf denen derartige Artikel abgeladen werden können. Die gibt es bereits, das Herunterladen ist kostenlos, nicht aber das Abladen der Artikel, sondern nur gegen eine Gebühr. Peer Review wird ebenfalls angeboten..
Derartige Plattformen ermöglichen ausserdem die Veröffentlichung einer wesentlich grösseren Zahl von Publikationen, damit sinkt selbst bei Peer Review automatisch die Ablehnungsrate.
Fehlende Reputation
Gleichwohl: Diese Plattformen haben bisher noch lange nicht die Reputation der Fachjournale erreicht - noch nicht. Somit sind Wissenschaftler gezwungen, weiterhin in den etablierten Printjournalen zu publizieren.
Der Druck wächst
Nun aber wächst der Druck auf diese Journale – und auf den Gesetzgeber.
In Deutschland sammelte der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer im Jahre 2009 tausende Unterschriften für eine Petition, wonach der Bundestag beschliessen möge:
Wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, müssen allen Bürgern (kosten)frei zugänglich sein.
Open Access ein anderes Wort dafür.
Der Journalist ist studierter Chemiker und als Wissenschaftsjournalist für die Blogplattform SciLogs.de tätig.
Ähnliches forderte der Finch-Report in Grossbritannien .im Jahre 2011-
Dort heisst es:
The UK should embrace the transition to open access, while recognizing,that the researchers have high quality channels through which they can publish and disseminate their findings.
Scheinbare Nachgiebigkeit
Während so der der Druck auf die Wissenschafts-Verlage zunimmt, versuchen diese, dem Druck - scheinbar - nachzugeben. In Wirklichkeit aber, unter Aufrechterhaltung ihrer Gewinnspannen, eine Kostenumverteilung vorzunehmen: indem beispielsweise der LANCET dem Autor einen „Bearbeitungsbetrag“ von bis zu 5000 Dollar aufbrummen will, wenn der Artikel sofort frei zugänglich sein soll - oder ohne Bearbeitungsgebühr nach einer Sperrfrist von 6 Monaten.
Viele Artikel leben aber gerade auch von der Aktualität.
Geld machen auch mit Open Access
Der Elsevier Verlag hat mittlerweile auch erkannt, dass selbst mit beschränktem „Open Access“ sich auch noch Geld verdienen lässt, und hat für das Leukämie-Lymphom-Gebiet das Online-Journal Leukaemia Research Reports kreiert.
Dort werden Artikel „abgeladen“, die es in der Regel nicht in eines der grossen Printmedien wie „Blood“ schaffen, also vor allem Case Reports – Fallberichte. Für die muss der Autor natürlich eine Bearbeitungsgebühr von mehreren Hundert Euro hinblättern.
Dies dürfte wohl kaum als Ausweg angesehen werden. Weit besser wären weitgehend kostenfreie verlagsunabhängige Open Access Plattformen, betrieben beispielsweise von Universitäten oder Fachgesellschaften, die dann auch den Peer Review organisieren könnten.
Eigene Erfahrungen des Autors
Als kostenfreie, aber wenig reputationsfördernde Alternative in bestimmten Fällen bleibt die Online Publizierung „auf eigene Faust“, also eigener Arbeiten auf einem Blog. So hat es der Verfasser mit insgesamt vier Artikeln über eine verbesserte Tuberkulose-Diagnostik gemacht. Die vorgeschlagenen Verbesserungen lassen sich in jeder Krankenstation mit erreichbarem TB-Labor nachvollziehen, ein Peer Review erübrigte sich deshalb. Aber das ist die Ausnahme. Die akzeptablen Zugriffszahlen bestätigen jedoch die Verbreitungsmöglichkeit auch auf diesem Wege.
Fazit
Die vom Internet gebotenen Möglichkeiten werden bei der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten bisher nur völlig unzureichend genutzt. Stattdessen wird die umfassende Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse durch Verlage behindert, deren vorrangiges Interesse vor allem darin besteht, Gewinn zu erzielen, und zwar mit Arbeiten, die ihnen kostenlos verfügbar gemacht wurden.
Internet-Veröffentlichungen des Verfassers
Lymph node aspirates in Tuberculosis-Diagnosis: New challenges, new solutions – a study of 156 patients
Diagnosis of disseminated Tuberculosis in bone marrow aspirates
Lymph node aspirates in Tuberculosis-Diagnosis: New challenges, new solutions – a second study of 545 patients
Diagnosis of disseminated Tuberculosis in bone marrow aspirates - Results of a second study
„Publish or perish“- Veröffentliche oder geh unter - so lautet die zutreffende Beschreibung des akademischen Ausleseprozesses, der Ochsentour auf dem Wege zum Universitätsprofessor.
Nur wer genügend Publikationen vorweisen kann, kommt überhaupt in die engere Wahl, aber zumindest in der Medizin besteht dann immer noch – wenn schon kein Uni-Professor dann wenigstens die Chance auf eine Chefarztstelle, denn selbst mittlere Krankenhäuser verlangen mittlerweile von einem Bewerber zumindest die Habilitation, besser noch den Professorentitel.
150 Publikationen mindestens in der Medizin, vorzugsweise in "Peer reviewed“ Journals, also Fachzeitschriften, die eingereichte wissenschaftliche Arbeiten erst einmal einer rigorosen Überprüfung durch externe Prüfer (Peers) unterziehen, und die dann entweder akzeptiert - gelegentlich erst nach einer angeforderten Nachbesserung - oder abgelehnt werden.
Hohe Ablehnungsrate
Bei international hoch angesehenen Fachzeitschriften liegt die Ablehnungsquote nicht selten deutlich über 60% - Bei den führenden internationalen Medizinzeitschriften wie dem LANCET und dem New England Journal of Medicine werden mehr als 85% der eingereichten Arbeiten zurückgewiesen - entsprechend angesehen dann eine Arbeit, die es zur Publikation schafft.
Als Ausweg nach einer Ablehnung blieben dann die Fachzeitschriften der zweiten oder dritten Reihe (Wahl), auch diese oftmals „Peer reviewed“. So schaffen es dann einige der abgelehnten Arbeiten doch noch zur Veröffentlichung.
Für diese in einem Fachjournal publizierten Veröffentlichungen bekommen die Autoren kein Honorar. Die Ehre der Veröffentlichung ist das Honorar. Das Geld machen einzig und allein die Verlage dieser Fachzeitschriften, wie z. B. der Elsevier Verlag, der unter anderem auch die hochangesehene Medizinzeitschrift LANCET herausgibt.
Hohe Abo-Preise
Diese Journale sind nur über Abonnement erhältlich. Die Einzelbezieher bzw. Bibliotheken müssen knackige Abonnementgebühren berappen: Für den LANCET sind es beispielsweise 269 Euro pro Einzel-Abo pro Jahr.
Keine Überraschung, dass ein grosser Verlag wie Elsevier, mit seinen Publikationen Milliardenumsätze macht.
Mehr noch: Nicht nur, dass für derartige Veröffentlichungen wissenschaftlicher Arbeiten die Autoren keinen Pfennig bekommen, auch die Peers, welche die Arbeit beurteilen, bekommen dafür nichts.
Es wird vielmehr als Ehre und Auszeichnung angesehen, zum Kreis der Peers zu gehören: in der Regel Professoren mit Forschungs- Schwerpunkt auf dem Gebiet, in dem auch die eingereichte Arbeit liegt
So weit o.k.
So schön so gut, die Wissenschaftler und die Peers werden ja von ihren Instituten bezahlt, und die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse gehört ja naturgemäss zu ihrem Aufgabenbereich.
Der Zorn der Gerechten
Was aber jetzt den Zorn von Wissenschaftlern - und nicht nur von ihnen - provoziert hat: Ihre kostenlos angelieferten Arbeiten können nicht im Internet kostenfrei heruntergeladen werden, und damit eine weitestmögliche Verbreitung finden, sondern nur gegen Bezahlung. Und dies, obgleich die wissenschaftlichen Arbeiten ja in der Regel das Resultat eines staatlich unterhaltenen bzw. geförderten Wissenschaftsbetriebes, also mit Steuergeldern finanziert sind. Warum sollten also Bürger noch ein weiteres Mal bezahlen?
Das ganze bisherige System kam durch das Internet in die Kritik, denn vor dessen Einführung gab es ja keine Möglichkeit, in anderer Weise zu publizieren, als über diese gedruckten Fachjournale. Von den Autoren konnten dann kostenlose Artikel-Sonderdrucke angefordert werden. Das beansprucht jedoch Zeit und Kosten, beim Autor wie beim Petenten.
Das Internet hat jedoch mittlerweile neue Publikationswege geschaffen, und damit ist gleichzeitig der Druck auf die Verlage gewachsen, diese Artikel online kostenlos verfügbar zu machen.
Mehr noch: das Internet hat die Möglichkeit eröffnet, Plattformen zu kreieren, auf denen derartige Artikel abgeladen werden können. Die gibt es bereits, das Herunterladen ist kostenlos, nicht aber das Abladen der Artikel, sondern nur gegen eine Gebühr. Peer Review wird ebenfalls angeboten..
Derartige Plattformen ermöglichen ausserdem die Veröffentlichung einer wesentlich grösseren Zahl von Publikationen, damit sinkt selbst bei Peer Review automatisch die Ablehnungsrate.
Fehlende Reputation
Gleichwohl: Diese Plattformen haben bisher noch lange nicht die Reputation der Fachjournale erreicht - noch nicht. Somit sind Wissenschaftler gezwungen, weiterhin in den etablierten Printjournalen zu publizieren.
Der Druck wächst
Nun aber wächst der Druck auf diese Journale – und auf den Gesetzgeber.
In Deutschland sammelte der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer im Jahre 2009 tausende Unterschriften für eine Petition, wonach der Bundestag beschliessen möge:
Wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, müssen allen Bürgern (kosten)frei zugänglich sein.
Open Access ein anderes Wort dafür.
Der Journalist ist studierter Chemiker und als Wissenschaftsjournalist für die Blogplattform SciLogs.de tätig.
Ähnliches forderte der Finch-Report in Grossbritannien .im Jahre 2011-
Dort heisst es:
The UK should embrace the transition to open access, while recognizing,that the researchers have high quality channels through which they can publish and disseminate their findings.
Scheinbare Nachgiebigkeit
Während so der der Druck auf die Wissenschafts-Verlage zunimmt, versuchen diese, dem Druck - scheinbar - nachzugeben. In Wirklichkeit aber, unter Aufrechterhaltung ihrer Gewinnspannen, eine Kostenumverteilung vorzunehmen: indem beispielsweise der LANCET dem Autor einen „Bearbeitungsbetrag“ von bis zu 5000 Dollar aufbrummen will, wenn der Artikel sofort frei zugänglich sein soll - oder ohne Bearbeitungsgebühr nach einer Sperrfrist von 6 Monaten.
Viele Artikel leben aber gerade auch von der Aktualität.
Geld machen auch mit Open Access
Der Elsevier Verlag hat mittlerweile auch erkannt, dass selbst mit beschränktem „Open Access“ sich auch noch Geld verdienen lässt, und hat für das Leukämie-Lymphom-Gebiet das Online-Journal Leukaemia Research Reports kreiert.
Dort werden Artikel „abgeladen“, die es in der Regel nicht in eines der grossen Printmedien wie „Blood“ schaffen, also vor allem Case Reports – Fallberichte. Für die muss der Autor natürlich eine Bearbeitungsgebühr von mehreren Hundert Euro hinblättern.
Dies dürfte wohl kaum als Ausweg angesehen werden. Weit besser wären weitgehend kostenfreie verlagsunabhängige Open Access Plattformen, betrieben beispielsweise von Universitäten oder Fachgesellschaften, die dann auch den Peer Review organisieren könnten.
Eigene Erfahrungen des Autors
Als kostenfreie, aber wenig reputationsfördernde Alternative in bestimmten Fällen bleibt die Online Publizierung „auf eigene Faust“, also eigener Arbeiten auf einem Blog. So hat es der Verfasser mit insgesamt vier Artikeln über eine verbesserte Tuberkulose-Diagnostik gemacht. Die vorgeschlagenen Verbesserungen lassen sich in jeder Krankenstation mit erreichbarem TB-Labor nachvollziehen, ein Peer Review erübrigte sich deshalb. Aber das ist die Ausnahme. Die akzeptablen Zugriffszahlen bestätigen jedoch die Verbreitungsmöglichkeit auch auf diesem Wege.
Fazit
Die vom Internet gebotenen Möglichkeiten werden bei der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten bisher nur völlig unzureichend genutzt. Stattdessen wird die umfassende Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse durch Verlage behindert, deren vorrangiges Interesse vor allem darin besteht, Gewinn zu erzielen, und zwar mit Arbeiten, die ihnen kostenlos verfügbar gemacht wurden.
Internet-Veröffentlichungen des Verfassers
Lymph node aspirates in Tuberculosis-Diagnosis: New challenges, new solutions – a study of 156 patients
Diagnosis of disseminated Tuberculosis in bone marrow aspirates
Lymph node aspirates in Tuberculosis-Diagnosis: New challenges, new solutions – a second study of 545 patients
Diagnosis of disseminated Tuberculosis in bone marrow aspirates - Results of a second study
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