Der Blindtext und der Datenhunger der EU
Matz Hosan - Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text? Künftig werden in der EU alle Telefon- und Internetverbindungsdaten mindestens sechs Monate lang archiviert. Ich weiß, dass ich nie die Chance haben werde, in der Washington Post zu erscheinen. Aber bin ich darum weniger wichtig? Ich sehe meine große Zeit in der EU kommen.
Ich bin blind! Aber ich bin gerne Text. Und sollten Sie mich jetzt tatsächlich zu Ende lesen, dann habe ich etwas geschafft, was den meisten normalen Texten nicht gelingt: Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit, sed diam nonummy nibh euismod tincidunt ut laoreet dolore magna aliquam erat volutpat.
In Brüssel stimmten 378 Parlamentarier dafür, 197 dagegen, dass zukünftig die elektronischen Spuren, die jeder EU-Bürger beim Telefonieren, Internetsurfen oder E-Mailverschicken hinterlässt, zwischen sechs Monaten und zwei Jahren gespeichert werden müssen. Die Erstellung von Kommunikations- und Bewegungsprofilen wird damit möglich. Den finanziellen Schaden durch die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten werden die Anbieter der jeweiligen Dienstleistung haben - und deren Kunden.
Achtung! Dieser Blindtext wird gerade durch 130 Millionen Rezeptoren Ihrer Netzhaut erfasst. Die Zellen werden dadurch in einen Erregungszustand versetzt, der sich über den Sehnerv in dem hinteren Teil Ihres Gehirns ausbreitet. Von dort aus überträgt sich die Erregung in Sekundenbruchteilen auch in andere Bereiche Ihres Großhirns. Ihr Stirnlappen wird stimuliert. Von dort aus gehen jetzt Willensimpulse aus, die Ihr zentrales Nervensystem in konkrete Handlungen umsetzt. Kopf und Augen reagieren bereits. Sie folgen dem Text, nehmen die darin enthaltenen Informationen auf wie ein Schwamm.
Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text? Ich bin blind und meine Chance groß heraus zu kommen ist nah.
Einhelligen Protest gab es auf den Beschluss der EU über die Vorratsdatenspeicherung. Wirtschaftsverbände, Datenschützer und die Medienbranche schimpften. Der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, brachte es auf den Punkt: "Was als präventive Terrorismusbekämpfung beschlossen wurde, ist nichts anderes als die Bekämpfung der freien Kommunikation. Menschen werden aus Angst vor dieser Überwachung ihre Kommunikation beschränken. Dies ist ein Bärendienst für die expandierende Kommunikationswirtschaft." Stufe für Stufe schob sie sich die Treppe hinauf. Pizza Funghi Salami, Sternchen Salami gleich Blockwurst. Die Pilze hatten sechs Monate in einem Sarg aus Blech, abgeschattet vom Sonnenlicht, eingeschläfert in einer Soße aus Essig, billigem Öl und verschiedenen Geschmacksverstärkern, geruht. Es war nur ein Augenblick, in dem sie die Welt erblickt hatten, dann verschwanden sie wieder in einem 450° heißen Ofen. Die Pizza ruhte auf ihrer rechten Hand, und in ihrer Linken hielt sie eine jener nichts sagenden Plastiktüten. Wie fast jeden Abend hatte sie noch das weiße Häubchen aus dem Krankenhaus auf dem Kopf. Das Fettgewebe ihrer Schenkel verspürte einen Heißhunger auf das müde Öl, das bei jedem Schritt sanft auf den Salamischeiben schaukelte. Die kleinen Zellen ihrer heißen Oberschenkel waren gierig, als sie im Treppenhaus ein Geräusch hörte.
Auf den großen technischen Aufwand und die ungeheuren Datenmengen wiesen die Wirtschaftsverbände hin, die die neue Regelung der Vorratsspeicherung zur Folge hätte. Der Internet-Wirtschaftsverband eco geht davon aus, dass sich auf Seiten der Provider der Speicherbedarf für die Archivierung der Daten um den Faktor 1000 erhöhen werde. In der "Süddeutschen Zeitung" rechnete der Journalist Stefan Krempl vor, entspräche allein das zu archivierende Datenvolumen beim Frankfurter Netzknoten DeCIX rund 639.000 CDs täglich. Was aber würde geschehen, wenn alle Kommunizierenden mich, mich den Blintext, zusätzlich einsetzten und damit sämtliche Server rettenlos zumüllten?
Wie beiläufig, beim Umblättern der Buchseiten, habe ich Ihr B berührt. Man hatte sie mir als Type geschildert, die man in allen Bibliotheken begegnet: sehr belesen, doch eher unscheinbar, von etwas altmodelnder Art. Mir aber gefiel ihre Anmutung, kleine Antiqua. Nicht zu verschweigen ihre weiblichen Rundungen, ihre Os und ihr verlockendes V, das sich mit deutlichem Duktus durch das feine Dünndruckpapier wie in seidenen Dessous abdrückte. Mein Puls beschleunigte seine Frequenz. Wieder wollte ich sie berühren. Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit, sed diam nonummy nibh euismod tincidunt ut laoreet dolore magna aliquam erat volutpat.
Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text?
Die Voratspeicherung kann kommen. Ich bin bereit.
Quellen:
Blindtext-Generator
SPIEGEL-ONLINE: Vorratsspeicherung - Wut über Datenhunger der EU
Ich bin blind! Aber ich bin gerne Text. Und sollten Sie mich jetzt tatsächlich zu Ende lesen, dann habe ich etwas geschafft, was den meisten normalen Texten nicht gelingt: Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit, sed diam nonummy nibh euismod tincidunt ut laoreet dolore magna aliquam erat volutpat.
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Achtung! Dieser Blindtext wird gerade durch 130 Millionen Rezeptoren Ihrer Netzhaut erfasst. Die Zellen werden dadurch in einen Erregungszustand versetzt, der sich über den Sehnerv in dem hinteren Teil Ihres Gehirns ausbreitet. Von dort aus überträgt sich die Erregung in Sekundenbruchteilen auch in andere Bereiche Ihres Großhirns. Ihr Stirnlappen wird stimuliert. Von dort aus gehen jetzt Willensimpulse aus, die Ihr zentrales Nervensystem in konkrete Handlungen umsetzt. Kopf und Augen reagieren bereits. Sie folgen dem Text, nehmen die darin enthaltenen Informationen auf wie ein Schwamm.
Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text? Ich bin blind und meine Chance groß heraus zu kommen ist nah.
Einhelligen Protest gab es auf den Beschluss der EU über die Vorratsdatenspeicherung. Wirtschaftsverbände, Datenschützer und die Medienbranche schimpften. Der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, brachte es auf den Punkt: "Was als präventive Terrorismusbekämpfung beschlossen wurde, ist nichts anderes als die Bekämpfung der freien Kommunikation. Menschen werden aus Angst vor dieser Überwachung ihre Kommunikation beschränken. Dies ist ein Bärendienst für die expandierende Kommunikationswirtschaft." Stufe für Stufe schob sie sich die Treppe hinauf. Pizza Funghi Salami, Sternchen Salami gleich Blockwurst. Die Pilze hatten sechs Monate in einem Sarg aus Blech, abgeschattet vom Sonnenlicht, eingeschläfert in einer Soße aus Essig, billigem Öl und verschiedenen Geschmacksverstärkern, geruht. Es war nur ein Augenblick, in dem sie die Welt erblickt hatten, dann verschwanden sie wieder in einem 450° heißen Ofen. Die Pizza ruhte auf ihrer rechten Hand, und in ihrer Linken hielt sie eine jener nichts sagenden Plastiktüten. Wie fast jeden Abend hatte sie noch das weiße Häubchen aus dem Krankenhaus auf dem Kopf. Das Fettgewebe ihrer Schenkel verspürte einen Heißhunger auf das müde Öl, das bei jedem Schritt sanft auf den Salamischeiben schaukelte. Die kleinen Zellen ihrer heißen Oberschenkel waren gierig, als sie im Treppenhaus ein Geräusch hörte.
Auf den großen technischen Aufwand und die ungeheuren Datenmengen wiesen die Wirtschaftsverbände hin, die die neue Regelung der Vorratsspeicherung zur Folge hätte. Der Internet-Wirtschaftsverband eco geht davon aus, dass sich auf Seiten der Provider der Speicherbedarf für die Archivierung der Daten um den Faktor 1000 erhöhen werde. In der "Süddeutschen Zeitung" rechnete der Journalist Stefan Krempl vor, entspräche allein das zu archivierende Datenvolumen beim Frankfurter Netzknoten DeCIX rund 639.000 CDs täglich. Was aber würde geschehen, wenn alle Kommunizierenden mich, mich den Blintext, zusätzlich einsetzten und damit sämtliche Server rettenlos zumüllten?
Wie beiläufig, beim Umblättern der Buchseiten, habe ich Ihr B berührt. Man hatte sie mir als Type geschildert, die man in allen Bibliotheken begegnet: sehr belesen, doch eher unscheinbar, von etwas altmodelnder Art. Mir aber gefiel ihre Anmutung, kleine Antiqua. Nicht zu verschweigen ihre weiblichen Rundungen, ihre Os und ihr verlockendes V, das sich mit deutlichem Duktus durch das feine Dünndruckpapier wie in seidenen Dessous abdrückte. Mein Puls beschleunigte seine Frequenz. Wieder wollte ich sie berühren. Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit, sed diam nonummy nibh euismod tincidunt ut laoreet dolore magna aliquam erat volutpat.
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Die Voratspeicherung kann kommen. Ich bin bereit.
Quellen:


sfux - 16. Feb, 07:46 Article 1735x read