Der ZDF-Bräunungseffekt
Harald Haack – Anhänger von Verschwörungstheorien sind nicht gerade selten. Glaubt man dem britischen Historiker Richard Overey, so zählen der Österreicher Adolf Hitler und der Georgier Josef Stalin zu den prominentesten, historischen Vertretern dieser Spezies. Sie wurden nicht nur zu Todfeinden, sondern auch zu eifrigen Verfechtern von Verschwörungstheorien, die damals dem weit verbreiteten Bedürfnis nach Feindbildern entsprachen. Hitler und Stalin bogen sich die Wirklichkeit so hin, wie sie gerade in ihre Verschwörungstheorien hinein passte.

Hitler bog sich die Wirklichkeit nach seinem Bedürfnis hin.
Der „deutsche Gruß“ wegen Hitlers Prostata-Leiden?
Laut Overy, der sich vom Zweiten Deutschen Fernsehen für den teuren Liebesfilm „Dresden“ einspannen ließ, glaubte Hitler, Juden müssten überall auf der Welt daran arbeiten, Deutschland zu zerstören und dass wissenschaftliche Erkenntnisse seine Meinung dazu stützten. Dagegen basierte Stalins Weltsicht auf der Idee, bürgerliche Kräfte gefährdeten stets die sozialistische Revolution. Stalin, dessen bürgerlicher Name „Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili“ war, sah in vielen seiner Zeitgenossen, die sich als Kommunisten ausgaben, heimliche, bürgerliche Spione. Wie Hitler war er im Lauf seines Lebens trotz seiner relativ hohen Intelligenz ein primitiver Bastler seiner Weltsicht geblieben und hatte sich unnachgiebig und starr – daher sein Parteiname „Stalin“ (der Stählerne“) seine eigene kleine Welt zusammengekleistert. Diese Phantasiewelt hatte er gefüllt mit überall lauernden, maskierten Feinden.
Hitler und Stalin fanden denn auch unter der Bevölkerung ihrer Länder viele Leute, die einen massiven Feind brauchten. Kleingeistige Bürger gab es damals schon viele. Von mächtigen, weniger mächtigen oder gar ohnmächtigen Feinden konnten sich die Bürger nur distanzieren, weil dies ihr tugendhaftes Empfinden, das ihnen die Propaganda der „großen Diktatoren“ eingeredet hatte, unterstützte und damit die idealistischen Utopien jener Despoten zu verwirklichen schien.
Doch Stalin litt 1936 durch den Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs unter Einkreisungsängste; sie ließen ihn überall nach Agenten suchen. Und weil Hitler angeblich überzeugt war, die Juden zögen Amerika in den Krieg, erklärte er Ende 1941 den USA den Krieg.
Wie viele Möglichkeiten einer anderen Welt bzw. historischer Ereignisse gibt es? Wird es jemals Menschen geben, die sich auf solche komplexen Gedankenspiele einlassen und literarisch Alternativ-Welten zu Hitler und Stalin erfinden und glaubhaft durchspielen? Es wäre zumindest unterhaltsam, und dass Horror zu Unterhaltung genutzt wird beweist die Filmindustrie; nicht nur Hollywood allein. Das Kino des Grauens hat sich schon zu Zeiten des Stummfilms etabliert.
Wie dem auch sei, Hitler und Stalin selbst wurden für heutige Verschwörungstheoretiker zu Artefakte; schließlich kommen Verschwörungstheorien ohne reale Artefakte nicht aus. Und es gibt mittlerweile sicherlich ebenso viele Verleugnungen historischer Tatsachen wie deren Bestätigung. Obwohl die Datenlage umfassend ist, zweifeln immer mehr Menschen an Fakten, die ihnen präsentiert werden.
Erleben wir gerade eine Zeit, in der das Böse relativiert wird? Mehr denn je gibt es Menschen, die an allem zweifeln; besonders wohl an sich selbst und weshalb sie Verschwörungstherorien brauchen, und nicht wenige fragen sich: „Wer war Hitler, wer Stalin? Gab es beide tatsächlich? Sind sie nicht viel mehr Erfindungen einfallsreicher Hollywood-Autoren oder eifriger Historiker unter der Leitung von Guido Knoop?“ Der hatte Hitler vor einigen Jahren in einer ZDF-Dokumentation zum Slow-Motion-Monster stilisiert und mit dramatischer Musik unterlegt – so perfekt gruselig bearbeitet, dass seine Hitler-Darstellung Neo-Nazis erfreute und nun in der braunen Szene kursiert. Gerade das Grauen ist es, das immer mehr Anhänger findet, und Knoop liefert die historischen Zappelbilder. Offenbar ist ihm nicht bewusst, dass seine Kommentare oder die seiner Autoren gelöscht, mit faschistischer Propaganda ersetzt werden und auf DVD gebrannt verteilt werden.
Dank der eifrigen ZDF-Historiker hat „der Führer“, wie er noch heute ehrfürchtig von jenen genannt wird, die die Dokumentationen über das Nazi-Deutschland mit braunen Augen sehen, eine unheimliche Popularität. Hinzu kommt, dass Hitlers Gegröle auch noch aus anderen Fernsehkanälen dröhnt. Aber können Sie sich an eine ZDF-Dokumentation erinnern, in der seine Opfer, als sie noch lebten, ein paar Worte in Richtung einer Filmkamera sagten?
Hitler ist uns allen im Ohr. Es scheint, als würde der Kerl nie mehr verstummen – im Gegensatz zu den Millionen von Toten, die aufs Konto von Hitler und seinen vielen Mittätern gingen. Sie schweigen, wahrscheinlich deshalb – verstehen Sie dies ruhig als Verschwörungstheorie – weil das ZDF deren Stimmen für weniger publikumswirksam hält.
Eigenartigerweise sind sich Anhänger von Antifa und Anti-Antifa angesichts des 10 Millionen Euro teuren ZDF-Zweiteiligers „Dresden“ einig. Sie halten den TV-Quotenrenner, der sicherlich nur durch die Neugier der Zuschauer dazu wurde und keineswegs wegen seiner dramaturgischen und künstlerischen Qualität, als „Verbiegung der Historie“.
War ein von der deutschen Flak abgeschossener, britischer Bomberpilot, danach mehrfach von einer deutschen Krankenschwester gerettet, am Einsturz der Dresdner Frauenkirche schuld?
Im Film hatte das Kirchengebäude den Feuersturm überstanden, brach dann aber zusammen, nachdem der Brite zur Aussichtsplattform hochgestiegen war und diese wieder verlassen hatte, um sich das zerstörte Dresden von oben anzuschauen.
Mit diesem Fauxpas, der wohl aus der Krücke heraus entstanden war, den Fernsehzuschauern ein zurechtgebasteltes, atemberaubendes Panaroma des zerbombten Dresden zu zeigen, aber bricht auch der Film in seiner Glaubwürdigkeit zusammen und findet sich in einem revanchistischen Trümmerhaufen wieder. Daran vermögen auch die nachfolgenden Einstellungen von der Einweihung der wieder aufgebauten Frauenkirche, die als Mahnung gegen den Krieg und als Symbol für Versöhnung gelten soll, nichts zu ändern. Und mit dem Auftreten von Bundespräsident Köhler in „Dresden“, dem ZDF-Spielfilm, an diesem Tag der Einweihung, rutscht sogar noch der Trümmerhaufen der fiktiven Liebegeschichte mit ihrer historischen Rahmenhandlung in eine befremdende Situation. Manch Zuschauer wird sich gefragt haben: Ist der Köhler gar nicht echt?
Kultur des Grauens

Hitler bog sich die Wirklichkeit nach seinem Bedürfnis hin.
Der „deutsche Gruß“ wegen Hitlers Prostata-Leiden?
Laut Overy, der sich vom Zweiten Deutschen Fernsehen für den teuren Liebesfilm „Dresden“ einspannen ließ, glaubte Hitler, Juden müssten überall auf der Welt daran arbeiten, Deutschland zu zerstören und dass wissenschaftliche Erkenntnisse seine Meinung dazu stützten. Dagegen basierte Stalins Weltsicht auf der Idee, bürgerliche Kräfte gefährdeten stets die sozialistische Revolution. Stalin, dessen bürgerlicher Name „Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili“ war, sah in vielen seiner Zeitgenossen, die sich als Kommunisten ausgaben, heimliche, bürgerliche Spione. Wie Hitler war er im Lauf seines Lebens trotz seiner relativ hohen Intelligenz ein primitiver Bastler seiner Weltsicht geblieben und hatte sich unnachgiebig und starr – daher sein Parteiname „Stalin“ (der Stählerne“) seine eigene kleine Welt zusammengekleistert. Diese Phantasiewelt hatte er gefüllt mit überall lauernden, maskierten Feinden.
Hitler und Stalin fanden denn auch unter der Bevölkerung ihrer Länder viele Leute, die einen massiven Feind brauchten. Kleingeistige Bürger gab es damals schon viele. Von mächtigen, weniger mächtigen oder gar ohnmächtigen Feinden konnten sich die Bürger nur distanzieren, weil dies ihr tugendhaftes Empfinden, das ihnen die Propaganda der „großen Diktatoren“ eingeredet hatte, unterstützte und damit die idealistischen Utopien jener Despoten zu verwirklichen schien.
Doch Stalin litt 1936 durch den Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs unter Einkreisungsängste; sie ließen ihn überall nach Agenten suchen. Und weil Hitler angeblich überzeugt war, die Juden zögen Amerika in den Krieg, erklärte er Ende 1941 den USA den Krieg.
Wie viele Möglichkeiten einer anderen Welt bzw. historischer Ereignisse gibt es? Wird es jemals Menschen geben, die sich auf solche komplexen Gedankenspiele einlassen und literarisch Alternativ-Welten zu Hitler und Stalin erfinden und glaubhaft durchspielen? Es wäre zumindest unterhaltsam, und dass Horror zu Unterhaltung genutzt wird beweist die Filmindustrie; nicht nur Hollywood allein. Das Kino des Grauens hat sich schon zu Zeiten des Stummfilms etabliert.
Wie dem auch sei, Hitler und Stalin selbst wurden für heutige Verschwörungstheoretiker zu Artefakte; schließlich kommen Verschwörungstheorien ohne reale Artefakte nicht aus. Und es gibt mittlerweile sicherlich ebenso viele Verleugnungen historischer Tatsachen wie deren Bestätigung. Obwohl die Datenlage umfassend ist, zweifeln immer mehr Menschen an Fakten, die ihnen präsentiert werden.
Erleben wir gerade eine Zeit, in der das Böse relativiert wird? Mehr denn je gibt es Menschen, die an allem zweifeln; besonders wohl an sich selbst und weshalb sie Verschwörungstherorien brauchen, und nicht wenige fragen sich: „Wer war Hitler, wer Stalin? Gab es beide tatsächlich? Sind sie nicht viel mehr Erfindungen einfallsreicher Hollywood-Autoren oder eifriger Historiker unter der Leitung von Guido Knoop?“ Der hatte Hitler vor einigen Jahren in einer ZDF-Dokumentation zum Slow-Motion-Monster stilisiert und mit dramatischer Musik unterlegt – so perfekt gruselig bearbeitet, dass seine Hitler-Darstellung Neo-Nazis erfreute und nun in der braunen Szene kursiert. Gerade das Grauen ist es, das immer mehr Anhänger findet, und Knoop liefert die historischen Zappelbilder. Offenbar ist ihm nicht bewusst, dass seine Kommentare oder die seiner Autoren gelöscht, mit faschistischer Propaganda ersetzt werden und auf DVD gebrannt verteilt werden.
Dank der eifrigen ZDF-Historiker hat „der Führer“, wie er noch heute ehrfürchtig von jenen genannt wird, die die Dokumentationen über das Nazi-Deutschland mit braunen Augen sehen, eine unheimliche Popularität. Hinzu kommt, dass Hitlers Gegröle auch noch aus anderen Fernsehkanälen dröhnt. Aber können Sie sich an eine ZDF-Dokumentation erinnern, in der seine Opfer, als sie noch lebten, ein paar Worte in Richtung einer Filmkamera sagten?
Hitler ist uns allen im Ohr. Es scheint, als würde der Kerl nie mehr verstummen – im Gegensatz zu den Millionen von Toten, die aufs Konto von Hitler und seinen vielen Mittätern gingen. Sie schweigen, wahrscheinlich deshalb – verstehen Sie dies ruhig als Verschwörungstheorie – weil das ZDF deren Stimmen für weniger publikumswirksam hält.
Eigenartigerweise sind sich Anhänger von Antifa und Anti-Antifa angesichts des 10 Millionen Euro teuren ZDF-Zweiteiligers „Dresden“ einig. Sie halten den TV-Quotenrenner, der sicherlich nur durch die Neugier der Zuschauer dazu wurde und keineswegs wegen seiner dramaturgischen und künstlerischen Qualität, als „Verbiegung der Historie“.
War ein von der deutschen Flak abgeschossener, britischer Bomberpilot, danach mehrfach von einer deutschen Krankenschwester gerettet, am Einsturz der Dresdner Frauenkirche schuld?
Im Film hatte das Kirchengebäude den Feuersturm überstanden, brach dann aber zusammen, nachdem der Brite zur Aussichtsplattform hochgestiegen war und diese wieder verlassen hatte, um sich das zerstörte Dresden von oben anzuschauen.
Mit diesem Fauxpas, der wohl aus der Krücke heraus entstanden war, den Fernsehzuschauern ein zurechtgebasteltes, atemberaubendes Panaroma des zerbombten Dresden zu zeigen, aber bricht auch der Film in seiner Glaubwürdigkeit zusammen und findet sich in einem revanchistischen Trümmerhaufen wieder. Daran vermögen auch die nachfolgenden Einstellungen von der Einweihung der wieder aufgebauten Frauenkirche, die als Mahnung gegen den Krieg und als Symbol für Versöhnung gelten soll, nichts zu ändern. Und mit dem Auftreten von Bundespräsident Köhler in „Dresden“, dem ZDF-Spielfilm, an diesem Tag der Einweihung, rutscht sogar noch der Trümmerhaufen der fiktiven Liebegeschichte mit ihrer historischen Rahmenhandlung in eine befremdende Situation. Manch Zuschauer wird sich gefragt haben: Ist der Köhler gar nicht echt?

sfux - 8. Mär, 07:59 Article 2781x read