Eine neue "Entente Cordiale"?
Karl Weiss - Die atomare Übereinkunft zwischen den USA und Indien wird von den Beobachtern extrem unterschiedlich eingeschätzt. Die Aussagen gehen von „untergeordnete Bedeutung" bis hin zu „neue Epoche eingeleitet". Tatsächlich könnte sich das Abkommen noch als relativ harmlos herausstellen, aber die Zeichen stehen mehr auf ein Epochemachendes Ereignis.
Tatsächlich ist der eigentliche Deal gar nicht so weltbewegend. Es wurde Indien von der US-Regierung lediglich eine modernere Technologie für die Anreicherungsanlagen und eine Zusammenarbeit bei Atomkraftwerken, neben weiterer wirtschaftlicher Zusammenarbeit, versprochen. Dafür versprach Indien, seine Anreicherung und die Atomkraftwerke den Inspektoren der internationalen Atomüberwachungsbehörde zu öffnen. Ausdrücklich ausgenommen von der Überwachung ist Indiens Atombombe und alle dafür nötigen Anlagen.

Die wirtschaftlichen Sanktionen, die gegen Indien seit Clinton galten, weil es nicht dem Atomsperrvertrag beigetreten war und sich stattdessen die Atombombe verschafft hat (damals noch mit Hilfe der Sowjetunion), wurden aufgehoben (übrigens auch für Pakistan). Damit ist allerdings ein Präzedenzfall geschaffen worden, der weitreichende Folgen haben dürfte - und schon allein dies lässt die Einschätzung ‚geringe Bedeutung’ für dieses Abkommen nicht zu.
Atombombe beschaffen
Am 9.3. konnte man denn auch schon auf der Internet-Site der Zeitung Khaleej Times nachlesen, was die indische Regierung aufgrund des Atomdeals mit den USA beschlossen hat: Es werden 8 (in Worten acht) neue Atomkraftwerke gebaut, jedes einzelne von der Größe eines Biblis-Reaktors. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass es nach Angaben dieser Zeitung in Indien bedeutende Thorium-Vorkommen gibt, die für lange Zeit die Basis dieser Atomkraftwerke bilden könnten. Man kann statt auf Uran-Basis Atomkraftwerke - und Atom-Bomben - auch auf Thorium-Basis aufbauen. Das ist zwar etwas teuerer, weil ein zusätzlicher Umwandlungs-Schritt notwendig ist, aber bei eigenen vorkommen rechnet sich das natürlich.
Jedes andere Land, einschließlich dem Iran, hat jetzt Indien als leuchtendes Beispiel vor Augen: Kümmere dich nicht um den Atomsperrvertrag, beschaff dir die Atombombe, dann wirst du belohnt! Wenn man es genau nimmt, ist der Atomsperrvertrag mit diesem Deal gestorben. Hatte man schon vorher Nord-Korea ungestraft austreten lassen und hingenommen, dass dieses Land bestätigte, nun die Atombombentechnologie zu haben, so sind nun alle Dämme gebrochen. Man kann nun warten, bis die nächsten Atommächte sich zu Worte melden oder jedenfalls - auch ohne offizielle Ankündigung - klar wird, daß dieses oder jenes Land nun die Atombombe hat.
Für Kanada, Australien, Deutschland, Italien, Belgien, Schweden, Norwegen oder auch Japan (um nur einige zu nennen) wäre es ein Klacks, Atombomben zu entwickeln - was noch nicht heißen will, dass all diese es nun auch tun werden. Aber auch andere Länder haben genügend Ressourcen, um in eine solche Technologie einzusteigen, wenn sie denn wollen, z.B die Türkei, Südkorea, Taiwan, Brasilien, Marokko, Ägypten, Saudi-Arabien, die Emirate, Dubai und Bahrain, oder auch Kenia, Nigeria, Südafrika, oder vielleicht Indonesien, Malaysia oder die Philippinen - der Möglichkeiten sind viele.
Belohnung
Selbst die New York Times, die in letzter Zeit fast immer auf US-Regierungslinie lag, kommentiert im „Editorial"vom 9.3.:„ The Bush administration is undermining any international controls on nuclear proliferation with its attempt to reward India for ignoring the rules and acquiring its own weapons." „Die Bush-Regierung unterminiert jegliche internationalen Kontrollen der Weiterverbreitung [von Atomwaffen] mit ihrer Haltung, Indien für seine Missachtung der Regeln und für das Beschaffen eigener [Atom-]Waffen zu belohnen."
Aber die wichtigsten Folgerungen des Atomdeals zwischen den USA und Indien sind gar nicht jene, die direkt die Atomwaffen betreffen. Die wichtigsten sind die Änderungen in der geostrategischen Situation.
Bereits im letzten Jahr war klar geworden, dass sich geostrategische Änderungen andeuten. Die USA waren deutlich geschwächt durch das völlige Desaster des Engagements im Irak, die wirtschaftlichen Wachstumsraten der beiden bei weitem bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China und Indien, ließen ernsthafte Rivalen für die bisherigen Großmächte heranwachsen, die Europäische Union war nach der Ablehnung der neuen Verfassung und mit steigenden Zweifeln über den Euro ebenfalls geschwächt, während Russland sich überraschend schnell aus der Situation der tiefen Krise von 1998 erholte und sich aufmachte, erneut eine Großmacht zu werden.
Neue Grossmacht?
Die Großmacht-Politik der US-Imperialisten war über Jahre - neben dem Versuch, den ganzen Nahen Osten zu dominieren - fokussiert im wesentlichen auf die aus der früheren Sowjetunion und dem Ostblock hervorgegangenen Mittel- und Kleinstaaten, wodurch man glaubte, Russland völlig isolieren und zur Bedeutungslosigkeit verurteilen zu können. Zwar ging - nicht zuletzt durch den Einsatz massiver Mittel - diese Rechnung in einigen Ländern auf, in denen man ‚mithelfen’ konnte bei einer Anzahl von Gemüse- und Obst-„Revolutionen", aber entgegen den Hoffnungen der Neocon-Denkfabriken in den USA erholte sich Russland rasch von der Abwertung der Währung und vermochte es vor allem, die großen Energie-Vorkommen wieder in staatliche Hände zu bekommen. Damit gelang es den US-Strategen trotz aller zeitweisen Erfolge nicht, das wesentliche Ziel zu erreichen. Russland ist trotz allem erneut auf dem Wege, eine der wesentlichen Großmächte zu werden. Dabei darf man ja nie vergessen, dass Russland die strategischen Atomraketen von der Sowjetunion geerbt hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass davon nur noch die Hälfte funktioniert, reicht das immer noch, die Menschheit mehrfach auszulöschen.
Sobald die Think-Tanks in den USA diese Entwicklung registrierten, begann eine hektische Geschäftigkeit, um einen anderen großen Deal aus der Tasche zu ziehen, der die Vorherrschaft des US-Imperialismus auf der Welt für unabsehbare Zeit sichern könnte. Man mochte vielleicht einen Moment daran gedacht haben, sich mit China zu verbünden, aber bei näherem Hinsehen wurde klar, dass China nicht im Traum an diese Verbindung denkt, aus einem einfachen Grund: Die chinesische Führung träumt selbst von der Weltherrschaft: Sie will die USA als Weltenherrscher beerben.
Damit war für die USA die Aufgabe gestellt, genau dies zu verhindern. So war es nicht weit hergeholt, sich mit der anderen großen aufsteigenden Macht zu verbünden, mit Indien, einem traditionellen Gegner Chinas und einem Land, das keine unmittelbare Chance hat, selbst schnell zum Weltenherrscher zu werden. So bereitete man also ein für Indien interessantes Paket vor und lancierte die Möglichkeit einer „strategischen Allianz". Sicher ist dies den US-Denkern nicht leicht gefallen, denn Indien war traditionell noch aus Zeiten der Sowjetunion mit Russland verbunden, hatte seine Atombombe mit Hilfe Russlands erreicht und war immer ein Todfeind eines strategischen Partners der USA in Südasien, Pakistan. Man wird zwangsläufig seine speziellen Beziehungen zu Pakistan aufgeben müssen, wenn man sich mit Indien einlässt. Dazu bestand traditionell ein kühles Verhältnis zwischen Washington und New Delhi. Aber all das war zu überwinden.
Wenn man es richtig betrachtet, wurde all dies überwunden und die USA und Indien sind in eine strategische Partnerschaft eingetreten. Zwar besteht noch die Möglichkeit, dass diese Planung noch auf Hindernisse stößt, die eine weitere Entwicklung der Partnerschaft behindern, aber diese Chance ist klein. Viel wahrscheinlicher ist, dass die beiden Regierungen von Indien und den USA nun Schritt für Schritt alles aus dem Weg räumen, was stören könnte und in eine enge Partnerschaft treten, die natürlich nicht gleichberechtigt ist, sondern einen hat, der lenkt und einen, der im wesentlichen gelenkt wird. Da aber für die Inder im Moment nicht der unmittelbare Weg zur Weltherrschaft möglich ist, setzt man zunächst nur auf eine schnelle und sicherlich von den USA geförderte Entwicklung zu einer Großmacht - und alles Weitere kann sich dann ergeben.
Wenn dies so ist - und vieles deutet darauf hin -, dann sind wir im Moment Zeuge einer geopolitischen Neuorientierung in umfangreichem Ausmaß. Hatte letztes Jahr noch eine mögliche Zusammenarbeit China-Indien-Rußland am Horizont gestanden, so wäre davon jetzt keine Rede mehr. Wenn dies so eintritt, ist dies ein glanzvoller Sieg der US-Diplomatie, der das Desaster des Irak-Krieges glatt aufwiegt, ein Meisterstück von Condoleezza. China steht im Falle einer solchen strategischen Allianz im Wesentlichen isoliert da. Zwar bleibt für China noch die nähere Allianz mit Russland, aber das wird nicht ausreichen, um in absehbarer Zeit das Gewicht einer Allianz USA-Indien auszugleichen. Die Chancen, dass sich die andere noch bestehende Großmacht, die EU, auf die Seite von China und Russland schlägt, sind gering.
Die Gruppe der 20
Als weiterer Faktor im Spiel der Großen gibt es auch noch eine sich enger zusammenschließende Gruppe von Entwicklungsländern, die in Opposition, hauptsächlich zu den arroganten Großmächten USA und EU stehen. Es könnte für China und Russland interessant werden, die Verbindungen zu diesen Ländern zu intensivieren. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Brasilien, Argentinien und Venezuela, um Südafrika, um den Iran und eine Anzahl weiterer Entwicklungsländer, die sich von Zeit zu Zeit dieser Gruppe anschliessen. Diese Allianz hatte sich im Wesentlichen in den Sitzungen der Welthandelsorganisation WTO (und deren Vorbereitungen) herausgebildet, wo diese Länder bisher verhinderten, dass weitgehende Beschlüsse im Sinne der USA und der EU gefasst wurden.
Diese Gruppe von Entwicklungsländern trat bei den WTO-Verhandlungen als‚Gruppe der 20’ auf.
Allerdings würde das Lehnen an Indien auch einen anderen Effekt haben, der noch kaum in seinen Folgen abzuschätzen ist: Die USA würde sich im gleichen Maße nicht mehr an die europäischen Länder lehnen. Wie diese darauf reagieren, kann nur vermutet werden. Sicherlich würden angesichts eines starken Blockes USA-Indien die „Atlantiker" in den europäischen Ländern nicht gerade ein leichteres Spiel haben. Es muss damit gerechnet werden, dass sich die EU angesichts einer solchen Entwicklung zu mehr Eigenständigkeit entschließen würde. Im ungünstigsten Fall könnte das also für die USA ein schlechter Tausch werden. Allerdings sind die Think Tanks der Neocons offenbar der Meinung, dass man die Europäer an der Leine halten kann. Angesichts einer Kanzlerin Merkel kein verwegener Gedanke.
Europäisches Manöver
Da man inzwischen auch weiß, dass die scheinbare Ablehnung des Irak-Kriegs durch die damaligen Regierungen Frankreichs und Deutschlands bestenfalls ein Manöver war und wohl auch mehr innenpolitische als außenpolitische Gründe hatte, so kann man den Denkern in Übersee nur zustimmen: Europa ist weit davon entfernt, sich zu einer eigenständigen, unabhängigen Macht zu entwickeln. Dies mag für uns Europäer auch einen positiven Effekt haben: In einem möglichen zukünftigen Weltkrieg zwischen den USA und Indien auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite könnte Europa sich eventuell (zumindest zunächst) heraushalten.
Es könnte also durchaus sein, dass wir es mit einer neuen „Entente Cordiale" zu tun haben.
Entente Cordiale
Was war die „Entente Cordiale"? Am Ende des 19. Jahrhunderts war Grossbritannien der „alleinige Weltenherrscher", aber es gab auch andere große Mächte. Frankreich, das unter Napoleon fast ganz Europa beherrscht hatte, war ein traditioneller Gegner der Engländer. Man hatte auch und gerade wegen der Kolonien andauernd Streit, denn die beiden Länder waren die größten Kolonialisten. Nordamerika hatte England von Frankreich in einem langen Krieg gewonnen, aber zu jenem Zeitpunkt waren die Staaten Nordamerikas schon lange unabhängig. Afrika war mehr oder weniger aufgeteilt unter den beiden, Asien umkämpft.
Die USA waren zu diesem Zeitpunkt noch ein schlafender Riese unter den imperialistischen Mächten, auch wenn man bereits damals eine Oberherrschaft über den ganzen amerikanischen Kontinent deklariert hatte („Monroe-Doktrin") und sich nicht scheute, den Spaniern mal ganz schnell mit einem Krieg seine letzte Kolonie, Kuba, zu entreissen.
Genau in dieser Situation trat ein neuer Imperialist auf der Weltbühne auf, fast wie aus dem Nichts: Das Deutsche Reich. Vereint erstmals (wenn auch ohne Österreich) nach dem Krieg von 1866, hatte der ‚Deutsche Bund’ es 1870/1871 in einem Krieg mit Frankreich aufgenommen, das von revolutionären Unruhen erschüttert war („Die Pariser Kommune"). Frankreich wurde entscheidend geschlagen, die Provinzen Elsass und Lothringen wurden annektiert und man krönte den neuen deutschen Kaiser, auf der Seele Frankreichs herumtrampelnd, ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles.
Im Weiteren wurde das gerade entstandene Kaiserreich Deutschland durch seine fortgeschrittenen Wissenschaft und seine moderne Technologie schnell zu einem neuen Herausforderer an die englische Großmacht auf den Weltmärkten. Bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts im Jahr 1900 hatte sich diese Auseinandersetzung auf den internationalen Märkten, die bis dahin reines Gebiet der englischen Waren gewesen waren, beachtlich zugespitzt. Das deutsche Reich war plötzlich zu einer ernsten Bedrohung der Weltherrschaft des britischen Imperiums geworden. Zwar hatten die deutschen Kolonialisten nur noch wenige Reste der bis dahin noch nicht unterjochten Länder als Kolonien erhalten, aber die Herausforderungen des deutschen Kaiserreichs an die Briten wurden Jahr für Jahr schwerwiegender.
Bedrohung Panzerkreuzer
Dazu gehörten nicht nur die verbalen Entgleisungen des nicht gerade zurückhaltenden Kaisers Wilhelm des Zweiten, die „nur" psychologische Folgen hatte, sondern auch ganz konkrete Kriegsvorbereitungen wie der Bau von schweren Kriegsschiffen, den so genannten Panzerkreuzern. Zu jener Zeit - es gab noch keine Flugzeuge - war die britische imperiale Überlegenheit nicht zuletzt auf der Seehoheit basiert, so wie heute die US-Dominanz auf der absoluten Lufthoheit beruht, die die Vereinigten Staaten in jedem Gebiet der Erde herstellen können. Der fieberhafte Bau schwerster Kriegsschiffe war also eine nicht zu übersehende Bedrohung des britischen ‚Empire’ und im Kern schon eine Kriegsvorbereitung.
Es gab zwar Verhandlungen zwischen den beiden Mächten, die wurden aber im Jahre 1904 ergebnislos abgebrochen. Doch das britannische Königreich hatte heimlich schon seinen Trumpf vorbereitet: Noch im selben Jahr wurde die strategische Partnerschaft der vormals verfeindeten Mächte Frankreich und England, die „Entente Cordiale" (französisch für „herzliche Übereinkunft") verkündet. Damit war im Kern bereits die Konstellation der beiden Weltkriege des 20. Jahrhundert vorgezeichnet: England und Frankreich auf der einen Seite und Deutschland mit Österreich auf der anderen.
Im weiteren Verlauf brachte es die nicht gerade diplomatische deutsche Diplomatie auch noch fertig, sich mit Russland anzulegen, das eigentlich ein Verbündeter gewesen war und so stand dann auch schon die Aufstellung für den 1.Weltkrieg fest: Deutschland und Österreich gegen England, Frankreich und Russland, während die andere Großmacht, die USA, zunächst ‚neutral’ zu blieben schien, um dann rechtzeitig vor Kriegsende auf der Siegerseite in den Krieg einzusteigen, ein Rezept, das auch im 2. Weltkrieg noch einmal wiederholt wurde.
Die Ähnlichkeiten mit der jetzigen Situation sind offensichtlich. So wie damals gibt es auch heute einen imperialen Weltenherrscher, damals Großbritannien, heute die USA. So wie damals gibt es auch heute eine wichtige, aufstrebende neue Weltmacht, die in absehbarer Zeit die Vorherrschaft des Weltenherrschers gefährden könnte, damals Deutschland, heute China. So wie damals gibt es auch diesmal die Bildung einer strategischen Allianz des Weltenherrschers mit einer anderen Großmacht, damals Frankreich, heute Indien. Das heißt nun natürlich nicht automatisch, dass es nun so wie damals den 1. Weltkrieg auch wieder einen Weltkrieg geben muss, aber der Gedanke ist nahe liegend.
Söldnerheere ohne Pardon
Immerhin muss man auch heute, so wie damals bei den deutschen Führern, von den chinesischen Führern erwarten, dass sie nicht die geringsten Skrupel haben werden, durch Ströme von Blut zu waten, um ihr Ziel, die Weltherrschaft zu erreichen. Ebenso sieht es auf der anderen Seite aus. Die britischen imperialen Truppen und deren Söldnerheere waren berühmt, keinen Pardon zu kennen und nach Möglichkeit keine gefangenen zu machen. Gerade zur zeit der Bildung der „Entente Cordiale" hatte man alle seine Grausamkeit im Burenkrieg in Südafrika gezeigt und dort auch u.a. die Konzentrationslager erfunden.
So sind auch heute die Truppen und staatlichen Organisationen des Weltenherrschers USA berühmt dafür, kriegsverbrecherisch vorzugehen und nicht die mindesten Regeln des Völkerrechts einzuhalten. Es seien nur die Stichworte völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen den Irak, Abu Ghraib, Guantánamo, „Lateralwirkungen", CIA-Folterflüge, Auslagerung von Folter in andere Länder, Mordkommandos für politische Führer und Täuschen der Weltöffentlichkeit durch massive Lügen genannt. Man wird also, so erschreckend das sein mag, die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, dass diese beiden mit voller Geschwindigkeit aufeinander zurasenden Züge wirklich den Punkt des Zusammenstoßes erreichen, d.h. trotz aller Bedenken in einer von Atomwaffen beherrschten Welt, einen neuen Weltkrieg vom Zaum brechen.
China muss, da gibt es keinen Zweifel, die Allianz zwischen Washington und Delhi als gegen sich gerichtet empfinden. China hat im Moment nicht allzu viele Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Umso eher wird man die Möglichkeit eines Krieges ins Auge fassen.
Es gibt sehr wohl Möglichkeiten zu reagieren, aber die sind riskant. So hat China z.B. die größte Devisenreserve von US-Dollar aller Länder. Würde es die auf den Markt werfen, hätte der Dollar eine immense Abwertung hinzunehmen, was die US-Ökonomie zutiefst erschüttern könnte. Gleichzeitig würde China aber damit sein „Erspartes verfeuern". Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass China diese Antwort benutzen wird.
Was man nun sicherlich erwarten kann, ist das Benutzen des Vetos im UN-Sicherheitsrat gegen die USA bei diversen Gelegenheiten bzw. das Drohen damit. Die nächste Gelegenheit könnte schon bald anstehen, wenn die US-Regierung ihren Krieg gegen den Iran vom Sicherheitsrat abgesegnet bekommen will. Hatte Peking vor kurzer Zeit noch angedeutet, das es sich bei einer geschickt formulierten Resolution der Stimme enthalten könnte, durfte nun das Veto Chinas sicher sein. Das wird dazu führen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit gar kein text vorgelegt wird, der den überfall auf den Iran als Möglichkeit erwähnt. Nicht dass Präsident Bush sich dadurch von diesem überfall abhalten lassen würde, er hat seine völlige Missachtung der UNO schon beim Irakkrieg bewiesen, aber es wäre, speziell für die „Willigen", wie z.B. Deutschland, doch viel besser gewesen, hätte man eine einschlägige Sicherheitsratsresolution im Rücken gehabt.
Man kann gespannt sein, wie Kanzlerin Merkel ihre Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Überfall auf den Iran ohne Sicherheitsratsresolution erklären wird.
Chinas Antwort
Aber dies sind mit Sicherheit noch nur die geringsten Auswirkungen, die das Abkommen zwischen Indien und den USA haben wird. Man kann erwarten, dass China Antworten entwickeln wird. Im Moment muss China noch äußerst vorsichtig vorgehen, denn man ist in extremer weise auf Einfuhren von Erdöl aus Quellen angewiesen, die vom Westen kontrolliert werden. So kann man denn auch vermuten, dass es genau diese Abhängigkeit sein wird, die man im fernen Osten zuerst angehen wird.
Es gibt bereits Lieferabkommen mit Venezuela und dem Iran, die dürften drastisch ausgeweitet werden. Sowohl Erdöl als auch Erdgas wird man verstärkt von Russland importieren (Russland und China haben eine Tausende von Kilometern lange gemeinsame Grenze). Eines der nächsten diplomatischen Ziele könnte Brasilien sein, das ab der zweiten Hälfte dieses Jahres ebenfalls schon Überschussmengen von Erdöl exportieren kann. Auch Argentinien könnte ein zukünftiger Partner sein.
Auf dem eigenen amerikanischen Kontinent verbündete gegen die USA zu finden, dürfte besonders interessant für China sein. Man stelle sich nur vor, Venezuela und China würden einen Nichtangriffs- und Beistandspakt schliessen - oder noch verwegener - China und der Iran.
Allerdings sind alle solche Antworten nicht kurzfristig zu erwarten, denn im Moment ist China noch extrem verwundbar. Wenn die US-Regierung, unter irgendeinen beliebigen Vorwand, morgen einen Boykott der Lieferung von Erdöl an China als Sanktion seinen verbündeten aufs Auge drücken würde, wäre das der wirtschaftliche Zusammenbruch Chinas. Aber auch China weiß, dass es Alternativen zum Erdöl gibt, wenn auch nicht kurzfristig.
Wie es auch genau ablaufen wird, diese nächsten Monate und Jahre werden auch im geopolitischen Sinne ereignisreich und interessant werden.
Tatsächlich ist der eigentliche Deal gar nicht so weltbewegend. Es wurde Indien von der US-Regierung lediglich eine modernere Technologie für die Anreicherungsanlagen und eine Zusammenarbeit bei Atomkraftwerken, neben weiterer wirtschaftlicher Zusammenarbeit, versprochen. Dafür versprach Indien, seine Anreicherung und die Atomkraftwerke den Inspektoren der internationalen Atomüberwachungsbehörde zu öffnen. Ausdrücklich ausgenommen von der Überwachung ist Indiens Atombombe und alle dafür nötigen Anlagen.

Die wirtschaftlichen Sanktionen, die gegen Indien seit Clinton galten, weil es nicht dem Atomsperrvertrag beigetreten war und sich stattdessen die Atombombe verschafft hat (damals noch mit Hilfe der Sowjetunion), wurden aufgehoben (übrigens auch für Pakistan). Damit ist allerdings ein Präzedenzfall geschaffen worden, der weitreichende Folgen haben dürfte - und schon allein dies lässt die Einschätzung ‚geringe Bedeutung’ für dieses Abkommen nicht zu.
Atombombe beschaffen
Am 9.3. konnte man denn auch schon auf der Internet-Site der Zeitung Khaleej Times nachlesen, was die indische Regierung aufgrund des Atomdeals mit den USA beschlossen hat: Es werden 8 (in Worten acht) neue Atomkraftwerke gebaut, jedes einzelne von der Größe eines Biblis-Reaktors. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass es nach Angaben dieser Zeitung in Indien bedeutende Thorium-Vorkommen gibt, die für lange Zeit die Basis dieser Atomkraftwerke bilden könnten. Man kann statt auf Uran-Basis Atomkraftwerke - und Atom-Bomben - auch auf Thorium-Basis aufbauen. Das ist zwar etwas teuerer, weil ein zusätzlicher Umwandlungs-Schritt notwendig ist, aber bei eigenen vorkommen rechnet sich das natürlich.
Jedes andere Land, einschließlich dem Iran, hat jetzt Indien als leuchtendes Beispiel vor Augen: Kümmere dich nicht um den Atomsperrvertrag, beschaff dir die Atombombe, dann wirst du belohnt! Wenn man es genau nimmt, ist der Atomsperrvertrag mit diesem Deal gestorben. Hatte man schon vorher Nord-Korea ungestraft austreten lassen und hingenommen, dass dieses Land bestätigte, nun die Atombombentechnologie zu haben, so sind nun alle Dämme gebrochen. Man kann nun warten, bis die nächsten Atommächte sich zu Worte melden oder jedenfalls - auch ohne offizielle Ankündigung - klar wird, daß dieses oder jenes Land nun die Atombombe hat.
Für Kanada, Australien, Deutschland, Italien, Belgien, Schweden, Norwegen oder auch Japan (um nur einige zu nennen) wäre es ein Klacks, Atombomben zu entwickeln - was noch nicht heißen will, dass all diese es nun auch tun werden. Aber auch andere Länder haben genügend Ressourcen, um in eine solche Technologie einzusteigen, wenn sie denn wollen, z.B die Türkei, Südkorea, Taiwan, Brasilien, Marokko, Ägypten, Saudi-Arabien, die Emirate, Dubai und Bahrain, oder auch Kenia, Nigeria, Südafrika, oder vielleicht Indonesien, Malaysia oder die Philippinen - der Möglichkeiten sind viele.
Belohnung
Selbst die New York Times, die in letzter Zeit fast immer auf US-Regierungslinie lag, kommentiert im „Editorial"vom 9.3.:„ The Bush administration is undermining any international controls on nuclear proliferation with its attempt to reward India for ignoring the rules and acquiring its own weapons." „Die Bush-Regierung unterminiert jegliche internationalen Kontrollen der Weiterverbreitung [von Atomwaffen] mit ihrer Haltung, Indien für seine Missachtung der Regeln und für das Beschaffen eigener [Atom-]Waffen zu belohnen."
Aber die wichtigsten Folgerungen des Atomdeals zwischen den USA und Indien sind gar nicht jene, die direkt die Atomwaffen betreffen. Die wichtigsten sind die Änderungen in der geostrategischen Situation.
Bereits im letzten Jahr war klar geworden, dass sich geostrategische Änderungen andeuten. Die USA waren deutlich geschwächt durch das völlige Desaster des Engagements im Irak, die wirtschaftlichen Wachstumsraten der beiden bei weitem bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China und Indien, ließen ernsthafte Rivalen für die bisherigen Großmächte heranwachsen, die Europäische Union war nach der Ablehnung der neuen Verfassung und mit steigenden Zweifeln über den Euro ebenfalls geschwächt, während Russland sich überraschend schnell aus der Situation der tiefen Krise von 1998 erholte und sich aufmachte, erneut eine Großmacht zu werden.
Neue Grossmacht?
Die Großmacht-Politik der US-Imperialisten war über Jahre - neben dem Versuch, den ganzen Nahen Osten zu dominieren - fokussiert im wesentlichen auf die aus der früheren Sowjetunion und dem Ostblock hervorgegangenen Mittel- und Kleinstaaten, wodurch man glaubte, Russland völlig isolieren und zur Bedeutungslosigkeit verurteilen zu können. Zwar ging - nicht zuletzt durch den Einsatz massiver Mittel - diese Rechnung in einigen Ländern auf, in denen man ‚mithelfen’ konnte bei einer Anzahl von Gemüse- und Obst-„Revolutionen", aber entgegen den Hoffnungen der Neocon-Denkfabriken in den USA erholte sich Russland rasch von der Abwertung der Währung und vermochte es vor allem, die großen Energie-Vorkommen wieder in staatliche Hände zu bekommen. Damit gelang es den US-Strategen trotz aller zeitweisen Erfolge nicht, das wesentliche Ziel zu erreichen. Russland ist trotz allem erneut auf dem Wege, eine der wesentlichen Großmächte zu werden. Dabei darf man ja nie vergessen, dass Russland die strategischen Atomraketen von der Sowjetunion geerbt hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass davon nur noch die Hälfte funktioniert, reicht das immer noch, die Menschheit mehrfach auszulöschen.
Sobald die Think-Tanks in den USA diese Entwicklung registrierten, begann eine hektische Geschäftigkeit, um einen anderen großen Deal aus der Tasche zu ziehen, der die Vorherrschaft des US-Imperialismus auf der Welt für unabsehbare Zeit sichern könnte. Man mochte vielleicht einen Moment daran gedacht haben, sich mit China zu verbünden, aber bei näherem Hinsehen wurde klar, dass China nicht im Traum an diese Verbindung denkt, aus einem einfachen Grund: Die chinesische Führung träumt selbst von der Weltherrschaft: Sie will die USA als Weltenherrscher beerben.
Damit war für die USA die Aufgabe gestellt, genau dies zu verhindern. So war es nicht weit hergeholt, sich mit der anderen großen aufsteigenden Macht zu verbünden, mit Indien, einem traditionellen Gegner Chinas und einem Land, das keine unmittelbare Chance hat, selbst schnell zum Weltenherrscher zu werden. So bereitete man also ein für Indien interessantes Paket vor und lancierte die Möglichkeit einer „strategischen Allianz". Sicher ist dies den US-Denkern nicht leicht gefallen, denn Indien war traditionell noch aus Zeiten der Sowjetunion mit Russland verbunden, hatte seine Atombombe mit Hilfe Russlands erreicht und war immer ein Todfeind eines strategischen Partners der USA in Südasien, Pakistan. Man wird zwangsläufig seine speziellen Beziehungen zu Pakistan aufgeben müssen, wenn man sich mit Indien einlässt. Dazu bestand traditionell ein kühles Verhältnis zwischen Washington und New Delhi. Aber all das war zu überwinden.
Wenn man es richtig betrachtet, wurde all dies überwunden und die USA und Indien sind in eine strategische Partnerschaft eingetreten. Zwar besteht noch die Möglichkeit, dass diese Planung noch auf Hindernisse stößt, die eine weitere Entwicklung der Partnerschaft behindern, aber diese Chance ist klein. Viel wahrscheinlicher ist, dass die beiden Regierungen von Indien und den USA nun Schritt für Schritt alles aus dem Weg räumen, was stören könnte und in eine enge Partnerschaft treten, die natürlich nicht gleichberechtigt ist, sondern einen hat, der lenkt und einen, der im wesentlichen gelenkt wird. Da aber für die Inder im Moment nicht der unmittelbare Weg zur Weltherrschaft möglich ist, setzt man zunächst nur auf eine schnelle und sicherlich von den USA geförderte Entwicklung zu einer Großmacht - und alles Weitere kann sich dann ergeben.
Wenn dies so ist - und vieles deutet darauf hin -, dann sind wir im Moment Zeuge einer geopolitischen Neuorientierung in umfangreichem Ausmaß. Hatte letztes Jahr noch eine mögliche Zusammenarbeit China-Indien-Rußland am Horizont gestanden, so wäre davon jetzt keine Rede mehr. Wenn dies so eintritt, ist dies ein glanzvoller Sieg der US-Diplomatie, der das Desaster des Irak-Krieges glatt aufwiegt, ein Meisterstück von Condoleezza. China steht im Falle einer solchen strategischen Allianz im Wesentlichen isoliert da. Zwar bleibt für China noch die nähere Allianz mit Russland, aber das wird nicht ausreichen, um in absehbarer Zeit das Gewicht einer Allianz USA-Indien auszugleichen. Die Chancen, dass sich die andere noch bestehende Großmacht, die EU, auf die Seite von China und Russland schlägt, sind gering.
Die Gruppe der 20
Als weiterer Faktor im Spiel der Großen gibt es auch noch eine sich enger zusammenschließende Gruppe von Entwicklungsländern, die in Opposition, hauptsächlich zu den arroganten Großmächten USA und EU stehen. Es könnte für China und Russland interessant werden, die Verbindungen zu diesen Ländern zu intensivieren. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Brasilien, Argentinien und Venezuela, um Südafrika, um den Iran und eine Anzahl weiterer Entwicklungsländer, die sich von Zeit zu Zeit dieser Gruppe anschliessen. Diese Allianz hatte sich im Wesentlichen in den Sitzungen der Welthandelsorganisation WTO (und deren Vorbereitungen) herausgebildet, wo diese Länder bisher verhinderten, dass weitgehende Beschlüsse im Sinne der USA und der EU gefasst wurden.
Diese Gruppe von Entwicklungsländern trat bei den WTO-Verhandlungen als‚Gruppe der 20’ auf.
Allerdings würde das Lehnen an Indien auch einen anderen Effekt haben, der noch kaum in seinen Folgen abzuschätzen ist: Die USA würde sich im gleichen Maße nicht mehr an die europäischen Länder lehnen. Wie diese darauf reagieren, kann nur vermutet werden. Sicherlich würden angesichts eines starken Blockes USA-Indien die „Atlantiker" in den europäischen Ländern nicht gerade ein leichteres Spiel haben. Es muss damit gerechnet werden, dass sich die EU angesichts einer solchen Entwicklung zu mehr Eigenständigkeit entschließen würde. Im ungünstigsten Fall könnte das also für die USA ein schlechter Tausch werden. Allerdings sind die Think Tanks der Neocons offenbar der Meinung, dass man die Europäer an der Leine halten kann. Angesichts einer Kanzlerin Merkel kein verwegener Gedanke.
Europäisches Manöver
Da man inzwischen auch weiß, dass die scheinbare Ablehnung des Irak-Kriegs durch die damaligen Regierungen Frankreichs und Deutschlands bestenfalls ein Manöver war und wohl auch mehr innenpolitische als außenpolitische Gründe hatte, so kann man den Denkern in Übersee nur zustimmen: Europa ist weit davon entfernt, sich zu einer eigenständigen, unabhängigen Macht zu entwickeln. Dies mag für uns Europäer auch einen positiven Effekt haben: In einem möglichen zukünftigen Weltkrieg zwischen den USA und Indien auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite könnte Europa sich eventuell (zumindest zunächst) heraushalten.
Es könnte also durchaus sein, dass wir es mit einer neuen „Entente Cordiale" zu tun haben.
Entente Cordiale
Was war die „Entente Cordiale"? Am Ende des 19. Jahrhunderts war Grossbritannien der „alleinige Weltenherrscher", aber es gab auch andere große Mächte. Frankreich, das unter Napoleon fast ganz Europa beherrscht hatte, war ein traditioneller Gegner der Engländer. Man hatte auch und gerade wegen der Kolonien andauernd Streit, denn die beiden Länder waren die größten Kolonialisten. Nordamerika hatte England von Frankreich in einem langen Krieg gewonnen, aber zu jenem Zeitpunkt waren die Staaten Nordamerikas schon lange unabhängig. Afrika war mehr oder weniger aufgeteilt unter den beiden, Asien umkämpft.
Die USA waren zu diesem Zeitpunkt noch ein schlafender Riese unter den imperialistischen Mächten, auch wenn man bereits damals eine Oberherrschaft über den ganzen amerikanischen Kontinent deklariert hatte („Monroe-Doktrin") und sich nicht scheute, den Spaniern mal ganz schnell mit einem Krieg seine letzte Kolonie, Kuba, zu entreissen.
Genau in dieser Situation trat ein neuer Imperialist auf der Weltbühne auf, fast wie aus dem Nichts: Das Deutsche Reich. Vereint erstmals (wenn auch ohne Österreich) nach dem Krieg von 1866, hatte der ‚Deutsche Bund’ es 1870/1871 in einem Krieg mit Frankreich aufgenommen, das von revolutionären Unruhen erschüttert war („Die Pariser Kommune"). Frankreich wurde entscheidend geschlagen, die Provinzen Elsass und Lothringen wurden annektiert und man krönte den neuen deutschen Kaiser, auf der Seele Frankreichs herumtrampelnd, ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles.
Im Weiteren wurde das gerade entstandene Kaiserreich Deutschland durch seine fortgeschrittenen Wissenschaft und seine moderne Technologie schnell zu einem neuen Herausforderer an die englische Großmacht auf den Weltmärkten. Bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts im Jahr 1900 hatte sich diese Auseinandersetzung auf den internationalen Märkten, die bis dahin reines Gebiet der englischen Waren gewesen waren, beachtlich zugespitzt. Das deutsche Reich war plötzlich zu einer ernsten Bedrohung der Weltherrschaft des britischen Imperiums geworden. Zwar hatten die deutschen Kolonialisten nur noch wenige Reste der bis dahin noch nicht unterjochten Länder als Kolonien erhalten, aber die Herausforderungen des deutschen Kaiserreichs an die Briten wurden Jahr für Jahr schwerwiegender.
Bedrohung Panzerkreuzer
Dazu gehörten nicht nur die verbalen Entgleisungen des nicht gerade zurückhaltenden Kaisers Wilhelm des Zweiten, die „nur" psychologische Folgen hatte, sondern auch ganz konkrete Kriegsvorbereitungen wie der Bau von schweren Kriegsschiffen, den so genannten Panzerkreuzern. Zu jener Zeit - es gab noch keine Flugzeuge - war die britische imperiale Überlegenheit nicht zuletzt auf der Seehoheit basiert, so wie heute die US-Dominanz auf der absoluten Lufthoheit beruht, die die Vereinigten Staaten in jedem Gebiet der Erde herstellen können. Der fieberhafte Bau schwerster Kriegsschiffe war also eine nicht zu übersehende Bedrohung des britischen ‚Empire’ und im Kern schon eine Kriegsvorbereitung.
Es gab zwar Verhandlungen zwischen den beiden Mächten, die wurden aber im Jahre 1904 ergebnislos abgebrochen. Doch das britannische Königreich hatte heimlich schon seinen Trumpf vorbereitet: Noch im selben Jahr wurde die strategische Partnerschaft der vormals verfeindeten Mächte Frankreich und England, die „Entente Cordiale" (französisch für „herzliche Übereinkunft") verkündet. Damit war im Kern bereits die Konstellation der beiden Weltkriege des 20. Jahrhundert vorgezeichnet: England und Frankreich auf der einen Seite und Deutschland mit Österreich auf der anderen.
Im weiteren Verlauf brachte es die nicht gerade diplomatische deutsche Diplomatie auch noch fertig, sich mit Russland anzulegen, das eigentlich ein Verbündeter gewesen war und so stand dann auch schon die Aufstellung für den 1.Weltkrieg fest: Deutschland und Österreich gegen England, Frankreich und Russland, während die andere Großmacht, die USA, zunächst ‚neutral’ zu blieben schien, um dann rechtzeitig vor Kriegsende auf der Siegerseite in den Krieg einzusteigen, ein Rezept, das auch im 2. Weltkrieg noch einmal wiederholt wurde.
Die Ähnlichkeiten mit der jetzigen Situation sind offensichtlich. So wie damals gibt es auch heute einen imperialen Weltenherrscher, damals Großbritannien, heute die USA. So wie damals gibt es auch heute eine wichtige, aufstrebende neue Weltmacht, die in absehbarer Zeit die Vorherrschaft des Weltenherrschers gefährden könnte, damals Deutschland, heute China. So wie damals gibt es auch diesmal die Bildung einer strategischen Allianz des Weltenherrschers mit einer anderen Großmacht, damals Frankreich, heute Indien. Das heißt nun natürlich nicht automatisch, dass es nun so wie damals den 1. Weltkrieg auch wieder einen Weltkrieg geben muss, aber der Gedanke ist nahe liegend.
Söldnerheere ohne Pardon
Immerhin muss man auch heute, so wie damals bei den deutschen Führern, von den chinesischen Führern erwarten, dass sie nicht die geringsten Skrupel haben werden, durch Ströme von Blut zu waten, um ihr Ziel, die Weltherrschaft zu erreichen. Ebenso sieht es auf der anderen Seite aus. Die britischen imperialen Truppen und deren Söldnerheere waren berühmt, keinen Pardon zu kennen und nach Möglichkeit keine gefangenen zu machen. Gerade zur zeit der Bildung der „Entente Cordiale" hatte man alle seine Grausamkeit im Burenkrieg in Südafrika gezeigt und dort auch u.a. die Konzentrationslager erfunden.
So sind auch heute die Truppen und staatlichen Organisationen des Weltenherrschers USA berühmt dafür, kriegsverbrecherisch vorzugehen und nicht die mindesten Regeln des Völkerrechts einzuhalten. Es seien nur die Stichworte völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen den Irak, Abu Ghraib, Guantánamo, „Lateralwirkungen", CIA-Folterflüge, Auslagerung von Folter in andere Länder, Mordkommandos für politische Führer und Täuschen der Weltöffentlichkeit durch massive Lügen genannt. Man wird also, so erschreckend das sein mag, die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, dass diese beiden mit voller Geschwindigkeit aufeinander zurasenden Züge wirklich den Punkt des Zusammenstoßes erreichen, d.h. trotz aller Bedenken in einer von Atomwaffen beherrschten Welt, einen neuen Weltkrieg vom Zaum brechen.
China muss, da gibt es keinen Zweifel, die Allianz zwischen Washington und Delhi als gegen sich gerichtet empfinden. China hat im Moment nicht allzu viele Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Umso eher wird man die Möglichkeit eines Krieges ins Auge fassen.
Es gibt sehr wohl Möglichkeiten zu reagieren, aber die sind riskant. So hat China z.B. die größte Devisenreserve von US-Dollar aller Länder. Würde es die auf den Markt werfen, hätte der Dollar eine immense Abwertung hinzunehmen, was die US-Ökonomie zutiefst erschüttern könnte. Gleichzeitig würde China aber damit sein „Erspartes verfeuern". Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass China diese Antwort benutzen wird.
Was man nun sicherlich erwarten kann, ist das Benutzen des Vetos im UN-Sicherheitsrat gegen die USA bei diversen Gelegenheiten bzw. das Drohen damit. Die nächste Gelegenheit könnte schon bald anstehen, wenn die US-Regierung ihren Krieg gegen den Iran vom Sicherheitsrat abgesegnet bekommen will. Hatte Peking vor kurzer Zeit noch angedeutet, das es sich bei einer geschickt formulierten Resolution der Stimme enthalten könnte, durfte nun das Veto Chinas sicher sein. Das wird dazu führen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit gar kein text vorgelegt wird, der den überfall auf den Iran als Möglichkeit erwähnt. Nicht dass Präsident Bush sich dadurch von diesem überfall abhalten lassen würde, er hat seine völlige Missachtung der UNO schon beim Irakkrieg bewiesen, aber es wäre, speziell für die „Willigen", wie z.B. Deutschland, doch viel besser gewesen, hätte man eine einschlägige Sicherheitsratsresolution im Rücken gehabt.
Man kann gespannt sein, wie Kanzlerin Merkel ihre Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Überfall auf den Iran ohne Sicherheitsratsresolution erklären wird.
Chinas Antwort
Aber dies sind mit Sicherheit noch nur die geringsten Auswirkungen, die das Abkommen zwischen Indien und den USA haben wird. Man kann erwarten, dass China Antworten entwickeln wird. Im Moment muss China noch äußerst vorsichtig vorgehen, denn man ist in extremer weise auf Einfuhren von Erdöl aus Quellen angewiesen, die vom Westen kontrolliert werden. So kann man denn auch vermuten, dass es genau diese Abhängigkeit sein wird, die man im fernen Osten zuerst angehen wird.
Es gibt bereits Lieferabkommen mit Venezuela und dem Iran, die dürften drastisch ausgeweitet werden. Sowohl Erdöl als auch Erdgas wird man verstärkt von Russland importieren (Russland und China haben eine Tausende von Kilometern lange gemeinsame Grenze). Eines der nächsten diplomatischen Ziele könnte Brasilien sein, das ab der zweiten Hälfte dieses Jahres ebenfalls schon Überschussmengen von Erdöl exportieren kann. Auch Argentinien könnte ein zukünftiger Partner sein.
Auf dem eigenen amerikanischen Kontinent verbündete gegen die USA zu finden, dürfte besonders interessant für China sein. Man stelle sich nur vor, Venezuela und China würden einen Nichtangriffs- und Beistandspakt schliessen - oder noch verwegener - China und der Iran.
Allerdings sind alle solche Antworten nicht kurzfristig zu erwarten, denn im Moment ist China noch extrem verwundbar. Wenn die US-Regierung, unter irgendeinen beliebigen Vorwand, morgen einen Boykott der Lieferung von Erdöl an China als Sanktion seinen verbündeten aufs Auge drücken würde, wäre das der wirtschaftliche Zusammenbruch Chinas. Aber auch China weiß, dass es Alternativen zum Erdöl gibt, wenn auch nicht kurzfristig.
Wie es auch genau ablaufen wird, diese nächsten Monate und Jahre werden auch im geopolitischen Sinne ereignisreich und interessant werden.
sfux - 14. Mär, 07:58 Article 2733x read