Linksrutsch
Karl Weiss - Die Interpretation der Wahlergebnisse der drei Landtagswahlen vom Sonntag durch die Massenmedien ist einseitig und z.T. sogar das Gegenteil dessen, was aufscheint. Das erste und überwältigende Ergebnis dieser Wahlen ist, dass sich wesentliche Teile des Volkes von der Politikerkaste abgewandt haben und weitere Teile abwenden – wenn auch in langsamerem Tempo - und ihnen ihre Stimme verweigern.
Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat es eine so niedrige Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl gegeben wie jetzt in Sachsen-Anhalt mit 44,4%. Auch in Baden-Württemberg wurde die niedrigste Wahlbeteiligung der Geschichte registriert. Man bedenke nur, dass 1998, das ist im geschichtlichen Sinne nur ein Augenblick zurück, noch 71,5% der Sachsen-Anhalter zur Wahl gingen. Es handelt sich also um einen tief greifenden und schnellen Prozess.
Dazu kommt, dass auch ein kleinerer Teil der Menschen seinem Unmut durch Ungültigmachen des Stimmzettels zum Ausdruck bringt. Geht man mit den Fachleuten davon aus, dass in Deutschland fast nie mehr als 1% ungültige Stimmen durch Versehen oder Fehler entstehen, können weitere Prozente auf die Seite derer gerechnet werden, die sich weigern, den verdorbenen Politiker-Figuren ihre Stimme zu geben.
In Baden-Württemberg würde sich damit die Zahl der Verweigerer auf 47,9% der Wahlberechtigten erhöhen, in Rheinland-Pfalz auf 44,1% und in Sachsen-Anhalt auf sage und schreibe 57,6%. In anderen Worten: Es haben überhaupt für irgendeine Partei gestimmt in Baden-Württemberg nur 52,1%, in Rheinland-Pfalz 55,9% und in Sachsen Anhalt 42,4% der Wahlberechtigten! In der Summe der Stimmen der drei Landtagswahlen ergeben sich folgende Prozentverteilungen: Wahlbeteiligung: 50,9%, abgezogen die bewusst Ungültigen Stimmen: 49,8%, also 50,2% Verweigerer!
Damit ist das wesentliche Ergebnis dieser Wahlen, dass trotz aller Propaganda, trotz des Trommelfeuers, mit Wahlenthaltung oder Ungültig-Stimmen würde man seine Stimme verschenken, sich im Schnitt der drei Wahlen weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten überhaupt aufraffen konnte, eine gültige Stimme abzugeben. Damit setzt sich der Trend fort, der auch schon bei der Bundestagswahl und den vorhergehenden Landtagswahlen zu beobachten war: Eine fortschreitende Loslösung des Wahlvolkes von der bürgerlichen Politik und von den Illusionen des bürgerlichen Parlamentarismus.
Bemerkenswert auch, dass dabei keine irgendwie bedeutenden Teile der Wahlberechtigten zu den faschistischen Parteien überlaufen, wie dies in der Vergangenheit und in anderen Ländern zu beobachten war. Im Gegenteil, die faschistische DVU/NPD-Liste in Sachsen-Anhalt musste Einbussen hinnehmen, die Reps wurden in ihrer früheren Hochburg Baden-Württemberg zur Bedeutungslosigkeit verurteilt und in Rheinland-Pfalz, wo sowohl Reps als auch NPD antraten, blieben beide in der Nähe von 1%. Das heisst, was in Deutschland stattfindet, ist ein deutlicher Linksrutsch. Die Linkspartei/WASG kann dies im Westen nur in kleinem Masse auf ihre Mühlen lenken, aber dies hat eine Menge Gründe, die viel mit den politischen Akteuren und wenig mit den Einstellungen der Wähler zu tun haben.
Das zweite wesentliche Ergebnis dieser Landtagswahlen ist, dass die grosse Koalition von den Wählern abgewatscht wurde, wie Stoiber sagen würde. Sowohl CDU als auch SPD haben in der Summe der drei Länder Stimmen in absoluter Zahl verloren. Aber auch die Prozentergebnisse sind ein Desaster: Die CDU hat in der Summe der drei Länder 20,8% der Stimmen der Wahlberechtigten bekommen, die SPD 15,8%. Es haben also gerade einmal 26,6 % der am Sonntag zum Wählen Aufgerufenen eine der Parteien der grossen Koalition gewählt. Es gibt in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik keine auch nur annähernd vergleichbare Niederlage bei Landtagswahlen von Parteien, die mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze innehaben.
Das dritte wesentliche Ergebnis dieser Landtagswahlen ist, dass sich das Ablösen der deutschen Wähler von den bürgerlichen Parteien noch nicht in einer klaren Hinwendung zu linken Parteien manifestiert. Im wesentlichen wird durch Nicht-Wählen und Ungültig-Stimmen der Unmut zum Ausdruck gebracht. Bisher konnte noch keine linke Kraft eine wirklich breite Anziehungskraft auf diese Teile der Bevölkerung ausüben.
Darüber können auch die guten Ergebnisse der Linkspartei in Sachsen-Anhalt nicht hinwegtäuschen. Im Osten handelt es sich eben bei den Linkspartei-Wählern immer noch in wesentlichem Masse um PDS-Wähler, die bewusst eine SED-Nachfolgepartei wählen und nur zu einem Teil um Links-Wähler, auch wenn dieser Teil sicherlich grösser ist als die WASG-Ergebnisse im Westen (allerdings gab es auch keinen merklichen Wahlkampf der WASG in den beiden West-Ländern).
Das vierte grosse Ergebnis der Landtagswahlen: Es ist den Herrschenden gelungen, nach der offenen politischen Krise des letzten Jahres, als Schröder faktisch zurücktreten musste, eine relative und zeitweise Stabilisierung ihrer Herrschaft zu erreichen. Trotz der anschwellenden Welle von Streiks und Demonstrationen gibt es im Moment keine um sich greifende Stimmung der Rebellion, wie etwa in Frankreich. Der Prozess der Ablösung des Volkes von der Bindung an bürgerlichen Parteien und Politik ist vorübergehend langsamer geworden und neben einer Stimmung der Resignation gibt es wieder schwache Hoffnungen, dass es doch noch möglich sein könnte, innerhalb des Kapitalismus weiterzumachen.
Diese Situation wird sich aller Voraussicht nach mit den jetzt kommenden Verschlechterungen und weiteren Verarmungsgesetzen nicht lange fortsetzen können. Einige der schlimmsten Einschnitte hatte man ja bis nach den Landtagswahlen verschoben. Auch ein US-Überfall auf den Iran mit Atomwaffen könnte eine neuen Aufschwung der kämpferischen Proteste, allen voran durch die Jugend, einleiten.
Die Deutschen sind auf der Suche nach einer Alternative, sie muss ihnen allerdings überzeugend vor Augen geführt werden.
Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat es eine so niedrige Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl gegeben wie jetzt in Sachsen-Anhalt mit 44,4%. Auch in Baden-Württemberg wurde die niedrigste Wahlbeteiligung der Geschichte registriert. Man bedenke nur, dass 1998, das ist im geschichtlichen Sinne nur ein Augenblick zurück, noch 71,5% der Sachsen-Anhalter zur Wahl gingen. Es handelt sich also um einen tief greifenden und schnellen Prozess.
Dazu kommt, dass auch ein kleinerer Teil der Menschen seinem Unmut durch Ungültigmachen des Stimmzettels zum Ausdruck bringt. Geht man mit den Fachleuten davon aus, dass in Deutschland fast nie mehr als 1% ungültige Stimmen durch Versehen oder Fehler entstehen, können weitere Prozente auf die Seite derer gerechnet werden, die sich weigern, den verdorbenen Politiker-Figuren ihre Stimme zu geben.
In Baden-Württemberg würde sich damit die Zahl der Verweigerer auf 47,9% der Wahlberechtigten erhöhen, in Rheinland-Pfalz auf 44,1% und in Sachsen-Anhalt auf sage und schreibe 57,6%. In anderen Worten: Es haben überhaupt für irgendeine Partei gestimmt in Baden-Württemberg nur 52,1%, in Rheinland-Pfalz 55,9% und in Sachsen Anhalt 42,4% der Wahlberechtigten! In der Summe der Stimmen der drei Landtagswahlen ergeben sich folgende Prozentverteilungen: Wahlbeteiligung: 50,9%, abgezogen die bewusst Ungültigen Stimmen: 49,8%, also 50,2% Verweigerer!
Damit ist das wesentliche Ergebnis dieser Wahlen, dass trotz aller Propaganda, trotz des Trommelfeuers, mit Wahlenthaltung oder Ungültig-Stimmen würde man seine Stimme verschenken, sich im Schnitt der drei Wahlen weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten überhaupt aufraffen konnte, eine gültige Stimme abzugeben. Damit setzt sich der Trend fort, der auch schon bei der Bundestagswahl und den vorhergehenden Landtagswahlen zu beobachten war: Eine fortschreitende Loslösung des Wahlvolkes von der bürgerlichen Politik und von den Illusionen des bürgerlichen Parlamentarismus.
Bemerkenswert auch, dass dabei keine irgendwie bedeutenden Teile der Wahlberechtigten zu den faschistischen Parteien überlaufen, wie dies in der Vergangenheit und in anderen Ländern zu beobachten war. Im Gegenteil, die faschistische DVU/NPD-Liste in Sachsen-Anhalt musste Einbussen hinnehmen, die Reps wurden in ihrer früheren Hochburg Baden-Württemberg zur Bedeutungslosigkeit verurteilt und in Rheinland-Pfalz, wo sowohl Reps als auch NPD antraten, blieben beide in der Nähe von 1%. Das heisst, was in Deutschland stattfindet, ist ein deutlicher Linksrutsch. Die Linkspartei/WASG kann dies im Westen nur in kleinem Masse auf ihre Mühlen lenken, aber dies hat eine Menge Gründe, die viel mit den politischen Akteuren und wenig mit den Einstellungen der Wähler zu tun haben.
Das zweite wesentliche Ergebnis dieser Landtagswahlen ist, dass die grosse Koalition von den Wählern abgewatscht wurde, wie Stoiber sagen würde. Sowohl CDU als auch SPD haben in der Summe der drei Länder Stimmen in absoluter Zahl verloren. Aber auch die Prozentergebnisse sind ein Desaster: Die CDU hat in der Summe der drei Länder 20,8% der Stimmen der Wahlberechtigten bekommen, die SPD 15,8%. Es haben also gerade einmal 26,6 % der am Sonntag zum Wählen Aufgerufenen eine der Parteien der grossen Koalition gewählt. Es gibt in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik keine auch nur annähernd vergleichbare Niederlage bei Landtagswahlen von Parteien, die mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze innehaben.
Das dritte wesentliche Ergebnis dieser Landtagswahlen ist, dass sich das Ablösen der deutschen Wähler von den bürgerlichen Parteien noch nicht in einer klaren Hinwendung zu linken Parteien manifestiert. Im wesentlichen wird durch Nicht-Wählen und Ungültig-Stimmen der Unmut zum Ausdruck gebracht. Bisher konnte noch keine linke Kraft eine wirklich breite Anziehungskraft auf diese Teile der Bevölkerung ausüben.
Darüber können auch die guten Ergebnisse der Linkspartei in Sachsen-Anhalt nicht hinwegtäuschen. Im Osten handelt es sich eben bei den Linkspartei-Wählern immer noch in wesentlichem Masse um PDS-Wähler, die bewusst eine SED-Nachfolgepartei wählen und nur zu einem Teil um Links-Wähler, auch wenn dieser Teil sicherlich grösser ist als die WASG-Ergebnisse im Westen (allerdings gab es auch keinen merklichen Wahlkampf der WASG in den beiden West-Ländern).
Das vierte grosse Ergebnis der Landtagswahlen: Es ist den Herrschenden gelungen, nach der offenen politischen Krise des letzten Jahres, als Schröder faktisch zurücktreten musste, eine relative und zeitweise Stabilisierung ihrer Herrschaft zu erreichen. Trotz der anschwellenden Welle von Streiks und Demonstrationen gibt es im Moment keine um sich greifende Stimmung der Rebellion, wie etwa in Frankreich. Der Prozess der Ablösung des Volkes von der Bindung an bürgerlichen Parteien und Politik ist vorübergehend langsamer geworden und neben einer Stimmung der Resignation gibt es wieder schwache Hoffnungen, dass es doch noch möglich sein könnte, innerhalb des Kapitalismus weiterzumachen.
Diese Situation wird sich aller Voraussicht nach mit den jetzt kommenden Verschlechterungen und weiteren Verarmungsgesetzen nicht lange fortsetzen können. Einige der schlimmsten Einschnitte hatte man ja bis nach den Landtagswahlen verschoben. Auch ein US-Überfall auf den Iran mit Atomwaffen könnte eine neuen Aufschwung der kämpferischen Proteste, allen voran durch die Jugend, einleiten.
Die Deutschen sind auf der Suche nach einer Alternative, sie muss ihnen allerdings überzeugend vor Augen geführt werden.
sfux - 28. Mär, 08:35 Article 1193x read