Dee letzte seiner Art?
Stephan Fuchs – In dieser Qualität bestimmt! Georgette Dee ist die letzte noch lebende Diseuse. Ein Wort das kaum einer kennt…ausser jene Matrosen die in deutschen Häfen schon vor Anker lagen. Georgette Dee besingt die Matrosen und mit ihnen die Ferne die sich doch so furchtbar gerne nah ankuschelt. Am Saum. Im Mondlicht. Im Schweiss. Auf den Wellen. Nackt. Georgette Dee, dessen Alter ausser einem Berner keiner kennt, ist jetzt schon ein Verlust. Jetzt, wo sie noch lebt und das wird sie noch lange.

Foto: Daniel von Johnson
Und wie. Die Frau ist erwachsen geworden. Oder war sie das schon immer und sie lässt uns erst jetzt daran Teil haben? Verschwunden sind der rote Fummel und das gülden Haar in langer wallender Pracht. Verloren hat Dee damit nichts, dafür gewonnen. Sie ist ehrlicher und emanzipierter geworden – und schlussendlich, sind wir ehrlich, geht es um diese Stimme. Ihre Stimme ist jener Schauer, der auch Nicht- Matrosen die Gischt ins Gesicht schlägt. Auch nicht schwulen Matrosen und Süsswasser Matrosen wie unsereins. Lassen wir das. Georgette Dee liebt keine Matrosen. Es ist das Leben in all seiner Konsequenz die geliebt sein will – natürlich mit den Matrosen. In all seinen Exzessen, in all seinen Farben und in all seiner tiefen Trauer. Die Trauer über den Verlust, gleichzeitig Süss, Fordernd und Verlangend. Das Vermissen ist schön, der Schmerz hinreissend. Georgette! Wir haben’s verpasst!
Wieso haben wir keine Zigarren geraucht? Wieso haben wir nicht zusammen die Bar geleert, auf den Boden gespuckt wie damals, als der Schauspieler auf der Bühne bis in die fünfte Reihe spuckte, welches dich so berührte? Wieso haben wir nicht über das Boxen im Ring gequatscht und über die Weiber getratscht wie das richtige Kerle tun? Nun gut du warst auf Tour, hast dich letzte Woche nur kürzeste Zeit in Bern aufgehalten und mit anderen Jungs an der Museumsnacht über das Töten gesprochen. „Du sollst nicht töten? Sprachgewalt und Schlagkraft... ein biblisches Duell!“ Das war sicher auch lustig. Doch dass wir uns nicht trafen soll kein Verlust sein, wir hätten eh bloss auf den Boden gekotzt, oder zumindest einen himmeltraurigen Morgen erlebt.
Ist dies was Georgette Dee ausmacht? Saufen, rauchen und das bunt? Nein das ist es nicht. Nicht nur. Vielleicht trinkt die Dame gar nicht. Vielleicht raucht sie nur Damenkippen und keine Havannas. Bei Georgette Dee geht es um einiges mehr. Ihre Stimme verrät, dass sie glaubt was sie singt. Tief und flammend in diesem Herz, das jeden Tropfen nach aussen zu kehren scheint. Georgette Dee ist die Reise an den Ursprung der Bretter welche die grosse Welt bedeutet, ohne selbst zum Abklatsch der guten zwanziger zu werden. Konsequent. Sie erzählt die Geschichten, die wir verdrängt haben. Die ganz Grossen. Die ganz Aktuellen, die es schon immer waren. Und die, wie auch ihr neues Programm, mehr als doppeldeutig Sinnverstanden werden können. „Neben mir: Ich – wie nett!“ Kürzlich sass sie auch neben sich auf dem Sofa:
„Die Politiker sollen sich besser um die eigentlichen Probleme des Landes kümmern als die Menschen immer weiter zu gängeln!“, meinte sie unlängst in einer TV Diskussion. Das braucht Mut in einem Geschäft in dem man sich so leicht demontieren lassen kann. Dee bleibt radikal in allem und offenbar gibt es nun auch ein Leben vor Mitternacht. In der letzten noch lebenden Diseuse steckt subversive Fantasie und das nicht zuwenig. Vielleicht ist dies das Geschenk das wir von Dee bekommen. Jedes Mal, jeden Abend aufs Neue an der Bar.
Georgette Dee im PROGR Bern:
Am 19. 20. & 22. April um 21:00
Besetzung: Georgette Dee – vocals, Jürgen Attig – Kontrabass, Jakob Neubauer – Akkordeon
Zum reinhören
Georgette Dee

Foto: Daniel von Johnson
Und wie. Die Frau ist erwachsen geworden. Oder war sie das schon immer und sie lässt uns erst jetzt daran Teil haben? Verschwunden sind der rote Fummel und das gülden Haar in langer wallender Pracht. Verloren hat Dee damit nichts, dafür gewonnen. Sie ist ehrlicher und emanzipierter geworden – und schlussendlich, sind wir ehrlich, geht es um diese Stimme. Ihre Stimme ist jener Schauer, der auch Nicht- Matrosen die Gischt ins Gesicht schlägt. Auch nicht schwulen Matrosen und Süsswasser Matrosen wie unsereins. Lassen wir das. Georgette Dee liebt keine Matrosen. Es ist das Leben in all seiner Konsequenz die geliebt sein will – natürlich mit den Matrosen. In all seinen Exzessen, in all seinen Farben und in all seiner tiefen Trauer. Die Trauer über den Verlust, gleichzeitig Süss, Fordernd und Verlangend. Das Vermissen ist schön, der Schmerz hinreissend. Georgette! Wir haben’s verpasst!
Wieso haben wir keine Zigarren geraucht? Wieso haben wir nicht zusammen die Bar geleert, auf den Boden gespuckt wie damals, als der Schauspieler auf der Bühne bis in die fünfte Reihe spuckte, welches dich so berührte? Wieso haben wir nicht über das Boxen im Ring gequatscht und über die Weiber getratscht wie das richtige Kerle tun? Nun gut du warst auf Tour, hast dich letzte Woche nur kürzeste Zeit in Bern aufgehalten und mit anderen Jungs an der Museumsnacht über das Töten gesprochen. „Du sollst nicht töten? Sprachgewalt und Schlagkraft... ein biblisches Duell!“ Das war sicher auch lustig. Doch dass wir uns nicht trafen soll kein Verlust sein, wir hätten eh bloss auf den Boden gekotzt, oder zumindest einen himmeltraurigen Morgen erlebt.
Ist dies was Georgette Dee ausmacht? Saufen, rauchen und das bunt? Nein das ist es nicht. Nicht nur. Vielleicht trinkt die Dame gar nicht. Vielleicht raucht sie nur Damenkippen und keine Havannas. Bei Georgette Dee geht es um einiges mehr. Ihre Stimme verrät, dass sie glaubt was sie singt. Tief und flammend in diesem Herz, das jeden Tropfen nach aussen zu kehren scheint. Georgette Dee ist die Reise an den Ursprung der Bretter welche die grosse Welt bedeutet, ohne selbst zum Abklatsch der guten zwanziger zu werden. Konsequent. Sie erzählt die Geschichten, die wir verdrängt haben. Die ganz Grossen. Die ganz Aktuellen, die es schon immer waren. Und die, wie auch ihr neues Programm, mehr als doppeldeutig Sinnverstanden werden können. „Neben mir: Ich – wie nett!“ Kürzlich sass sie auch neben sich auf dem Sofa:
„Die Politiker sollen sich besser um die eigentlichen Probleme des Landes kümmern als die Menschen immer weiter zu gängeln!“, meinte sie unlängst in einer TV Diskussion. Das braucht Mut in einem Geschäft in dem man sich so leicht demontieren lassen kann. Dee bleibt radikal in allem und offenbar gibt es nun auch ein Leben vor Mitternacht. In der letzten noch lebenden Diseuse steckt subversive Fantasie und das nicht zuwenig. Vielleicht ist dies das Geschenk das wir von Dee bekommen. Jedes Mal, jeden Abend aufs Neue an der Bar.

Am 19. 20. & 22. April um 21:00



sfux - 29. Mär, 08:03 Article 2031x read