Wann war das, als die Deutschen gut organisieren konnten?
Karl Weiss - Das Fan-Fest im Olympia-Park in München wurde am ersten Spieltag der deutschen Mannschaft zu einem Alptraum. Menschenmassen wurden gegen Zäune gedrückt, die dann nachgaben, andere wurden ins Wasser des Olympia-Sees befördert. Zum Glück gab es keine Todesfälle oder schwere Verletzungen.
Früher einmal, vor langer Zeit, war Deutschland einmal dafür berühmt, daß es vorbildlich organisieren konnte. Zwar waren die Dinge, die da organisiert wurden, nicht immer nur positiv, aber das ist eine andere Geschichte. Dahin, dahin, die alten Zeiten. Heute wird alles amerikanisiert. Da muß man sich natürlich auch dem US-Organisationschaos anpassen.
Es gibt viele Beispiele dafür, wie die Organisationsfähigkeiten der Deutschen sich in Luft aufgelöst haben (wenn auch noch nicht vollständig). Das Fan-Fest im Münchener Olympiapark ist eines davon. Verantwortlich: Die Stadtverwaltung, die FIFA und die Kreisverwaltung. Die waren, so wie in anderen Städten auch, darangegangen und hatte sich überlegt, daß man Großleinwände aufstellen und die Spiele der deutschen Mannschaft übertragen könnte (eventuell auch die anderen).
Bekanntlich sehen viel Fußballfans, die keine Eintrittskarten ergattern konnten, das Spiel gerne gemeinsam.
Nur hatte die Münchener Stadtverwaltung vergessen, wie hoch die Einwohnerzahl Münchens (einschließlich Einzugsbereich) ist und daß da wohl viele Zehntausend Leute zu solchen Festen strömen werden - jedenfalls wenn gutes Wetter ist.
Feste feiern
Statt nun lieber mit mehr zu rechnen, damit es nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt, plante man lediglich ein Fest für die ganze Stadt und Umgebungsbereich und das auf einem Gelände im Olympiapark, das nur begrenzten Raum bot. Etwa 35.000, so rechnete man, hätten hineingepaßt und waren denn auch beim Auftaktspiel da. Nur- es blieben fast noch einmal so viele draußen vor.
Es kam zu häßlichen Szenen. Massen wurden gegen den Zaun gedrückt, der nachgab. Leute wurden von den Bewegungen der Massen in den Olympiasee gedrückt. Glücklicherweise gab es keine schweren Verletzungen oder Tote.
Man hatte sich satt verschätzt - oder hatte man nicht ans gute Wetter geglaubt? Lahm kam danach die Entschuldigung, man hätte ja nicht gewußt, was auf einen zukommt. Nun, etwas organisieren, was man schon hundertmal vorher gemacht hat, kann jeder. Organisationstalent braucht man, wenn man etwas Neues organisiert. Da muß man nämlich mit allen Fällen rechnen.
In München gibt es eine Reihe größerer Freiflächen, die leicht für ein solches Fest in Frage gekommen wären. Der Aufwand für eine Großbildleinwand und ein paar Lautsprecher ist auch nicht überwältigend. Als erstes hätte sich der Königsplatz angeboten, wo schon die größten Rockbands der Welt gespielt haben. Dort wäre es zu Behinderungen von Rettungsfahrzeugen gekommen, ist eine faule Ausrede. Außen herum sind genügend Straßen, auf denen die Rettungsfahrzeuge hätten fahren können und bei den Rockkonzerten war man auch nicht um die Rettungsfahrzeuge besorgt.
Außerdem gibt es ja immer die Theresienwiese, wo das Oktoberfest stattfindet.
Ein anderes großes freies Feld in München, wo keine Liegewiese zertreten wird, ist das Hochwassergelände an der Isar zwischen Wittelbacher und Reichenbach-Brücke. Auch der Odeonsplatz, auf dem schon viele Großveranstaltungen stattfanden, wäre in Frage gekommen. Dort hat vor Hundertausend Münchnern schon de Gaulle geredet und ausgerufen: „Es lebe die bayerisch-französische Freundschaft!". Auch in der Fußgängerzone sind verschiedene Plätze geeignet. Hätte man zwei, drei Fan-Feste geplant, wäre man auf der sicheren Seite gewesen.
Stadion in idyllischer Ruhe
Wenn man schon im Olympiapark war, hätte man auch das Olympiastadion einbeziehen können mit einer eigenen Großleinwand. Es ist ebenfalls eine dumme Ausrede, daß dort andere Veranstaltungen stattfinden. Den größten Teil des Jahres liegt es nun, nach der Einweihung des Fußballstadions, in idyllischer Ruhe. Da hätte man die wenigen Veranstaltungen schon in den richtigen Abstand legen können.
In Hamburg hatte man Platz für 50.000 Fans geschaffen (auch nicht gerade üppig, aber die Hanseaten pflegen ja immer zu sparen), in Berlin für 200.000. In München 35.000. Provinz bleibt Provinz. Die Krönung in Dresden, wo man vor vier Jahren noch öffentlich auf dem Schloßplatz gefeiert hatte. Nun, bei der WM in Deutschland, gibt es, entgegen früheren Versprechungen, kein einziges städtisches Fan-Fest. Wohl nach dem Motto: sollen die Leute doch nach Leipzig fahren.
Was deutsche Bürokratie bedeutet, konnten die Fans dann erleben, als es ans Auswerten ging und die Planung fürs Polenspiel. Diesmal würde man die Fans bereits früher abblocken, „um den Druck von den Zäunen zu nehmen", verlautete man. Bereits fünf Stunden vor Spielbeginn würde man keine Fans mehr in die Nähe lassen. Fünf Stunden! Es werde kein Chaos geben, dafür habe man genug Ordner.
Herzlichen Glückwunsch, Deutschland. Der Fußball hat zwar noch nicht brasilianisches Niveau erreicht, aber das Chaos und die Schlußfolgerungen („Aussperen! Mehr Ordner!") sind bereits (fast) auf brasilianischer Höhe.
Früher einmal, vor langer Zeit, war Deutschland einmal dafür berühmt, daß es vorbildlich organisieren konnte. Zwar waren die Dinge, die da organisiert wurden, nicht immer nur positiv, aber das ist eine andere Geschichte. Dahin, dahin, die alten Zeiten. Heute wird alles amerikanisiert. Da muß man sich natürlich auch dem US-Organisationschaos anpassen.
Es gibt viele Beispiele dafür, wie die Organisationsfähigkeiten der Deutschen sich in Luft aufgelöst haben (wenn auch noch nicht vollständig). Das Fan-Fest im Münchener Olympiapark ist eines davon. Verantwortlich: Die Stadtverwaltung, die FIFA und die Kreisverwaltung. Die waren, so wie in anderen Städten auch, darangegangen und hatte sich überlegt, daß man Großleinwände aufstellen und die Spiele der deutschen Mannschaft übertragen könnte (eventuell auch die anderen).
Bekanntlich sehen viel Fußballfans, die keine Eintrittskarten ergattern konnten, das Spiel gerne gemeinsam.
Nur hatte die Münchener Stadtverwaltung vergessen, wie hoch die Einwohnerzahl Münchens (einschließlich Einzugsbereich) ist und daß da wohl viele Zehntausend Leute zu solchen Festen strömen werden - jedenfalls wenn gutes Wetter ist.
Feste feiern
Statt nun lieber mit mehr zu rechnen, damit es nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt, plante man lediglich ein Fest für die ganze Stadt und Umgebungsbereich und das auf einem Gelände im Olympiapark, das nur begrenzten Raum bot. Etwa 35.000, so rechnete man, hätten hineingepaßt und waren denn auch beim Auftaktspiel da. Nur- es blieben fast noch einmal so viele draußen vor.
Es kam zu häßlichen Szenen. Massen wurden gegen den Zaun gedrückt, der nachgab. Leute wurden von den Bewegungen der Massen in den Olympiasee gedrückt. Glücklicherweise gab es keine schweren Verletzungen oder Tote.
Man hatte sich satt verschätzt - oder hatte man nicht ans gute Wetter geglaubt? Lahm kam danach die Entschuldigung, man hätte ja nicht gewußt, was auf einen zukommt. Nun, etwas organisieren, was man schon hundertmal vorher gemacht hat, kann jeder. Organisationstalent braucht man, wenn man etwas Neues organisiert. Da muß man nämlich mit allen Fällen rechnen.
In München gibt es eine Reihe größerer Freiflächen, die leicht für ein solches Fest in Frage gekommen wären. Der Aufwand für eine Großbildleinwand und ein paar Lautsprecher ist auch nicht überwältigend. Als erstes hätte sich der Königsplatz angeboten, wo schon die größten Rockbands der Welt gespielt haben. Dort wäre es zu Behinderungen von Rettungsfahrzeugen gekommen, ist eine faule Ausrede. Außen herum sind genügend Straßen, auf denen die Rettungsfahrzeuge hätten fahren können und bei den Rockkonzerten war man auch nicht um die Rettungsfahrzeuge besorgt.
Außerdem gibt es ja immer die Theresienwiese, wo das Oktoberfest stattfindet.
Ein anderes großes freies Feld in München, wo keine Liegewiese zertreten wird, ist das Hochwassergelände an der Isar zwischen Wittelbacher und Reichenbach-Brücke. Auch der Odeonsplatz, auf dem schon viele Großveranstaltungen stattfanden, wäre in Frage gekommen. Dort hat vor Hundertausend Münchnern schon de Gaulle geredet und ausgerufen: „Es lebe die bayerisch-französische Freundschaft!". Auch in der Fußgängerzone sind verschiedene Plätze geeignet. Hätte man zwei, drei Fan-Feste geplant, wäre man auf der sicheren Seite gewesen.
Stadion in idyllischer Ruhe
Wenn man schon im Olympiapark war, hätte man auch das Olympiastadion einbeziehen können mit einer eigenen Großleinwand. Es ist ebenfalls eine dumme Ausrede, daß dort andere Veranstaltungen stattfinden. Den größten Teil des Jahres liegt es nun, nach der Einweihung des Fußballstadions, in idyllischer Ruhe. Da hätte man die wenigen Veranstaltungen schon in den richtigen Abstand legen können.
In Hamburg hatte man Platz für 50.000 Fans geschaffen (auch nicht gerade üppig, aber die Hanseaten pflegen ja immer zu sparen), in Berlin für 200.000. In München 35.000. Provinz bleibt Provinz. Die Krönung in Dresden, wo man vor vier Jahren noch öffentlich auf dem Schloßplatz gefeiert hatte. Nun, bei der WM in Deutschland, gibt es, entgegen früheren Versprechungen, kein einziges städtisches Fan-Fest. Wohl nach dem Motto: sollen die Leute doch nach Leipzig fahren.
Was deutsche Bürokratie bedeutet, konnten die Fans dann erleben, als es ans Auswerten ging und die Planung fürs Polenspiel. Diesmal würde man die Fans bereits früher abblocken, „um den Druck von den Zäunen zu nehmen", verlautete man. Bereits fünf Stunden vor Spielbeginn würde man keine Fans mehr in die Nähe lassen. Fünf Stunden! Es werde kein Chaos geben, dafür habe man genug Ordner.
Herzlichen Glückwunsch, Deutschland. Der Fußball hat zwar noch nicht brasilianisches Niveau erreicht, aber das Chaos und die Schlußfolgerungen („Aussperen! Mehr Ordner!") sind bereits (fast) auf brasilianischer Höhe.
sfux - 21. Jun, 08:20 Article 1121x read