Der Gestank Hollywoods

Malte Olschewski - Dieses Düftchen darf man nicht nur metaphorisch in den Riechkolben nehmen. Hollywood stinkt auch ganz konkret. Viele Prediger im frommen Amerika hatten schon öfter mit Donnerworten den Verdacht geäussert, dass Satan persönlich seinen Wohnsitz in Beverly Hills haben und dort seinen Schwefelgestank verbreiten würde. Über die verderbliche Wirkung Hollywoods ist schon viel diskutiert und geschrieben worden. Umweltschützer sehen indes andere Gründe für die strengen Gerüche rund um die Traumfabrik. Die dort produzierten Filme erzeugen ungeheure Mengen Abfall, die unsachgemäss entsorgt werden und rundum die Nasen belästigen.
Eine Studie der Universität von Los Angeles (UCLA) hat festgestellt, dass die Filmindustrie nach den Erdölraffinerien der schlimmste Umweltsünder Kaliforniens ist. Besonders nach den Attentaten von 9/11 werden in Hollywood in zunehmender Zahl Filme gedreht, in denen böse Menschen immer wieder ganze Stadtviertel, Häuserfronten, Wolkenkratzer oder Fabriken in die Luft sprengen. Das infantil gewordene Publikum verlangt heftig danach, dass es knallt, kracht und bröselt. Autos brechen sich durch den Stadtverkehr eine Bahn, die von keiner Versicherung gedeckt wird. Und sehr, sehr leicht steht alles Mögliche in Flammen. Durch Autoabgase, künstliche Explosionen und andere Spezialeffekte entlässt Hollywood rund 126 000 Tonnen Schadstoffe pro Jahr, das sind rund 35 Tonnen pro Tag, in die Atmosphäre. Mary Nichols sieht als UCLA-Leiterin für Umwelt auch den Aufbau von grossartigen Kulissen als Problem. Wenn also diese oder jene Helden für die Gerechtigkeit und die USA kämpfen, tun sie dies meist vor einem künstlichen Hintergrund aus Plastik, Plastellin und Videomalerei. Ungeheure Mengen an Energie und Material werden für Hollywoods Spektakelfilme benötigt. Für nachfolgende Drehs sind diese artifiziellen Landschaften kaum wieder verwertbar, daher werden sie oft eingestampft und verbrannt. Und dann stinkt es in der Traumfabrik.
Die UCLA entlarvt in einem real existierenden Thriller das ganze System der Filmproduktion als Schuldigen. Für einen Film werden meist eine Reihe von Subunternehmen gegründet, die nach den Dreharbeiten wieder aufgelöst werden. Mehrere Aspekte eines Filmes werden zur Profitmaximierung an spezialisierte Firmen ausgelagert. In diesem ständigem Wechsel, der vor Steuer und Regressklagen schützen soll, sind allgemein verbindliche Masstäbe zur Abfallbeseitigung nicht durchzusetzen.
Die „Motion Pictures Association of America „ (MPAA) wehrt sich. Rund 64 Prozent des Filmabfalls würden wieder verwertet werden. Es gäbe bereits vielfältige Archivlandschaften, die man immer wieder hervorholen und benützen könne. Man verweist auch darauf, dass in der Matrix-Trilogie rund 90 Prozent des Materials wieder verwendet worden sei. Die Produzenten von „The Day after Tomorrow“ hatten für 200 000 Dollar Bäumchen pflanzen lassen, um 9 100 Tonnen Schadstoffe zu entschuldigen, die durch die Dreharbeiten entstanden waren. Die MPAA verweist auf Filme wie „Syriana“ oder „Good Night“, die Energiefragen gewidmet sind. Da Hollywood auf ewiger Suche nach neuen Themen ist, wird wohl bald auch die Kulisse zur Kulisse eines neue Thrillers werden. Man stelle sich nur vor: Clint Eastwood entdeckt, dass die Kulisse seines letzten Filmes nicht politisch korrekt entsorgt, sondern an die kolumbianische Mafia verkauft worden ist. Er spürt die verwelkte Plastiklandschaft etwa in Cartagena auf. In einer neuer Kulisse jagt er die alte Kulisse....

sfux - 17. Nov, 08:13 Article 1220x read