«does it look like i give a damn?»
Sonja Wenger - Von all den Geschichten voller Skeptizismus, die im Vorfeld des neuesten Bond-Filmes geschrieben wurden, ist wohl mit Abstand jene die beste, dass sich Daniel Craigs Mutter am Tag vor der offiziellen Bekanntgabe des Nachfolgers von Pierce Brosnan – gegenüber der Presse verplappert hatte. Mit ihrer Vorfreude hatte sie die grosse Pressekonferenz torpediert, bei der Craig im Polizeiboot und mit Sicherheitsweste auf der Themse der Welt als neuer 007 präsentiert wurde. Die Neuigkeit war durch, und kaum jemand sparte in den folgenden Monaten mit Häme über die blonden Haare und Spekulationen über ein mögliches Scheitern des Schauspielers.

Wurde von Mama torpediert: 007
Doch Mama Craig hatte dem monatelangen Hype um den weltbesten Spion auch ein neues, menschliches Gesicht verliehen. Und damit vorweggenommen, was die Qualität von «Casino Royale» ausmacht. Alles ist nämlich anders. Die Macher hatten tatsächlich den Mut, mit einer 44- jährigen Tradition von immer mehr und grösser zu brechen. Zurück zu den Wurzeln war stattdessen die Devise, zu den Geschichten von Ian Fleming, die kaum jemand gelesen hatte und die bisher noch selten wirklich die Grundlage der Filme gewesen waren.

Nix Kawumm mit flachlegen
Nix ist mehr mit technischen Spielereien, unsichtbaren Autos und den immer gleichen Abläufen mit Satelliten und trudelnden Flugzeugen. Nix mit dem grossen Kawumm im Vorspann, Auftrag fassen, grössenwahnsinnige Megalomanen beseitigen, Welt retten und die nette der beiden schönen Frauen flachlegen. Nix ist mehr mit Q und Weltraum und abstrusen MI6-Quartieren, vorbei die Zeiten der klaren Trennlinien zwischen «wir die Guten und dort die Bösen».
Craigs neuer Bond ist ein roher Killer, ein Gegen-Terrorist und bestimmt niemand, dem man unbedingt begegnen möchte. Sein Sinn für Mode beschränkt sich auf das Notwendige und seine Antwort auf die Frage eines Barkeepers «geschüttelt oder gerührt?» wird neue Filmgeschichte schreiben. In «Casino Royale» gibt es weniger exotische Orte als gewohnt, dafür die schmutzigen Niederungen von Korruption und Kriegsgewinnlern.
Natürlich kommt der Film nicht gänzlich ohne superschnelle Computer und das ganz grosse Geld aus – immerhin spielt ein nicht unwesentlicher Teil des Films am Pokertisch. Natürlich geht es auch diesmal um das Wohl der westlich zivilisierten Welt, die nur dank einiger packenden Stunts nicht im Sumpf des Terrorismus versinkt. Natürlich gibt es mit Mads Mikkelsen als Le Chiffre einen grandios durchtriebenen Gegenspieler. Und natürlich gibt es einige sprühende, witzige und intelligente Dialoge zwischen Bond und seiner Herzdame Vesper Lynd (Eva Green).
Doch bei all dem geht es ihm selber auch ganz gehörig ans Leder. Eine Folterszene zeigt Bond nackt an einen Stuhl gefesselt und eröffnet ein gänzlich neues Spektrum von Sadomasochismus, das bisher, wenn überhaupt, nur stilisiert und mit Rettung in letzter Sekunde gezeigt wurde.

Überdauerte sämtliche Einsätze
Doch bei «Casino Royale» geht es das erste Mal auch um den echten, wahren Bond. Einen Bond, der ganz gut ohne das James auskommt und den man so gar nicht sympathisch finden mag, denn er traut keinem ausser sich selbst und seinem Instinkt. Es ist ein Bond der nicht zum Hauptquartier rennt und sich ausrüsten lässt, sondern lieber bei M einbricht und ihren Vornamen kennt! Bei solchen Wendungen ist es dann auch nebensächlich, dass sich die Geschichte keinen Deut um logische Anschlüsse und frühere Begebenheiten kümmert.
Zwar haben die Macher wie bei Pierce Brosnans Debüt in «Goldeneye» wiederum den Regisseur Martin Campbell verpfl ichtet, doch von der gewohnten Besetzung der letzten Jahre ist nur die einzigartige Judi Dench als Bonds Chefin M übriggeblieben. Dafür tummeln sich in den Nebenrollen solch illustre Namen wie Giancarlo Giannini und Jeffrey Wright, der zuletzt in
«Syriana» allen die Show gestohlen hatte.
Doch den Machern gebührt vor allem das Verdienst, einen mutigen und differenzierten Schauspieler gewählt zu haben. Und dass Craig spielen kann, weiss man nicht erst seit seiner Darstellung des drogenabhängigen Liebhabers von Francis Bacon im Film «Love is the Devil» von 1998. Sein uneitles, ungeschliffenes Äussere machte ihn jahrelang zur idealen Besetzung des fiesen Nebenrollen-Bösewichts in Filmen wie «Road to Perdition», «Tomb Raider» und «Elisabeth», zumindest bis Regisseur Matthew Vaughn – Produzent der Filme von Guy Ritchie - Craig endlich die Hauptrolle in «Layer Cake», dem Geheimtipp von 2004, anbot.
Die britische Tageszeitung «The Guardian» nannte Craig eine «inspirierte Besetzung», der eine «leichtfüssige Leinwandpräsenz ausstrahlt und diese mit der Ausstrahlung von tödlicher Gefahr» zu verbinden vermag. Daniel Craigs Bond ist dann auch ein Mensch und kein Superheld, er hat Gefühle, er macht Fehler, er hat ein Gesicht und nicht eine Fassade. Und niemand könnte weiter von jenen blasierten britischen Weltrettern entfernt sein, die viel zu teure Autos fahren, tadellos sitzende Anzüge tragen und sich Agenten nennen.
Dieser Bond quatscht nicht, er handelt. Die Welt hat einen neuen Helden. Der Film ist seit dem 23.11. in den Kinos und dauert
150 Minuten.
Dieser Bond erschien erstmalig im Berner Kult & Kulturmagazin ensuite

Wurde von Mama torpediert: 007
Doch Mama Craig hatte dem monatelangen Hype um den weltbesten Spion auch ein neues, menschliches Gesicht verliehen. Und damit vorweggenommen, was die Qualität von «Casino Royale» ausmacht. Alles ist nämlich anders. Die Macher hatten tatsächlich den Mut, mit einer 44- jährigen Tradition von immer mehr und grösser zu brechen. Zurück zu den Wurzeln war stattdessen die Devise, zu den Geschichten von Ian Fleming, die kaum jemand gelesen hatte und die bisher noch selten wirklich die Grundlage der Filme gewesen waren.

Nix Kawumm mit flachlegen
Nix ist mehr mit technischen Spielereien, unsichtbaren Autos und den immer gleichen Abläufen mit Satelliten und trudelnden Flugzeugen. Nix mit dem grossen Kawumm im Vorspann, Auftrag fassen, grössenwahnsinnige Megalomanen beseitigen, Welt retten und die nette der beiden schönen Frauen flachlegen. Nix ist mehr mit Q und Weltraum und abstrusen MI6-Quartieren, vorbei die Zeiten der klaren Trennlinien zwischen «wir die Guten und dort die Bösen».
Craigs neuer Bond ist ein roher Killer, ein Gegen-Terrorist und bestimmt niemand, dem man unbedingt begegnen möchte. Sein Sinn für Mode beschränkt sich auf das Notwendige und seine Antwort auf die Frage eines Barkeepers «geschüttelt oder gerührt?» wird neue Filmgeschichte schreiben. In «Casino Royale» gibt es weniger exotische Orte als gewohnt, dafür die schmutzigen Niederungen von Korruption und Kriegsgewinnlern.
Natürlich kommt der Film nicht gänzlich ohne superschnelle Computer und das ganz grosse Geld aus – immerhin spielt ein nicht unwesentlicher Teil des Films am Pokertisch. Natürlich geht es auch diesmal um das Wohl der westlich zivilisierten Welt, die nur dank einiger packenden Stunts nicht im Sumpf des Terrorismus versinkt. Natürlich gibt es mit Mads Mikkelsen als Le Chiffre einen grandios durchtriebenen Gegenspieler. Und natürlich gibt es einige sprühende, witzige und intelligente Dialoge zwischen Bond und seiner Herzdame Vesper Lynd (Eva Green).
Doch bei all dem geht es ihm selber auch ganz gehörig ans Leder. Eine Folterszene zeigt Bond nackt an einen Stuhl gefesselt und eröffnet ein gänzlich neues Spektrum von Sadomasochismus, das bisher, wenn überhaupt, nur stilisiert und mit Rettung in letzter Sekunde gezeigt wurde.

Überdauerte sämtliche Einsätze
Doch bei «Casino Royale» geht es das erste Mal auch um den echten, wahren Bond. Einen Bond, der ganz gut ohne das James auskommt und den man so gar nicht sympathisch finden mag, denn er traut keinem ausser sich selbst und seinem Instinkt. Es ist ein Bond der nicht zum Hauptquartier rennt und sich ausrüsten lässt, sondern lieber bei M einbricht und ihren Vornamen kennt! Bei solchen Wendungen ist es dann auch nebensächlich, dass sich die Geschichte keinen Deut um logische Anschlüsse und frühere Begebenheiten kümmert.
Zwar haben die Macher wie bei Pierce Brosnans Debüt in «Goldeneye» wiederum den Regisseur Martin Campbell verpfl ichtet, doch von der gewohnten Besetzung der letzten Jahre ist nur die einzigartige Judi Dench als Bonds Chefin M übriggeblieben. Dafür tummeln sich in den Nebenrollen solch illustre Namen wie Giancarlo Giannini und Jeffrey Wright, der zuletzt in

Doch den Machern gebührt vor allem das Verdienst, einen mutigen und differenzierten Schauspieler gewählt zu haben. Und dass Craig spielen kann, weiss man nicht erst seit seiner Darstellung des drogenabhängigen Liebhabers von Francis Bacon im Film «Love is the Devil» von 1998. Sein uneitles, ungeschliffenes Äussere machte ihn jahrelang zur idealen Besetzung des fiesen Nebenrollen-Bösewichts in Filmen wie «Road to Perdition», «Tomb Raider» und «Elisabeth», zumindest bis Regisseur Matthew Vaughn – Produzent der Filme von Guy Ritchie - Craig endlich die Hauptrolle in «Layer Cake», dem Geheimtipp von 2004, anbot.
Die britische Tageszeitung «The Guardian» nannte Craig eine «inspirierte Besetzung», der eine «leichtfüssige Leinwandpräsenz ausstrahlt und diese mit der Ausstrahlung von tödlicher Gefahr» zu verbinden vermag. Daniel Craigs Bond ist dann auch ein Mensch und kein Superheld, er hat Gefühle, er macht Fehler, er hat ein Gesicht und nicht eine Fassade. Und niemand könnte weiter von jenen blasierten britischen Weltrettern entfernt sein, die viel zu teure Autos fahren, tadellos sitzende Anzüge tragen und sich Agenten nennen.
Dieser Bond quatscht nicht, er handelt. Die Welt hat einen neuen Helden. Der Film ist seit dem 23.11. in den Kinos und dauert
150 Minuten.

sfux - 15. Dez, 08:05 Article 2703x read