Baschis Bande heizt Europa ein

Malte Olschewski - Viel Erdöl kann die Sorge um die Demokratie sehr schnell vergessen lassen. Nach dem Tod des turkmenischen Staatschefs Saparmurad Nijazow versäumt Deutschland die Gelegenheit, Hilfe beim Ende der die nach Nordkorea bizarrsten Diktatur der Welt zu leisten.
In Turkmenistan wird derzeit alles unternommen, damit der Leibarzt Nijazows, Gurbanbuly Berdymuhammedow, die für 11.2. angesetzten Präsidentschaftswahlen gewinnen und die bisherige Politik fortsetzen kann. Ins Ausland geflüchtete Oppositionelle haben die deutsche Regierung aufgefordert, ihre engen Beziehungen zum Regime für eine Demokratisierung zu nutzen. Die Opposition will nach ihrer Heimkehr bei den Wahlen mit einem gemeinsamen Kandidaten antreten.
Die EU und Deutschland wollen nach ihren eigenen Erklärungen in der ganzen Welt für mehr Demokratie sorgen, wobei aber Turkmenistan die Ausnahme von dieser Regel zu sein scheint. Zu eng hatte Nijazow deutsche Firmen an sein Herz gedrückt, das unter der Last des Grössenwahns am 21.12.2006 versagte. Eine Dokumentensammlung der Berliner Humboldt-Universität malt ein genaues Bild des

Der Staatschef hatte als selbsternannter „Vater der Turkmenen“ (Turkmenbaschi) dem Volk Milliarden abgepresst und in der Deutschen Bank eingelagert. Turkmenbaschi und seine Staatsbande bevorzugten Karossen von Mercedes. Deutsche Firmen haben den Geheimdienst des Diktators technisch ausgestattet. Nijazows Gesundheit wurde von Münchner Ärzten überwacht. Seine gigantomanischen Bau-ten sind zu einem guten Teil von deutschen Konzernen errichtet und ausgestattet worden. Turkmenbaschi bekam, was er wollte, denn er sass auf riesigen Vorkommen von Erdgas, mit dem er über Leitungen der russische „Gasprom“ in Europa einheizen liess. Nijazows Sohn Murad war von Wien aus tätig, um Profite aus Gasgeschäften in die väterliche Schatulle zu leiten. In einer Nacht soll Nijazow junior in einem Madrider Kasino 18 Millionen Dollar verspielt haben. Nijazow hat wahrscheinlich deswegen den Sohn von der Nachfolge ausgeschlossen.
Nun haben jene, die intern und extern über den Leib des Dikators gewacht haben, die besten Chancen: Der Leibarzt Nijazows Gurbanbuly Berdymohammedow und der Kommandant der Leibwache Akmurad Reschepow. Laut Verfassung hätte nach dem Hinscheiden Nijazows Parlaments-vorsitzender Öwezgeldi Atayew interi-mistisch das Amt des Staatschefs übernehmen müssen. Er kam nicht dazu, da er mit der Todesnachricht wegen Korruption verhaftet wurde: Ein Delikt, den die gesamte Staatsführung ohne Unterbrechung begangen hatte. In Windeseile traten die 2504 Migtlieder der Volksversammlung, der „Halk Maslahaty“, zusammen, um Leibarzt Gurbanbuly zum Interimspräsidenten zu ernennen und um den Wahltermin festzulegen. Der Volksrat bestätigte auch andere Kandidaten, hat aber die im Ausland versammelte Oppo-sition nicht zugelassen. Berdymohammedow leitete dann die Trauerfeierlichkeiten, was in altsowjetischer Tradition ein untrüglicher Hinweis auf den Nachfolger ist. Im Falle seiner Wahl hat er bereits die Fortsetzung des „Baschismus“ angekündigt.
Grössenwahn und Personenkult sind parallele Phänomene der Diktatur. Fast alle Diktaturen kennen den Personenkult, der auch in Demokratien auftreten kann. Man kann sagen, dass fast ein jeder Mensch, da er von seiner eigenen Einzigartigkeit überzeugt ist, einen Personenkult betreibt. Personenkult in einer Demokratie wird jedoch durch die Verfügbarkeit finanzieller Mittel und durch die Kritik der Opposition begrenzt. Nicht so in Diktaturen, wobei der Kommunismus mit seinen kultischen Blüten den Faschismus zu übertreffen: Stalin in der UdSSR, Mao Tse Tung in China, Enver Hodscha in Albanien, Kim Il Sung in Nordkorea und Ceausescu in Rumänien sind hier die vorrangigen Beispiele. Indes hat der Kommunismus in seiner tödlichsten und auch in seiner freundlichsten Form -Pol Pot in Kambodscha und Kadar in Ungarn- auf Personenkult verzichtet.
Im Zerfall der Sowjetunion sind in den meisten bisherigen Teilrepubliken die KP-Chefs an der Macht geblieben. Sie haben sich zwar von Moskau getrennt, doch haben sie den Kommunismus als politisches System mit minimalen Korrekturen beibehalten. Lenin und Stalin hatten in Zentralasien alle Bestrebungen zur Schaffung von Gross-Turkestan blutig unterdrückt. Die Turkvölker dieser Region wie die Kasachen, Usbeken, Kirgisen und Turkmenen sind mehrfach auf neu geschaffene Sowjetrepubliken umverteilt worden.
Stalin hat in Zentralasien ethnische Experimente angestellt. So kam es, dass einige Stämme in der Wüste östlich der Kaspischen See plötzlich mit dem Status einer sowjetischen Teilrepublik ausgestattet worden sind. Sowjet-Turkmenien wurde die gehorsamste Teilrepublik der UdSSR. Da ihre Stammesstrukturen die Bildung von lokalen Kadern erschwerten, haben Russen die Führung und Ausbeutung Turkmeniens über-nommen. Mit Saparmurad Nijazow (*1940) wurde 1985 erstmals ein Turkmene KP-Chef des Landes. Unter Gorbaschow hat er vorsichtig taktiert. Mit einem leisen Per-sonenkult hat er eine turkmenische Nation konstruiert.
Er hat Ende 1991 die Unabhängigkeit Turkmeniens proklamiert. Er hat die KP mit Federstrichen zur „Demokratischen Partei“ gemacht. Er hat als Alleinherrscher das KP-System nicht nur bis in alle Einzelheiten erhalten, er hat es in die Zeit Stalins zurückgeführt. Am 21.6.1992 erhielt er bei Präsidentschaftswahlen 99,5 Prozent der Stimmen. Am 28.12.1999 liess er sich von der Volksversammlung als Präsident auf Lebenszeit wählen: „Unser erster und ewiger Präsident!“ So jubelten die Staatsmedien. Im Programm des Personenkultes hat er sein Leitbild Stalin an Ideenreichtum bei weitem überboten. Er wurde Weltmeister des Eigenlobes. Als „Diamantenkranz des Volkes“ bewies er, dass der Personenkult keine Grenzen kennt und nie stehenbleiben will. Unerschöpfliche Ideen streben zur Apotheose und Vergöttlichung.
Alle wollen sie bauen: Der grössenwahnsinnigen Diktator will die lästigen Gedanken an die eigene Sterblichkeit fast immer mit Beton erschlagen. Gigantomanische Projekte sind oft die Folge. „Turkmenbaschi“ liess im Zentrum der Hauptstadt Adschabad Paläste und Prunkbauten wie Pilze aus der Erde wachsen. Im Zentrum der unsinnigen Bautätigkeit stand eine riesige, goldbeschichtete Statue Nijazows. Turkmenbaschi drehte sich dank neuer Technik um sich selbst und rund um die Uhr, sodass sein Gesicht immer der Sonne zugewandt blieb. 24 Stunden am Tag ruckelte und zuckelte die Elektronik, um Baschis Kopf dem Lauf der Sonne anzupassen.
Das hiess: Nijazow ist der Abglanz der Sonne hier auf Erden. Die Tendenz geht ins Totale. Flughäfen, Berge, Städte, Seen, Strassen, Gebäude, Banknoten und das TV tragen seinen Namen. Wenn etwas nur da war, verdiente es auch schon, von Turkmenbaschi als seinem Vater, Erzeuger und Schöpfer abgestempelte zu werden. Auch ein Mondkrater und ein Asteroid wurden nach Turkmenbaschi benannt.
Eine Teesorte und eine besonders grosse Melonenart sind mit seinem Namen augestattet worden. Dass dann an jeder Strassenecke Nijazows Statuen und Büsten standen, war nicht genug. Es sind an vielen Stellen auch Büsten und Statuen seines Vaters und seiner Mutter aufgestellt worden. Tag für Tag war Turkembaschi damit beschäftigt, die Realität mit seinem Brandzeichen zu versehen. So gefielen ihm die bisherigen Monatsnamen bald nicht mehr. Für Jänner, Februar, März ect. hatte Saparmurad bald neue Namen ersonnen. So wurde der Januar als erster Monat des Jahres erwartungsgemäss zu „Turkmenbaschi“. Der Februar war im neuen Kalander zu „Baydak“ (Fahne) geworden. Der April erhielt mit „Gurbasoltaneye“ den Namen seiner Mutter.
Und der September wurde nach der neuen Staatsideologie „Ruhnama“ genannt. Die lag auch in Buchform vor. „Ruhnama“ wurde als Sammlung von Banalitäten zu einer Staatsbibel erhoben und dem Koran gleichgestellt. Es war der Karriere förderlich, wenn man, auch bei der Führerscheinprüfung, lang genug aus der „Ruhnama“ zitieren konnte. Die „Ruh-nama“ ist auch von „Mannesmann KTI“ ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht worden (Siehe ISBN 3-00-001839-5).
Eine Behälter mit diesem Buch wurde von einer russischen Rakete in die Erdumlaufbahn geschossen. Wer dreimal Baschis Buch von Anfang bis zu Ende lese, komme in den Himmel, liess Nijazows Propaganda verkünden. Überall im Land sind Denkmäler oder gar Gebäude in Buchform gestaltet worden. Der sunnitische Islam wurde bei Verbot anderer Religionen staatlich gefördert, doch unternahm der Staatschef viele Schritte, um seine Person an die Stelle des Propheten Mohammed zu setzen. So ließ er in seinem Heimatstadt Kiptschak die grösste Moschee der moslemischen Welt errichten. Das islamische Abbildungsverbot konnte er gut nutzen. Statt des Propheten ist immer nur er zu sehen. Neben den Suren aus dem Koran sind auf den Wänden des Gebetshalle Sätze aus der „Ruhnama“ geschrieben. Der Islam wurde langsam in Richtung einer neuen Religion umfunktioniert, denn der totale Personenkult kann keinen Gott neben dem eigenen Ego dulden.
Die vielen Opfer dieser Diktatur dürfen nicht vergessen werden. Obwohl der Diktator alle Gelder aus Öl und Gas abschöpft, sind fünf Millionen Turkmenen in Armut und Elend gefangen. Mehrere Säuberungen sind schon durch die obersten Etagen der Macht gefegt. Allein 1998 sind in Turkestan 750 Exekutionen gezählt worden, was bei einer Bevölkerung von nur fünf Millionen Menschen ein schauriger Rekord wäre. Das sogenannte Parlament besteht aus fünfzig, von Baschi ernannten Mitgliedern. Die Volksversammlung mir ihren 2504 Migtliedern darf nur einmal im Jahr tagen. Bei Erscheinen des Diktators erheben sich die alle Delegierte, um ihn in Sprechchören zu feiern. Nach einem gescheiterten Attentat im Jahr 2002 sind Führungskader geflüchtet oder verschwunden. Alle Weg-gefährten der ersten Jahre haben sich nach Moskau oder nach Westeuropa abgesetzt. Unter den früheren Ministern Avdy Kuiljev und Boris Shikmiradov haben sich zwei Gruppen gebildet, die durch neue Säuberungen in Adschabad weiter Zulauf erhalten.
Nach dem Tod Nijazows überlegt die Armeeführung, wie die unter dem Diktator verlorenen Privilegien wieder herzustellen wären. Die Armee will vor allem keine Bauarbeiter für die Errichtung der kultischen Monumente bereitstellen. Sie will, was ihr oft von oberster Stelle verboten wird, die Grenze zu Afghanistan schützen. Der Geheimdienst KNB sinnt auf Rache, da ihm viele Agenden von der 3 000 Mann starken Leibwache des Diktators entzogen worden sind. Der frühere KNB-Chef Mohammed Nazarow war für in den Westen gelangte Informationen, verant-wortlich, wonach Turkmenbaschi hohe Summen für den Transfer afghanischen Opiums erhalten haben soll. Die von Nijazow gewaltsam unterdrückten Gegen-sätze der Stämme traten in den letzten Jahren wieder deutlicher hervor. Älteste der Yomud haben nun eine Proklamation erlassen, wonach die Vorherrschaft des Nijazow-Stammes der Tekke beendet werden soll.
Ununterbrochen und mit jedem Tag war Turkmenbaschi mit Bau- und Weltverbesserungsplänen beschätfigt. Er hat das Rentensystem der Sowjetzeit abgeschafft und so eine Million Menschen ins Elend gestürzt. Er liess mitten im Kopadeg-Gebirge einen Eispalast errichten. In Nisa wurde eine 20 Kilometer lange Treppe in den Berg gehauen. Es ist bei hohen Durchschnittstemperaturen ein riesiges Gehege für Pinguine angelegt worden. Spitäler und Kliniken ausserhalb der Hauptstadt wurden geschlossen. Das Einsetzen von Goldzähnen ist verboten worden.
Nijazow befahl den Bau des weltweit grössten Aquariums. Baschi schuf spezifische Arbeitsplätze: Tausende Menschen sind jeden Tag mit der Säuberung seiner hässlichen Sakralbauten beschäf-tigt. Kein Tag verging, da der Diktator nicht das eine befohlen, das andere aber verboten hätte. Turkmenbaschi liess Kinos, Opern und Bibliotheken des Landes schliessen. Auch Kaubtabak wurde nicht mehr geduldet. Kein Internet und kein Karaoke! Das TV- Programm besteht aus Verlautbarungen, aus Verherrlichung des Führers, aus Folklore und ausgewählten Sendungen russischer Kanäle. In überirdischer Länge wird gezeigt, wie Turkmenbaschi seine Minister zur Schnecke macht.
Da knicken sie ein in Grossaufnahme, um sofortige Besserung zu versprechen. Um Verschwörungen und der Bildung einer Machtbasis vorzubeugen, belässt Baschis Rotationssystem einen Minister durchschnittlich ein Jahr auf seinem Posten. Durch das ganze Fernseh-Programm bleibt rechts oben ein goldenes Profil Nijazows eingeblendet. Da er bei Beobachtung des Staatsfernsehens Schwierigkeiten bei Unterscheidung von Männlein und Weiblein hatte, wurde den Moderatoren jede Schminke verboten. Baschi selbst aber liess sich seine grauen Haare tiefschwarz färben. Über die sexuellen Bemühungen des herzkranken Diktators wird viel geflüstert. Baschi soll fantasievolle Bemühungen zu Stärkung seiner schwindenden Manneskraft unternommen haben.
Dass in den Städten riesige Springbrunnen ihr Nass in den Himmel sprühten, mag auf das Wunschdenken Baschis zurückgehen. Einmal soll er während eines Gewitters auf den Balkon gestürmt sein, um Befehle an die Wolken auszugeben. Es müssen unfassbare Dinge geschehen sein, von denen nur die Kommandanten seiner Leibwache wissen und von denen die Weltöffentlichkeit nie etwas erfahren wird.
sfux - 8. Jan, 08:05 Article 1981x read