Tuberkulose: In Europa ein Problem, in der Dritten Welt eine Katastrophe
Dr. Alexander von Paleske - Am 22. Oktober fand in Berlin ein Treffen von 300 Delegierten des WHO Ministerforums "Gemeinsam gegen Tuberkulose" statt. Ziel war es, die Tuberkulose in Europa stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, die Krankheit in Europa unter Kontrolle zu bringen und schließlich zu besiegen.
In Europa leiden 445.000 Menschen an Tuberkulose mit 55.000 Todesfällen im Jahre 2005. In der Dritten Welt sterben 1,5 Millionen Menschen jährlich an TB, doch dies spielte auf der Berliner Konferenz eine, wenn überhaupt, völlig untergeordnete Rolle, obgleich die Tuberkulose ein globales Problem ist. Und so griff bereits im Vorfeld der Konferenz die hoch angesehene Medizinzeitung "LANCET" diese Engstirnigkeit an.
Wirksame Medikamente versagen
Die Geißel Tuberkulose kann erst seit 50 Jahren wirksam mit Medikamenten behandelt werden. Thomas Mann beschreibt in seinem Buch "Zauberberg" anschaulich, wie die Tuberkukose ehemals mit Liegekuren, kalorienreicher Ernährung und einseitigem Lungenkollaps höchst unzureichend behandelt wurde. In den 60er und 70er Jahren kam es dann – jedenfalls in Europa - zu einem weitgehenden Rückgang dieser Erkrankung, von Alkoholikern, Obdachlosen und Immunsupprimierten einmal abgesehen, die nach wie vor häufig betroffen blieben.
Auch in der Dritten Welt wurde die Tuberkulose Dank des Einsatzes wirksamer Medikamente erfolgreich bekämpft und ging in vielen Regionen kontinuierlich zurück. Das hat sich mittlerweile völlig geändert. Insbesondere in Afrika ist es zu einem dramatischen Anstieg der Tuberkuloseerkrankungen gekommen. Der Grund: Die Immunschwächeerkrankung HIV/AIDS. Als weitere begünstigende Faktoren kommen Mangelernährung und Erkrankungen wie Diabetes hinzu.
Der Zusammenbruch des Immunsystems als Folge der HIV-Erkrankung macht den Körper wehrlos in Hinblick auf körpereigene Abwehrmechanismen. Entweder kommt es zu einer Reaktivierung der nach einer früher durchgemachten TB Infektion noch im Körper vorhandenen, jedoch normalerweise von einem intakten Immunsystem in Schach gehaltenen Tuberkelbakterien, oder aber von außen zu einer Neuinfektion. In Südafrika ist die Tuberkulose mittlerweile die häufigste Todesursache der HIV-Krankheit.
Regelmässige Medikamenteneinnahme erforderlich
Die Tuberkulose kann medikamentös nur erfolgreich bekämpft werden, wenn die Medikamente absolut regelmässig und über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten eingenommen werden. Erfahrungen hier vor Ort zeigen jedoch, das diese Prämissen kaum zu erreichen sind, wenn der Patient mit den Medikamenten für jeweils einen Vierwochen-Zeitraum versorgt wird. Es hat sich gezeigt, dass dann die Medikamente in vielen Fallen nicht regelmäßig eingenommen werden und sich als Folge Resistenzen unter der Therapie bilden. Somit bleibt nur die überwachte tägliche Einnahme und setzt ein organisiertes Gesundheitssystem mit vielen lokalen Kliniken voraus. Doch genau daran mangelt es in vielen Ländern, selbst in Schwellenländern wie beispielsweise Südafrika.
MDR und XDR
Die Folgen einer unregelmäßigen Einnahme zeigen sich in zwei Resistenz-Typen: zum einen in der Multidrugresistenz (MDR), die Tuberkulosemedikamente erster Wahl wirkungslos macht und zur Umstellung auf (teure) Medikamente der zweiten Wahl zwingt. Zum anderen in einer völligen Resistenz (XDR), gegen die keine wirksamen Medikamnte mehr verfügbar sind. Folgen der XDR-Resistenz sind der Tod des Patienten, der in mehr als 95 Prozent aller Fälle innerhalb von wenigen Wochen eintritt.
Im Jahre 2006 wurden weltweit bei untersuchten Proben in zwei Prozent der Fälle eine XDR festgestellt. Südafrika ist dabei Spitzenreiter mit 200 Fällen in der Problemprovinz KwaZulu-Natal. Eine Provinz, die auch die höchste Zahl an HIV-Infizierten hat. Die Ansteckung findet dabei vorwiegend im Krankenhaus statt. Während in Europa derartige Patienten strikt isoliert werden, liegen sie in Südafrika - aber nicht nur dort - oftmals auf einer internistischen Allgemeinstation und stecken weitere Patienten an.
Keine Problemlösung von der Berlin-Konferenz
Zu all diesen Problemen hatte die Konferenz in Berlin nichts an positiven Lösungsvorschlägen beizutragen. Dies, obwohl klar ist, dass die XDR, einmal richtig in Schwung gekommen, bei Mobilität und dem Tourismus keinen Bogen um Europa machen wird. In Kapstadt findet an diesem Wochenende eine internationale Konferenz statt, die sich - anders als die Konferenz in Berlin - genau diesen Themen annehmen will und an der 3000 Teilnehmer über Lösungswege diskutieren wollen.
Solange nicht die erforderlichen Mittel in die Erforschung neuer TB-Medikamente fließen, wird die Katastrophe weitergehen. Und solange HIV Infizierte keine Behandlung mit Anti-AIDS (antiretroviralen) Medikamenten erhalten, wird sich die Tuberkulose weiter ausbreiten. Bisher sind für eine positive Wende keinerlei Anzeichen erkennbar. Wenn mit XDR infizierte Patienten nicht isoliert werden können, wird sich XDR weiter ausbreiten - mit zunehmender Geschwindigkeit.
Dr. Alexander von Paleske ist Arzt für Innere Medizin, Haematologie. Senior Consultant and Head Department of Oncology (Krebsabteilung) am Princess Marina Hospital Gaborone/Botswana.
Videostatement: Cancer surge overwhelms AIDS-struck Botswana
AFPTV voiced report - Doctors in Botswana are already battling one of the world's highest levels of HIV infection and now they also face a dramatic rise in cancer cases as a result of the epidemic. The disease is putting extra pressure on the country's overstretched health system.
In Europa leiden 445.000 Menschen an Tuberkulose mit 55.000 Todesfällen im Jahre 2005. In der Dritten Welt sterben 1,5 Millionen Menschen jährlich an TB, doch dies spielte auf der Berliner Konferenz eine, wenn überhaupt, völlig untergeordnete Rolle, obgleich die Tuberkulose ein globales Problem ist. Und so griff bereits im Vorfeld der Konferenz die hoch angesehene Medizinzeitung "LANCET" diese Engstirnigkeit an.
Wirksame Medikamente versagen
Die Geißel Tuberkulose kann erst seit 50 Jahren wirksam mit Medikamenten behandelt werden. Thomas Mann beschreibt in seinem Buch "Zauberberg" anschaulich, wie die Tuberkukose ehemals mit Liegekuren, kalorienreicher Ernährung und einseitigem Lungenkollaps höchst unzureichend behandelt wurde. In den 60er und 70er Jahren kam es dann – jedenfalls in Europa - zu einem weitgehenden Rückgang dieser Erkrankung, von Alkoholikern, Obdachlosen und Immunsupprimierten einmal abgesehen, die nach wie vor häufig betroffen blieben.
Auch in der Dritten Welt wurde die Tuberkulose Dank des Einsatzes wirksamer Medikamente erfolgreich bekämpft und ging in vielen Regionen kontinuierlich zurück. Das hat sich mittlerweile völlig geändert. Insbesondere in Afrika ist es zu einem dramatischen Anstieg der Tuberkuloseerkrankungen gekommen. Der Grund: Die Immunschwächeerkrankung HIV/AIDS. Als weitere begünstigende Faktoren kommen Mangelernährung und Erkrankungen wie Diabetes hinzu.
Der Zusammenbruch des Immunsystems als Folge der HIV-Erkrankung macht den Körper wehrlos in Hinblick auf körpereigene Abwehrmechanismen. Entweder kommt es zu einer Reaktivierung der nach einer früher durchgemachten TB Infektion noch im Körper vorhandenen, jedoch normalerweise von einem intakten Immunsystem in Schach gehaltenen Tuberkelbakterien, oder aber von außen zu einer Neuinfektion. In Südafrika ist die Tuberkulose mittlerweile die häufigste Todesursache der HIV-Krankheit.
Regelmässige Medikamenteneinnahme erforderlich
Die Tuberkulose kann medikamentös nur erfolgreich bekämpft werden, wenn die Medikamente absolut regelmässig und über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten eingenommen werden. Erfahrungen hier vor Ort zeigen jedoch, das diese Prämissen kaum zu erreichen sind, wenn der Patient mit den Medikamenten für jeweils einen Vierwochen-Zeitraum versorgt wird. Es hat sich gezeigt, dass dann die Medikamente in vielen Fallen nicht regelmäßig eingenommen werden und sich als Folge Resistenzen unter der Therapie bilden. Somit bleibt nur die überwachte tägliche Einnahme und setzt ein organisiertes Gesundheitssystem mit vielen lokalen Kliniken voraus. Doch genau daran mangelt es in vielen Ländern, selbst in Schwellenländern wie beispielsweise Südafrika.
MDR und XDR
Die Folgen einer unregelmäßigen Einnahme zeigen sich in zwei Resistenz-Typen: zum einen in der Multidrugresistenz (MDR), die Tuberkulosemedikamente erster Wahl wirkungslos macht und zur Umstellung auf (teure) Medikamente der zweiten Wahl zwingt. Zum anderen in einer völligen Resistenz (XDR), gegen die keine wirksamen Medikamnte mehr verfügbar sind. Folgen der XDR-Resistenz sind der Tod des Patienten, der in mehr als 95 Prozent aller Fälle innerhalb von wenigen Wochen eintritt.
Im Jahre 2006 wurden weltweit bei untersuchten Proben in zwei Prozent der Fälle eine XDR festgestellt. Südafrika ist dabei Spitzenreiter mit 200 Fällen in der Problemprovinz KwaZulu-Natal. Eine Provinz, die auch die höchste Zahl an HIV-Infizierten hat. Die Ansteckung findet dabei vorwiegend im Krankenhaus statt. Während in Europa derartige Patienten strikt isoliert werden, liegen sie in Südafrika - aber nicht nur dort - oftmals auf einer internistischen Allgemeinstation und stecken weitere Patienten an.
Keine Problemlösung von der Berlin-Konferenz
Zu all diesen Problemen hatte die Konferenz in Berlin nichts an positiven Lösungsvorschlägen beizutragen. Dies, obwohl klar ist, dass die XDR, einmal richtig in Schwung gekommen, bei Mobilität und dem Tourismus keinen Bogen um Europa machen wird. In Kapstadt findet an diesem Wochenende eine internationale Konferenz statt, die sich - anders als die Konferenz in Berlin - genau diesen Themen annehmen will und an der 3000 Teilnehmer über Lösungswege diskutieren wollen.
Solange nicht die erforderlichen Mittel in die Erforschung neuer TB-Medikamente fließen, wird die Katastrophe weitergehen. Und solange HIV Infizierte keine Behandlung mit Anti-AIDS (antiretroviralen) Medikamenten erhalten, wird sich die Tuberkulose weiter ausbreiten. Bisher sind für eine positive Wende keinerlei Anzeichen erkennbar. Wenn mit XDR infizierte Patienten nicht isoliert werden können, wird sich XDR weiter ausbreiten - mit zunehmender Geschwindigkeit.
Dr. Alexander von Paleske ist Arzt für Innere Medizin, Haematologie. Senior Consultant and Head Department of Oncology (Krebsabteilung) am Princess Marina Hospital Gaborone/Botswana.
Videostatement: Cancer surge overwhelms AIDS-struck Botswana
AFPTV voiced report - Doctors in Botswana are already battling one of the world's highest levels of HIV infection and now they also face a dramatic rise in cancer cases as a result of the epidemic. The disease is putting extra pressure on the country's overstretched health system.
sfux - 12. Nov, 08:01 Article 2098x read