Graupners Wort am Sonntag
„Was ziehe ich zur Demo an?“
Bastian Graupner – Umgeworfene Müllcontainer auf den Straßen, explodierende Feuerwerkskörper, die auf Polizisten geworfen wurden – so sah es Neujahr in Hannover aus. Unter dem Motto „Außer Kontrolle! Überwachungsstaat abknallen!“ führten zumeist linksradikale aus der autonomen Szene eine Silvesterdemo gegen Repression und Überwachung in der niedersächsischen Landeshauptstadt durch. Dass nach Beendigung der Demonstration Krawalle ausbrachen, war abzusehen – Sprengstoff ist zwischen Weihnachten und Neujahr immerhin an allen Ecken zu kaufen und auch die Politik bietet wieder einmal genügend Proteststoff: Totale Protokollierung des Internets, der Telefone, E-Mails und Handys.

Nach Auflösung der „Antirepressionsdemonstration“ in Hannover zogen viele TeilnehmerInnen randalierend durch den Stadtteil Neustadt…

…und zerstörten einige Autos. Neustadt gilt als Linksalternatives-Stadtviertel mit hohem Migrantenanteil. Gerade weil einige DemonstrationsteilnehmerInnen im „eigenen Viertel“ randalierten, störten sich viele Linke an der Gewalt.
Eine neue Gewalt-Debatte in der radikalen Linken ist entbrannt. Im unabhängigen linken Medienportal „Indymedia“ hagelt es Kommentare zum Bericht über die Hannoveraner Demonstration. Die meisten davon kritisch, wie beispielsweise dieser anonyme Kommentar:
„Warum muss man bitte Kleinwagen entglasen und beschädigen? Muss man gleich den Kopf verlieren, wenn man mal legal rumböllern kann? Es gibt Menschen, die sich mit aller Not ein Auto zulegen und sich über ein kleines Auto freuen und dann wirds von nen paar Vollidioten zertrümmert!“
Ähnlich äußern sich die meisten der zahlreichen KommentarschreiberInnen. Allzu oft enden linke Demonstrationen in Ausschreitungen. Ein gefundenes Fressen für die politischen Gegner, die sich durch solche Randale zu noch schärferen Sicherheitsgesetzen legitimieren. Auch die konservative und sogar die linke Presse stoßen sich an solchen Gewaltexzessen: Wer Gewalt anwendet, hat schon verloren. Die linke Szene muss merken, dass man die Leute nicht überzeugt indem man deren Eigentum zerstört. Doch woher kommt die Gewalt?
Mit dem Kopf durch die Wand
Das Publikum auf einer Demonstration besteht meist aus jungen Menschen. SchülerInnen, StundentenInnen und Auszubildende sind es oft, die in den ersten Reihen einer linken Demonstration mitlaufen. Natürlich ändert sich die Altersstruktur je nach Thema der Demonstration. Bei der Großdemonstration gegen den G8-Gipfel am 2. Juni 2007 in Rostock mit rund 80.000 TeilnehmerInnen waren auch zahlreiche Alt-68erInnen und eben nicht nur junge Menschen – auch wenn die Jungen immer noch einen großen Teil ausmachten.
Die Gewalt geht – wie auch in Rostock – meist von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus. Auch in Hannover sollen vor allem junge Menschen gewütet haben – nach Augenzeugenberichten sollen die Demo-TeilnehmerInnen zwischen 14 und 25 Jahren alt gewesen sein. Dies wundert nicht. Junge stürmische Hitzköpfe gab es schon immer. Das diese in den meisten Fällen männlich sind, ist bei der Struktur der meisten linksradikalen und autonomen Gruppen – in der Frauen leider meist deutlich in der Minderheit sind – ebenfalls kein Wunder.
Gewalt auf linken Demonstrationen geht also meist von jungen, männlichen Menschen aus, die sich oftmals in der autonomen Szene bewegen. Junge Leute haben eben viel Energie, wollen – wenn sie politisch sind – etwas bewegen und dies leider oft auch durch den Einsatz von Gewalt - ein völliger Trugschluss.
Frust spielt sicher auch eine Rolle: Laut der Shell-Jugendstudie 2006 sehen 53 Prozent der 12- bis 25-jährigen ihre Zukunft als düster, ein Plus von 8 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr. Diese Zukunftsängste sind unter anderem der Grund für Jugendkriminalität und Gewalt.
Ein weiterer Grund: Die politischen Jugendlichen schaffen keinen grundlegenden politischen Umbruch – in der heutigen parlamentarischen Demokratie spielt die Bevölkerung nur eine nebengeordnete Rolle. Die Wut vieler Jugendlicher hat wohl dieselbe Basis, egal, ob es nun unpolitische Hooligans, Links- oder auch Rechtsradikale sind. Krawalle nach Demonstrationen sind auch nichts Neues – ärgerlich waren sie schon immer. Doch was tun?
Ausschreitungen verhindern
Beim Protest gegen den G8-Gipfel distanzierten sich große Organisationen wie Attac von den Gewalttaten, die während der Großdemonstration geschahen. Auch die Organisatoren der neuerlichen „Antirepressionsdemonstration“ in Hannover distanzieren sich von der Gewalt. Dennoch wirkt eine Demonstration auf Außenstehende wie eine homogene Masse, wenn auf einer politischen Veranstaltung – oder sogar nach offiziellem Ende - Steine fliegen, diskreditiert dies häufig die ganze Veranstaltung. In den Medien wird leider zu selten zwischen GewalttäterInnen und friedlichen DemonstrantInnen unterschieden – Hetzmedien wie die BILD-Zeitung verstärken dies zudem und versuchen gar nicht erst objektiv zu bleiben. Meist stehen den Tausenden friedlichen DemonstrantInnen einige Dutzend Gewalttätige gegenüber.
Was ist spektakulärer? Vermummte Steinewerfer oder friedliche PACE-Fahnen schwingende Menschen?
Bei aller Kritik an den jungen Krawallmachern darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Polizei heute Zivilpolizisten in Demonstrationen schleust – das bestreitet nicht einmal mehr die Polizei selbst. Nachdem einige so genannte „Agent Provocateur“ bei den Protesten gegen den G8-Gipfel enttarnt und sich zu ihren Kollegen in den grünen Kampfmonturen flüchteten, konnte deren Existenz durch die Polizei nicht mehr geleugnet werden. Die getarnten Staatsbediensteten sollen sogar dazu aufgefordert haben, sich zu vermummen und mit Steinen zu werfen. Das sich „Agent Provocateur“ ebenso wie unpolitische Hooligans, die einfach nur Krawall machen wollen, nicht in Demonstrationen mischen, ist schwer zu verhindern – sogar Nazis sollen sich manchmal getarnt unter die Leute mischen, um die politische Demonstration durch Krawalle zu verunglimpfen. Es muss jedoch getrennt werden zwischen TeilnehmerInnen, die nur inmitten der Demo sind, um die politische Veranstaltung zu diskreditieren und solchen, die zwar Krawalle machen, aber noch dazu überredet werden können friedlich zu bleiben.
Klar, Rechtsextremisten und „Agent Provocateur“ schleusen sich nur ein, um Stress zu machen und haben mit den politischen Zielen der Demonstration nichts zu tun, ganz im Gegenteil verfolgen sie ihr eigenes politisches Ziel indem sie die Veranstaltung der politischen Gegner gezielt unterwandern und diskreditieren.
Eine neue Debatte - Machen Kleider gewalttätig?
Anders sieht es mit der autonomen Szene und dem so genannten „Schwarzen Block“ aus. Zwar sind dies erfahrungsgemäß die oben genannten jungen Heißsporne – und zum Teil auch gewaltbereit – aber nicht jede Demonstration der Autonomen endet mit einer Straßenschlacht. Dass Ausschreitungen meist aus Reihen des „Black Blocks“ kommen, liegt an der Anfälligkeit durch politische Gegner.
In einem Block, in dem alle Demo-TeilnehmerInnen schwarz gekleidet und meist vermummt rumlaufen, ist es einfach unterzutauchen – für Hooligans, Nazis, Agent Provocateur und andere Gegner. Die Anfälligkeit ist ein generelles Problem des Blocks.
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? In den ersten Reihen der „Black Block“ auf der Demonstration gegen das ASEM-Treffen kurz vorm G8-Gipfel am 28.Mai 2007 in Hamburg.

Auf der Großdemonstration gegen den G8-Gipfel am 2.Juni 2007 in Rostock beteiligten sich rund 2.500 Menschen am „Black Block“ der „Interventionistischen Linken“.
Hamburg hat eine große autonome Szene und dementsprechend einen großen „Black Block“, wie auf dem Foto von der „Antirepressionsdemonstration“ am 15. Dezember 2007 zu sehen. In anderen Großstädten wie Berlin hat der Schwarze Block nicht weniger Zulauf. Bei allen dieser drei Beispiele gab es am Ende beziehungsweise nach der Demonstration heftige Ausschreitungen. Doch vertreten wirklich alle schwarzen Kapuzen den Inhalt der Demo oder haben sich Menschen in die Demo geschleust, um diese durch Gewalt zu diskreditieren?
Es wäre deshalb eine Überlegung den Block aufzulösen – eine bunte Demonstration gebe auch ein viel freundlicheres Bild ab. Natürlich birgt dies das Risiko von der Polizei gefilmt zu werden, doch was haben die TeilnehmerInnen wirklich zu befürchten? SchwerverbrecherInnen werden sich erst garantiert nicht auf öffentlichen Demonstrationen blicken lassen – oftmals wird sich aus „coolness“ und Dummheit vermummt - Gesicht zeigen für die eigene Meinung wäre die Alternative. Zwar hat der Schwarze Block eine einheitliche Kleiderordnung, doch die Meinung im Block ist durch die leichte Unterwanderung sicherlich nicht so einheitlich. Trotzdem wären einheitliche Klamotten auf Demos nicht wünschenswert: „Mensch soll sich anziehen können wie Mensch will.“
Ein Hinweis der VeranstalterInnen wäre eine sanfte Maßnahme – die aber wohl auch wenig Beachtung fände. Wer sich wie kleidet, muss jede(r) selbst wissen. Aber auch ohne einen leicht zu unterwandernden Black Block kann es Gewalt auf Demonstrationen geben.
Eine große Verantwortung kommt den VeranstalterInnen entgegen, die die Pflicht haben ihre Demonstration zu beruhigen. Auch wenn die polizeiliche Repression auf Demonstrationen – Wanderkessel, filmen der DemonstrationsteilnehmerInnen, Überwachung aus der Luft, etc. – oft übertrieben ist, sollten die VeranstalterInnen die Stimmung nicht zusätzlich anheizen und nicht provozieren.
Provokation ist wiederum ein beliebtes Mittel der Polizei, um politische Veranstaltungen zu stören: Der Polizeiwagen, der auf der Großdemonstration gegen den G8-Gipfel in Rostock zufälligerweise mitten in der demonstrierenden Masse stand, war Auslöser der dortigen Krawalle. Die Leute – vor allem die Autonomen – waren nicht mehr zu bremsen und reagierten sich - wie im Wahn – an dem Fahrzeug ab. Besonders auf Großdemonstrationen wird deutlich, dass die VeranstalterInnen trotz der bereitgestellten OrdnerInnen nicht in der Lage sind, eine Demonstration im Zaun zu halten. Im Endeffekt liegt es an den TeilnehmerInnen selbst, die Veranstaltung friedlich verlaufen zu lassen. Die Massen müssen ein Zeichen gegen Gewalt setzen und die gewaltsamen TeilnehmerInnen aufhalten.
Das setzt eine neue Gewaltdebatte in der Szene voraus. Momentan werden Ausschreitungen einiger DemoteilnehmerInnen allzu oft toleriert, weil sich die Menschen einfach nicht mit dem Thema „Gewalt“ auseinandergesetzt haben. Somit muss das Thema unbedingt einen höheren Stellenwert innerhalb der politischen (radikalen) Linken erhalten. Die Debatte darf nicht nur von Alt-68-erInnen aus der Hippie-Bewegung geführt werden, sondern muss auch bei jungen radikalen Leuten auf der Tagesordnung stehen.
Welchen Erfolg gewaltfreie Aktionen haben können, zeigen die Blockade-Tage um den G8-Gipfel in Heiligendamm. Zwischen dem 6. und 8. Juni 2007 wurden die Zufahrtswege zum Tagungsort der G8 erfolgreich und friedlich durch sitzende DemonstrantInnen blockiert. Da es bei diesen Blockaden oft keinen Black Block gab, wurden sogar mehrere Zivilpolizisten – die auf der Blockade dazu aufgerufen haben sollen die uniformierte Polizisten mit Steinen zu bombardieren – von den anderen friedlichen DemonstrantInnen enttarnt. Die (ent-)getarnten Staatsbediensteten sollen die einzigen Vermummten auf der Blockade gewesen und nervös herum gerannt sein – das fiel auf.
Auch medial gaben die friedlichen Protesttage ein grandioses Bild ab: Auf einer Straße im Nirgendwo sitzende Menschen wurden grundlos von brutalen Polizisten mit Wasserwerfern angegriffen. Medien berichteten von den friedlichen Protesten und die Bevölkerung bekam ein Bild exzessiver Polizeigewalt zu sehen, was den gewaltlosen ProtestlerInnen einige Sympathien einbrachte. Besonders als die Polizei mit ihren Schnellbooten nach einer wilden Verfolgungsjagd ein kleines Schlauchboot der Umweltschutzorganisation Greenpeace überfuhr und dabei einige Insassen verletzte, waren die Sympathien der meisten Menschen klar auf Seiten der Opfer. Zuvor wurden einige Greenpeace-Aktivisten von einem größeren Boot gerammt und aus ihrem Schlauchboot geschleudert – Ziel der Aktion war es, den G8 eine Petition für den Klimaschutz zu überreichen.
Eine andere gewaltlose Aktionsform auf Demonstrationen sind die Clowns. Auch gegen die DemonstrantInnen der so genannten „Clown’s Army“ kam es während der Proteste zu Repressionen und vollkommen absurden Bildern. Polizisten ließen die Clowns ihre Rucksäcke entleeren – den Knüppel griffbereit, weil die Polizeiführung behauptete die Clowns führten Säure in ihren Wasserpistolen mit - was freilich nie bewiesen werden konnte. Auf einem Video von „G8-TV“ ist zu sehen, wie ein Clown von der Polizei festgenommen wird, weil er eine Jacke im Bundeswehr-Tarnmuster trägt – die Jacke wurde ihm abgenommen und der Clown, der ein Nudelsieb auf dem Kopf trägt, wieder freigelassen. Die polizeilichen Eingriffe bei den gewaltlosen Protesten führten zu Unmengen dieser absurden Bilder in den Medien.
Es gibt zahlreiche gewaltlose Aktionsformen auf Demonstrationen. Da der Schwarze Block sehr anfällig für politische GegnerInnen ist, sollte überlegt werden, diese Aktionsform – von der oft Gewalt ausgeht – fallen zu lassen. Dennoch liegt es immer an den DemoteilnehmerInnen selbst friedlich zu sein und dafür zu sorgen die Veranstaltung friedlich durchzuführen. Jede(r) DemonstrantIn muss sich verpflichtet fühlen die Demonstration in einem guten Licht stehen zu lassen, um ein positives Bild in der Bevölkerung abzugeben und so die Leute auf ihre Seite zu ziehen. Schließlich sollen Demos immer Demos bleiben und der Bevölkerung demonstrieren gegen was oder wofür Mensch ist.
Deshalb: Erst denken, dann handeln! Eine neue – umfassende - Gewaltdebatte in der linken Szene ist nötig! Mensch muss sich schließlich nicht gleich für die nächste Demo in einen biederen Angestelltenanzug zwängen. Aber eine Verwirrung für die Polizei wäre es allemal.

Nach Auflösung der „Antirepressionsdemonstration“ in Hannover zogen viele TeilnehmerInnen randalierend durch den Stadtteil Neustadt…

…und zerstörten einige Autos. Neustadt gilt als Linksalternatives-Stadtviertel mit hohem Migrantenanteil. Gerade weil einige DemonstrationsteilnehmerInnen im „eigenen Viertel“ randalierten, störten sich viele Linke an der Gewalt.
Eine neue Gewalt-Debatte in der radikalen Linken ist entbrannt. Im unabhängigen linken Medienportal „Indymedia“ hagelt es Kommentare zum Bericht über die Hannoveraner Demonstration. Die meisten davon kritisch, wie beispielsweise dieser anonyme Kommentar:
„Warum muss man bitte Kleinwagen entglasen und beschädigen? Muss man gleich den Kopf verlieren, wenn man mal legal rumböllern kann? Es gibt Menschen, die sich mit aller Not ein Auto zulegen und sich über ein kleines Auto freuen und dann wirds von nen paar Vollidioten zertrümmert!“
Ähnlich äußern sich die meisten der zahlreichen KommentarschreiberInnen. Allzu oft enden linke Demonstrationen in Ausschreitungen. Ein gefundenes Fressen für die politischen Gegner, die sich durch solche Randale zu noch schärferen Sicherheitsgesetzen legitimieren. Auch die konservative und sogar die linke Presse stoßen sich an solchen Gewaltexzessen: Wer Gewalt anwendet, hat schon verloren. Die linke Szene muss merken, dass man die Leute nicht überzeugt indem man deren Eigentum zerstört. Doch woher kommt die Gewalt?
Mit dem Kopf durch die Wand
Das Publikum auf einer Demonstration besteht meist aus jungen Menschen. SchülerInnen, StundentenInnen und Auszubildende sind es oft, die in den ersten Reihen einer linken Demonstration mitlaufen. Natürlich ändert sich die Altersstruktur je nach Thema der Demonstration. Bei der Großdemonstration gegen den G8-Gipfel am 2. Juni 2007 in Rostock mit rund 80.000 TeilnehmerInnen waren auch zahlreiche Alt-68erInnen und eben nicht nur junge Menschen – auch wenn die Jungen immer noch einen großen Teil ausmachten.
Die Gewalt geht – wie auch in Rostock – meist von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus. Auch in Hannover sollen vor allem junge Menschen gewütet haben – nach Augenzeugenberichten sollen die Demo-TeilnehmerInnen zwischen 14 und 25 Jahren alt gewesen sein. Dies wundert nicht. Junge stürmische Hitzköpfe gab es schon immer. Das diese in den meisten Fällen männlich sind, ist bei der Struktur der meisten linksradikalen und autonomen Gruppen – in der Frauen leider meist deutlich in der Minderheit sind – ebenfalls kein Wunder.
Gewalt auf linken Demonstrationen geht also meist von jungen, männlichen Menschen aus, die sich oftmals in der autonomen Szene bewegen. Junge Leute haben eben viel Energie, wollen – wenn sie politisch sind – etwas bewegen und dies leider oft auch durch den Einsatz von Gewalt - ein völliger Trugschluss.
Frust spielt sicher auch eine Rolle: Laut der Shell-Jugendstudie 2006 sehen 53 Prozent der 12- bis 25-jährigen ihre Zukunft als düster, ein Plus von 8 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr. Diese Zukunftsängste sind unter anderem der Grund für Jugendkriminalität und Gewalt.
Ein weiterer Grund: Die politischen Jugendlichen schaffen keinen grundlegenden politischen Umbruch – in der heutigen parlamentarischen Demokratie spielt die Bevölkerung nur eine nebengeordnete Rolle. Die Wut vieler Jugendlicher hat wohl dieselbe Basis, egal, ob es nun unpolitische Hooligans, Links- oder auch Rechtsradikale sind. Krawalle nach Demonstrationen sind auch nichts Neues – ärgerlich waren sie schon immer. Doch was tun?
Ausschreitungen verhindern
Beim Protest gegen den G8-Gipfel distanzierten sich große Organisationen wie Attac von den Gewalttaten, die während der Großdemonstration geschahen. Auch die Organisatoren der neuerlichen „Antirepressionsdemonstration“ in Hannover distanzieren sich von der Gewalt. Dennoch wirkt eine Demonstration auf Außenstehende wie eine homogene Masse, wenn auf einer politischen Veranstaltung – oder sogar nach offiziellem Ende - Steine fliegen, diskreditiert dies häufig die ganze Veranstaltung. In den Medien wird leider zu selten zwischen GewalttäterInnen und friedlichen DemonstrantInnen unterschieden – Hetzmedien wie die BILD-Zeitung verstärken dies zudem und versuchen gar nicht erst objektiv zu bleiben. Meist stehen den Tausenden friedlichen DemonstrantInnen einige Dutzend Gewalttätige gegenüber.
Was ist spektakulärer? Vermummte Steinewerfer oder friedliche PACE-Fahnen schwingende Menschen?
Bei aller Kritik an den jungen Krawallmachern darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Polizei heute Zivilpolizisten in Demonstrationen schleust – das bestreitet nicht einmal mehr die Polizei selbst. Nachdem einige so genannte „Agent Provocateur“ bei den Protesten gegen den G8-Gipfel enttarnt und sich zu ihren Kollegen in den grünen Kampfmonturen flüchteten, konnte deren Existenz durch die Polizei nicht mehr geleugnet werden. Die getarnten Staatsbediensteten sollen sogar dazu aufgefordert haben, sich zu vermummen und mit Steinen zu werfen. Das sich „Agent Provocateur“ ebenso wie unpolitische Hooligans, die einfach nur Krawall machen wollen, nicht in Demonstrationen mischen, ist schwer zu verhindern – sogar Nazis sollen sich manchmal getarnt unter die Leute mischen, um die politische Demonstration durch Krawalle zu verunglimpfen. Es muss jedoch getrennt werden zwischen TeilnehmerInnen, die nur inmitten der Demo sind, um die politische Veranstaltung zu diskreditieren und solchen, die zwar Krawalle machen, aber noch dazu überredet werden können friedlich zu bleiben.
Klar, Rechtsextremisten und „Agent Provocateur“ schleusen sich nur ein, um Stress zu machen und haben mit den politischen Zielen der Demonstration nichts zu tun, ganz im Gegenteil verfolgen sie ihr eigenes politisches Ziel indem sie die Veranstaltung der politischen Gegner gezielt unterwandern und diskreditieren.
Eine neue Debatte - Machen Kleider gewalttätig?
Anders sieht es mit der autonomen Szene und dem so genannten „Schwarzen Block“ aus. Zwar sind dies erfahrungsgemäß die oben genannten jungen Heißsporne – und zum Teil auch gewaltbereit – aber nicht jede Demonstration der Autonomen endet mit einer Straßenschlacht. Dass Ausschreitungen meist aus Reihen des „Black Blocks“ kommen, liegt an der Anfälligkeit durch politische Gegner.
In einem Block, in dem alle Demo-TeilnehmerInnen schwarz gekleidet und meist vermummt rumlaufen, ist es einfach unterzutauchen – für Hooligans, Nazis, Agent Provocateur und andere Gegner. Die Anfälligkeit ist ein generelles Problem des Blocks.
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? In den ersten Reihen der „Black Block“ auf der Demonstration gegen das ASEM-Treffen kurz vorm G8-Gipfel am 28.Mai 2007 in Hamburg.

Auf der Großdemonstration gegen den G8-Gipfel am 2.Juni 2007 in Rostock beteiligten sich rund 2.500 Menschen am „Black Block“ der „Interventionistischen Linken“.
Hamburg hat eine große autonome Szene und dementsprechend einen großen „Black Block“, wie auf dem Foto von der „Antirepressionsdemonstration“ am 15. Dezember 2007 zu sehen. In anderen Großstädten wie Berlin hat der Schwarze Block nicht weniger Zulauf. Bei allen dieser drei Beispiele gab es am Ende beziehungsweise nach der Demonstration heftige Ausschreitungen. Doch vertreten wirklich alle schwarzen Kapuzen den Inhalt der Demo oder haben sich Menschen in die Demo geschleust, um diese durch Gewalt zu diskreditieren?
Es wäre deshalb eine Überlegung den Block aufzulösen – eine bunte Demonstration gebe auch ein viel freundlicheres Bild ab. Natürlich birgt dies das Risiko von der Polizei gefilmt zu werden, doch was haben die TeilnehmerInnen wirklich zu befürchten? SchwerverbrecherInnen werden sich erst garantiert nicht auf öffentlichen Demonstrationen blicken lassen – oftmals wird sich aus „coolness“ und Dummheit vermummt - Gesicht zeigen für die eigene Meinung wäre die Alternative. Zwar hat der Schwarze Block eine einheitliche Kleiderordnung, doch die Meinung im Block ist durch die leichte Unterwanderung sicherlich nicht so einheitlich. Trotzdem wären einheitliche Klamotten auf Demos nicht wünschenswert: „Mensch soll sich anziehen können wie Mensch will.“
Ein Hinweis der VeranstalterInnen wäre eine sanfte Maßnahme – die aber wohl auch wenig Beachtung fände. Wer sich wie kleidet, muss jede(r) selbst wissen. Aber auch ohne einen leicht zu unterwandernden Black Block kann es Gewalt auf Demonstrationen geben.
Eine große Verantwortung kommt den VeranstalterInnen entgegen, die die Pflicht haben ihre Demonstration zu beruhigen. Auch wenn die polizeiliche Repression auf Demonstrationen – Wanderkessel, filmen der DemonstrationsteilnehmerInnen, Überwachung aus der Luft, etc. – oft übertrieben ist, sollten die VeranstalterInnen die Stimmung nicht zusätzlich anheizen und nicht provozieren.
Provokation ist wiederum ein beliebtes Mittel der Polizei, um politische Veranstaltungen zu stören: Der Polizeiwagen, der auf der Großdemonstration gegen den G8-Gipfel in Rostock zufälligerweise mitten in der demonstrierenden Masse stand, war Auslöser der dortigen Krawalle. Die Leute – vor allem die Autonomen – waren nicht mehr zu bremsen und reagierten sich - wie im Wahn – an dem Fahrzeug ab. Besonders auf Großdemonstrationen wird deutlich, dass die VeranstalterInnen trotz der bereitgestellten OrdnerInnen nicht in der Lage sind, eine Demonstration im Zaun zu halten. Im Endeffekt liegt es an den TeilnehmerInnen selbst, die Veranstaltung friedlich verlaufen zu lassen. Die Massen müssen ein Zeichen gegen Gewalt setzen und die gewaltsamen TeilnehmerInnen aufhalten.
Das setzt eine neue Gewaltdebatte in der Szene voraus. Momentan werden Ausschreitungen einiger DemoteilnehmerInnen allzu oft toleriert, weil sich die Menschen einfach nicht mit dem Thema „Gewalt“ auseinandergesetzt haben. Somit muss das Thema unbedingt einen höheren Stellenwert innerhalb der politischen (radikalen) Linken erhalten. Die Debatte darf nicht nur von Alt-68-erInnen aus der Hippie-Bewegung geführt werden, sondern muss auch bei jungen radikalen Leuten auf der Tagesordnung stehen.
Welchen Erfolg gewaltfreie Aktionen haben können, zeigen die Blockade-Tage um den G8-Gipfel in Heiligendamm. Zwischen dem 6. und 8. Juni 2007 wurden die Zufahrtswege zum Tagungsort der G8 erfolgreich und friedlich durch sitzende DemonstrantInnen blockiert. Da es bei diesen Blockaden oft keinen Black Block gab, wurden sogar mehrere Zivilpolizisten – die auf der Blockade dazu aufgerufen haben sollen die uniformierte Polizisten mit Steinen zu bombardieren – von den anderen friedlichen DemonstrantInnen enttarnt. Die (ent-)getarnten Staatsbediensteten sollen die einzigen Vermummten auf der Blockade gewesen und nervös herum gerannt sein – das fiel auf.
Auch medial gaben die friedlichen Protesttage ein grandioses Bild ab: Auf einer Straße im Nirgendwo sitzende Menschen wurden grundlos von brutalen Polizisten mit Wasserwerfern angegriffen. Medien berichteten von den friedlichen Protesten und die Bevölkerung bekam ein Bild exzessiver Polizeigewalt zu sehen, was den gewaltlosen ProtestlerInnen einige Sympathien einbrachte. Besonders als die Polizei mit ihren Schnellbooten nach einer wilden Verfolgungsjagd ein kleines Schlauchboot der Umweltschutzorganisation Greenpeace überfuhr und dabei einige Insassen verletzte, waren die Sympathien der meisten Menschen klar auf Seiten der Opfer. Zuvor wurden einige Greenpeace-Aktivisten von einem größeren Boot gerammt und aus ihrem Schlauchboot geschleudert – Ziel der Aktion war es, den G8 eine Petition für den Klimaschutz zu überreichen.
Eine andere gewaltlose Aktionsform auf Demonstrationen sind die Clowns. Auch gegen die DemonstrantInnen der so genannten „Clown’s Army“ kam es während der Proteste zu Repressionen und vollkommen absurden Bildern. Polizisten ließen die Clowns ihre Rucksäcke entleeren – den Knüppel griffbereit, weil die Polizeiführung behauptete die Clowns führten Säure in ihren Wasserpistolen mit - was freilich nie bewiesen werden konnte. Auf einem Video von „G8-TV“ ist zu sehen, wie ein Clown von der Polizei festgenommen wird, weil er eine Jacke im Bundeswehr-Tarnmuster trägt – die Jacke wurde ihm abgenommen und der Clown, der ein Nudelsieb auf dem Kopf trägt, wieder freigelassen. Die polizeilichen Eingriffe bei den gewaltlosen Protesten führten zu Unmengen dieser absurden Bilder in den Medien.
Es gibt zahlreiche gewaltlose Aktionsformen auf Demonstrationen. Da der Schwarze Block sehr anfällig für politische GegnerInnen ist, sollte überlegt werden, diese Aktionsform – von der oft Gewalt ausgeht – fallen zu lassen. Dennoch liegt es immer an den DemoteilnehmerInnen selbst friedlich zu sein und dafür zu sorgen die Veranstaltung friedlich durchzuführen. Jede(r) DemonstrantIn muss sich verpflichtet fühlen die Demonstration in einem guten Licht stehen zu lassen, um ein positives Bild in der Bevölkerung abzugeben und so die Leute auf ihre Seite zu ziehen. Schließlich sollen Demos immer Demos bleiben und der Bevölkerung demonstrieren gegen was oder wofür Mensch ist.
Deshalb: Erst denken, dann handeln! Eine neue – umfassende - Gewaltdebatte in der linken Szene ist nötig! Mensch muss sich schließlich nicht gleich für die nächste Demo in einen biederen Angestelltenanzug zwängen. Aber eine Verwirrung für die Polizei wäre es allemal.
onlineredaktion - 6. Jan, 13:41 Article 3575x read
Gewalt ernährungsbedingt