Antirassismus- und Klimacamp: „Für globale Bewegungsfreiheit und ein ganz anderes Klima!“
Felix Werdermann - Da ist sie, die Klimabewegung. Das erste deutsche Klimacamp lockte vorige Woche Tausende nach Hamburg: Autonome, Globalisierungskritiker, klassische Ökos. Zusammen mit dem Antirassismus-Camp standen viele Aktionen auf dem Programm: Von der antirassistischen Schnitzeljagd bis hin zur Besetzung des Kohlekraftwerksplatz in Hamburg-Moorburg.

Die Polizei bewacht die Baustelle für das Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg
Es erinnert ein bisschen an Heiligendamm: das Klimacamp im Hamburger Volkspark. Ein Schild am Eingang weist die Presse darauf hin, keine Fotos ohne Absprache zu machen. In der Mitte des Campgeländes sind die Infozelte des Antirassismus- und des Klimacamps aufgebaut. Hier liegen zahlreiche Infobroschüren, Zeitungen, Hefte und Postkarten aus. Auf dem Tisch steht eine Spendendose. Ein Schild aus Pappe bittet alle, täglich etwa fünf Euro zu spenden, um das Camp zu finanzieren.
Schon einige Tage vorher war auf der Internetseite des Klimacamps ein Programm mit Workshop-Angeboten zu finden. An der etwa zwei Meter hohen Holzwand, vor der meist eine Traube an Menschen steht, lässt sich aber auch erkennen: Tatsächlich werden mehr Arbeitsgruppen und Aktionen angeboten. Jeder Programmpunkt hat seine eigene bunte Papierkarte.
Bunt gemischt
Autonome und Hippies, Punker und Wissenschaftler/innen, Parteisoldaten und überzeugte Außerparlamentarier. Alle haben den Weg zum Camp gefunden. Die Antifas haben es sich am Eingang gemütlich gemacht, das Lagerfeuer brennt noch bis tief in die Nacht. Ganz links ist die Linksjugend, daneben noya, das globalisierungskritische Jugendnetzwerk, und dann gibt es noch das öko-anarchistische Barrio. In dem Papierplan am Infozelt sind viele weitere Barrios eingezeichnet: Berlin, Leipzig, Nordrhein-Westfalen. Wem die Spalterei zu viel wird, für den gibt es ganz am Rand das „Anti-Barrio-Barrio“.

Die Postkarte zum Klimacamp
Die Ökos haben sich ihre eigene Öko-Toilette aus Holz gezimmert, etwas weiter stehen die Dixi-Klos. Während viele Umweltbewegte Gewalt ablehnen, diskutieren am Abend einige Autonome über Militanz. Bekocht werden sie alle von „Le Sabot“ , der Volksküche aus den Niederlanden. Vegan und bio - und dazu kostenlos. Eine Spende wird aber dennoch erbeten.
Streit mit der Stadt
Über dem Camp kündigen dunkle Wolken heftigen Regen an. Ines Koburger ist dennoch zufrieden. Sie gehört zu den Organisatorinnen des Camps und freut sich, dass sie den Platz bekommen haben. Wochen vorher hatte es Streit zwischen den Klimacampern und den Hamburger Behörden gegeben. Die Camper hatten sich einen zentraleren Ort gewünscht, die städtischen Behörden waren dagegen. „Der schwarz-grüne Senat will unseren Protest unsichtbar machen“, sagt Koburger. Erst nach der Androhung einer Besetzung hatte die Stadt eingewilligt und sich auf einen Kompromiss eingelassen. Nun haben die Organisator/innen mit der Stadt ein Nutzungsvertrag für die Grünfläche in Hamburg-Lurup geschlossen.

Ines Koburger und Tadzio Müller auf der ersten Pressekonferenz des Klimacamps
Vielleicht mag der städtische Unwillen an den scharfen Tönen liegen, mit denen die Politik der schwarz-grünen Koalitionen kritisiert wird. „Auch die Grünen mutieren zur Kohlepartei“, heißt es im Leitartikel der Mobilisierungszeitung für das Camp. Hintergrund ist der Kampf um das geplante Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg. Die Grün-Alternative Liste (GAL) hatte im Wahlkampf versprochen, die Pläne des Energieriesens Vattenfall zu durchkreuzen. Aber in den Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen wurden Kompromisse eingegangen: Nun soll in den nächsten Wochen die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk über die Rechtmäßigkeit des Neubaus entscheiden. Zu einem grundsätzlichen Verbot konnte sich die Koalition nicht durchringen, nachdem Vattenfall mit Schadensersatzforderungen im Milliarden-Bereich gedroht hatte.
Die Klima-Aktivisten sind daher enttäuscht und zugleich wütend. Und das bekam die GAL zu spüren: Vor dem Büro in Hamburg-Ottensen kippten die Aktivisten einen Sack Kohle aus.
Grüne sind out, Linkspartei ist in
Im besseren Licht steht da die Linkspartei , die inzwischen auch in Fraktionsstärke im Hamburger Parlament sitzt. Fraktionschefin Dora Hayenn besuchte sogar das Camp. Und auch der Parteinachwuchs ist zahlreich vor Ort: Die Linksjugend [’solid] hat ihr eigenes Barrio aufgebaut, so heißt ihr eigener Bereich auf dem Zeltplatz, inklusive Infozelt und Lagerfeuer. Auch Ines Koburger ist bei der Linksjugend aktiv.
Vielleicht liegt die starke Präsenz der parteinahen Jugendorganisation an der inhaltlichen Ausrichtung des Camps: Immer wieder wird auf den engen Zusammenhang von Kapitalismus und Klimawandel hingewiesen. In Arbeitsgruppen wird über öko-sozialistische Alternativen diskutiert, und auch in der Camp-Zeitung heißt es: „Die Erwärmung der Atmosphäre ist kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis einer Wirtschaftsform, die auf Profit und Wachstum beruht.“
In der Szene angekommen
Mit dieser Fokussierung wurde das Klima-Thema in die linke Szene geholt. Verschiedene linke Zeitschriften hatten zuvor Schwerpunkte oder Sonderausgaben zum Klimawandel herausgebracht. Zum Beispiel haben „sul serio“ und „arranca“ dem Thema eine Gemeinschaftsausgabe im Sommer gewidmet. Schon zu dem Klima-Aktionstag im Dezember vergangenen Jahres hatten nicht nur die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, sondern auch linke Gruppen aufgerufen. Nun wurde auch noch das Klimacamp nach Deutschland importiert.
Die Idee stammt nämlich aus England. Dort fand vor zwei Jahren das erste Klimacamp statt, in diesem Sommer sind es schon sechs Länder: Neben England und Deutschland wird auch in Australien, Kanada, Neuseeland und den USA für ein besseres Klima gecampt. „Wir versuchen eine internationale Klimacamp-Bewegung aufzubauen“, erklärt Tadzio Müller das Ziel. Er hat fünf Jahre in Großbritannien gelebt und von dort viele Erfahrungen mitgebracht. Die tageszeitung nennt ihn deshalb „Importeur des Klimacamps“ .
Die „Chaos-Camper“
Der Import nach Deutschland ist zumindest fürs Erste gelungen: Über tausend Menschen sind in die Hansestadt gekommen. Ständig werden über ein Megafon die neuesten Nachrichten durchgegeben aktuelle Workshops angekündigt oder auf anstehende Aktionen hingewiesen. „In zehn Minuten beginnt der Wokshop zu Uranabbau im Zelt eins!“ Etwas chaotisch ist es schon. Die Hamburger BILD-Zeitung wusste das schon lange vor dem Camp. „Linke planen Chaos-Camp!“ , titelte sie bereits im Juli. Danach schrieb sie immer wieder von den „Chaos-Campern“.
Neben der Stimmungsmache der größten deutschen Boulevardzeitung hat auch ein Farbanschlag auf Häuser von Mitarbeitern der Ausländerbehörde dazu beigetragen, dass das Camp von einigen durchaus kritisch beäugt wird. „In einem Bekennerschreiben wurde ein Zusammenhang mit dem Klimacamp hergestellt“, heißt es im Hamburger Abendblatt . Der Bürgerschaftsabgeordnete Gunnar Eisold (SPD) war betroffen und reagierte prompt mit heftigen Vorwürfen: „Dieses Camp hätte es nicht geben dürfen.“

Die Polizei greift durch: Zwei Demonstranten werden festgenommen.
Spagat der CDU
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders stieß ins selbe Horn. Er kritisierte, vor „lauter Deeskalationsstrategie“ sei „keine klare innenpolitische Linie des Senats mehr zu erkennen.“ Lenders ist CDU-Mann. Seine Parteigenossen aber zeigen sich von ihrer liberalen Seite – vielleicht auch um ihre Koalitionspartnerin nicht zu vergraulen. Dabei war Hamburg lange Zeit für eine sehr repressive Innenpolitik bekannt. Damals koalierten die Christdemokraten noch mit der rechtsgerichteten Schill-Partei. Heute amüsieren sich die Kommentatoren über den Spagat der CDU: „Gestern Schill, heute Camp – mit der CDU geht alles“.
Gegen das Kohlekraftwerk
Die meisten Aktivist/innen auf dem Camp sind ohnehin friedlich. So war für den Samstag geplant, die Baustelle für das Kohlekraftwerk in Hamburg-Morburg zu besetzen. Felix Pithan von der Kampagne „Gegenstrom08“ sagt: „Wenn Bundes- und Landesregierungen den Profitinteressen der Konzerne Vorrang vor dem Klimaschutz geben, nutzen wir dagegen die Mittel des zivilen Ungehorsams. Wir suchen keine Konfrontation mit der Polizei, aber wir lassen uns auch nicht aufhalten.“

Das Plakat der Kampagne „Gegenstrom08“.
Und tatsächlich: Am Mittwoch gelangt er zusammen mit etwa 40 anderen Aktivist/innen auf das Gelände. Die Polizei hat damit nicht gerechnet. War die Besetzung doch eigentlich für den Samstag erst angekündigt. Pithan stört das wenig, er klettert auf einen Kran. Von dort lassen er und vier seiner Mitstreiter ein Transparent herab: „Energiekonzerne enteignen“ lautet die Forderung und daneben steht „Kapitalismus abschaffen“.
Auf dem Camp verbreitet sich die Meldung in Windeseile. Die Aktivisten wollen sich solidarisch zeigen und versuchen ebenfalls zur Baustelle zu kommen. Dort aber ist die Polizei längst aufgekreuzt und schirmt das Gelände ab. Sie stehen auf dem Damm, der das Gelände für das geplante Kraftwerk umgibt. Einige Polizeihunde sind auch mit dabei. An einer Kreuzung hält die Polizei die Demonstration in Schach, die zuvor durch Hamburg-Wilhelmsburg gezogen war und auf die gesundheitlichen Gefahren der Kohlenutzung wie Atemwegserkrankungen aufmerksam machen wollte.

Die Polizei bewacht die Baustelle. Der Kran ist besetzt.
Unangenehm wird es für die Demonstranten am Samstag. Die Polizei ist mit Wasserwerfern hochgerüstet, hinter dem Zaun, der das Kraftwerk schützen soll, stehen Polizisten in Kampfmontur. Die Kraftwerksgegner kommen nicht durch. Die Medien berichten dennoch, der Konflikt zwischen dem Neubau in Moorburg und den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung erfährt öffentliche Aufmerksamkeit.
Flughafen geflutet
Was dem Klimacamp die Besetzung von Moorburg ist, ist dem Antirassismus-Camp die Blockade des Flughafens. Von hier aus werden Menschen in alle Welt abgeschoben. Weil Passagiere sich immer öfters querstellen, in dem sie sich beispielsweise weigern, ihren Platz einzunehmen, werden nun zunehmend Sammelabschiebungen organisiert. Ein Grund mehr, den Flughafen zu „fluten“ , wie es die Aktivisten nennen. Da machen auch die Leute vom Klimacamp mit.

Die Demonstration auf dem Weg zum Flughafen.
Etwa tausend ziehen auf der angemeldeten Demonstration zum Flughafen, während Kleingruppen in das Terminal 1 gelangen. Dort spielen sie Abschiebeszenen nach. „Achtung, alle Passagiere des Abschiebefluges Lufthansa 707 nach Togo, Guinea und Benin. Bitte kommen Sie umgehend mit den Begleitern der Bundespolizei zum Ausgang A 14“, schallt es durch ein mitgebrachtes Megafon. Andere verteilen Flugblätter, hängen Transparente auf oder rufen Slogans gegen die Abschiebepolitik.
„Ihr Ticket, bitte!“
Draußen warten die Demonstranten. Aktivisten vom Antirassismuscamp, aber auch Migranten, denen eine Abschiebung droht. Auch die Demonstranten würden gern in den Flughafen, werden von der Polizei aber nicht durchgelassen. Einige Aktivisten haben sich von vornherein darauf konzentriert, wichtige Zufahrtsstraßen zum Flughafen zu blockieren. Einer berichtet: „Nach etwa fünfzehn Minuten hat uns die Polizei geräumt.“ Nun ist er noch zu der Demo gestoßen. Dort ist aber nicht viel los.

Die Demonstranten fordern Papiere für alle.
Die meisten versuchen über andere Zugänge zum Flughafen zu gelangen. Bei der Demo bleiben nur noch ein paar Leute, um die Anwesenden ohne Pass vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. Sie wissen genau: Werden diese Menschen kontrolliert, kann das ihre Abschiebung bedeuten.
Einige Aktivisten versuchen es mit Tarnung: In schicker Kleidung und mit Roll-Koffer wollen sie durch die Polizeikette. Aber der Plan geht nicht auf. Die Polizei möchte die Flugtickets sehen. Und so muss auch der Herr im Anzug seinen silbernen Rollkoffer öffnen und sein Ticket vorzeigen, damit er durchgelassen wird.
Zur Seite des Klimacamps
Zur Seite des Antirassismuscamps

Die Polizei bewacht die Baustelle für das Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg
Es erinnert ein bisschen an Heiligendamm: das Klimacamp im Hamburger Volkspark. Ein Schild am Eingang weist die Presse darauf hin, keine Fotos ohne Absprache zu machen. In der Mitte des Campgeländes sind die Infozelte des Antirassismus- und des Klimacamps aufgebaut. Hier liegen zahlreiche Infobroschüren, Zeitungen, Hefte und Postkarten aus. Auf dem Tisch steht eine Spendendose. Ein Schild aus Pappe bittet alle, täglich etwa fünf Euro zu spenden, um das Camp zu finanzieren.
Schon einige Tage vorher war auf der Internetseite des Klimacamps ein Programm mit Workshop-Angeboten zu finden. An der etwa zwei Meter hohen Holzwand, vor der meist eine Traube an Menschen steht, lässt sich aber auch erkennen: Tatsächlich werden mehr Arbeitsgruppen und Aktionen angeboten. Jeder Programmpunkt hat seine eigene bunte Papierkarte.
Bunt gemischt
Autonome und Hippies, Punker und Wissenschaftler/innen, Parteisoldaten und überzeugte Außerparlamentarier. Alle haben den Weg zum Camp gefunden. Die Antifas haben es sich am Eingang gemütlich gemacht, das Lagerfeuer brennt noch bis tief in die Nacht. Ganz links ist die Linksjugend, daneben noya, das globalisierungskritische Jugendnetzwerk, und dann gibt es noch das öko-anarchistische Barrio. In dem Papierplan am Infozelt sind viele weitere Barrios eingezeichnet: Berlin, Leipzig, Nordrhein-Westfalen. Wem die Spalterei zu viel wird, für den gibt es ganz am Rand das „Anti-Barrio-Barrio“.

Die Postkarte zum Klimacamp
Die Ökos haben sich ihre eigene Öko-Toilette aus Holz gezimmert, etwas weiter stehen die Dixi-Klos. Während viele Umweltbewegte Gewalt ablehnen, diskutieren am Abend einige Autonome über Militanz. Bekocht werden sie alle von „Le Sabot“ , der Volksküche aus den Niederlanden. Vegan und bio - und dazu kostenlos. Eine Spende wird aber dennoch erbeten.
Streit mit der Stadt
Über dem Camp kündigen dunkle Wolken heftigen Regen an. Ines Koburger ist dennoch zufrieden. Sie gehört zu den Organisatorinnen des Camps und freut sich, dass sie den Platz bekommen haben. Wochen vorher hatte es Streit zwischen den Klimacampern und den Hamburger Behörden gegeben. Die Camper hatten sich einen zentraleren Ort gewünscht, die städtischen Behörden waren dagegen. „Der schwarz-grüne Senat will unseren Protest unsichtbar machen“, sagt Koburger. Erst nach der Androhung einer Besetzung hatte die Stadt eingewilligt und sich auf einen Kompromiss eingelassen. Nun haben die Organisator/innen mit der Stadt ein Nutzungsvertrag für die Grünfläche in Hamburg-Lurup geschlossen.

Ines Koburger und Tadzio Müller auf der ersten Pressekonferenz des Klimacamps
Vielleicht mag der städtische Unwillen an den scharfen Tönen liegen, mit denen die Politik der schwarz-grünen Koalitionen kritisiert wird. „Auch die Grünen mutieren zur Kohlepartei“, heißt es im Leitartikel der Mobilisierungszeitung für das Camp. Hintergrund ist der Kampf um das geplante Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg. Die Grün-Alternative Liste (GAL) hatte im Wahlkampf versprochen, die Pläne des Energieriesens Vattenfall zu durchkreuzen. Aber in den Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen wurden Kompromisse eingegangen: Nun soll in den nächsten Wochen die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk über die Rechtmäßigkeit des Neubaus entscheiden. Zu einem grundsätzlichen Verbot konnte sich die Koalition nicht durchringen, nachdem Vattenfall mit Schadensersatzforderungen im Milliarden-Bereich gedroht hatte.
Die Klima-Aktivisten sind daher enttäuscht und zugleich wütend. Und das bekam die GAL zu spüren: Vor dem Büro in Hamburg-Ottensen kippten die Aktivisten einen Sack Kohle aus.
Grüne sind out, Linkspartei ist in
Im besseren Licht steht da die Linkspartei , die inzwischen auch in Fraktionsstärke im Hamburger Parlament sitzt. Fraktionschefin Dora Hayenn besuchte sogar das Camp. Und auch der Parteinachwuchs ist zahlreich vor Ort: Die Linksjugend [’solid] hat ihr eigenes Barrio aufgebaut, so heißt ihr eigener Bereich auf dem Zeltplatz, inklusive Infozelt und Lagerfeuer. Auch Ines Koburger ist bei der Linksjugend aktiv.
Vielleicht liegt die starke Präsenz der parteinahen Jugendorganisation an der inhaltlichen Ausrichtung des Camps: Immer wieder wird auf den engen Zusammenhang von Kapitalismus und Klimawandel hingewiesen. In Arbeitsgruppen wird über öko-sozialistische Alternativen diskutiert, und auch in der Camp-Zeitung heißt es: „Die Erwärmung der Atmosphäre ist kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis einer Wirtschaftsform, die auf Profit und Wachstum beruht.“
In der Szene angekommen
Mit dieser Fokussierung wurde das Klima-Thema in die linke Szene geholt. Verschiedene linke Zeitschriften hatten zuvor Schwerpunkte oder Sonderausgaben zum Klimawandel herausgebracht. Zum Beispiel haben „sul serio“ und „arranca“ dem Thema eine Gemeinschaftsausgabe im Sommer gewidmet. Schon zu dem Klima-Aktionstag im Dezember vergangenen Jahres hatten nicht nur die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, sondern auch linke Gruppen aufgerufen. Nun wurde auch noch das Klimacamp nach Deutschland importiert.
Die Idee stammt nämlich aus England. Dort fand vor zwei Jahren das erste Klimacamp statt, in diesem Sommer sind es schon sechs Länder: Neben England und Deutschland wird auch in Australien, Kanada, Neuseeland und den USA für ein besseres Klima gecampt. „Wir versuchen eine internationale Klimacamp-Bewegung aufzubauen“, erklärt Tadzio Müller das Ziel. Er hat fünf Jahre in Großbritannien gelebt und von dort viele Erfahrungen mitgebracht. Die tageszeitung nennt ihn deshalb „Importeur des Klimacamps“ .
Die „Chaos-Camper“
Der Import nach Deutschland ist zumindest fürs Erste gelungen: Über tausend Menschen sind in die Hansestadt gekommen. Ständig werden über ein Megafon die neuesten Nachrichten durchgegeben aktuelle Workshops angekündigt oder auf anstehende Aktionen hingewiesen. „In zehn Minuten beginnt der Wokshop zu Uranabbau im Zelt eins!“ Etwas chaotisch ist es schon. Die Hamburger BILD-Zeitung wusste das schon lange vor dem Camp. „Linke planen Chaos-Camp!“ , titelte sie bereits im Juli. Danach schrieb sie immer wieder von den „Chaos-Campern“.
Neben der Stimmungsmache der größten deutschen Boulevardzeitung hat auch ein Farbanschlag auf Häuser von Mitarbeitern der Ausländerbehörde dazu beigetragen, dass das Camp von einigen durchaus kritisch beäugt wird. „In einem Bekennerschreiben wurde ein Zusammenhang mit dem Klimacamp hergestellt“, heißt es im Hamburger Abendblatt . Der Bürgerschaftsabgeordnete Gunnar Eisold (SPD) war betroffen und reagierte prompt mit heftigen Vorwürfen: „Dieses Camp hätte es nicht geben dürfen.“

Die Polizei greift durch: Zwei Demonstranten werden festgenommen.
Spagat der CDU
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders stieß ins selbe Horn. Er kritisierte, vor „lauter Deeskalationsstrategie“ sei „keine klare innenpolitische Linie des Senats mehr zu erkennen.“ Lenders ist CDU-Mann. Seine Parteigenossen aber zeigen sich von ihrer liberalen Seite – vielleicht auch um ihre Koalitionspartnerin nicht zu vergraulen. Dabei war Hamburg lange Zeit für eine sehr repressive Innenpolitik bekannt. Damals koalierten die Christdemokraten noch mit der rechtsgerichteten Schill-Partei. Heute amüsieren sich die Kommentatoren über den Spagat der CDU: „Gestern Schill, heute Camp – mit der CDU geht alles“.
Gegen das Kohlekraftwerk
Die meisten Aktivist/innen auf dem Camp sind ohnehin friedlich. So war für den Samstag geplant, die Baustelle für das Kohlekraftwerk in Hamburg-Morburg zu besetzen. Felix Pithan von der Kampagne „Gegenstrom08“ sagt: „Wenn Bundes- und Landesregierungen den Profitinteressen der Konzerne Vorrang vor dem Klimaschutz geben, nutzen wir dagegen die Mittel des zivilen Ungehorsams. Wir suchen keine Konfrontation mit der Polizei, aber wir lassen uns auch nicht aufhalten.“

Das Plakat der Kampagne „Gegenstrom08“.
Und tatsächlich: Am Mittwoch gelangt er zusammen mit etwa 40 anderen Aktivist/innen auf das Gelände. Die Polizei hat damit nicht gerechnet. War die Besetzung doch eigentlich für den Samstag erst angekündigt. Pithan stört das wenig, er klettert auf einen Kran. Von dort lassen er und vier seiner Mitstreiter ein Transparent herab: „Energiekonzerne enteignen“ lautet die Forderung und daneben steht „Kapitalismus abschaffen“.
Auf dem Camp verbreitet sich die Meldung in Windeseile. Die Aktivisten wollen sich solidarisch zeigen und versuchen ebenfalls zur Baustelle zu kommen. Dort aber ist die Polizei längst aufgekreuzt und schirmt das Gelände ab. Sie stehen auf dem Damm, der das Gelände für das geplante Kraftwerk umgibt. Einige Polizeihunde sind auch mit dabei. An einer Kreuzung hält die Polizei die Demonstration in Schach, die zuvor durch Hamburg-Wilhelmsburg gezogen war und auf die gesundheitlichen Gefahren der Kohlenutzung wie Atemwegserkrankungen aufmerksam machen wollte.

Die Polizei bewacht die Baustelle. Der Kran ist besetzt.
Unangenehm wird es für die Demonstranten am Samstag. Die Polizei ist mit Wasserwerfern hochgerüstet, hinter dem Zaun, der das Kraftwerk schützen soll, stehen Polizisten in Kampfmontur. Die Kraftwerksgegner kommen nicht durch. Die Medien berichten dennoch, der Konflikt zwischen dem Neubau in Moorburg und den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung erfährt öffentliche Aufmerksamkeit.
Flughafen geflutet
Was dem Klimacamp die Besetzung von Moorburg ist, ist dem Antirassismus-Camp die Blockade des Flughafens. Von hier aus werden Menschen in alle Welt abgeschoben. Weil Passagiere sich immer öfters querstellen, in dem sie sich beispielsweise weigern, ihren Platz einzunehmen, werden nun zunehmend Sammelabschiebungen organisiert. Ein Grund mehr, den Flughafen zu „fluten“ , wie es die Aktivisten nennen. Da machen auch die Leute vom Klimacamp mit.

Die Demonstration auf dem Weg zum Flughafen.
Etwa tausend ziehen auf der angemeldeten Demonstration zum Flughafen, während Kleingruppen in das Terminal 1 gelangen. Dort spielen sie Abschiebeszenen nach. „Achtung, alle Passagiere des Abschiebefluges Lufthansa 707 nach Togo, Guinea und Benin. Bitte kommen Sie umgehend mit den Begleitern der Bundespolizei zum Ausgang A 14“, schallt es durch ein mitgebrachtes Megafon. Andere verteilen Flugblätter, hängen Transparente auf oder rufen Slogans gegen die Abschiebepolitik.
„Ihr Ticket, bitte!“
Draußen warten die Demonstranten. Aktivisten vom Antirassismuscamp, aber auch Migranten, denen eine Abschiebung droht. Auch die Demonstranten würden gern in den Flughafen, werden von der Polizei aber nicht durchgelassen. Einige Aktivisten haben sich von vornherein darauf konzentriert, wichtige Zufahrtsstraßen zum Flughafen zu blockieren. Einer berichtet: „Nach etwa fünfzehn Minuten hat uns die Polizei geräumt.“ Nun ist er noch zu der Demo gestoßen. Dort ist aber nicht viel los.

Die Demonstranten fordern Papiere für alle.
Die meisten versuchen über andere Zugänge zum Flughafen zu gelangen. Bei der Demo bleiben nur noch ein paar Leute, um die Anwesenden ohne Pass vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. Sie wissen genau: Werden diese Menschen kontrolliert, kann das ihre Abschiebung bedeuten.
Einige Aktivisten versuchen es mit Tarnung: In schicker Kleidung und mit Roll-Koffer wollen sie durch die Polizeikette. Aber der Plan geht nicht auf. Die Polizei möchte die Flugtickets sehen. Und so muss auch der Herr im Anzug seinen silbernen Rollkoffer öffnen und sein Ticket vorzeigen, damit er durchgelassen wird.


sfux - 27. Aug, 08:00 Article 6166x read