Bewegung in der Parteienlandschaft Südafrikas
Dr. Günter Pabst - In der kurzen Geschichte der jungen Demokratie Südafrikas sind viele politische Parteien gekommen und gegangen. Es gab nur eine wirkliche Konstante in diesen fast 15 Jahren seit den ersten freien Wahlen im April 1994: Der African National Congress (ANC) des legendären Nelson Mandela.
Die ehemalige Befreiungsbewegung hat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit das Land politisch fest im Griff, auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene (mit der Ausnahme von Kapstadt, wo die Opposition in einer Koalition eine knappe Mehrheit hält). Seit diesen Anfängen wird kontinuierlich spekuliert, wann denn diese mächtige Partei sich spalten wird. Anlass für solche Spekulationen gab es immer wieder. Denn der ANC befindet sich in einer – informellen – Allianz mit zwei Partnern, die nicht so recht in das Erscheinungsbild des ANC passen.
Der eine ist die South African Communist Party (SACP); zweiter Partner ist der Dachverband von 21 Einzelgewerkschaften mit dem Namen Congress of South African Trade Unions (COSATU). Die SACP propagiert einen klassischen sozialistischen Kurs; die Führung von COSATU ist ganz überwiegend in der SACP engagiert. Und beide, SACP und COSATU, sind mit Teilen des Führungspersonals in Spitzenpositionen des ANC vertreten. Einfluss auf die Regierungspolitik des ANC hatten sie jedoch kaum. Im Gegenteil: Der ANC entwickelte sich seit 1995 zu einer waschechten sozialdemokratischen Partei mit einem wirtschaftspolitischen Kurs, den man durchaus als neoliberal bezeichnen kann.
Das hatte immer wieder zu heftigen Zerwürfnissen innerhalb der Allianz geführt – Stoff für Spekulationen, wie lange SACP und COSATU sich die Alleingänge des ANC noch gefallen lassen würden. Es kam nie zum Bruch, aber es schien allen immer klar: Wenn der ANC mal auseinanderfallen würde, dann durch die Abspaltung der Linken in Kooperation mit SACP und COSATU.
Nun ist es ganz anders gekommen. Nicht die Linke hat sich gelöst, sondern Kräfte aus der Mitte der Partei. Zwei Namen stehen für diese Entwicklung: Masiuoa Lekota und Mbhazima Shilowa. Beide sind Schwergewichte in der Politik mit langjährigen Führungspositionen im ANC. Lekota war National Chairman des ANC (1997 – 2007), Premier der Provinz Free State (1996 – 1999) und Verteidigungsminister (1999 – 2007). Shilowa kommt aus der Gewerkschaftsbewegung; 1994 wurde er in das National Executive Committee (NEC) des ANC gewählt; vom 1999 bis zu seinem Rücktritt vor nur wenigen Wochen war er Premier von Gauteng, der wirtschaftlich stärksten Provinz Südafrikas.
Um diese beiden hat sich ein erlauchter Kreis weiterer Amtsträger des ANC gebildet – Leute aus der zweiten Reihe mit Einfluss an der Basis der Partei. Für das vergangene Wochenende hatten Lekota und Shilowa nach Johannesburg geladen und mehr als 6.000 Menschen kamen, um die Weichen für eine neue Partei zu stellen. Bisher gibt es weder einen Namen (der Arbeitsbegriff der Medien für diese neue Bewegung ist “Shikota”), noch ein Programm.
Es gibt nur den festen Willen, eine Partei zu gründen, die an die traditionellen Wurzeln des ANC anknüpfen, der Machtarroganz des ANC seit dem Parteitag in Polokwane im Dezember 2007 aber Einhalt gebieten soll. Für die kommenden Wochen sind Namensgebung, Programm, Strukturierung und Registrierung geplant. Es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, dass Südafrika zum Jahreswechsel eine weitere Partei mit einem Führungsduo Lekota/Shilowa haben wird.
Stellt sich die Frage, wie sich diese Neugründung aus die politische Lage nach den Wahlen 2009 auswirken wird. Prognosen sind schon deshalb schwer, weil im Augenblick noch keine programmatische Einordnung erfolgen kann. Aber immerhin können wohl folgende Prognosen gewagt werden:
Der ANC wird bei den nächsten Wahlen wieder die Mehrheit erringen, wohl aber kaum wieder zwei-drittel der Stimmen. Einen Erdrutsch in Richtung auf die neue Partei wird es 2009 schon deshalb nicht geben, weil traditionell die ehemaligen Befreiungsbewegungen in Afrika einige Jahrzehnte von diesem Bonus zehren, auch wenn die Menschen unzufrieden sind. Viel wird für “Shikota” also davon abhängen, wie stark es gelingt, sich glaubhaft in die Tradition des ANC einzubringen.
Die faktische Monopolstellung des ANC wird in einigen Provinzen beendet werden, wo die neue Bewegung zusammen mit anderen Oppositionsparteien eine Mehrheit gegen den ANC sichern kann. Zu denken ist dabei an das Western Cape, Northern Cape und Eastern Cape sowie an den Free State und KwaZulu-Natal, möglicherweise auch Gauteng, wo Shilowa ein sehr populärer Premier war.
Womit wir bei der weiteren Frage sind, was dies denn für die politische Stabilität Südafrikas bedeuten mag. Und da wird es schwierig. Der ANC ist zunehmend arrogant geworden (nicht erst seit Zuma, sondern schon unter Mbekis Führung); viele Entscheidungen wurden ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung durchgepeitscht.
Das Land ist durch politische Fehler des ANC in einigen Bereichen auf das Niveau einer Bananenrepublik gesunken. Aber die Konstellation mit dem übermächtigen ANC hat Einiges erreicht, was man nicht so häufig antrifft in Afrika: Wahlen werden nicht manipuliert, die Medien haben freie Hand, die Justiz gibt sich selbstbewusst und unabhängig. Der ANC ist politisch so überlegen, dass er das hinnehmen kann. Wenn nun aber diese Überlegenheit gefährdet ist, könnte die Versuchung groß werden, die Macht zu gebrauchen, um dies zu verhindern. Aus Machtarroganz könnte dann Machtmissbrauch werden.
Bei Personen wie Jacob Zuma, Gwede Mantashe und Julius Malema in Spitzenpositionen beim ANC scheinen solche Befürchtungen nicht an den Haaren herbeigezogen. Die drei gehören sicher nicht zur charakterlichen Elite des Landes.
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Dr. Günter Pabst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Pabst & Pabst Consulting.
Die ehemalige Befreiungsbewegung hat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit das Land politisch fest im Griff, auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene (mit der Ausnahme von Kapstadt, wo die Opposition in einer Koalition eine knappe Mehrheit hält). Seit diesen Anfängen wird kontinuierlich spekuliert, wann denn diese mächtige Partei sich spalten wird. Anlass für solche Spekulationen gab es immer wieder. Denn der ANC befindet sich in einer – informellen – Allianz mit zwei Partnern, die nicht so recht in das Erscheinungsbild des ANC passen.
Der eine ist die South African Communist Party (SACP); zweiter Partner ist der Dachverband von 21 Einzelgewerkschaften mit dem Namen Congress of South African Trade Unions (COSATU). Die SACP propagiert einen klassischen sozialistischen Kurs; die Führung von COSATU ist ganz überwiegend in der SACP engagiert. Und beide, SACP und COSATU, sind mit Teilen des Führungspersonals in Spitzenpositionen des ANC vertreten. Einfluss auf die Regierungspolitik des ANC hatten sie jedoch kaum. Im Gegenteil: Der ANC entwickelte sich seit 1995 zu einer waschechten sozialdemokratischen Partei mit einem wirtschaftspolitischen Kurs, den man durchaus als neoliberal bezeichnen kann.
Das hatte immer wieder zu heftigen Zerwürfnissen innerhalb der Allianz geführt – Stoff für Spekulationen, wie lange SACP und COSATU sich die Alleingänge des ANC noch gefallen lassen würden. Es kam nie zum Bruch, aber es schien allen immer klar: Wenn der ANC mal auseinanderfallen würde, dann durch die Abspaltung der Linken in Kooperation mit SACP und COSATU.
Nun ist es ganz anders gekommen. Nicht die Linke hat sich gelöst, sondern Kräfte aus der Mitte der Partei. Zwei Namen stehen für diese Entwicklung: Masiuoa Lekota und Mbhazima Shilowa. Beide sind Schwergewichte in der Politik mit langjährigen Führungspositionen im ANC. Lekota war National Chairman des ANC (1997 – 2007), Premier der Provinz Free State (1996 – 1999) und Verteidigungsminister (1999 – 2007). Shilowa kommt aus der Gewerkschaftsbewegung; 1994 wurde er in das National Executive Committee (NEC) des ANC gewählt; vom 1999 bis zu seinem Rücktritt vor nur wenigen Wochen war er Premier von Gauteng, der wirtschaftlich stärksten Provinz Südafrikas.
Um diese beiden hat sich ein erlauchter Kreis weiterer Amtsträger des ANC gebildet – Leute aus der zweiten Reihe mit Einfluss an der Basis der Partei. Für das vergangene Wochenende hatten Lekota und Shilowa nach Johannesburg geladen und mehr als 6.000 Menschen kamen, um die Weichen für eine neue Partei zu stellen. Bisher gibt es weder einen Namen (der Arbeitsbegriff der Medien für diese neue Bewegung ist “Shikota”), noch ein Programm.
Es gibt nur den festen Willen, eine Partei zu gründen, die an die traditionellen Wurzeln des ANC anknüpfen, der Machtarroganz des ANC seit dem Parteitag in Polokwane im Dezember 2007 aber Einhalt gebieten soll. Für die kommenden Wochen sind Namensgebung, Programm, Strukturierung und Registrierung geplant. Es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, dass Südafrika zum Jahreswechsel eine weitere Partei mit einem Führungsduo Lekota/Shilowa haben wird.
Stellt sich die Frage, wie sich diese Neugründung aus die politische Lage nach den Wahlen 2009 auswirken wird. Prognosen sind schon deshalb schwer, weil im Augenblick noch keine programmatische Einordnung erfolgen kann. Aber immerhin können wohl folgende Prognosen gewagt werden:


Womit wir bei der weiteren Frage sind, was dies denn für die politische Stabilität Südafrikas bedeuten mag. Und da wird es schwierig. Der ANC ist zunehmend arrogant geworden (nicht erst seit Zuma, sondern schon unter Mbekis Führung); viele Entscheidungen wurden ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung durchgepeitscht.
Das Land ist durch politische Fehler des ANC in einigen Bereichen auf das Niveau einer Bananenrepublik gesunken. Aber die Konstellation mit dem übermächtigen ANC hat Einiges erreicht, was man nicht so häufig antrifft in Afrika: Wahlen werden nicht manipuliert, die Medien haben freie Hand, die Justiz gibt sich selbstbewusst und unabhängig. Der ANC ist politisch so überlegen, dass er das hinnehmen kann. Wenn nun aber diese Überlegenheit gefährdet ist, könnte die Versuchung groß werden, die Macht zu gebrauchen, um dies zu verhindern. Aus Machtarroganz könnte dann Machtmissbrauch werden.
Bei Personen wie Jacob Zuma, Gwede Mantashe und Julius Malema in Spitzenpositionen beim ANC scheinen solche Befürchtungen nicht an den Haaren herbeigezogen. Die drei gehören sicher nicht zur charakterlichen Elite des Landes.


sfux - 8. Nov, 14:29 Article 2049x read