Wahlen in Südafrika - Ergebnisse, Analyse und Bewertung
Dr. Günter Pabst, Kapstadt - Die 4. Wahlen zu Bundes- und Länderparlamenten nach Beendigung der Apartheid sind vorüber. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert. Es lassen sich allerdings einige interessante Feststellungen treffen.
Zunächst zu den Ergebnissen der Wahl zur National Assembly (in Klammern 2004):
- African National Congress (ANC) 65,90% (69,68)
- Democratic Alliance (DA) 16,66% (12,27)
- Congress of the People (COPE) 7,42%
- Inkatha Freedom Party (IFP) 4,55% (6,97)
Dies sind die “big four”; alle anderen Parteien haben weniger als 1% der Stimmen erringen können:
- Independent Democrats (ID) 0,92% (1,73)
- United Democratic Movement (UDM) 0,85% (2,28)
- Freedom Front Plus (FF+) 0,83% (0,89)
- African Christian Democratic Party (ACDP) 0,81% (1,60)
- United Christian Democratic Party (UDCP) 0,37% (0,75)
- Pan African Congress (PAC) 0,27% (0,73).
Von besonderem Interesse, auf das ich noch eingehen werde, sind die Ergebnisse des Urnengangs im Western Cape:
- Democratic Alliance 51,46% (27,11)
- African National Congress 31,55% (45,25)
- Congress of the People 7,74%
- Independent Democrats 4,68% (7,84)
- African Christian Democratic Party 1,47% (3,44)
- United Democratic Movement 0,71% (1,75).
Kein Zweifel – das waren freie und weitgehend faire Wahlen; die wenigen Zwischenfälle während des Wahlkampfes und am Wahltag können diese generalisierende Feststellung nicht erschüttern. Ich möchte die wesentlichen Erkenntnisse festhalten.
1.Das Abschneiden des ANC sollte in mehrfacher Hinsicht mit Genugtuung betrachtet werden. Die Partei ist der stabilisierende Faktor im politischen und gesellschaftlichen Leben des Landes. Die ehemalige Befreiungsbewegung hat die schwarze Mehrheit von der Notwendigkeit des Kompromisses mit den ehemaligen Unterdrückern überzeugt.
Sie bindet die vielen Millionen Schwarzen, für die sich seit 1994 wenig verändert hat, die aber weiter an die Kraft des ANC glauben, sie aus ihrer Armut herauszuziehen. Solange dem ANC dies zugetraut wird, sollte der soziale Frieden nicht in Gefahr sein. Die Machtbasis ist sicher, auch für die nächste Zeit. Da muss kein Politiker zu populistischen Mitteln greifen. Die vernünftige Politik der Mitte mit einer klaren marktwirtschaftlichen Ausrichtung wird deshalb fortgesetzt werden können, auch wenn das linke Lager im ANC Morgenluft wittern dürfte.
Der ANC muss nicht um seine Mehrheit bei den nächsten Wahlen fürchten; man kann sehr gelassen das tun, was politisch sinnvoll für das Land ist. Es gibt also keine Notwendigkeit für “dirty tricks”, wie man sie so häufig auf dieser Welt beobachten kann, wenn einer Regierungspartei die Macht zu entgleiten droht. Und schliesslich: Der ANC hat keine verfassungsändernde Majorität mehr. Bisher hat die Partei die potenziellen Möglichkeiten, an der Verfassung zu manipulieren, nicht in wirklich substanzieller Weise ausgenutzt. Es sollte aber eine Beruhigung sein für jeden, der dem ANC dies zutraut.
2. Die Resultate für die DA sind ebenfalls eine gute Nachricht. Die bisher schon stärkste Oppositionspartei hat kräftig zugelegt und ist nun mit stärkerer Manpower im Bundesparlament vertreten. Viel wichtiger für die Entwicklung “normaler” demokratischer Strukturen in Südafrika ist jedoch die Tatsache, dass die DA jetzt die Provinz Western Cape regieren wird. Der Erfolg bei den Wahlen war sicher zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass die Vorsitzende der DA, Helen Zille, seit 2006 Oberbürgermeisterin in Kapstadt ist.
Sie regiert diese wichtige Metropole mit einer Mehrparteien-Koalition recht lautlos und mit spürbarem Erfolg. Sie wird nun Premier der Provinz werden und zeigen können, wie diese Partei auch eine Provinz erfolgreich führen kann. Der ANC hat nach Kapstadt nun auch den Griff auf das Western Cape verloren. Wenn man sich vor Augen halt, wie stark das Western Cape vom Rest der Republik abweicht, sucht man natürlich nach Erklärungen. Zwei sind naheliegend: Helen Zille ist es gelungen, die DA auch bei den Coloureds, die in dieser Provinz die Bevölkerungsmehrheit stellen, weitgehend salonfähig zu machen, also von dem Stigma zu befreien, eine “weisse Partei” zu sein. Das schlechte Abschneiden des ANC hat auch damit zu tun, dass die Partei in erbitterte interne Machtkämpfe verstrickt war. Das war in der Öffentlichkeit nicht gut angekommen; dafür ist der ANC nun abgestraft worden.
3.Mit COPE ist nun ein neuer Mitspieler aufgetaucht, dessen Abschneiden kontroverse Kommentare ausgelöst hat. Die einen sehen in den “nur” 7,42% einen Beleg dafür, dass es zum ANC keine mehrheitsfähige Regierungs-Alternative gibt. Denn immerhin kommt die – schwarze - Führungsriege der Partei aus dem ANC, hat also die moralische Autorität des Befreiungskampfes. Andere verweisen auf den Umstand, dass hier eine ganz junge Organisation aus dem Stand zur drittstärksten Kraft im Land geworden ist. In drei der neun Provinzen ist COPE die Nr.2 geworden, noch vor der DA. Viel wird nun davon abhängen, wie erfolgreich COPE in den nächsten Jahren ein eigenes Profil aufbauen kann. Denn noch war der programmatische Unterschied zum ANC nicht deutlich sichtbar.
4.Die IFP, deren landesweiter Anspruch nie wirklich mit Zahlen belegbar war, ist nun auch in der Stammprovinz KwaZulu-Natal auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Bisher war die Partei mit dem ANC noch halbwegs auf Augenhöhe; jetzt ist sie auf 20,52% reduziert; der ANC geherrscht die einstige Hochburg der IFP nun mit 63,97%. Einer der Gründe liegt in der feinen demografischen Diversifikation Südafrikas. KwaZulu-Natal ist die Heimat der Zulus; die IFP hat in dieser Volksgruppe ihre Basis. Solange der ANC von dem Volk der Xhosa beherrscht wurde (Mandela und Mbeki) war es für viele Zulus aus Gründen einer historisch gewachsenen Rivalität mit den Xhosa eine Selbstverständlichkeit, die Zulu-Partei IFP zu stützen.
Nun ist mit Jacob Zuma ein Zulu an der Spitze des ANC. Die demografisch bedingten scheinbaren Zwangsläufigkeiten haben also an Bedeutung verloren. Der Niedergang der IFP hat wesentlich dazu beigetragen, den wahren Aderlass des ANC in Richtung COPE und DA zu kaschieren; hier konnte die Partei einen Teil der Verluste ausgleichen.
5.Alle Anzeichen sprechen nun dafür, dass Südafrika eine Demokratie mit drei Parteien werden wird – ANC, DA und COPE. Die IFP wird auf kommunaler Ebene in KwaZulu-Natal noch eine gewisse Bedeutung haben, sonst aber abgemeldet sein. Von den einstigen Hoffnungsträgern aus dem schwarzen Lager ist nicht mehr viel zu sehen. UCDP und UDM sind national auf Zwergenstatus geschrumpft; sie haben einen Rest von Substanz nur noch in den Heimatprovinzen North-West bzw. Eastern Cape.
Die ACDP hat es nicht geschafft, mit ihrer Betonung christlicher Werte eine echte Alternative anzubieten - Folge: minus 50%. Und der linksradikale PAC, der eigentlich programmatisch für Millionen Südafrikaner in den Armenvierteln attraktiv sein sollte, ist nun noch nicht einmal mehr im Parlament vertreten. Kommen wir zu zwei weiteren politischen Parteien, die in der National Assembly vertreten waren und auch wieder sein werden. Die ID, praktisch eine “One-Woman-Show” der Patricia de Lille, ist in der Realität des Verdrängungswettbewerbs in der Parteienlandschaft angekommen.
Sie wurde zwischen DA und COPE aufgerieben. Die ID ist bestenfalls noch im Western Cape eine Kraft, die etwas bewegen kann, gestützt auf eine gewissse Gefolgschaft im Lager der Coloureds. National hat sich die ID nicht etablieren können. Und dann gibt es noch die FF+ des Peter Mulder aus dem Free State. Die Partei hat sich auf niedrigem Niveau als Heimat der konservativen, afrikaans-sprachigen Buren vom “platte land” halten können; politischen Einfluss hat die FF+ aber ebenso wenig wie eine Zukunft.
6.Die Wahlbeteiligung wird offiziell mit 77,30% angegeben – ein scheinbar respektables Zeugnis für das politische Interesse in der jungen Demokratie. Tatsächlich liegt die echte Wahlbeteiligung aber erheblich niedriger. Das liegt an dem System der Wähler-Registrierung. Anders als in Deutschland, wo jeder Einwohner gemeldet ist und bei Erreichen des Wahlalters automatisch in das Wählerverzeichnis aufgenommen wird, muss man sich in Südafrika eigens registrieren lassen. Denn es gibt kein Einwohner-Meldeamt. Nach letzten Schätzungen des Statistischen Amtes gab es Mitte 2008 47,8 Mio Einwohner im Land. Wie viele davon wahlberechtigt sind, wurde nicht ermittelt. Es scheiden alle Nicht-Südafrikaner aus und alle unter 18 Jahren.
Ermittelt hat das Amt die Bevölkerungszahlen verschiedener Altersgruppen, allerdings nicht die der unter 18-jährigen. Mithilfe von – älteren - UNESCO-Zahlen und den Statistiken zu den Einwohnern unter 15 kommt man zu geschätzten 30 Mio Wahlberechtigten (die junge Bevölkerung ist in Südafrika weit überdurchschnittlich vertreten). 17,7 Mio (von den 23,2 Mio registrierter Wählern) haben ihre Stimme abgegeben; das entspricht einer Wahlbeteiligung von um die 60%. Man sieht mal wieder, wie irreführend Statistiken sein können!
Dieser Artikel wurde durch Capetown-online ermöglicht
Dr. Günter Pabst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Pabst & Pabst Consulting.
Zunächst zu den Ergebnissen der Wahl zur National Assembly (in Klammern 2004):
- African National Congress (ANC) 65,90% (69,68)
- Democratic Alliance (DA) 16,66% (12,27)
- Congress of the People (COPE) 7,42%
- Inkatha Freedom Party (IFP) 4,55% (6,97)
Dies sind die “big four”; alle anderen Parteien haben weniger als 1% der Stimmen erringen können:
- Independent Democrats (ID) 0,92% (1,73)
- United Democratic Movement (UDM) 0,85% (2,28)
- Freedom Front Plus (FF+) 0,83% (0,89)
- African Christian Democratic Party (ACDP) 0,81% (1,60)
- United Christian Democratic Party (UDCP) 0,37% (0,75)
- Pan African Congress (PAC) 0,27% (0,73).
Von besonderem Interesse, auf das ich noch eingehen werde, sind die Ergebnisse des Urnengangs im Western Cape:
- Democratic Alliance 51,46% (27,11)
- African National Congress 31,55% (45,25)
- Congress of the People 7,74%
- Independent Democrats 4,68% (7,84)
- African Christian Democratic Party 1,47% (3,44)
- United Democratic Movement 0,71% (1,75).
Kein Zweifel – das waren freie und weitgehend faire Wahlen; die wenigen Zwischenfälle während des Wahlkampfes und am Wahltag können diese generalisierende Feststellung nicht erschüttern. Ich möchte die wesentlichen Erkenntnisse festhalten.

Sie bindet die vielen Millionen Schwarzen, für die sich seit 1994 wenig verändert hat, die aber weiter an die Kraft des ANC glauben, sie aus ihrer Armut herauszuziehen. Solange dem ANC dies zugetraut wird, sollte der soziale Frieden nicht in Gefahr sein. Die Machtbasis ist sicher, auch für die nächste Zeit. Da muss kein Politiker zu populistischen Mitteln greifen. Die vernünftige Politik der Mitte mit einer klaren marktwirtschaftlichen Ausrichtung wird deshalb fortgesetzt werden können, auch wenn das linke Lager im ANC Morgenluft wittern dürfte.
Der ANC muss nicht um seine Mehrheit bei den nächsten Wahlen fürchten; man kann sehr gelassen das tun, was politisch sinnvoll für das Land ist. Es gibt also keine Notwendigkeit für “dirty tricks”, wie man sie so häufig auf dieser Welt beobachten kann, wenn einer Regierungspartei die Macht zu entgleiten droht. Und schliesslich: Der ANC hat keine verfassungsändernde Majorität mehr. Bisher hat die Partei die potenziellen Möglichkeiten, an der Verfassung zu manipulieren, nicht in wirklich substanzieller Weise ausgenutzt. Es sollte aber eine Beruhigung sein für jeden, der dem ANC dies zutraut.

Sie regiert diese wichtige Metropole mit einer Mehrparteien-Koalition recht lautlos und mit spürbarem Erfolg. Sie wird nun Premier der Provinz werden und zeigen können, wie diese Partei auch eine Provinz erfolgreich führen kann. Der ANC hat nach Kapstadt nun auch den Griff auf das Western Cape verloren. Wenn man sich vor Augen halt, wie stark das Western Cape vom Rest der Republik abweicht, sucht man natürlich nach Erklärungen. Zwei sind naheliegend: Helen Zille ist es gelungen, die DA auch bei den Coloureds, die in dieser Provinz die Bevölkerungsmehrheit stellen, weitgehend salonfähig zu machen, also von dem Stigma zu befreien, eine “weisse Partei” zu sein. Das schlechte Abschneiden des ANC hat auch damit zu tun, dass die Partei in erbitterte interne Machtkämpfe verstrickt war. Das war in der Öffentlichkeit nicht gut angekommen; dafür ist der ANC nun abgestraft worden.


Nun ist mit Jacob Zuma ein Zulu an der Spitze des ANC. Die demografisch bedingten scheinbaren Zwangsläufigkeiten haben also an Bedeutung verloren. Der Niedergang der IFP hat wesentlich dazu beigetragen, den wahren Aderlass des ANC in Richtung COPE und DA zu kaschieren; hier konnte die Partei einen Teil der Verluste ausgleichen.

Die ACDP hat es nicht geschafft, mit ihrer Betonung christlicher Werte eine echte Alternative anzubieten - Folge: minus 50%. Und der linksradikale PAC, der eigentlich programmatisch für Millionen Südafrikaner in den Armenvierteln attraktiv sein sollte, ist nun noch nicht einmal mehr im Parlament vertreten. Kommen wir zu zwei weiteren politischen Parteien, die in der National Assembly vertreten waren und auch wieder sein werden. Die ID, praktisch eine “One-Woman-Show” der Patricia de Lille, ist in der Realität des Verdrängungswettbewerbs in der Parteienlandschaft angekommen.
Sie wurde zwischen DA und COPE aufgerieben. Die ID ist bestenfalls noch im Western Cape eine Kraft, die etwas bewegen kann, gestützt auf eine gewissse Gefolgschaft im Lager der Coloureds. National hat sich die ID nicht etablieren können. Und dann gibt es noch die FF+ des Peter Mulder aus dem Free State. Die Partei hat sich auf niedrigem Niveau als Heimat der konservativen, afrikaans-sprachigen Buren vom “platte land” halten können; politischen Einfluss hat die FF+ aber ebenso wenig wie eine Zukunft.

Ermittelt hat das Amt die Bevölkerungszahlen verschiedener Altersgruppen, allerdings nicht die der unter 18-jährigen. Mithilfe von – älteren - UNESCO-Zahlen und den Statistiken zu den Einwohnern unter 15 kommt man zu geschätzten 30 Mio Wahlberechtigten (die junge Bevölkerung ist in Südafrika weit überdurchschnittlich vertreten). 17,7 Mio (von den 23,2 Mio registrierter Wählern) haben ihre Stimme abgegeben; das entspricht einer Wahlbeteiligung von um die 60%. Man sieht mal wieder, wie irreführend Statistiken sein können!


sfux - 28. Apr, 19:45 Article 2080x read