Südafrika: die politische Landschaft nach den Wahlen
Dr. Günter Pabst - Mit einer europäisch geprägten Sicht tut man sich schwer, die politische Situation in Südafrika zu verstehen. Wer kann schon wirklich nachvollziehen, dass der African National Congress (ANC) immer wieder zwischen 60% und 70% der Stimmen einfährt, obwohl die Leistungsbilanz eher dürftig ist?
Das Straßennetz verfällt, die Energie-Versorgung ist nicht mehr gesichert, die Kriminalität nimmt immer gewalttätigere Züge an, die staatliche Gesundheitsversorgung befindet sich in einer Dauerkrise, der Kampf gegen Korruption findet nur in Sonntagsreden statt und immer noch leben große Teile der schwarzen Bevölkerung in erbärmlicher Armut. So ist der Zustand des Landes 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid, trotz eines gesunden wirtschaftlichen Wachstums.
Die politische Verantwortung lässt sich leicht zuordnen. Es gibt seit 1994 mit dem ANC die alles dominierende Kraft, die sich in allen Winkeln des Staates festgesetzt hat. Südafrika ist faktisch eine Ein-Parteien-Demokratie; nur das Western Cape hat den totalen Zugriff des ANC auf die Macht in Südafrika verhindert. Aber in einem zentralistisch ausgerichteten Staat kann auf Provinz- und Kommunal-Ebene wenig Gegengewicht ausgeübt werden.
Und auch eine nun gestärkte Opposition in der National Assembly wird nicht verhindern können, dass der ANC seine politischen Vorstellungen im Parlament einfach durchwinken lassen wird. Der ANC ist eine Kader-Partei, die von den Mandatsträgern blinden Gehorsam erwartet. Wer ein Mandat erhält, bestimmt der ANC. Folglich entscheidet auch der ANC, wann das Mandat endet. Abweichler werden diszipliniert und notfalls auch des Feldes verwiesen. Bei Parlamentariern hat dies den automatischen Verlust des Mandats zur Folge.
Stellt sich die Frage, wie in einem solchen Szenario eine regierungsfähige Alternative heranwachsen kann. An Parteien mit unterschiedlichsten Programmen hat es bei allen bisherigen Wahlen nicht gemangelt; auch dieses Mal sind wieder insgesamt 26 landesweit angetreten und Dutzende mehr in den Provinzen. Sie werden aber nicht gewählt; die meisten haben noch nicht einmal einen Kandidaten durchgebracht (bei 400 Abgeordneten in der National Assembly sind 0,25% für einen Sitz erforderlich).
Die Vielzahl von Parteien hat es also nicht vermocht, den faktischen Ein-Parteien-Staat zu verhindern. Das wird dann wohl nur gelingen, wenn diejenigen Oppositionsparteien, die sich jetzt - auf niedrigem Niveau - etabliert haben, in das ANC-Klientel eindringen können. Praktisch kann dies auf absehbare Zeit nur der Democratic Alliance (DA) und dem Congress of the People (COPE) gelingen; die Inkatha Freedom Party (IFP) und das United Democratic Movement (UDM), einst Hoffnungsträger für eine multi-rassische Alternative zum ANC, werden so etwas nicht mehr schaffen können.
Die DA, ausgestattet mit einer absoluten Mehrheit im Western Cape und mit landesweiten 16,66%, hat sicher die Manpower und die Plattformen, sich weiter zu profilieren. Man wird Helen Zille und ihrer Mannschaft zutrauen können, auch weitere Anhänger in der scharzen Bevölkerung zu gewinnen. Dem sind aber Grenzen gesetzt. Basis der DA ist die weisse Bevölkerung. Die ist auf unter 5 Millionen geschrumpft in einem Land mit 49 Millionen Menschen. Aus diesem vergleichsweise kleinen Reservoir kommen die Wähler und die Geldgeber der DA; hier liegen ihre intellektuellen Ressourcen.
Diese Basis kann die DA nicht aufs Spiel setzen. Ein Durchbruch zu breiterer Unterstützung in der schwarzen Bevölkerungsmehrheit könnte sich von daher als kontraproduktiv erweisen. Die DA wird also auf absehbare Zeit eine “weisse Partei” bleiben. Das tiefere Eindringen in schwarze Wählerschichten ist aber auch aus einem ganz anderen Grund nicht zu erwarten, und der hat mit Demografie und Geschichte zu tun. Es waren nun mal die Weissen, die Afrika kolonisiert hatten; Apartheid wurde das in Südafrika genannt.
Es war die Kolonialisierung durch Europäer, die Schwarzafrika bis Mitte des letzten Jahrhunderts geprägt hatte und bis heute Denken, Fühlen und Handeln bestimmt. Nach und nach haben die Kolonialmächte ihren Kolonien die Unabhängigkeit gegeben – und dann das Land verlassen. Nicht so aber in Südafika. Die Kolonialisierer sind geblieben, weil sie von Anfang an das Kap zu ihrer Heimat machen wollten. Sie haben nach langem Befreiungskampf die Macht aus den Händen gegeben, weil dies unvermeidlich geworden war. Hierzu hatte der internationale Druck beigetragen, vor allem aber waren es die Aktivitäten der schwarzen Untergrundbewegung.
So ist das Ende der Apartheid untrennbar mit dem ANC verbunden. Die Weissen sind aber nicht nur weiterhin im Land. Sie sind nach wie vor wirtschaftlich mächtig. Und da wirtschaftliche Macht immer auch das Potenzial zu politischer Macht beinhaltet, wird ein Schwarzer nicht so schnell einer “weissen” Partei folgen. In Gegenteil: nur ein starker ANC wird sich kolonialistischen Tendenzen erfolgreich entgegensetzen können; der Erfolg in der Vergangenheit ist hierfür ein ausreichender Beleg. Dies ist das historisch bedingte Dilemma der DA.
Bleibt daher realistischerweise eigentlich nur COPE als Kandidat für eine Machtablösung. Das Führungsduo der Partei, Mosiuoa Lekotha und Mbhazima Shilowa, sind ehemalige hochrangige Mandatsträger des ANC. Sie haben also den “Stallgeruch” der Befreiungsbewegung. Immerhin hat COPE aus dem Stand am 22. April 7,42% der Stimmen geholt. Die junge Partei wird mit 29 Abgeordneten in der National Assembly einziehen und ist in allen Provinzparlamenten vertreten.
Die politische Bühne ist also da, um sich in den nächsten Jahren in den Augen der Öffentlichkeit profilieren zu können. Für COPE wird es mehrere Zielrichtungen für eine Expansion geben. Man wird versuchen, sich den schwarzen Anhängern der kleinen Parteien IFP, UDM, UCDP, ACDP und anderen Splittergruppen als einzig realistische Alternative zum ANC zu präsentieren. Das wird nicht ganz einfach werden, weil IFP, UDM und UCDP starke regionale Wurzeln in den Provinzen KwaZulu-Natal, Eastern Cape bzw North West haben.
Aussichtsreicher ist da schon der Versuch, weiter in die Anhängerschaft des ANC einzubrechen. Das wird wesentlich davon abhängen, wie die Leistungsbianz der Zuma-Regierung ausfällt. In den Jahren 16 bis 20 nach Apartheid wird COPE darauf bauen können, dass eine Menge immer noch Unzufriedener und Enttäuschter bereit sein werden, dem ANC den Laufpass zu geben. Eine weitere Zielrichtung werden die vielen Millionen Erstwähler im Jahre 2014 sein, die Apartheid nur noch als Geschichte kennen. Da wird der ANC nicht mehr den hohen Stellenwert als ehemalige Befreiungsbewegung haben. Und schliesslich wird sich COPE bemühen, der DA Anhänger abzujagen.
Die Coloureds im Western Cape sind die leichteste Beute. Für einen beträchtlichen Teil von ihnen ist vor allem wichtig, ein effektives Gegengewicht zum ANC zu haben. Sie wollen nicht schon wieder marginalisiert werden, dieses Mal von der schwarzen Mehrheit nach Jahrzehnten weisser Dominanz. Die wirklich zentrale Herausforderung für COPE wird jedoch sein, Weisse davon zu überzeugen, dass nur die Bündelung oppositioneller Kräfte unter einem Dach eine Chance hat, den ANC bei den nächsten Wahlen aus der Regierung zu drängen.
Und dieses Dach kann eigentlich nur COPE sein. Denn mehrheitsfähig ist eine Partei in Südafrika nur, wenn sie in der schwarzen Bevölkerung verwurzelt ist. Ein weiter Weg - Politik in Südafrika wird auch weiterhin interessant bleiben.
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Dr. Günter Pabst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Pabst & Pabst Consulting.
Das Straßennetz verfällt, die Energie-Versorgung ist nicht mehr gesichert, die Kriminalität nimmt immer gewalttätigere Züge an, die staatliche Gesundheitsversorgung befindet sich in einer Dauerkrise, der Kampf gegen Korruption findet nur in Sonntagsreden statt und immer noch leben große Teile der schwarzen Bevölkerung in erbärmlicher Armut. So ist der Zustand des Landes 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid, trotz eines gesunden wirtschaftlichen Wachstums.
Die politische Verantwortung lässt sich leicht zuordnen. Es gibt seit 1994 mit dem ANC die alles dominierende Kraft, die sich in allen Winkeln des Staates festgesetzt hat. Südafrika ist faktisch eine Ein-Parteien-Demokratie; nur das Western Cape hat den totalen Zugriff des ANC auf die Macht in Südafrika verhindert. Aber in einem zentralistisch ausgerichteten Staat kann auf Provinz- und Kommunal-Ebene wenig Gegengewicht ausgeübt werden.
Und auch eine nun gestärkte Opposition in der National Assembly wird nicht verhindern können, dass der ANC seine politischen Vorstellungen im Parlament einfach durchwinken lassen wird. Der ANC ist eine Kader-Partei, die von den Mandatsträgern blinden Gehorsam erwartet. Wer ein Mandat erhält, bestimmt der ANC. Folglich entscheidet auch der ANC, wann das Mandat endet. Abweichler werden diszipliniert und notfalls auch des Feldes verwiesen. Bei Parlamentariern hat dies den automatischen Verlust des Mandats zur Folge.
Stellt sich die Frage, wie in einem solchen Szenario eine regierungsfähige Alternative heranwachsen kann. An Parteien mit unterschiedlichsten Programmen hat es bei allen bisherigen Wahlen nicht gemangelt; auch dieses Mal sind wieder insgesamt 26 landesweit angetreten und Dutzende mehr in den Provinzen. Sie werden aber nicht gewählt; die meisten haben noch nicht einmal einen Kandidaten durchgebracht (bei 400 Abgeordneten in der National Assembly sind 0,25% für einen Sitz erforderlich).
Die Vielzahl von Parteien hat es also nicht vermocht, den faktischen Ein-Parteien-Staat zu verhindern. Das wird dann wohl nur gelingen, wenn diejenigen Oppositionsparteien, die sich jetzt - auf niedrigem Niveau - etabliert haben, in das ANC-Klientel eindringen können. Praktisch kann dies auf absehbare Zeit nur der Democratic Alliance (DA) und dem Congress of the People (COPE) gelingen; die Inkatha Freedom Party (IFP) und das United Democratic Movement (UDM), einst Hoffnungsträger für eine multi-rassische Alternative zum ANC, werden so etwas nicht mehr schaffen können.
Die DA, ausgestattet mit einer absoluten Mehrheit im Western Cape und mit landesweiten 16,66%, hat sicher die Manpower und die Plattformen, sich weiter zu profilieren. Man wird Helen Zille und ihrer Mannschaft zutrauen können, auch weitere Anhänger in der scharzen Bevölkerung zu gewinnen. Dem sind aber Grenzen gesetzt. Basis der DA ist die weisse Bevölkerung. Die ist auf unter 5 Millionen geschrumpft in einem Land mit 49 Millionen Menschen. Aus diesem vergleichsweise kleinen Reservoir kommen die Wähler und die Geldgeber der DA; hier liegen ihre intellektuellen Ressourcen.
Diese Basis kann die DA nicht aufs Spiel setzen. Ein Durchbruch zu breiterer Unterstützung in der schwarzen Bevölkerungsmehrheit könnte sich von daher als kontraproduktiv erweisen. Die DA wird also auf absehbare Zeit eine “weisse Partei” bleiben. Das tiefere Eindringen in schwarze Wählerschichten ist aber auch aus einem ganz anderen Grund nicht zu erwarten, und der hat mit Demografie und Geschichte zu tun. Es waren nun mal die Weissen, die Afrika kolonisiert hatten; Apartheid wurde das in Südafrika genannt.
Es war die Kolonialisierung durch Europäer, die Schwarzafrika bis Mitte des letzten Jahrhunderts geprägt hatte und bis heute Denken, Fühlen und Handeln bestimmt. Nach und nach haben die Kolonialmächte ihren Kolonien die Unabhängigkeit gegeben – und dann das Land verlassen. Nicht so aber in Südafika. Die Kolonialisierer sind geblieben, weil sie von Anfang an das Kap zu ihrer Heimat machen wollten. Sie haben nach langem Befreiungskampf die Macht aus den Händen gegeben, weil dies unvermeidlich geworden war. Hierzu hatte der internationale Druck beigetragen, vor allem aber waren es die Aktivitäten der schwarzen Untergrundbewegung.
So ist das Ende der Apartheid untrennbar mit dem ANC verbunden. Die Weissen sind aber nicht nur weiterhin im Land. Sie sind nach wie vor wirtschaftlich mächtig. Und da wirtschaftliche Macht immer auch das Potenzial zu politischer Macht beinhaltet, wird ein Schwarzer nicht so schnell einer “weissen” Partei folgen. In Gegenteil: nur ein starker ANC wird sich kolonialistischen Tendenzen erfolgreich entgegensetzen können; der Erfolg in der Vergangenheit ist hierfür ein ausreichender Beleg. Dies ist das historisch bedingte Dilemma der DA.
Bleibt daher realistischerweise eigentlich nur COPE als Kandidat für eine Machtablösung. Das Führungsduo der Partei, Mosiuoa Lekotha und Mbhazima Shilowa, sind ehemalige hochrangige Mandatsträger des ANC. Sie haben also den “Stallgeruch” der Befreiungsbewegung. Immerhin hat COPE aus dem Stand am 22. April 7,42% der Stimmen geholt. Die junge Partei wird mit 29 Abgeordneten in der National Assembly einziehen und ist in allen Provinzparlamenten vertreten.
Die politische Bühne ist also da, um sich in den nächsten Jahren in den Augen der Öffentlichkeit profilieren zu können. Für COPE wird es mehrere Zielrichtungen für eine Expansion geben. Man wird versuchen, sich den schwarzen Anhängern der kleinen Parteien IFP, UDM, UCDP, ACDP und anderen Splittergruppen als einzig realistische Alternative zum ANC zu präsentieren. Das wird nicht ganz einfach werden, weil IFP, UDM und UCDP starke regionale Wurzeln in den Provinzen KwaZulu-Natal, Eastern Cape bzw North West haben.
Aussichtsreicher ist da schon der Versuch, weiter in die Anhängerschaft des ANC einzubrechen. Das wird wesentlich davon abhängen, wie die Leistungsbianz der Zuma-Regierung ausfällt. In den Jahren 16 bis 20 nach Apartheid wird COPE darauf bauen können, dass eine Menge immer noch Unzufriedener und Enttäuschter bereit sein werden, dem ANC den Laufpass zu geben. Eine weitere Zielrichtung werden die vielen Millionen Erstwähler im Jahre 2014 sein, die Apartheid nur noch als Geschichte kennen. Da wird der ANC nicht mehr den hohen Stellenwert als ehemalige Befreiungsbewegung haben. Und schliesslich wird sich COPE bemühen, der DA Anhänger abzujagen.
Die Coloureds im Western Cape sind die leichteste Beute. Für einen beträchtlichen Teil von ihnen ist vor allem wichtig, ein effektives Gegengewicht zum ANC zu haben. Sie wollen nicht schon wieder marginalisiert werden, dieses Mal von der schwarzen Mehrheit nach Jahrzehnten weisser Dominanz. Die wirklich zentrale Herausforderung für COPE wird jedoch sein, Weisse davon zu überzeugen, dass nur die Bündelung oppositioneller Kräfte unter einem Dach eine Chance hat, den ANC bei den nächsten Wahlen aus der Regierung zu drängen.
Und dieses Dach kann eigentlich nur COPE sein. Denn mehrheitsfähig ist eine Partei in Südafrika nur, wenn sie in der schwarzen Bevölkerung verwurzelt ist. Ein weiter Weg - Politik in Südafrika wird auch weiterhin interessant bleiben.


sfux - 3. Mai, 16:08 Article 1768x read