Kriegsverbrecher im Kloster?
Carla Del Ponte, die Chefanklägerin des Uno-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, beschuldigt den Vatikan, den meistgesuchten kroatischen Kriegsverbrecher Ante Gotovina zu beschützen. Die Mutmassung ist nicht unrealistisch: Religion und Nationalismus bilden auf dem Balkan seit je eine unheilige Allianz.

Die Vorwürfe Carla Del Pontes an Papst Benedikt XVI. sind massiv: Mit Wissen Roms und der katholischen Kirche Kroatiens halte sich der gesuchte General Gotovina in einem kroatischen Franziskanerkloster versteckt. Del Ponte beklagte sich in einem Interview mit dem britischen «Daily Telegraph» bitter: «Die katholische Kirche schützt Gotovina. Ich habe mit dem Vatikan darüber gesprochen, aber der Vatikan lehnt jede Zusammenarbeit mit uns ab.» Papst Benedikt XVI. habe auf ihren direkten Appell gar nicht erst reagiert. Dabei könne Rom binnen kurzer Zeit ausfindig machen, in welchem Konvent sich Gotovina aufhalte.
Zur Erinnerung: Ante Gotovina ist seit 2001 vor dem Haager Tribunal wegen schwerer Kriegsverbrechen angeklagt und seither untergetaucht. Er soll während der Niederschlagung der serbischen Rebellenregion Krajina 1995 persönlich den Mord an 150 serbischen Zivilisten angeordnet haben. Ausserdem sei Gotovina als Oberbefehlshaber der Militäraktion Oluja (Sturm) für die gewaltsame Vertreibung von rund 150 000 Serben aus Kroatien verantwortlich. Wegen der Nichtauslieferung Gotovinas an das Tribunal hat die EU die Beitrittsgespräche mit Kroatien auf Eis gelegt.
Gotovina wird von der grossen Mehrheit der Kroaten als Kriegsheld verehrt. Er hat nicht nur einflussreiche Helfer beim Militär, Geheimdienst und bei der Polizei, sondern auch in kirchlichen Kreisen, namentlich bei den Franziskanern, die in diesen geografischen Breiten aus historischen Gründen eng mit dem kroatischen Nationalismus verbunden sind.
So ist es möglich, dass sich Gotovina im Kloster in Siroki Brieg aufhält, zumindest zeitweise. In diesem Fall würde die Angabe der Zagreber Regierung stimmen, Gotovina halte sich nicht in Kroatien auf, sie könne ihn daher auch nicht ausliefern. Denn das verschwiegene Siroki Brieg liegt in Bosnien, in der gebirgigen Herzegowina, dem Kernland der kroatischen Nationalisten.
Kirchenbeistand hat Tradition
Sprecher des Vatikans und der Kirchenführung in Kroatien dementieren die Anschuldigungen Del Pontes heftig. Die Chefanklägerin habe ihre Anfragen nicht präzisiert, ausserdem könne der Heilige Stuhl mit dem Tribunal nicht «institutionell» kooperieren. Doch sind feindselige Bemerkungen von kroatischen Klerikern gegen Den Haag gang und gäbe: So bezeichnete der Bischof von Gospic-Senj das Tribunal als «politisches Gericht». Und der Sprecher der kroatischen Bischofskonferenz, Anton Suljic, verstieg sich zu der forschen Bemerkung, Frau Del Ponte sei wohl «frustriert, aus welchen Gründen immer».
Im Übrigen war kirchlicher Beistand für Schwerverbrecher in der Vergangenheit nicht unüblich: Del Pontes Anschuldigungen erinnern an die Fluchthilfe für den ehemaligen Ustascha-Führer Ante Pavelic. Der Vasall Hitlers und Mussolinis, der im Zweiten Weltkrieg einen mörderischen Kreuzzug gegen Serben, Juden, Roma und Oppositionelle führte, entkam, als Priester verkleidet, nach Südamerika. Franziskanerklöster in Österreich und Italien dienten als Zwischenstationen. Später lebte der Massenmörder Pavelic bis zu seinem Tod 1959 als Gast des Diktators Franco in Spanien.
Auch die serbische Orthodoxie lässt ihre blutbefleckten «Freiheitshelden» nicht im Stich: So dienen Radovan Karadzic, der seit zehn Jahren vor dem Haager Tribunal davonläuft, vornehmlich Klöster als Versteck.
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Zur Erinnerung: Ante Gotovina ist seit 2001 vor dem Haager Tribunal wegen schwerer Kriegsverbrechen angeklagt und seither untergetaucht. Er soll während der Niederschlagung der serbischen Rebellenregion Krajina 1995 persönlich den Mord an 150 serbischen Zivilisten angeordnet haben. Ausserdem sei Gotovina als Oberbefehlshaber der Militäraktion Oluja (Sturm) für die gewaltsame Vertreibung von rund 150 000 Serben aus Kroatien verantwortlich. Wegen der Nichtauslieferung Gotovinas an das Tribunal hat die EU die Beitrittsgespräche mit Kroatien auf Eis gelegt.
Gotovina wird von der grossen Mehrheit der Kroaten als Kriegsheld verehrt. Er hat nicht nur einflussreiche Helfer beim Militär, Geheimdienst und bei der Polizei, sondern auch in kirchlichen Kreisen, namentlich bei den Franziskanern, die in diesen geografischen Breiten aus historischen Gründen eng mit dem kroatischen Nationalismus verbunden sind.
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Sprecher des Vatikans und der Kirchenführung in Kroatien dementieren die Anschuldigungen Del Pontes heftig. Die Chefanklägerin habe ihre Anfragen nicht präzisiert, ausserdem könne der Heilige Stuhl mit dem Tribunal nicht «institutionell» kooperieren. Doch sind feindselige Bemerkungen von kroatischen Klerikern gegen Den Haag gang und gäbe: So bezeichnete der Bischof von Gospic-Senj das Tribunal als «politisches Gericht». Und der Sprecher der kroatischen Bischofskonferenz, Anton Suljic, verstieg sich zu der forschen Bemerkung, Frau Del Ponte sei wohl «frustriert, aus welchen Gründen immer».
Im Übrigen war kirchlicher Beistand für Schwerverbrecher in der Vergangenheit nicht unüblich: Del Pontes Anschuldigungen erinnern an die Fluchthilfe für den ehemaligen Ustascha-Führer Ante Pavelic. Der Vasall Hitlers und Mussolinis, der im Zweiten Weltkrieg einen mörderischen Kreuzzug gegen Serben, Juden, Roma und Oppositionelle führte, entkam, als Priester verkleidet, nach Südamerika. Franziskanerklöster in Österreich und Italien dienten als Zwischenstationen. Später lebte der Massenmörder Pavelic bis zu seinem Tod 1959 als Gast des Diktators Franco in Spanien.
Auch die serbische Orthodoxie lässt ihre blutbefleckten «Freiheitshelden» nicht im Stich: So dienen Radovan Karadzic, der seit zehn Jahren vor dem Haager Tribunal davonläuft, vornehmlich Klöster als Versteck.

sfux - 22. Sep, 08:35 Article 2827x read