Keine Krankenversicherung für Rentner im Ausland? – Verfassungsbeschwerde eingelegt
Dr. Alexander von Paleske 25..7. 2014 ----
Die Krankenversicherung der Rentner ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Rente, ohne sie würde ein Grossteil der Rente für Krankenversicherungbeiträge aufgebraucht werden, es bliebe kaum etwas zum Leben.
Bis in die 80er Jahre galt das auch für deutsche Rentner, die im Ausland lebten. Das hat die Kohl-Regierung abgeschafft, und nachfolgend die rot-grüne Koalition daran festgehalten - verfassungswidrig, wenn man sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu ansieht.
Das oberste deutsche Gericht hat in mehreren Grundsatzentscheidungen festgestellt, dass Renten und sonstige Sozialleistungen, die auf dem Beitragsprinzip beruhen, den Schutz des Eigentums geniessen, und damit eine klare Grenze zu den sonstigen Sozialleistungen gezogen, die auf dem „Gewährungsprinzip“ beruhen, also nicht durch eigene Sozialbeiträge der Versicherten.
Aus und vorbei
Deutsche Rentner, die im Inland leben, sind entweder weiterhin in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert, Beitragszahlung anteilig durch die Rentenversicherung und den Rentenempfänger – (Details hier) oder aber sie erhalten einen Zuschuss zu ihrer Krankenversicherung, wenn sie freiwillig privat versichert sind.
Damit ist es, so die gesetzliche Regelung des § 111,II SGB VI, nach Annahme eines Wohnsitzes im Ausland, aus und vorbei, es sei denn, der Wohnsitz liegt in der EU, oder aber in einem Land, mit dem die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Abkommen geschlossen hat.
Für wen das nicht zutrifft, der hat – verfassungswidrig – eben Pech gehabt. Das trifft auf tausende Deutsche zu.
Vom Eigentümer zum Bettler
Zwar ist prinzipiell keine Krankenkasse verpflichtet, für eine Behandlung im Ausland zu bezahlen, aber auch die vorübergehende Wiederkehr nach Deutschland zur Behandlung ist bei Auslandswohnsitz nicht versichert.
Wer trotzdem eine Behandlung in Deutschland braucht, der wird zum Bittsteller, zum Bettler, der staatliche Stellen um Unterstützung angehen muss. Vorher muss er seine ganzen Ersparnisse einsetzen - bis zum "letzten Hosenknopf".
Ein Gang durch die Instanzen
Das kann nicht rechtens sein, sagte ich mir, also habe ich bei der deutschen Rentenversicherung einen Antrag für einen Zuschuss zu meiner Krankenversicherung gestellt.
Nicht einmal das Antragsformular wollte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) mir übersenden, „weil ich ja doch keinerlei Ansprüche hätte“.
Ich habe mir das Formular schliesslich aus dem Internet heruntergeladen.
Dann der übliche Weg:
- Antrag gestellt - abgelehnt.
- Widerspruch eingelegt – abgelehnt.
- Klage beim Sozialgericht Berlin eingereicht – abgewiesen.
So habe ich dann den „Gang nach Karlsruhe“ zum Bundesverfassungsgericht angetreten.
Wir werden sehen.
Die Begründung der Verfassungsbeschwerde:
Der vom Beschwerdeführer am 14.9. 2012 gestellte Antrag auf Zuschuss zur Krankenversicherung gem . § 106 SGB VI wurde mit Bescheid der DRV vom 27.9. 2012 mit Hinblick auf die Regelung des § 111,II SGB VI zurückgewiesen.
Der vom Beschwerdeführer am 31.10. 2012 dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid der DRV-Bund am 6.2. 2013 ebenfalls zurückgewiesen .
Die dagegen vom Beschwerdeführer am 18.2. 2013 beim Sozialgericht Berlin eingereichte Klage wurde mit Urteil vom 8.5. 2014 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist durch die gesetzliche Regelung des § 111,II SGB VI in seinen Grundrechten aus Art. 14 und Art. 3,I GG verletzt.
VERSTOSS GEGEN ART. 14 GG
Die Altersrente ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Sozialgewährung des Staates, sondern ein durch Beiträge erworbener eigentumsgleicher und durch Art.14 GG geschützter Rechtsanspruch (BVerfG vom 16.7. 1985 – BVerfGE 69,272ff.):
„Schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) hatte die Richterin Rupp-v. Brünneck darauf hingewiesen, daß sich die Eigentumsgarantie auch auf solche öffentlich-rechtlichen Berechtigungen erstrecken müsse, auf die der Bürger in seiner wirtschaftlichen Existenz zunehmend angewiesen sei (vgl. BVerfGE 32, 129 [142] abw. Meinung). Diesen Gedanken hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung mit dem Bemerken aufgenommen, die große Mehrzahl der Staatsbürger in der heutigen Gesellschaft erlange ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge, die historisch von jeher eng mit dem Eigentumsgedanken verknüpft gewesen sei (vgl. BVerfGE 40, 65 [84]).
Das ist nicht auf Versichertenrenten beschränkt. Auch andere sozialversicherungsrechtliche Positionen können für die große Mehrzahl der Bevölkerung eine wichtige Grundlage ihrer Daseinssicherung sein, insbesondere dann, wenn sich eine wesentliche, durch lange Zeiträume gewährte Leistung so verfestigt hat, daß die Versicherten sie zu ihrer existentiellen Versorgung rechnen können.
Es würde zu einem mit dem Schutz des Eigentums im sozialen Rechtsstaat schwerlich zu vereinbarenden Funktionsverlust der Eigentumsgarantie führen, wenn sie -- sofern die anderen konstituierenden Merkmale des Eigentums vorliegen -- solche vermögensrechtlichen Positionen nicht umfaßte (vgl. BVerfGE 53, 257 [294]). 124
Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob ein Grundrechtsträger nach seinem Vermögensstand individuell mehr oder weniger auf den Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung angewiesen ist. Es geht vielmehr um die objektive Feststellung, ob eine öffentlich-rechtliche Leistung ihrer Zielsetzung nach der Existenzsicherung der Berechtigten zu dienen bestimmt ist. Nicht das Bedürfnis des Einzelnen, sondern der Umstand ist entscheidend, daß eine Position der großen Mehrzahl der Staatsbürger zur existentiellen Sicherung dient (vgl. BVerfGE 53, 257 [290])."
Gleiches gilt im Wesentlichen für die Krankenversicherung der Rentner.
„Demgemäß unterfallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, nicht dem Schutz des Art. 14 GG (vgl. BVerfGE 16, 94 [113]; 18, 392 [397]; 53, 257 [292]). Solche ausschließlich auf staatlicher Gewährung beruhende Ansprüche kommen allerdings im Bereich der Sozialversicherung, zu deren Wesen die Beitragszahlung gehört, kaum vor.“
Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum Versorgungsausgleich (BVerfGE 53,257) ausgeführt:
„Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu….Insoweit umfasst Art. 14 ,I S2. GG auch die Befugnis, Rentensprüche und Rentenanwartschaften zu kürzen.“
Jedoch heisst es dann einschränkend weiter:
"…. Allerdings verengt sich seine Gestaltungsfreiheit in dem Masse, in dem Rentenansprüche durch einen personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt ist. Insoweit entspricht der Höhe des Anteils ein erhöhter verfassungsrechtlicher Schutz. An die Rechtfertigung eines Eingriffs sind strenge Anforderungen zu stellen"…
Die im Gesetz normierten Ausschliessungsgründe sind teils sachgerecht und verfassungsgemäss (Private Krankenversicherung muss der deutschen Versicherungsaufsicht unterliegen), teils eindeutig ohne sachlichen Grund und daher willkürlich und verfassungswidrig. Dazu gehört auch der Wegfall der Zuschussberechtigung für deutsche Rentner, die im vertragslosen Ausland leben, selbst dann, wenn sie bei einer Krankenversicherung versichert sind, die der deutschen Versicherungsaufsicht unterliegt, wie bei dem Beschwerdeführer zutreffend.
Der Aufenthalt im Ausland ist Ausfluss der Ausreisefreiheit, und insoweit durch Art. 2,I GG geschützt. Dem Gesetzgeber steht es deshalb nicht zu, daran sozusagen „punitive Enteignungen“ zu knüpfen, die den Geist der „Sozialgewährung“, nicht aber den des Eigentumsanspruchs atmen.
Genau so wenig wie das Eigentumsrecht an in Deutschland befindlichen Gegenständen dadurch berührt wird, ob der Eigentümer sich innerhalb oder ausserhalb Deutschlands aufhält.
Die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers endet dort, wo es sich nicht mehr um Gestaltung, sondern klar um Totaleteignung handelt. Eine Totalenteignung ist jedoch keine Inhaltsgestaltung des Eigentums mehr, wie das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung rechtsirrig annimmt
VERSTOSS GEGEN ARTIKEL 3,I GG.
Nun hat der Gesetzgeber einige Ausnahmetatbestände normiert, nämlich Aufenthalte des Rentenberechtigten in bestimmten Ländern von dem Wegfall der Zuschussberechtigung ausgenommen.
Dazu gehören einmal die Länder der EU, aber auch bestimmte weitere Länder, mit denen bilaterale Abkommen bestehen. Insofern hat er selbst sich nicht mehr an den strikten „Auslandswegfall“ gehalten. Diese Regelungen haben jedoch nichts mit der „Erhaltung der Funktionsfähigkeit des und Leistungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des Systems der Rentenversicherung im Interesse aller“ (BVerfG 53,257 aaO) zu tun, vielmehr handelt es sich teils um Auswirkungen des EU-Rechts, teilweise um rentenversicherungsfremde zwischenstaatliche Abkommen.
Damit hat der Gesetzgeber aber einen zusätzlichen Grundgesetzverstoss, diesmal gegen Art 3,I GG, geschaffen. Denn nunmehr werden im vertragslosen Ausland lebende deutsche Rentenempfänger eindeutig diskriminiert, ohne dass auch nur irgendein aus dem Prinzip der Rentenversicherung sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich wäre. Renten und Zuschüsse aus der Rentenversicherung sind keine Sozialgewährung des Staates.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Beschluss vom 20.3. 1979 – BVerfGE 51,1 in der unterschiedlichen Behandlung von Rentenempfängern, die im Ausland leben, einen Verstoss gegen Art. 3,I GG gesehen.
„Nach Art 3,I GG ist der Gesetzgeber gehalten, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln. Dabei verletzt der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, nur dann wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender, oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt.“
Auf die Rentenversicherung angewandt heisst das: der sachliche Grund muss sich aus dem System der Rentenversicherung selbst herleiten, nicht jedoch aufgrund von staatlichen Abkommen mit einzelnen Ländern, denen in der Regel aussenpolitische Erwägungen zugrunde liegen, nicht aber rentenversicherungsrechtliche.
Insoweit halten dann auch die Urteile des Sozialgerichts Berlin und des Landessozialgerichts Berlin vom 27.8. 2010 – L 17 R265 / 2010 einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Landessozialgericht versucht nämlich aus einer Art „a fortiori“ Argument seine Begründung für die Verweigerung des Zuschusses zur Krankenversicherung herzuleiten.
Wenn schon keine Krankenbehandlung im Ausland nach dem SGB, dann erst recht kein Zuschuss zur Krankenversicherung im Ausland.
Zutreffend ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht verpflichtet ist, eine Krankenbehandlung - von Ausnahmefällen abgesehen - im Ausland zu bezahlen (Beschluss des BVerfG vom 17.3. 2008 – 1 BvR 96/06).
.Eine derartige Erstreckung der Versicherungspflicht lässt sich jedoch ohne Probleme durch einen äusserst geringen Zusatzbeitrag erreichen. Das bieten alle gesetzlichen Krankenversicherungen an. Bei den Privatversicherungen gehört es oftmals schon zum regulären Leistungsangebot.
Die Krankenversicherung, selbst wenn kein Versicherungsschutz im Ausland besteht, ruht auch keineswegs in dieser Zeit, sondern der Betreffende kann durch eine sofortige Rückkehr lediglich zur Krankenbehandlung nach Deutschland voll in den Genuss einer umfassenden Behandlung kommen.
Das gilt jedoch für im vertragslosen Ausland lebende Deutsche ohne deutsche Krankenversicherung gerade nicht.
Die wären, wenn sie aus Gründen des mangelnden Zuschusses keine deutsche Krankenversicherung abschliessen können, bzw. die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkrasse verloren haben, ggf. auf Leistungen aus der Sozialhilfe angewiesen, wenn sie zur Krankenbehandlung nach Deutschland kommen.
Für im Ausland lebende Deutsche, gerade für diejenigen, die in Ländern der Dritten Welt leben, ist die Krankenversicherung in Deutschland essentiell, da eine ausreichende Krankenversorgung, insbesondere in schweren Krankheitsfällen, dort gar nicht gewährleistet, eine Rückkehr zur Krankenbehandlung nach Deutschland also erforderlich ist. So ist es auch dem Beschwerdeführer ergangen nach einer komplizierten Verletzung im Jahre 2005.
Im übrigen kann sich der Zuschuss zur Krankenversicherung auf einen Krankenversicherungsschutz im Inland beschränken. Die Ausdehnung auf das Ausland - wenn gewünscht - müsste dann vom Betroffenen selbst getragen werden.
Eine Totalenteignung des Anspruchs auf Zuschuss zur Krankenversicherung ist jedoch weder mit Art. 14, noch mit Art 3,I GG vereinbar.
Abschliessend sei noch auf das grundlegende Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.07.2005 - B 1 KR 2/04 R verwiesen.
Dort stellt das Bundessozialgericht klar, dass ein auf Dauer im EU-Ausland (hier: Spanien) lebender deutscher pflichtversicherter Rentner keineswegs den unmittelbaren Versicherungsschutz in Deutschland verliert und stattdessen auf die spanische Krankenversicherung abgeschoben werden kann. Leitsatz:
„Ein Pflichtversicherter in der KVdR, der ausschließlich Rente aus der deutschen Rentenversicherung bezieht, verliert seinen Status als Versicherter nicht dadurch, dass er seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) verlegt. Werden Krankenversicherungsleistungen während eines vorübergehenden Deutschlandaufenthalts erforderlich, richtet sich deren geschuldeter Umfang nach deutschem Recht“.
Nichts anderes kann dann aber unter Berücksichtigung des Art. 3,I GG für Rentner gelten, die im vertragslosen Ausland leben. Selbst wenn die Krankenkasse für deren Auslandsbehandlung nicht zu zahlen hätte.
Schliesslich sei noch angemerkt, dass Rentenempfänger, die im Ausland leben, ihre Rente voll in Deutschland versteuern müssen, ohne jegliche Abzugsmöglichkeiten. Damit sind Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung ebenfalls nicht steuerlich abzugsfähig und damit steuermindernd.
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wäre auch von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie Tausende Deutsche, die als Rentenempfänger im vertragslosen Ausland leben, betreffen würde. Rentenempfänger, die entweder keinen Zuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung erhalten, oder aber ihren Versicherungsschutz bei einer gesetzlichen Krankenkasse verloren.
Dr. Alexander von Paleske
Internist, Hämatologe
leitender Arzt
Ex Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
Bulawayo/Zimbabwe
Die Krankenversicherung der Rentner ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Rente, ohne sie würde ein Grossteil der Rente für Krankenversicherungbeiträge aufgebraucht werden, es bliebe kaum etwas zum Leben.
Bis in die 80er Jahre galt das auch für deutsche Rentner, die im Ausland lebten. Das hat die Kohl-Regierung abgeschafft, und nachfolgend die rot-grüne Koalition daran festgehalten - verfassungswidrig, wenn man sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu ansieht.
Das oberste deutsche Gericht hat in mehreren Grundsatzentscheidungen festgestellt, dass Renten und sonstige Sozialleistungen, die auf dem Beitragsprinzip beruhen, den Schutz des Eigentums geniessen, und damit eine klare Grenze zu den sonstigen Sozialleistungen gezogen, die auf dem „Gewährungsprinzip“ beruhen, also nicht durch eigene Sozialbeiträge der Versicherten.
Aus und vorbei
Deutsche Rentner, die im Inland leben, sind entweder weiterhin in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert, Beitragszahlung anteilig durch die Rentenversicherung und den Rentenempfänger – (Details hier) oder aber sie erhalten einen Zuschuss zu ihrer Krankenversicherung, wenn sie freiwillig privat versichert sind.
Damit ist es, so die gesetzliche Regelung des § 111,II SGB VI, nach Annahme eines Wohnsitzes im Ausland, aus und vorbei, es sei denn, der Wohnsitz liegt in der EU, oder aber in einem Land, mit dem die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Abkommen geschlossen hat.
Für wen das nicht zutrifft, der hat – verfassungswidrig – eben Pech gehabt. Das trifft auf tausende Deutsche zu.
Vom Eigentümer zum Bettler
Zwar ist prinzipiell keine Krankenkasse verpflichtet, für eine Behandlung im Ausland zu bezahlen, aber auch die vorübergehende Wiederkehr nach Deutschland zur Behandlung ist bei Auslandswohnsitz nicht versichert.
Wer trotzdem eine Behandlung in Deutschland braucht, der wird zum Bittsteller, zum Bettler, der staatliche Stellen um Unterstützung angehen muss. Vorher muss er seine ganzen Ersparnisse einsetzen - bis zum "letzten Hosenknopf".
Ein Gang durch die Instanzen
Das kann nicht rechtens sein, sagte ich mir, also habe ich bei der deutschen Rentenversicherung einen Antrag für einen Zuschuss zu meiner Krankenversicherung gestellt.
Nicht einmal das Antragsformular wollte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) mir übersenden, „weil ich ja doch keinerlei Ansprüche hätte“.
Ich habe mir das Formular schliesslich aus dem Internet heruntergeladen.
Dann der übliche Weg:
- Antrag gestellt - abgelehnt.
- Widerspruch eingelegt – abgelehnt.
- Klage beim Sozialgericht Berlin eingereicht – abgewiesen.
So habe ich dann den „Gang nach Karlsruhe“ zum Bundesverfassungsgericht angetreten.
Wir werden sehen.
Die Begründung der Verfassungsbeschwerde:
Der vom Beschwerdeführer am 14.9. 2012 gestellte Antrag auf Zuschuss zur Krankenversicherung gem . § 106 SGB VI wurde mit Bescheid der DRV vom 27.9. 2012 mit Hinblick auf die Regelung des § 111,II SGB VI zurückgewiesen.
Der vom Beschwerdeführer am 31.10. 2012 dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid der DRV-Bund am 6.2. 2013 ebenfalls zurückgewiesen .
Die dagegen vom Beschwerdeführer am 18.2. 2013 beim Sozialgericht Berlin eingereichte Klage wurde mit Urteil vom 8.5. 2014 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist durch die gesetzliche Regelung des § 111,II SGB VI in seinen Grundrechten aus Art. 14 und Art. 3,I GG verletzt.
VERSTOSS GEGEN ART. 14 GG
Die Altersrente ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Sozialgewährung des Staates, sondern ein durch Beiträge erworbener eigentumsgleicher und durch Art.14 GG geschützter Rechtsanspruch (BVerfG vom 16.7. 1985 – BVerfGE 69,272ff.):
„Schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) hatte die Richterin Rupp-v. Brünneck darauf hingewiesen, daß sich die Eigentumsgarantie auch auf solche öffentlich-rechtlichen Berechtigungen erstrecken müsse, auf die der Bürger in seiner wirtschaftlichen Existenz zunehmend angewiesen sei (vgl. BVerfGE 32, 129 [142] abw. Meinung). Diesen Gedanken hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung mit dem Bemerken aufgenommen, die große Mehrzahl der Staatsbürger in der heutigen Gesellschaft erlange ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge, die historisch von jeher eng mit dem Eigentumsgedanken verknüpft gewesen sei (vgl. BVerfGE 40, 65 [84]).
Das ist nicht auf Versichertenrenten beschränkt. Auch andere sozialversicherungsrechtliche Positionen können für die große Mehrzahl der Bevölkerung eine wichtige Grundlage ihrer Daseinssicherung sein, insbesondere dann, wenn sich eine wesentliche, durch lange Zeiträume gewährte Leistung so verfestigt hat, daß die Versicherten sie zu ihrer existentiellen Versorgung rechnen können.
Es würde zu einem mit dem Schutz des Eigentums im sozialen Rechtsstaat schwerlich zu vereinbarenden Funktionsverlust der Eigentumsgarantie führen, wenn sie -- sofern die anderen konstituierenden Merkmale des Eigentums vorliegen -- solche vermögensrechtlichen Positionen nicht umfaßte (vgl. BVerfGE 53, 257 [294]). 124
Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob ein Grundrechtsträger nach seinem Vermögensstand individuell mehr oder weniger auf den Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung angewiesen ist. Es geht vielmehr um die objektive Feststellung, ob eine öffentlich-rechtliche Leistung ihrer Zielsetzung nach der Existenzsicherung der Berechtigten zu dienen bestimmt ist. Nicht das Bedürfnis des Einzelnen, sondern der Umstand ist entscheidend, daß eine Position der großen Mehrzahl der Staatsbürger zur existentiellen Sicherung dient (vgl. BVerfGE 53, 257 [290])."
Gleiches gilt im Wesentlichen für die Krankenversicherung der Rentner.
„Demgemäß unterfallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, nicht dem Schutz des Art. 14 GG (vgl. BVerfGE 16, 94 [113]; 18, 392 [397]; 53, 257 [292]). Solche ausschließlich auf staatlicher Gewährung beruhende Ansprüche kommen allerdings im Bereich der Sozialversicherung, zu deren Wesen die Beitragszahlung gehört, kaum vor.“
Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum Versorgungsausgleich (BVerfGE 53,257) ausgeführt:
„Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu….Insoweit umfasst Art. 14 ,I S2. GG auch die Befugnis, Rentensprüche und Rentenanwartschaften zu kürzen.“
Jedoch heisst es dann einschränkend weiter:
"…. Allerdings verengt sich seine Gestaltungsfreiheit in dem Masse, in dem Rentenansprüche durch einen personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt ist. Insoweit entspricht der Höhe des Anteils ein erhöhter verfassungsrechtlicher Schutz. An die Rechtfertigung eines Eingriffs sind strenge Anforderungen zu stellen"…
Die im Gesetz normierten Ausschliessungsgründe sind teils sachgerecht und verfassungsgemäss (Private Krankenversicherung muss der deutschen Versicherungsaufsicht unterliegen), teils eindeutig ohne sachlichen Grund und daher willkürlich und verfassungswidrig. Dazu gehört auch der Wegfall der Zuschussberechtigung für deutsche Rentner, die im vertragslosen Ausland leben, selbst dann, wenn sie bei einer Krankenversicherung versichert sind, die der deutschen Versicherungsaufsicht unterliegt, wie bei dem Beschwerdeführer zutreffend.
Der Aufenthalt im Ausland ist Ausfluss der Ausreisefreiheit, und insoweit durch Art. 2,I GG geschützt. Dem Gesetzgeber steht es deshalb nicht zu, daran sozusagen „punitive Enteignungen“ zu knüpfen, die den Geist der „Sozialgewährung“, nicht aber den des Eigentumsanspruchs atmen.
Genau so wenig wie das Eigentumsrecht an in Deutschland befindlichen Gegenständen dadurch berührt wird, ob der Eigentümer sich innerhalb oder ausserhalb Deutschlands aufhält.
Die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers endet dort, wo es sich nicht mehr um Gestaltung, sondern klar um Totaleteignung handelt. Eine Totalenteignung ist jedoch keine Inhaltsgestaltung des Eigentums mehr, wie das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung rechtsirrig annimmt
VERSTOSS GEGEN ARTIKEL 3,I GG.
Nun hat der Gesetzgeber einige Ausnahmetatbestände normiert, nämlich Aufenthalte des Rentenberechtigten in bestimmten Ländern von dem Wegfall der Zuschussberechtigung ausgenommen.
Dazu gehören einmal die Länder der EU, aber auch bestimmte weitere Länder, mit denen bilaterale Abkommen bestehen. Insofern hat er selbst sich nicht mehr an den strikten „Auslandswegfall“ gehalten. Diese Regelungen haben jedoch nichts mit der „Erhaltung der Funktionsfähigkeit des und Leistungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des Systems der Rentenversicherung im Interesse aller“ (BVerfG 53,257 aaO) zu tun, vielmehr handelt es sich teils um Auswirkungen des EU-Rechts, teilweise um rentenversicherungsfremde zwischenstaatliche Abkommen.
Damit hat der Gesetzgeber aber einen zusätzlichen Grundgesetzverstoss, diesmal gegen Art 3,I GG, geschaffen. Denn nunmehr werden im vertragslosen Ausland lebende deutsche Rentenempfänger eindeutig diskriminiert, ohne dass auch nur irgendein aus dem Prinzip der Rentenversicherung sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich wäre. Renten und Zuschüsse aus der Rentenversicherung sind keine Sozialgewährung des Staates.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Beschluss vom 20.3. 1979 – BVerfGE 51,1 in der unterschiedlichen Behandlung von Rentenempfängern, die im Ausland leben, einen Verstoss gegen Art. 3,I GG gesehen.
„Nach Art 3,I GG ist der Gesetzgeber gehalten, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln. Dabei verletzt der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, nur dann wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender, oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt.“
Auf die Rentenversicherung angewandt heisst das: der sachliche Grund muss sich aus dem System der Rentenversicherung selbst herleiten, nicht jedoch aufgrund von staatlichen Abkommen mit einzelnen Ländern, denen in der Regel aussenpolitische Erwägungen zugrunde liegen, nicht aber rentenversicherungsrechtliche.
Insoweit halten dann auch die Urteile des Sozialgerichts Berlin und des Landessozialgerichts Berlin vom 27.8. 2010 – L 17 R265 / 2010 einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Landessozialgericht versucht nämlich aus einer Art „a fortiori“ Argument seine Begründung für die Verweigerung des Zuschusses zur Krankenversicherung herzuleiten.
Wenn schon keine Krankenbehandlung im Ausland nach dem SGB, dann erst recht kein Zuschuss zur Krankenversicherung im Ausland.
Zutreffend ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht verpflichtet ist, eine Krankenbehandlung - von Ausnahmefällen abgesehen - im Ausland zu bezahlen (Beschluss des BVerfG vom 17.3. 2008 – 1 BvR 96/06).
.Eine derartige Erstreckung der Versicherungspflicht lässt sich jedoch ohne Probleme durch einen äusserst geringen Zusatzbeitrag erreichen. Das bieten alle gesetzlichen Krankenversicherungen an. Bei den Privatversicherungen gehört es oftmals schon zum regulären Leistungsangebot.
Die Krankenversicherung, selbst wenn kein Versicherungsschutz im Ausland besteht, ruht auch keineswegs in dieser Zeit, sondern der Betreffende kann durch eine sofortige Rückkehr lediglich zur Krankenbehandlung nach Deutschland voll in den Genuss einer umfassenden Behandlung kommen.
Das gilt jedoch für im vertragslosen Ausland lebende Deutsche ohne deutsche Krankenversicherung gerade nicht.
Die wären, wenn sie aus Gründen des mangelnden Zuschusses keine deutsche Krankenversicherung abschliessen können, bzw. die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkrasse verloren haben, ggf. auf Leistungen aus der Sozialhilfe angewiesen, wenn sie zur Krankenbehandlung nach Deutschland kommen.
Für im Ausland lebende Deutsche, gerade für diejenigen, die in Ländern der Dritten Welt leben, ist die Krankenversicherung in Deutschland essentiell, da eine ausreichende Krankenversorgung, insbesondere in schweren Krankheitsfällen, dort gar nicht gewährleistet, eine Rückkehr zur Krankenbehandlung nach Deutschland also erforderlich ist. So ist es auch dem Beschwerdeführer ergangen nach einer komplizierten Verletzung im Jahre 2005.
Im übrigen kann sich der Zuschuss zur Krankenversicherung auf einen Krankenversicherungsschutz im Inland beschränken. Die Ausdehnung auf das Ausland - wenn gewünscht - müsste dann vom Betroffenen selbst getragen werden.
Eine Totalenteignung des Anspruchs auf Zuschuss zur Krankenversicherung ist jedoch weder mit Art. 14, noch mit Art 3,I GG vereinbar.
Abschliessend sei noch auf das grundlegende Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.07.2005 - B 1 KR 2/04 R verwiesen.
Dort stellt das Bundessozialgericht klar, dass ein auf Dauer im EU-Ausland (hier: Spanien) lebender deutscher pflichtversicherter Rentner keineswegs den unmittelbaren Versicherungsschutz in Deutschland verliert und stattdessen auf die spanische Krankenversicherung abgeschoben werden kann. Leitsatz:
„Ein Pflichtversicherter in der KVdR, der ausschließlich Rente aus der deutschen Rentenversicherung bezieht, verliert seinen Status als Versicherter nicht dadurch, dass er seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) verlegt. Werden Krankenversicherungsleistungen während eines vorübergehenden Deutschlandaufenthalts erforderlich, richtet sich deren geschuldeter Umfang nach deutschem Recht“.
Nichts anderes kann dann aber unter Berücksichtigung des Art. 3,I GG für Rentner gelten, die im vertragslosen Ausland leben. Selbst wenn die Krankenkasse für deren Auslandsbehandlung nicht zu zahlen hätte.
Schliesslich sei noch angemerkt, dass Rentenempfänger, die im Ausland leben, ihre Rente voll in Deutschland versteuern müssen, ohne jegliche Abzugsmöglichkeiten. Damit sind Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung ebenfalls nicht steuerlich abzugsfähig und damit steuermindernd.
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wäre auch von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie Tausende Deutsche, die als Rentenempfänger im vertragslosen Ausland leben, betreffen würde. Rentenempfänger, die entweder keinen Zuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung erhalten, oder aber ihren Versicherungsschutz bei einer gesetzlichen Krankenkasse verloren.
Dr. Alexander von Paleske
Internist, Hämatologe
leitender Arzt
Ex Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
Bulawayo/Zimbabwe
onlinedienst - 25. Jul, 10:59 Article 4792x read
Viel Erfolg
Danke
Gruss
AvP