Opioide – eine weitere "legale" Sucht in den USA
Dr. Alexander von Paleske --- 11.1. 2013 --- Im Jahre 1971 erklärte der damalige US Präsident Richard Nixon die illegalen Drogen zum Staatsfeind Nr. 1.
Die Bilanz nach 30 Jahren des Kampfes ist mehr als ernüchternd, sie ist erschreckend:
- Milliardenbeträge wurden für den Anti-Drogen-Kampf ausgegeben - ohne sichtbare Erfolge
- insgesamt 45 Millionen Menschen wurden in den USA wegen Drogendelikten seither ins Gefängnis geworfen
- mehr Häftlinge wegen Drogendelikten sind einsitzend, als alle Häftlinge im Jahre 1970 in den USA zusammen.
- Länder wie Mexiko und Kolumbien wurden zu Kriegszonen der Drogenkartelle
Weltmeister im Verhaften
Prozentual verhaften die USA mehr Menschen, als jedes andere Land in der Welt, an der Spitze: Afro-Amerikaner
Diese Bevölkerungsgruppe macht 13% der US-Bevölkerung aus, 14 % der Dogennutzer (-abhängigen), aber 56% der wegen Drogendelikten in Gefängnissen Einsitzenden.
Gut dargestellt in einem neuen Film: The House I live in.
The House I live in - Ein Film über die Ursachen der Drogenabhängigkeit: - Armut, Rassismus und die Folgen
Nun hat sich in den letzten 10 Jahren in den USA eine weitere Drogensucht breitgemacht, vor allem in der -Mittel- und Oberschicht: Die Opioid-Sucht, durch Drogen, die ganz legal von Ärzten verschrieben werden. An erster Stelle das Oxycodon.
Einige Vorbemerkungen
Dazu sind ein paar Vorbemerkungen erforderlich:
Lange Zeit galt die adäquate Schmerztherapie, insbesondere bei terminal Kranken aber auch bei postoperativen Patienten als vernachlässigtes Gebiet der Medizin.
Patienten, die unter heftigen Schmerzen litten, wurden oftmals nicht ausreichend mit Schmerzmitteln, insbesondere Morphin versorgt, erhielten stattdessen unzureichende „kleinere“ Schmerzmittel der Nicht-Opiat-Gruppe, wie Aspirin, Paracetamol, oder das etwas stärker wirkende Codein, das im Körper zu etwa 10% in Morphin umgewandelt wird.
In den späten 90er Jahren startete die private US-Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations eine Kampagne, deren Ziel die ausreichende Schmerztherapie, insbsondere von Krebspatienten und Patienten, die an heftigen chronischen Schmerzen litten: Die grosszügigere Verschreibung von Morphin und Opioiden.
Unwillkommener Pendelausschlag
Aber das Pendel ist mittlerweile in den USA heftig in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen, und hat eine neue Drogen- und Suchtwelle losgetreten.
Für diese neue Drogenwelle zeichnen keineswegs südamerikanische Drogenkartelle verantwortlich, sondern US-Ärzte im Zusammenspiel mit einigen Pharmafirmen: Teils unwissend, nicht selten absolut skrupellos.
Es handelt sich um die grosszügigste Verschreibung von Opioiden, insbesondere von Oxycodon. Diese desaströse Entwicklung droht mit einiger Verzögerung auch nach Europa überzuschwappen.
Ein Medikament namens Oyxcodon
Oxycodon gehört zur Gruppe der synthetischen Opioide, ist keineswegs ein neues Medikament, sondern wurde bereits wurde 1916 von Martin Freund und Edmund Speyer an der Universität Frankfurt (M) entwickelt, und ein Jahr später von der Pharmafirma Merck in Darmstadt unter dem Namen Eukodal als schmerz- und hustenstillendes Mittel auf den Markt gebracht. Seit 1919 wird es als Analgetikum therapeutisch genutzt.
Für derartige synthetische Opioide gilt:
- Sie haben dieselben Nebenwirkungen wie Morphine,
vor allem auch Suchtauslösung und Euphorie
- sie haben qualitativ keine anderen Eigenschaften als Morphine
- sie unterscheiden sich lediglich in der Absorbierbarkeit und Wirkdauer
.
Für Oxycodon gilt darüber hinaus
- Suchtpotential vergleichbar Heroin
- Analgetische Wirkung etwa doppelt so stark wie Morphin
Die ersten Suchtfälle nach Oxycodon wurden bereits in den 20er Jahren bekannt.
Weltmeister im Verbrauch
Die USA, wo nur rund 8% der Weltbevölkerung leben, verbrauchen mittlerweile 80% aller weltweit verschreibungspflichtigen Opiate.
15.000 US Bürger sterben jedes Jahr an Überdosen von verscheibungspflichtigen Medikamenten, dreimal so viel wie noch vor 10 Jahren.
Verantwortungslose Werbung
An vorderster Front in der Profitmacherei mit Opioiden steht die US Firma Purdue Pharma, Hersteller von OxyContin, dem Handelsnamen für Oxycodin.
Im Sprachgebrauch heisst dieses Medikament mittlerweile Hillibilly-Heroin.
200 Millionen US Dollar gab die Firma im Jahre 2001 an Werbung für OxyContin aus – verharmlosende Werbung was das Suchtpotential betrifft.
Zielgruppe: Niedergelassene Allgemeinärzte, also die erste Anlaufstation für Patienten .
3o Tage freie Behandlung offerierte die Pharmafirma, um ihr Produkt in den Markt zu drücken. Eine Vermarktungsstrategie, von Händlern illegaler Drogen wohlbekannt
Die Firma in - man muss schon fast sagen "krimineller" Weise - verharmloste das Abhängigkeitspotential, „lediglich 1-2%“.
Im Jahre 2007 bekam sie wegen dieser irreführenden Verharmlosung auf dem Beipackzettel und in der Werbung eine Strafe von 634,5 Millionen US-Dollar aufgebrummt.
Der Umsatz jedoch stieg und stieg auf zuletzt drei Milliarden US Dollar. Natürlich handelte es sich zum geringen Teil nur noch um Patienten, die terminal z.B. an Krebs erkrankt waren. Auch Rücken-und Gelenkschmerzen wurden zu Indikationen für diese Opioide.
Conti Express Highway
Zum US Bundesstaat mit der höchsten Verschreibungsziffer stieg Florida auf, wo sich offenbar die grösste Dichte von verantwortungslosen Ärzten befand. Ärzte, die Rezepte an „jedermann“ aushändigten, der dafür bezahlte. Die Drogenreise nach Florida bekam den Spitznamen „Conti Express Highway“.
Nachdem diese Epidemie drohte, völlig ausser Kontrolle zu geraten, wurden einige der Praxen in Florida geschlossen. Andere, die zu mehr als 50% derartige Medikamenten verschreiben, werden überwacht.
Die Abhängigen reisen nun nach Georgia oder Maine.
Aber der Geist ist längst aus der Flasche, eine Opioid-Drogenepidemie längst Realität. Und der Kampf gegen diese relativ neue „legale“ Drogensucht kaum mehr als halbherzig.
Die Bilanz nach 30 Jahren des Kampfes ist mehr als ernüchternd, sie ist erschreckend:
- Milliardenbeträge wurden für den Anti-Drogen-Kampf ausgegeben - ohne sichtbare Erfolge
- insgesamt 45 Millionen Menschen wurden in den USA wegen Drogendelikten seither ins Gefängnis geworfen
- mehr Häftlinge wegen Drogendelikten sind einsitzend, als alle Häftlinge im Jahre 1970 in den USA zusammen.
- Länder wie Mexiko und Kolumbien wurden zu Kriegszonen der Drogenkartelle
Weltmeister im Verhaften
Prozentual verhaften die USA mehr Menschen, als jedes andere Land in der Welt, an der Spitze: Afro-Amerikaner
Diese Bevölkerungsgruppe macht 13% der US-Bevölkerung aus, 14 % der Dogennutzer (-abhängigen), aber 56% der wegen Drogendelikten in Gefängnissen Einsitzenden.
Gut dargestellt in einem neuen Film: The House I live in.
The House I live in - Ein Film über die Ursachen der Drogenabhängigkeit: - Armut, Rassismus und die Folgen
Nun hat sich in den letzten 10 Jahren in den USA eine weitere Drogensucht breitgemacht, vor allem in der -Mittel- und Oberschicht: Die Opioid-Sucht, durch Drogen, die ganz legal von Ärzten verschrieben werden. An erster Stelle das Oxycodon.
Einige Vorbemerkungen
Dazu sind ein paar Vorbemerkungen erforderlich:
Lange Zeit galt die adäquate Schmerztherapie, insbesondere bei terminal Kranken aber auch bei postoperativen Patienten als vernachlässigtes Gebiet der Medizin.
Patienten, die unter heftigen Schmerzen litten, wurden oftmals nicht ausreichend mit Schmerzmitteln, insbesondere Morphin versorgt, erhielten stattdessen unzureichende „kleinere“ Schmerzmittel der Nicht-Opiat-Gruppe, wie Aspirin, Paracetamol, oder das etwas stärker wirkende Codein, das im Körper zu etwa 10% in Morphin umgewandelt wird.
In den späten 90er Jahren startete die private US-Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations eine Kampagne, deren Ziel die ausreichende Schmerztherapie, insbsondere von Krebspatienten und Patienten, die an heftigen chronischen Schmerzen litten: Die grosszügigere Verschreibung von Morphin und Opioiden.
Unwillkommener Pendelausschlag
Aber das Pendel ist mittlerweile in den USA heftig in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen, und hat eine neue Drogen- und Suchtwelle losgetreten.
Für diese neue Drogenwelle zeichnen keineswegs südamerikanische Drogenkartelle verantwortlich, sondern US-Ärzte im Zusammenspiel mit einigen Pharmafirmen: Teils unwissend, nicht selten absolut skrupellos.
Es handelt sich um die grosszügigste Verschreibung von Opioiden, insbesondere von Oxycodon. Diese desaströse Entwicklung droht mit einiger Verzögerung auch nach Europa überzuschwappen.
Ein Medikament namens Oyxcodon
Oxycodon gehört zur Gruppe der synthetischen Opioide, ist keineswegs ein neues Medikament, sondern wurde bereits wurde 1916 von Martin Freund und Edmund Speyer an der Universität Frankfurt (M) entwickelt, und ein Jahr später von der Pharmafirma Merck in Darmstadt unter dem Namen Eukodal als schmerz- und hustenstillendes Mittel auf den Markt gebracht. Seit 1919 wird es als Analgetikum therapeutisch genutzt.
Für derartige synthetische Opioide gilt:
- Sie haben dieselben Nebenwirkungen wie Morphine,
vor allem auch Suchtauslösung und Euphorie
- sie haben qualitativ keine anderen Eigenschaften als Morphine
- sie unterscheiden sich lediglich in der Absorbierbarkeit und Wirkdauer
.
Für Oxycodon gilt darüber hinaus
- Suchtpotential vergleichbar Heroin
- Analgetische Wirkung etwa doppelt so stark wie Morphin
Die ersten Suchtfälle nach Oxycodon wurden bereits in den 20er Jahren bekannt.
Weltmeister im Verbrauch
Die USA, wo nur rund 8% der Weltbevölkerung leben, verbrauchen mittlerweile 80% aller weltweit verschreibungspflichtigen Opiate.
15.000 US Bürger sterben jedes Jahr an Überdosen von verscheibungspflichtigen Medikamenten, dreimal so viel wie noch vor 10 Jahren.
Verantwortungslose Werbung
An vorderster Front in der Profitmacherei mit Opioiden steht die US Firma Purdue Pharma, Hersteller von OxyContin, dem Handelsnamen für Oxycodin.
Im Sprachgebrauch heisst dieses Medikament mittlerweile Hillibilly-Heroin.
200 Millionen US Dollar gab die Firma im Jahre 2001 an Werbung für OxyContin aus – verharmlosende Werbung was das Suchtpotential betrifft.
Zielgruppe: Niedergelassene Allgemeinärzte, also die erste Anlaufstation für Patienten .
3o Tage freie Behandlung offerierte die Pharmafirma, um ihr Produkt in den Markt zu drücken. Eine Vermarktungsstrategie, von Händlern illegaler Drogen wohlbekannt
Die Firma in - man muss schon fast sagen "krimineller" Weise - verharmloste das Abhängigkeitspotential, „lediglich 1-2%“.
Im Jahre 2007 bekam sie wegen dieser irreführenden Verharmlosung auf dem Beipackzettel und in der Werbung eine Strafe von 634,5 Millionen US-Dollar aufgebrummt.
Der Umsatz jedoch stieg und stieg auf zuletzt drei Milliarden US Dollar. Natürlich handelte es sich zum geringen Teil nur noch um Patienten, die terminal z.B. an Krebs erkrankt waren. Auch Rücken-und Gelenkschmerzen wurden zu Indikationen für diese Opioide.
Conti Express Highway
Zum US Bundesstaat mit der höchsten Verschreibungsziffer stieg Florida auf, wo sich offenbar die grösste Dichte von verantwortungslosen Ärzten befand. Ärzte, die Rezepte an „jedermann“ aushändigten, der dafür bezahlte. Die Drogenreise nach Florida bekam den Spitznamen „Conti Express Highway“.
Nachdem diese Epidemie drohte, völlig ausser Kontrolle zu geraten, wurden einige der Praxen in Florida geschlossen. Andere, die zu mehr als 50% derartige Medikamenten verschreiben, werden überwacht.
Die Abhängigen reisen nun nach Georgia oder Maine.
Aber der Geist ist längst aus der Flasche, eine Opioid-Drogenepidemie längst Realität. Und der Kampf gegen diese relativ neue „legale“ Drogensucht kaum mehr als halbherzig.
onlinedienst - 11. Jan, 06:01 Article 6632x read
Nicht nur in den USA
In den USA ist neben der industriegesteuerten Ärzteschaft auch die öffentliche Werbung für Analgetika im TV ein Problem. Wer von Lyrica und Targin im TV hört, wird bei Bedarf sofort seinen Hausarzt konfontieren.
Targin (Oxycodon / Naloxon p.o.), ein Opiat ohne die obligatorische Obstipation, ist auch ein prima, patentgeschützter Verkaufsschlager.