Selbstbestimmung und Organentnahme – eine Stellungnahme
Dr. Alexander von Paleske — 4.4. 2019 ——
In Deutschland wurden Im vergangenen Jahr 955 Organtransplantationen durchgeführt, gegenüber 9400 Patienten, die darauf warten, zum Teil jahrelang. Nicht wenige sterben, während der Wartezeit
Der tatsächliche Bedarf, insbesondere bei Nierentransplantationen, ist jedoch weit höher..
Organ-Spender gäbe es theoretisch genug, denn viele Patienten, die im Krankenhaus sterben, kämen als Spender in Frage, Erforderlich ist jedoch die Einwilligung des Patienten, in einem solchen Falle zum Organspender zu werden, oder, wenn diese fehlt, die Einwilligung der nächsten Angehörigen.
Gerade das bringt nicht selten die Angehörigen, insbesondere bei Unfallopfern – und die behandelnden Aerzte – in eine geradezu unerträgliche Situation: Nicht nur muss den Angehörigen die schockierende Diagnose mitgeteilt werden – diese müssen mit dieser schockierenden Nachricht ja erst einmal zurechtkommen – in dieser Lage werden sie auch noch um die Einwilligung zur Organentnahme gebeten, und müssen sich rasch entscheiden, denn die Zeit drängt.
Akzeptable Lösung
Der Gesetzentwurf des Gesundheitsministers – jeder Hirntote ist potentieller Organspender, es sei denn es liegt ein Widerspruch vor – ist eine sehr akzeptable Lösung, Er befreit auch die Angehörigen und den behandelnden Arzt aus dieser Lage. Er ist auch in der Mehrheit der europäischen Staaten – darunter Spanien und Österreich – bereits Gesetz, dort gibt es auch keinen vergleichbaren Organmangel mehr.
Durch die erneute Diskussion ist den allermeisten Angehörigen und potentiellen Spendern klar, sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, dass jeder sterbende gehirntote Patient als Spender in Frage kommt. Widerspricht jemand zu Lebzeiten, wird dieser Widerspruch in einer Liste eingetragen, die jeder Arzt vor der Organentnahme aufrufen muss.
Das Recht der Angehörigen, eine Organentnahme zu verweigern bleibt davon unberührt.
Inakzeptabler Alternativvorschlag
Der alternative Gesetzesvorschlag, auch der Grünen, soll dagegen bei Einreichung des Antrags zum Personalausweis mit der schriftlichen Frage nach der Zustimmung, Organspender zu werden, verbunden sein.
Ein untauglicher Vorschlag denn die Ordnungsbehörde ist kaum der Platz für eine derartige Entscheidung, einschliesslich Nachfragen des Betroffenen.
Bisher hatten schon die Krankenkassen ihre Miglieder angeschrieben, ohne damit signifikant die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Viele Menschen schieben die Auseinandersetzung mit dieser Frage von sich, wie generell die Beschäftigung mit dem Tode, so bleibt es dann schliesslich bei den Angehörigen hängen. Eine ausserordentlich unbefriedigende Lösung.
Drei Probleme
Drei grosse Probleme für den potentiellen Spender bzw. dessen Angehörige:
Das Herz schlägt noch. Einen Herzstillstand kann jeder Laie als Tod nachvollziehen, auch selbst fühlen. Die Bestimmung des Hirntodes, durch Elektroenzephalogramm (EEG) letztlich bewiesen, müssen die Betroffenen dem Arzt glauben.
Viele medizinische Laien glauben, solange das Herz schlägt kann es doch nicht der Tod sein. Ganz abgesehen davon dass das Herz nicht nur als Pumpe angesehen wird, sondern ihm emotionale Qualitäten zugeordnet werden, die jedoch im Gehirn lokalisiert sind.
Das Vertrauen in die korrekte Entscheidung des Arztes: Gerade in der Transplantationsmedizin gab es in der Vergangenheit reichlich Skandale. Nie allerdings ging es um die korrekte Feststellung des Hirntodes, sondern dass Patienten die Warteliste ueberspringen konnten, und eher ein Organ zugeteilt bekamen. Verdacht auf Bestechung wurde geäussert. Vertrauen ist jedoch nicht teilbar. Vertrauen erfordert daher auch Kontolle: engmaschige Kontrolle der strikten Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Organentnahme und Organzuteilung.
Entscheidungsfreiheit und Feuerbestattung
Hauptargument der Gegner der Widerspruchslösung: Hier werde in die Entscheidungsfreiheit, in die Selbstbestimmung des Patienten bzw. seiner Angehörigen eingegriffen.
Das ist jedoch unzutreffend. Zum einen kann der potentielle Spender zu Lebzeiten eine Nichteinwilligungserklärung abgeben, die zu 100% respektiert wird.
Das Interesse der Angehörigen ist gewahrt durch die Möglichkeit, die Organentnahme zu verweigern.
Das Argument der Verletzung der körperlichen Integrität des sterbenden Hirn-Toten ist wenig stichhaltig, auch wenn sie von dem Arzt und Redakteur der Sueddeutschen Zeitung Dr. Werner Bartens in der Sendung “Hart aber fair” in dieser Woche vertreten wurde.
Rund 80 % aller Toten werden heute eingeäschert, damit auch die potentiell lebensrettenden Organe verbrannt. Der mutmassliche oder zu Lebzeiten geäusserte Wille des Verstorbenen spielt da oftmals keine Rolle. Die Urnenbestattung ist erheblich billiger, was insbesondere ins Gewicht fällt, nachdem das Sterbegeld der Krankenkassen abgeschafft wurde
Mehr noch: Sektionen in Universitätskrankenhäusern können auch ohne Einwilligung vorgenommen werden, wenn seitens der Angehörigen nicht binnen einer Frist widersprochen wird. Auch hier werden die Organe zur weiteren feingeweblichen Untersuchung entnommen.
Zusammengefasst:
Es ist zu hoffen, dass Organtransplantationen an Zahl deutlich zunehmen. Der Gesetzentwurf des Gesundheitsministers ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen ohne zu einer unakzeptablen Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Patienten zu führen.
Der Verfasser ist Arzt, Internist, Hämatologe und Ex-Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
In Deutschland wurden Im vergangenen Jahr 955 Organtransplantationen durchgeführt, gegenüber 9400 Patienten, die darauf warten, zum Teil jahrelang. Nicht wenige sterben, während der Wartezeit
Der tatsächliche Bedarf, insbesondere bei Nierentransplantationen, ist jedoch weit höher..
Organ-Spender gäbe es theoretisch genug, denn viele Patienten, die im Krankenhaus sterben, kämen als Spender in Frage, Erforderlich ist jedoch die Einwilligung des Patienten, in einem solchen Falle zum Organspender zu werden, oder, wenn diese fehlt, die Einwilligung der nächsten Angehörigen.
Gerade das bringt nicht selten die Angehörigen, insbesondere bei Unfallopfern – und die behandelnden Aerzte – in eine geradezu unerträgliche Situation: Nicht nur muss den Angehörigen die schockierende Diagnose mitgeteilt werden – diese müssen mit dieser schockierenden Nachricht ja erst einmal zurechtkommen – in dieser Lage werden sie auch noch um die Einwilligung zur Organentnahme gebeten, und müssen sich rasch entscheiden, denn die Zeit drängt.
Akzeptable Lösung
Der Gesetzentwurf des Gesundheitsministers – jeder Hirntote ist potentieller Organspender, es sei denn es liegt ein Widerspruch vor – ist eine sehr akzeptable Lösung, Er befreit auch die Angehörigen und den behandelnden Arzt aus dieser Lage. Er ist auch in der Mehrheit der europäischen Staaten – darunter Spanien und Österreich – bereits Gesetz, dort gibt es auch keinen vergleichbaren Organmangel mehr.
Durch die erneute Diskussion ist den allermeisten Angehörigen und potentiellen Spendern klar, sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, dass jeder sterbende gehirntote Patient als Spender in Frage kommt. Widerspricht jemand zu Lebzeiten, wird dieser Widerspruch in einer Liste eingetragen, die jeder Arzt vor der Organentnahme aufrufen muss.
Das Recht der Angehörigen, eine Organentnahme zu verweigern bleibt davon unberührt.
Inakzeptabler Alternativvorschlag
Der alternative Gesetzesvorschlag, auch der Grünen, soll dagegen bei Einreichung des Antrags zum Personalausweis mit der schriftlichen Frage nach der Zustimmung, Organspender zu werden, verbunden sein.
Ein untauglicher Vorschlag denn die Ordnungsbehörde ist kaum der Platz für eine derartige Entscheidung, einschliesslich Nachfragen des Betroffenen.
Bisher hatten schon die Krankenkassen ihre Miglieder angeschrieben, ohne damit signifikant die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Viele Menschen schieben die Auseinandersetzung mit dieser Frage von sich, wie generell die Beschäftigung mit dem Tode, so bleibt es dann schliesslich bei den Angehörigen hängen. Eine ausserordentlich unbefriedigende Lösung.
Drei Probleme
Drei grosse Probleme für den potentiellen Spender bzw. dessen Angehörige:
Das Herz schlägt noch. Einen Herzstillstand kann jeder Laie als Tod nachvollziehen, auch selbst fühlen. Die Bestimmung des Hirntodes, durch Elektroenzephalogramm (EEG) letztlich bewiesen, müssen die Betroffenen dem Arzt glauben.
Viele medizinische Laien glauben, solange das Herz schlägt kann es doch nicht der Tod sein. Ganz abgesehen davon dass das Herz nicht nur als Pumpe angesehen wird, sondern ihm emotionale Qualitäten zugeordnet werden, die jedoch im Gehirn lokalisiert sind.
Das Vertrauen in die korrekte Entscheidung des Arztes: Gerade in der Transplantationsmedizin gab es in der Vergangenheit reichlich Skandale. Nie allerdings ging es um die korrekte Feststellung des Hirntodes, sondern dass Patienten die Warteliste ueberspringen konnten, und eher ein Organ zugeteilt bekamen. Verdacht auf Bestechung wurde geäussert. Vertrauen ist jedoch nicht teilbar. Vertrauen erfordert daher auch Kontolle: engmaschige Kontrolle der strikten Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Organentnahme und Organzuteilung.
Entscheidungsfreiheit und Feuerbestattung
Hauptargument der Gegner der Widerspruchslösung: Hier werde in die Entscheidungsfreiheit, in die Selbstbestimmung des Patienten bzw. seiner Angehörigen eingegriffen.
Das ist jedoch unzutreffend. Zum einen kann der potentielle Spender zu Lebzeiten eine Nichteinwilligungserklärung abgeben, die zu 100% respektiert wird.
Das Interesse der Angehörigen ist gewahrt durch die Möglichkeit, die Organentnahme zu verweigern.
Das Argument der Verletzung der körperlichen Integrität des sterbenden Hirn-Toten ist wenig stichhaltig, auch wenn sie von dem Arzt und Redakteur der Sueddeutschen Zeitung Dr. Werner Bartens in der Sendung “Hart aber fair” in dieser Woche vertreten wurde.
Rund 80 % aller Toten werden heute eingeäschert, damit auch die potentiell lebensrettenden Organe verbrannt. Der mutmassliche oder zu Lebzeiten geäusserte Wille des Verstorbenen spielt da oftmals keine Rolle. Die Urnenbestattung ist erheblich billiger, was insbesondere ins Gewicht fällt, nachdem das Sterbegeld der Krankenkassen abgeschafft wurde
Mehr noch: Sektionen in Universitätskrankenhäusern können auch ohne Einwilligung vorgenommen werden, wenn seitens der Angehörigen nicht binnen einer Frist widersprochen wird. Auch hier werden die Organe zur weiteren feingeweblichen Untersuchung entnommen.
Zusammengefasst:
Es ist zu hoffen, dass Organtransplantationen an Zahl deutlich zunehmen. Der Gesetzentwurf des Gesundheitsministers ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen ohne zu einer unakzeptablen Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Patienten zu führen.
Der Verfasser ist Arzt, Internist, Hämatologe und Ex-Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt (M)
onlinedienst - 6. Apr, 17:05 Article 305x read