Südafrika: 100 Tage Präsident Jacob Zuma
Dr. Günter Pabst - Da gab es Tausende in Südafrika, die verkündet hatten, das Land verlassen zu wollen, wenn Jacob Zuma (67) Präsident werden sollte. Sie konnten sich nicht vorstellen, von einem Mann regiert zu werden, dem ein so negatives Image anhing. Die meisten haben ihre Koffer wieder ausgepackt.
Nicht etwa, weil Zuma über Nacht zum Saubermann geworden ist. Auch nicht, weil er sie mit einer neuen Politik überzeugt hätte. Die große Absetzbewegung fiel aus, weil Jacob Zuma sich seit dem Wahlsieg des ANC erstaunlich ruhig im Hintergrund hält. Man merkt kaum, dass da ein Wechsel im höchsten Staatsamt stattgefunden hat. Und bei vielen waren die Auswanderungsgelüste wohl auch eher unterentwickelt.
Das Fazit der ersten 100 Tage kann am besten so formuliert werden: Es gibt nichts weltbewegend Neues in der Politik. Die neue Regierung hat keine wirklichen Akzente gesetzt. Der Präsident gibt sich zurückhaltend, mehr wie ein Staatsoberhaupt als ein Regierungschef. Oberste Devise ist: Nur keinen Fehler machen und nicht unangenehm auffallen. Die scharfen Töne überlässt man wie so oft anderen, nämlich dem Gewerkschaftsverband COSATU und der Kommunistischen Partei SACP, den beiden Allianz-Partner des ANC.
Dabei hatte die Konfiguration der neuen Regierung durchaus Akzente versprochen. So gibt es zwei strategisch wichtige Ministerien in der Präsidentschaft, eines für Nationale Planung, geführt vom Star der letzten Regierungen, Ex-Finanzminister Trevor Manuel (53). Das andere nennt sich Ministerium für Monitoring + Evaluation, also so etwas wie der Watchdog des gesamten Regierungsapparates bis hinunter in die Gemeinden, geführt von Collins Chabane (49), ein der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannter Parteisoldat. Auch das Wirtschaftsressort ist aufgewertet worden. Es gibt – wie bisher – Trade + Industry, jetzt mit Rob Davies (61) an der Spitze, einem Führungsmitglied der SACP mit allerdings pragmatischen Zügen; er war im letzten Kabinett stellvertretender Wirtschaftsminister.
Neu ist Economic Development, geführt vom Ex-Gewerkschaftler Ebrahim Patel (47), bekannt für seine stramme Linksausrichtung. Zwei Linke also in den Wirtschaftsressorts; keine andere Besetzung im Kabinett macht so sehr deutlich, dass ein stärkerer Linkskurs unter Zuma zu erwarten ist.
Für Überraschung hat gesorgt, dass Tokyo Sexwale (56) bereit war, als Wohnungsbau-Minister in die Regierung einzutreten. Er war lange von vielen als Kandidat für die Präsidentschaft gehandelt worden und hat es mit Immobiliengeschäften und im Bergbau zu Milliarden gebracht - ein Vorzeige-Unternehmer und sicher eine Bereicherung für die Politik. Der Rest des Kabinetts ist eine Mischung aus alten Hasen, zum Teil in neuen Ämtern, und Newcomern, die bislang nicht im Rampenlicht gestanden waren.
Die nennenswerten Entwicklungen im Land fanden außerhalb der Politik statt. Es gab mal wieder eine Welle spektakulärer Streiks, wie immer begleitet von Gewalt und mit hässlichen Szenen. Aber sie waren aus Gewerkschaftssicht durchaus erfolgreich, sehr sogar. Der Öffentliche Dienst brauchte nur eine paar Schwerpunktstreiks, um nach geforderten 15% mit 13% nach Hause gehen zu können.
Die Bauarbeiter konnten 12,5% Lohnanhebungen durchsetzten, weil sie ein wertvolles Faustpfand geschickt eingestzt hatten: die Baustellen für die 2010-Infrastrukturmaßnahmen. Da gab es viel Schützenhilfe für die streikenden Arbeiter von ansonsten unbeteiligten Dritten, die um das Milliardengeschäft FIFA-Worldcup 2010 besorgt waren. Nach gut einer Woche sind die Bauarbeiten wieder ins Laufen gekommen; der Zeitplan ist nicht gefährdet. Vorläufig nicht. Denn es würde nicht überraschen, wenn dieses Faustpfand nicht noch ein weiteres Mal benutzt wird, bevor die 2010-Baustellen abgearbeitet sind und die Bauindustrie dann in der Rezession versinken wird.
Wenn man sich die Inflationsdaten (Juni 2009: 6,9%) ansieht und sich weiter vor Augen führt, dass auch Südafrika in einer tiefen Rezession steckt, müssen solche Tarif-Abschlüsse mit Sorge zur Kenntnis geommen werden. Und beim Abschluss im Öffentlichen Dienst kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte die Arbeitgeberseite, natürlich dominiert von ANC-Getreuen, den Gewerkschaften ein Dankeschön für deren Wahlhilfe spendiert.
Jacob Zuma hat auch einige personelle Weichen in Schlüsselpositionen gestellt. So hat er einen neuen Polizei-Commissioner ernannt, den kommenden Chief-Justice nominiert, eine neue Gouverneurin der Zentralbank benannt und den „Hawks“ ihr Leben eingehaucht, der neuen Spezialeinheit für die schwierigen Kriminalfälle. Ein geschicktes Händchen scheint er dabei gehabt zu haben. Denn jetzt ist sogar sein wohl schärfster und meistgeachteter Kritiker auf Schmusekurs gegangen – Ex-Erzbischof Desmond Tutu (77) sieht das Land nun auf einem guten Weg unter Jacob Zumas Führung. Das kommt einem Ritterschlag gleich.
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Dr. Günter Pabst hat in den letzten Jahren zu verschiedenen rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen in Fachzeitschriften und Magazinen Beiträge veröffentlicht. Mehrfach wurde er eingeladen, vor Wirtschaftsdelegationen in Südafrika und auf Seminaren und Workshops in Deutschland Vorträge zu diversen Südafrika-Themen zu halten. Dr. Papst ist Rechtsanwalt, seine Hompage finden sie unter Pabst & Pabst Consulting.
Nicht etwa, weil Zuma über Nacht zum Saubermann geworden ist. Auch nicht, weil er sie mit einer neuen Politik überzeugt hätte. Die große Absetzbewegung fiel aus, weil Jacob Zuma sich seit dem Wahlsieg des ANC erstaunlich ruhig im Hintergrund hält. Man merkt kaum, dass da ein Wechsel im höchsten Staatsamt stattgefunden hat. Und bei vielen waren die Auswanderungsgelüste wohl auch eher unterentwickelt.
Das Fazit der ersten 100 Tage kann am besten so formuliert werden: Es gibt nichts weltbewegend Neues in der Politik. Die neue Regierung hat keine wirklichen Akzente gesetzt. Der Präsident gibt sich zurückhaltend, mehr wie ein Staatsoberhaupt als ein Regierungschef. Oberste Devise ist: Nur keinen Fehler machen und nicht unangenehm auffallen. Die scharfen Töne überlässt man wie so oft anderen, nämlich dem Gewerkschaftsverband COSATU und der Kommunistischen Partei SACP, den beiden Allianz-Partner des ANC.
Dabei hatte die Konfiguration der neuen Regierung durchaus Akzente versprochen. So gibt es zwei strategisch wichtige Ministerien in der Präsidentschaft, eines für Nationale Planung, geführt vom Star der letzten Regierungen, Ex-Finanzminister Trevor Manuel (53). Das andere nennt sich Ministerium für Monitoring + Evaluation, also so etwas wie der Watchdog des gesamten Regierungsapparates bis hinunter in die Gemeinden, geführt von Collins Chabane (49), ein der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannter Parteisoldat. Auch das Wirtschaftsressort ist aufgewertet worden. Es gibt – wie bisher – Trade + Industry, jetzt mit Rob Davies (61) an der Spitze, einem Führungsmitglied der SACP mit allerdings pragmatischen Zügen; er war im letzten Kabinett stellvertretender Wirtschaftsminister.
Neu ist Economic Development, geführt vom Ex-Gewerkschaftler Ebrahim Patel (47), bekannt für seine stramme Linksausrichtung. Zwei Linke also in den Wirtschaftsressorts; keine andere Besetzung im Kabinett macht so sehr deutlich, dass ein stärkerer Linkskurs unter Zuma zu erwarten ist.
Für Überraschung hat gesorgt, dass Tokyo Sexwale (56) bereit war, als Wohnungsbau-Minister in die Regierung einzutreten. Er war lange von vielen als Kandidat für die Präsidentschaft gehandelt worden und hat es mit Immobiliengeschäften und im Bergbau zu Milliarden gebracht - ein Vorzeige-Unternehmer und sicher eine Bereicherung für die Politik. Der Rest des Kabinetts ist eine Mischung aus alten Hasen, zum Teil in neuen Ämtern, und Newcomern, die bislang nicht im Rampenlicht gestanden waren.
Die nennenswerten Entwicklungen im Land fanden außerhalb der Politik statt. Es gab mal wieder eine Welle spektakulärer Streiks, wie immer begleitet von Gewalt und mit hässlichen Szenen. Aber sie waren aus Gewerkschaftssicht durchaus erfolgreich, sehr sogar. Der Öffentliche Dienst brauchte nur eine paar Schwerpunktstreiks, um nach geforderten 15% mit 13% nach Hause gehen zu können.
Die Bauarbeiter konnten 12,5% Lohnanhebungen durchsetzten, weil sie ein wertvolles Faustpfand geschickt eingestzt hatten: die Baustellen für die 2010-Infrastrukturmaßnahmen. Da gab es viel Schützenhilfe für die streikenden Arbeiter von ansonsten unbeteiligten Dritten, die um das Milliardengeschäft FIFA-Worldcup 2010 besorgt waren. Nach gut einer Woche sind die Bauarbeiten wieder ins Laufen gekommen; der Zeitplan ist nicht gefährdet. Vorläufig nicht. Denn es würde nicht überraschen, wenn dieses Faustpfand nicht noch ein weiteres Mal benutzt wird, bevor die 2010-Baustellen abgearbeitet sind und die Bauindustrie dann in der Rezession versinken wird.
Wenn man sich die Inflationsdaten (Juni 2009: 6,9%) ansieht und sich weiter vor Augen führt, dass auch Südafrika in einer tiefen Rezession steckt, müssen solche Tarif-Abschlüsse mit Sorge zur Kenntnis geommen werden. Und beim Abschluss im Öffentlichen Dienst kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte die Arbeitgeberseite, natürlich dominiert von ANC-Getreuen, den Gewerkschaften ein Dankeschön für deren Wahlhilfe spendiert.
Jacob Zuma hat auch einige personelle Weichen in Schlüsselpositionen gestellt. So hat er einen neuen Polizei-Commissioner ernannt, den kommenden Chief-Justice nominiert, eine neue Gouverneurin der Zentralbank benannt und den „Hawks“ ihr Leben eingehaucht, der neuen Spezialeinheit für die schwierigen Kriminalfälle. Ein geschicktes Händchen scheint er dabei gehabt zu haben. Denn jetzt ist sogar sein wohl schärfster und meistgeachteter Kritiker auf Schmusekurs gegangen – Ex-Erzbischof Desmond Tutu (77) sieht das Land nun auf einem guten Weg unter Jacob Zumas Führung. Das kommt einem Ritterschlag gleich.


sfux - 12. Aug, 19:46 Article 1491x read