„Team Wallraff“ im Krankenhaus – Investigativjournalismus auf Abwegen?
Dr. med. Alexander von Paleske —– 29.4. 2023 ——
Vorgestern strahlte der Privatsender RTL eine Krankenhausreportage des “Teams Wallraff “aus. Der Beitrag verfolgte das Ziel, zu enthüllen, welche Zustände im Bereich der Patientenversorgung in Krankenhäusern mittlerweile herrschen.
Journalistin als Praktikantin
Eine Journalistin liess sich in drei Krankenhäusern, und zwar im St. Vincenz Krankenhaus Limburg/Lahn und in zwei Hamburger Krankenhäusern als Praktikantin einstellen, und berichtete dann von den jeweiligen Misständen: Durch Personalmangel verursachte mangelhafte Patientenversorgung, verschobene dringliche Operationen, falsche Medikamentenzubereitung, ungenügende Einarbeitung des im Ausland angeworbenen Pflegepersonals.
Die Misstände sind ohne Zweifel nicht nur zahlreich, sondern sehr besorgniserregend.
Die Reportage wurde durch Aufnahmen mit einer versteckten Kamera dokumentiert. So wurden auch teils schwerkranke Patienten gefilmt und deren Beschwerden.
Es bestehen jedoch ernsthafte Zweifel, ob die Patienten ihr volles Einverständnis zu diesen Aufnahmen gegeben haben, ob sie sich überhaupt der Tatsache bewusst waren, dass hier Aufnahmen für das Fernsehen gemacht wurden. Ein derartiges Vorgehen ist nicht akzeptabel, und kann auch nicht durch das Interesse der Oeffentlichkeit an den beklagenswerten Zuständen in vielen Krankenhäusern gerechtfertigt werden, denn hier gibt es andere Mittel: z.B. durch ein Interview mit der Praktikantin. Es besteht so der dringende Verdacht, dass schutzwürdige Interessen der Patienten missachtet wurden – trotz der Verblendung der Gesichter.
Wallraff und seine Reportagen
Der Investigativjournalist Günter Wallraff hat mit seinen Reportagen die “schmutzigen Ecken” der Republik immer wieder ausgeleuchet. Beginnend bereits in den 60er Jahren berichtete er in Artikeln und Büchern wie “Ihr da oben wir da unten”, “Der Aufmacher” (als verdeckter BILD Journalist) Ganz unten , in Reportagen als Schwarzer verkleidet auf Wohnungessuche, unter Obdachlosen in der kalten Jahreszeit, aber auch die schlechten Arbeitsbedingungen der Zulieferer bei den Paketdiensten enthüllte er. Die Liste der umfangreichen Recherchen Wallraffs siehe hier
In dieser Krankenhausreportage besteht aber der Verdacht einer Grenzüberschreitung, und zwar zum Nachteil derer, um deren Wohl und Wehe sich Wallraff ja sorgt.
Duz-Kumpel Lauterbach
Schliesslich kann Wallraff auch noch seinen Duz-Kumpel, den Gesundheitsminister Karl Lauterbach, zu den beobachteten Missständen befragen. Lauterbach stimmt Wallraff zu, beklagt somit die Zustände, für die er aber selbst ein gerüttelt Mass an Verantwortung trägt – allerdings ohne es zuzugeben, und ohne dass Wallraff es erwähnt.
Dabei war es Lauterbach, der als enger Berater der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) fungierte, und die Fallpauschale mit ihr „ausheckte“. Die Fallpauschale führte zur Durchkommerzialisierung des Krankenhausbetriebes mit scharfen Rationalisierungsmassnahmen, Personalkürzungen, Verdichtung des Arbeitstages und zunehmender Arbeitshetze.
Der Verwaltungschef eines Krankenhauses fasste die neue Fallpauschale-Marschrichtung so zusammen:
“er würde das medizinische und pflegerische Personal reduzieren, „bis die Leute quietschen,“ um dann eine Stelle mehr zu bewilligen, damit man sicher ist, an der Untergrenze des Personalbedarfs zu liegen“.
Die Folgen: Frustriertes, ausgepowertes Personal, Kündigungen und Anheuern bei Zeitarbeitsfirmen, die besser bezahlen oder Verlassen des Pflegeberufs. Die Folge für die Krankenhäuser: Personal-Knappheit, Mehrkosten durch Zeitarbeiter und ständige Neueinarbeitung dieser Mitarbeiter.
Als Folge der Fallpaiuschale wurden ausserdem überall lukrative Operationen und Behandlungen hochgefahren – zum Nachteil für die Krankenkassen und damit der Versicherten – und nicht zum unbedingten Vorteil für die Patienten.Die Indikationen zu diesen Behandlungen wurden und werden vielfach sehr grosszügig gestellt, parallel dazu die Verweildauer im Krankenhaus drastisch gekürzt, insbesondere zum Nachteil älterer multimorbider Patienten.
Wallraff bleibt bei der Beschreibung der beklagenswerten Zustände in den Krankenhäusern stehen, ohne die Ursachen zu benennen, und den Mit-Verursacher Lauterbach davonkommen lässt, statt ihn in die Mangel zu nehmen.
Fazit
Die Reportage ist auf Sensation getrimmt, benennt nicht die Ursachen für die Misstände, und setzt sich dem Verdacht aus, die Privatsphäre von Patienten zu missachten.
Vorgestern strahlte der Privatsender RTL eine Krankenhausreportage des “Teams Wallraff “aus. Der Beitrag verfolgte das Ziel, zu enthüllen, welche Zustände im Bereich der Patientenversorgung in Krankenhäusern mittlerweile herrschen.
Journalistin als Praktikantin
Eine Journalistin liess sich in drei Krankenhäusern, und zwar im St. Vincenz Krankenhaus Limburg/Lahn und in zwei Hamburger Krankenhäusern als Praktikantin einstellen, und berichtete dann von den jeweiligen Misständen: Durch Personalmangel verursachte mangelhafte Patientenversorgung, verschobene dringliche Operationen, falsche Medikamentenzubereitung, ungenügende Einarbeitung des im Ausland angeworbenen Pflegepersonals.
Die Misstände sind ohne Zweifel nicht nur zahlreich, sondern sehr besorgniserregend.
Die Reportage wurde durch Aufnahmen mit einer versteckten Kamera dokumentiert. So wurden auch teils schwerkranke Patienten gefilmt und deren Beschwerden.
Es bestehen jedoch ernsthafte Zweifel, ob die Patienten ihr volles Einverständnis zu diesen Aufnahmen gegeben haben, ob sie sich überhaupt der Tatsache bewusst waren, dass hier Aufnahmen für das Fernsehen gemacht wurden. Ein derartiges Vorgehen ist nicht akzeptabel, und kann auch nicht durch das Interesse der Oeffentlichkeit an den beklagenswerten Zuständen in vielen Krankenhäusern gerechtfertigt werden, denn hier gibt es andere Mittel: z.B. durch ein Interview mit der Praktikantin. Es besteht so der dringende Verdacht, dass schutzwürdige Interessen der Patienten missachtet wurden – trotz der Verblendung der Gesichter.
Wallraff und seine Reportagen
Der Investigativjournalist Günter Wallraff hat mit seinen Reportagen die “schmutzigen Ecken” der Republik immer wieder ausgeleuchet. Beginnend bereits in den 60er Jahren berichtete er in Artikeln und Büchern wie “Ihr da oben wir da unten”, “Der Aufmacher” (als verdeckter BILD Journalist) Ganz unten , in Reportagen als Schwarzer verkleidet auf Wohnungessuche, unter Obdachlosen in der kalten Jahreszeit, aber auch die schlechten Arbeitsbedingungen der Zulieferer bei den Paketdiensten enthüllte er. Die Liste der umfangreichen Recherchen Wallraffs siehe hier
In dieser Krankenhausreportage besteht aber der Verdacht einer Grenzüberschreitung, und zwar zum Nachteil derer, um deren Wohl und Wehe sich Wallraff ja sorgt.
Duz-Kumpel Lauterbach
Schliesslich kann Wallraff auch noch seinen Duz-Kumpel, den Gesundheitsminister Karl Lauterbach, zu den beobachteten Missständen befragen. Lauterbach stimmt Wallraff zu, beklagt somit die Zustände, für die er aber selbst ein gerüttelt Mass an Verantwortung trägt – allerdings ohne es zuzugeben, und ohne dass Wallraff es erwähnt.
Dabei war es Lauterbach, der als enger Berater der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) fungierte, und die Fallpauschale mit ihr „ausheckte“. Die Fallpauschale führte zur Durchkommerzialisierung des Krankenhausbetriebes mit scharfen Rationalisierungsmassnahmen, Personalkürzungen, Verdichtung des Arbeitstages und zunehmender Arbeitshetze.
Der Verwaltungschef eines Krankenhauses fasste die neue Fallpauschale-Marschrichtung so zusammen:
“er würde das medizinische und pflegerische Personal reduzieren, „bis die Leute quietschen,“ um dann eine Stelle mehr zu bewilligen, damit man sicher ist, an der Untergrenze des Personalbedarfs zu liegen“.
Die Folgen: Frustriertes, ausgepowertes Personal, Kündigungen und Anheuern bei Zeitarbeitsfirmen, die besser bezahlen oder Verlassen des Pflegeberufs. Die Folge für die Krankenhäuser: Personal-Knappheit, Mehrkosten durch Zeitarbeiter und ständige Neueinarbeitung dieser Mitarbeiter.
Als Folge der Fallpaiuschale wurden ausserdem überall lukrative Operationen und Behandlungen hochgefahren – zum Nachteil für die Krankenkassen und damit der Versicherten – und nicht zum unbedingten Vorteil für die Patienten.Die Indikationen zu diesen Behandlungen wurden und werden vielfach sehr grosszügig gestellt, parallel dazu die Verweildauer im Krankenhaus drastisch gekürzt, insbesondere zum Nachteil älterer multimorbider Patienten.
Wallraff bleibt bei der Beschreibung der beklagenswerten Zustände in den Krankenhäusern stehen, ohne die Ursachen zu benennen, und den Mit-Verursacher Lauterbach davonkommen lässt, statt ihn in die Mangel zu nehmen.
Fazit
Die Reportage ist auf Sensation getrimmt, benennt nicht die Ursachen für die Misstände, und setzt sich dem Verdacht aus, die Privatsphäre von Patienten zu missachten.
onlinedienst - 29. Apr, 20:12 Article 972x read