Neues UN-Treffen zum Kampfe gegen die Antibiotika-(Antiinfektiva-)Resistenz – sind Massnahmen gegen die sich anbahnende Katastrophe erwartbar?
Dr. Alexander von Paleske --- 28.7. 2024
Im Jahre 2016 fand eine UN-Konferenz mit der Teilnahme von 178 Staaten statt, um weltweit Massnahmen gegen die zunehmende Antibiotika- (Antiinfektiva- ) Resistenz zu ergreifen.
Hintergrund: die dramatisch zunehmende Resistenz von Bakterien, Pilzen und Viren gegen Antiinfektiva.
Insbesondere bedrohlich die Zunahme der Antibiotika-resistenten Bakterien. Von den weltweit rund 7.7 Millionen Todesfällen durch bakterielle Infektionen, sind rund 1,22 Millionen durch Antibiotika resistente Keime verursacht. Ausblick: Deutliche weitere Zunahme erwartet.
Zu den multiresistenten Keimen gehören zumeist sogenannte Hospital-Keime wie der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), die gramnegativen Problemkeime E. Coli, Pseudomonas, Klebsiellen u.v.m.
Eine Infektion mit resistenten Keimen kann insbesondere bei Frühgeborenen und immungeschwächten Menschen zu schweren Komplikationen führen. Um die Bakterien abzutöten, werden mittlerweile Reserveantibiotika eingesetzt. Aber auch gegen dieses haben sich bereits vereinzelt Resistenzen entwickelt.
Absolute Notwendigkeit
Antibiotika sind eine absolute Notwendigkeit in der Behandlung von Infektionskrankheiten; es ist daher nicht nur wichtig, dass neue Arzneistoffe entwickelt werden, sondern bereits eingesetzte Arzneimittel weiterhin wirksam bleiben, sofern sie nicht schon längst unwirksam geworden sind, wie beispielsweise das Penicillin in der Behandlung der Gonorrhoe (Tripper).
Nur 1,6%
Der gesamte Antibiotika-Markt macht rund 1,6 Prozent der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen aus.
Klar, dass sich grosse Pharmafirmen auf die Entwicklung neuer Medikamente gegen Volkskrankheiten wie Hochdruck, Diabetes u.s.w. konzentrieren, also Medikamente, die dauerhaft - oder zumindest für eine längere Zeit - eingenommen werden müssen.
Die Kosten für die Entwicklung neuer Medikamente, die irgendwo um 500 Millionen Euro liegen, lassen sich sonst nicht wieder „reinholen“.
Kleiner Lichtblick
Als kleiner Lichtblick die - allerdings sehr geringe - Zahl neu entwickelter Antibiotika, Aufzählung siehe hier sowie Cresomycin (in klinischer Prüfung) sowie Teixobactin und Clovibactin beide in der Entwicklungsphase.
Allerdings ist zu erwarten, dass, wie einst bei den Cephalosporinen der 3. Generation, seinerzeit Superantibiotika, sich bei unkritischen Einsatz doch - wie bei allen zuvor - Resistenzen bilden werden. So bleibt es vor allem, den Einsatz der Antibiotika strikt zu begrenzen durch vorbeugende
Massnahmen:
1. Infektionsverhütung z.B. durch sauberes Trinkwasser.
2. Verbot des durch Massentierhaltung notwendigen Einsatzes von hochpotenten auch in der Humanmedizin verwendeten Antibiotika, was sich im Prinzip nur durch die Abschaffung der Massentierhaltung (Tierfabriken) erreichen lässt.
3. Gezielter Einsatz der Antibiotika bei nachgewiesenen bakteriellen Infektionen, statt ungezielter „Schrotschussmethode“.
4. Bekämpfung der Hospitalismuskeime durch geeignete Massnahmen (strikte Einhaltung von Hygienevorschriften, regelmässige Überwachung insbesondere von Intensiv- und Neugeborenenstationen auf das Auftreten problematischer Keime)
5. Verhinderung des ungeklärten Abflusses von Antibiotika in die Kanalisation (Krankenhäuser, Pharma-Fabriken)
Auch Pilzinfektionen mit resistenten Erregern sind auf dem Vormarsch.
8 Prozent der Candida-glabrata-Stämme – hinter Candida albicans der zweitwichtigste Erreger von Hefepilz-Sepsis-– ist mit Echinocandin nicht mehr beizukommen, vor zehn Jahren war es noch die Hälfte. Auf den Secondline-Wirkstoff Fluconazol sprachen die Keime schon zuvor oft nicht mehr an.
Der Anteil der Aspergillus-Pilze, gegen die Azol-Antimykotika nicht mehr helfen, liegt inzwischen ebenfalls bei bis zu 6 Prozent. Tendenz: Steigend
Neue Gefahren
»Vorsicht: neuer multiresistenter Krankenhauskeim«, verkündete vor 5 Jahren Jahren die Gesundheitsbehörde CDC in den Vereinigten Staaten.Vor acht Jahren war den US-Amerikanern und ihren internationalen Kollegen Candida auris in Japan erstmals aufgefallen, als scheinbar harmloser Erreger von Ohrenentzündungen. Inzwischen hat der Hefepilz in sieben weiteren Ländern Blutvergiftungen und Wundinfektionen verursacht. In indischen und südkoreanischen Kliniken kam es sogar zu kleinen Epidemien. Deshalb sah die CDC nun Anlass, Alarm zu schlagen. Denn Candida auris ist gegen drei der wichtigsten Antimykotika-Klassen resistent und könne deshalb zu einer sehr großen therapeutischen Herausforderung werden
In Vancouver Island (Kanada) , hat sich der Pilz Cryptococcus gattii eingenistet, mehr als zweihundert Menschen infiziert, und fast zwanzig von ihnen das Leben gekostet. Das Besondere: er infiziert auch Gesunde.
Eigentlich ein Tropenkeim, hat er sich wohl mit einem einheimischen Verwandten gepaart und neue Eigenschaften erworben.
Auch in Deutschland scheint der Pilz regelmäßig vorzukommen, berichtete Volker Rickerts, der zuständige Experte vom Robert Koch Institut. Mindestens einmal jährlich wird er bei Menschen und Haustieren entdeckt.
Und die Dunkelziffer der Patienten mit einer entsprechenden Lungenentzündung könnte noch höher liegen«, so der Infektiologe. Vancouver Island zeigt seiner Meinung nach vor allem eines: »Pilze sind keine statischen Wesen. Sie können sich jederzeit verändern – auch in Weisen, die wir nicht vorhersehen können.«
Weitere Konferenz
Im September 2024 findet erneut eine UN-Konferenz zu diesem Thema statt. Die bisherige Bilanz der 2016 versprochenen Massnahmen ist ernüchternd: Weniger als 20% der Staaten haben haben die beschlossenen Massnahmen umgesetzt.
Massnahmen, die an sich noch nicht ausreichen, um die Ausbfreitung der Antiinfektiva-Inzidenz nachhaltig zu stoppen, und damit die Wirksamkeit vorhandenen Antibiotika zu erhalten.
Die Zeit drängt: sollten die Resistenzen weiter zunehmen, dann werden selbst einfache Infektionen nicht mehr behandelbar. Eine Katastrophe "ïn making".
Im Jahre 2016 fand eine UN-Konferenz mit der Teilnahme von 178 Staaten statt, um weltweit Massnahmen gegen die zunehmende Antibiotika- (Antiinfektiva- ) Resistenz zu ergreifen.
Hintergrund: die dramatisch zunehmende Resistenz von Bakterien, Pilzen und Viren gegen Antiinfektiva.
Insbesondere bedrohlich die Zunahme der Antibiotika-resistenten Bakterien. Von den weltweit rund 7.7 Millionen Todesfällen durch bakterielle Infektionen, sind rund 1,22 Millionen durch Antibiotika resistente Keime verursacht. Ausblick: Deutliche weitere Zunahme erwartet.
Zu den multiresistenten Keimen gehören zumeist sogenannte Hospital-Keime wie der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), die gramnegativen Problemkeime E. Coli, Pseudomonas, Klebsiellen u.v.m.
Eine Infektion mit resistenten Keimen kann insbesondere bei Frühgeborenen und immungeschwächten Menschen zu schweren Komplikationen führen. Um die Bakterien abzutöten, werden mittlerweile Reserveantibiotika eingesetzt. Aber auch gegen dieses haben sich bereits vereinzelt Resistenzen entwickelt.
Absolute Notwendigkeit
Antibiotika sind eine absolute Notwendigkeit in der Behandlung von Infektionskrankheiten; es ist daher nicht nur wichtig, dass neue Arzneistoffe entwickelt werden, sondern bereits eingesetzte Arzneimittel weiterhin wirksam bleiben, sofern sie nicht schon längst unwirksam geworden sind, wie beispielsweise das Penicillin in der Behandlung der Gonorrhoe (Tripper).
Nur 1,6%
Der gesamte Antibiotika-Markt macht rund 1,6 Prozent der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen aus.
Klar, dass sich grosse Pharmafirmen auf die Entwicklung neuer Medikamente gegen Volkskrankheiten wie Hochdruck, Diabetes u.s.w. konzentrieren, also Medikamente, die dauerhaft - oder zumindest für eine längere Zeit - eingenommen werden müssen.
Die Kosten für die Entwicklung neuer Medikamente, die irgendwo um 500 Millionen Euro liegen, lassen sich sonst nicht wieder „reinholen“.
Kleiner Lichtblick
Als kleiner Lichtblick die - allerdings sehr geringe - Zahl neu entwickelter Antibiotika, Aufzählung siehe hier sowie Cresomycin (in klinischer Prüfung) sowie Teixobactin und Clovibactin beide in der Entwicklungsphase.
Allerdings ist zu erwarten, dass, wie einst bei den Cephalosporinen der 3. Generation, seinerzeit Superantibiotika, sich bei unkritischen Einsatz doch - wie bei allen zuvor - Resistenzen bilden werden. So bleibt es vor allem, den Einsatz der Antibiotika strikt zu begrenzen durch vorbeugende
Massnahmen:
1. Infektionsverhütung z.B. durch sauberes Trinkwasser.
2. Verbot des durch Massentierhaltung notwendigen Einsatzes von hochpotenten auch in der Humanmedizin verwendeten Antibiotika, was sich im Prinzip nur durch die Abschaffung der Massentierhaltung (Tierfabriken) erreichen lässt.
3. Gezielter Einsatz der Antibiotika bei nachgewiesenen bakteriellen Infektionen, statt ungezielter „Schrotschussmethode“.
4. Bekämpfung der Hospitalismuskeime durch geeignete Massnahmen (strikte Einhaltung von Hygienevorschriften, regelmässige Überwachung insbesondere von Intensiv- und Neugeborenenstationen auf das Auftreten problematischer Keime)
5. Verhinderung des ungeklärten Abflusses von Antibiotika in die Kanalisation (Krankenhäuser, Pharma-Fabriken)
Auch Pilzinfektionen mit resistenten Erregern sind auf dem Vormarsch.
8 Prozent der Candida-glabrata-Stämme – hinter Candida albicans der zweitwichtigste Erreger von Hefepilz-Sepsis-– ist mit Echinocandin nicht mehr beizukommen, vor zehn Jahren war es noch die Hälfte. Auf den Secondline-Wirkstoff Fluconazol sprachen die Keime schon zuvor oft nicht mehr an.
Der Anteil der Aspergillus-Pilze, gegen die Azol-Antimykotika nicht mehr helfen, liegt inzwischen ebenfalls bei bis zu 6 Prozent. Tendenz: Steigend
Neue Gefahren
»Vorsicht: neuer multiresistenter Krankenhauskeim«, verkündete vor 5 Jahren Jahren die Gesundheitsbehörde CDC in den Vereinigten Staaten.Vor acht Jahren war den US-Amerikanern und ihren internationalen Kollegen Candida auris in Japan erstmals aufgefallen, als scheinbar harmloser Erreger von Ohrenentzündungen. Inzwischen hat der Hefepilz in sieben weiteren Ländern Blutvergiftungen und Wundinfektionen verursacht. In indischen und südkoreanischen Kliniken kam es sogar zu kleinen Epidemien. Deshalb sah die CDC nun Anlass, Alarm zu schlagen. Denn Candida auris ist gegen drei der wichtigsten Antimykotika-Klassen resistent und könne deshalb zu einer sehr großen therapeutischen Herausforderung werden
In Vancouver Island (Kanada) , hat sich der Pilz Cryptococcus gattii eingenistet, mehr als zweihundert Menschen infiziert, und fast zwanzig von ihnen das Leben gekostet. Das Besondere: er infiziert auch Gesunde.
Eigentlich ein Tropenkeim, hat er sich wohl mit einem einheimischen Verwandten gepaart und neue Eigenschaften erworben.
Auch in Deutschland scheint der Pilz regelmäßig vorzukommen, berichtete Volker Rickerts, der zuständige Experte vom Robert Koch Institut. Mindestens einmal jährlich wird er bei Menschen und Haustieren entdeckt.
Und die Dunkelziffer der Patienten mit einer entsprechenden Lungenentzündung könnte noch höher liegen«, so der Infektiologe. Vancouver Island zeigt seiner Meinung nach vor allem eines: »Pilze sind keine statischen Wesen. Sie können sich jederzeit verändern – auch in Weisen, die wir nicht vorhersehen können.«
Weitere Konferenz
Im September 2024 findet erneut eine UN-Konferenz zu diesem Thema statt. Die bisherige Bilanz der 2016 versprochenen Massnahmen ist ernüchternd: Weniger als 20% der Staaten haben haben die beschlossenen Massnahmen umgesetzt.
Massnahmen, die an sich noch nicht ausreichen, um die Ausbfreitung der Antiinfektiva-Inzidenz nachhaltig zu stoppen, und damit die Wirksamkeit vorhandenen Antibiotika zu erhalten.
Die Zeit drängt: sollten die Resistenzen weiter zunehmen, dann werden selbst einfache Infektionen nicht mehr behandelbar. Eine Katastrophe "ïn making".
onlinedienst - 28. Jul, 22:17 Article 581x read