Libyen kein Boden für einen Aufstand wie in Ägypten
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait - Die Lage in Libyen war von Anfang an unübersichtlich. Die raschen Ereignisse bis zum Massaker der Demonstranten lassen viele Fragen offen. Libyen ist das Land mit dem höchsten Pro-Kopfeinkommen Afrikas.
Zudem ist hier der Reichtum um einiges gleichmäßiger verteilt als in den meisten anderen Ländern der Region. Auf der ökonomischen Ebene verfügt Libyen über ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen, das mit 12.020 Dollar fast europäischen Standard erreicht und das mehr als viermal so hoch wie in Tunesien ist, und das Sechsfache des ägyptischen beträgt. Für Güter des Grundbedarfs gelten Preisobergrenzen. Medizinische Versorgung und kostenlose Ausbildung sind in Libyen gesichert.
Diese regional relativ guten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Libyen sind eigentlich kein Boden für einen sozialen Aufstand wie in Ägypten und Tunesien.
Wer hätte Interesse, das Land so sehr zu destabilisieren, dass Chaos und mörderische Gewalt plötzlich in offenbaren Vordergrund stehen und westliche Länder dazu veranlassen, unter dem Vorwand „humanitäre Intervention“, ihre eigene Lesart von Freiheit dorthin exportieren zu wollen.
Dabei kursieren in der europäischen Öffentlichkeit merkwürdige Begriffe wie „Völkermord“ und das falsche Gerücht, Gaddafi befinde sich auf der Flucht nach Venezuela. Inzwischen erweist sich, dass diese Falschmeldung ursprünglich aus London kam. Eine solche Falschheit zielte nicht nur auf Gaddafi, sondern auch darauf, den Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, zu belasten. Bemerkenswert ist es auch, dass ausgerechnet die Öl-Provinzen Libyens in die Hände der abtrünnigen militärischen Einheiten fallen. Ein Zufall? Ausgerechnet aus diesen Öl-Provinzen beginnen sofort britische Stellen wie Reuter und BBC zu berichten.
Zu Recht hat sich die US-Außenministerin Hillary Clinton im Zusammenhang mit dem Massaker von Zivilisten nicht so schnell geäußert. Sicherlich hat sie sich auch danach gefragt, was dahinter steckt und versucht, sich vor einer öffentlichen Stellungnahme Klarheit über die obskure Lage zu verschaffen.
Auch zu Recht verlangt die UN-Kommissarin für Menschenrechte eine Untersuchung über die Bombardierung von Zivilisten durch Luftangriffe in Libyen, um die Verantwortlichen zu identifizieren. Die SZ gibt eine zu schnelle Antwort darauf, indem sie das libysche Regime anklagt zu morden.
Aber es gibt Dementis sowohl von Gaddafi selbst als auch von seinem Sohn, denen zufolge keiner von beiden angeordnet habe, die Demonstranten zu bombardieren. Nur ein Munitionsdepot sei das Ziel gewesen. Also bleibt die Frage offen: Wer ordnete an zu morden? Wer hat Interesse daran, Gaddafi so zu diskreditieren und zu demontieren, und wer hat die Bereitschaft und die kaltblütige Fähigkeit dazu, ein entsetzliches Szenarium für eine solche Demontage und „humanitäre Intervention“ in Libyen zu schaffen, gerade dann, als sich Ägypten aus den Fängen des Westens beginnt zu befreien.
Wie das „anti-imperialistische“ Ägypten Nassers verstand sich auch Gaddafis Lilbyen als blockfrei. Der ägyptische Staatschef Gamal Abdel Nasser war Muammar al Gaddafis großes Vorbild. Aufgrund ebenso falscher Beschuldigungen aus London wurde Gaddafi in den achtziger Jahren als „Erzterrorist“ bezeichnet. Die US-Regierung Ronald Reagan nahm diese falschen Beschuldigungen zum Anlass, Libyen zu bombardieren (1986). Dabei wurde seine 15 Monate alte Adoptivtochter Hana getötet. Jahrelang wurde Libyen als Paria-Staat behandelt. Erst Mitte der neunziger Jahren korrigierten die USA ihre Beziehungen zu Libyen.
Der Panarabismus strebte theoretisch nach einer Vereinigung aller arabischen Völker vom Atlantik bis zum Golf. In der ersten Hälfte seiner Herrschaft unternahm auch Gaddafi zahlreiche Versuche, sich mit einem der Nachbarn zusammenzuschließen – nach dem Vorbild der kurzlebigen Vereinigten Arabischen Republik Ägyptens und Syriens, die zwischen 1958 und 1961 bestanden hatte. Alle diese Versuche scheiterten, aber sie galten und gelten sicherlich immer noch als ein Alptraum für westliche Staaten und vor allem für Israel.
Europa ist weit davon entfernt in vielerlei Hinsicht, ein demokratisches rechtsstaatliches Image von sich auszustrahlen. Eine europäische Außenpolitik hat es auch nie gegeben. Auf europäischer Bühne geht das egoistische Klein-Klein unvermindert weiter. Auf die Wende, die sich in der arabischen Welt profiliert, hat Europa keine Antwort, weil es keine gemeinschaftliche Außenpolitik hat, kein Konzept, um sie zu formulieren.
Längst war die soziale Bombe aus dem armen Süden vorherzusehen. Aber Europa und Deutschland waren mit ihrem militaristischen Größenwahn (NATO und ähnliche verheerende EU-Unternehmen) so beschäftigt, dass sie nicht begriffen haben, dass eine winzige Insel von Reichtum wie die EU inmitten eines Meeres von Armut nicht bestehen kann. Nicht nur Europäer existieren auf dieser Welt. Der arabische Aufstand lässt unmissverständlich erkennen, dass Europa nicht den Gang der Welt bestimmt. Genauso wie die Europäer ihre Einheit anstreben, haben die Araber dasselbe Recht, sich zu vereinigen. Europa sollte diese Entwicklung unterstützen, anstatt sie zu bremsen und sich für eine verheerende Intervention herzugeben.
Anstatt mit dem Kopf realistisch und fair die Ereignisse zu beurteilen, ist Europa wieder dabei, sich in militärische Inkursionen zu stürzen, weil es anscheinend anders nicht fähig oder nicht willig ist. Allein das Einschreiten des NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, eine NATO-Sondersitzung zu veranstalten, stellt diesen alten verhängnisvollen europäischen Geist bloß. Kriegsschiffe werden nicht zu zivilen Zwecken gebaut und auf Reise geschickt.
Auf keinen Fall darf sich Deutschland oder Europa in einen von Frankreich und Großbritannien ausgehenden längst überwunden geglaubten Kolonialismus dirigieren lassen. Der britische Versuch, eine neue Sicherheitsordnung im Nahen Osten mit Paris abzusprechen, hat keine Legitimation. Keine dieser im Nahen Osten fremden kriegerischen Mächte kann erwarten, von einem arabischen Volk anerkannt zu werden, um dort nach Zerstörung und Tod der Bevölkerung, die Gründung einer Ordnung gemäß ihrer fremden Interessen zu beanspruchen.
Sollte sich auch die USA auf eine von Europa angezettelten neuen abenteuerlichen militärischen Intervention einlassen, engagiert sich das Weiße Haus wieder in derselben Doppelzüngigkeit wie Großbritannien und Frankreich damals zu Zeiten ihrer imperialen Herrschaft in dieser Region. Mit dieser trügerischen, unseriösen und stark vom Kolonialwahn geprägten Politik gegenüber der arabischen Welt darf Deutschland nicht kooperieren.
Im Gegenteil, diese fatale Politik verdient von Europa, von den USA und Deutschland verurteilt zu werden oder mindestens, sich davon zu distanzieren. Wird dies versäumt, verliert auch Deutschland weiter seine Glaubwürdigkeit und zerstört die Hoffnungen für eine bessere und gerechtere Weltordnung, die nicht mit allen, sondern nur mit den gerechten und rechtlichen Mitteln zu schaffen ist. Die Zivilisation verlangt, zu aller erst Respekt gegenüber eines jeden Menschen und allen Völkern.
Alle Menschen haben die Chance auf einen demokratischen Wandel verdient. Europa kann sich nicht weiter als eine Festung gegen den Ansturm afrikanischer Migranten verstehen. Die Stunde hat geschlagen, Reichtum zu verteilen - sowohl im Inland als auch im Ausland.
Im Gegensatz zu europäischen Regierungen hält sich Washington in der Sache Libyen auffällig zurück, wie vor der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York am Abend des 22.2. offensichtlich war. Dort hatte sich Washington nicht formal dem Antrag der Europäer im Rat zur Einberufung der Sitzung angeschlossen. Völkerrechtlich gab es tatsächlich keinen Grund für eine solche Einberufung des Sicherheitsrats, der nur zuständig ist, wenn der Frieden eines Landes durch den Angriff eines anderen bedroht ist.
Libyen ist nicht ein solcher Fall. Der Nachbar Ägypten verstand auch nicht die Lage in Libyen als Bedrohung, wie sicherlich der britische Premier David Cameron mit seinem überraschenden Besuch in Kairo (21.2.) versuchte, die ägyptische Führung zu alarmieren, Vergebens. Die seltsame britische Geheim-Mission in Ägypten ist gescheitert. Dieses Scheitern des britischen Premiers ist der Öffentlichkeit entgangen. Kein ägyptischer Diplomat hat sich für die Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates entschieden. Anders als früher, war diesmal der britische Premier nicht zuerst nach Washington geflogen, sondern direkt nach Kairo, da London aller Wahrscheinlichkeit nach wusste, dass die US-Regierung von Barack Obama sich nicht wie die vorherigen auf eine solche abgekartete Intrige einlassen würde.
Ägypten hat das Spiel Großbritanniens durchschaut, anders als vormals Saudi-Arabien, als es sich der US-Mission 1991 beugte, gegen seine eigene Wahrnehmung Irak als Gefahr anzusehen und amerikanische Truppen auf sein Territorium erlaubte, um die Invasion Iraks zu ermöglichen. Alles nach Initiative von Margaret Thatcher, die zuerst nach Washington eilte, um dem Weißen Haus den britischen Plan vorzulegen.
Schon die Kriegsmaschinerie in Saudi-Arabien wurde im August 1991 auf alleinige Initiative der USA mit der Unterstützung von Großbritannien aufgestellt. Nicht nur beim militärischen Aufmarsch in Saudi-Arabien, sondern auch bei der ganzen Vorbereitung zum ersten Golfkrieg, bei seinem Angriffseinsatz gegen den Irak am 17. Januar 1991 wurde das Weiße Haus von Großbritannien angeheizt und geführt. Ebenso das intrigante Verhalten der US-Botschafterin in Bagdad, die damals das Oberhaupt Iraks, Saddam Hussein, davon überzeugte, die USA würden auf einen irakischen Einmarsch in Kuwait nicht reagieren.
Die Falle wurde dann gelegt, um den ersten Angriffskrieg gegen den Irak anzuzetteln (1991). Ebenso wie beim zweiten Golfkrieg gegen den Irak 2003: Das falsche Dossier über Massenvernichtungswaffen, das der US-Außenminister Colin Powell vor dem Sicherheitsrat vorlegte (Februar 2003), wurde in London konstruiert, gestempelt vom Premier Anthony Blair, der auch nach Washington eilte, um den hilflosen dummen George Bush Jr. leicht zu belügen und zu überzeugen.
Und welchen Manipulationen und Lügen werden wir aufgrund welcher Interessenlage jetzt ausgesetzt? Wer bezahlt die Milizionäre in Libyen? Was machen die Leute der Ölkonzerne wie BP, Shell, Eni und Standard Oil in Libyen? Eine UN-Untersuchungskommission der mörderischen Ereignisse in Libyen sollte die Aktivitäten dieser Leute klären.
Die massive Flüchtlingswelle nach Europa bedeutet auch kein Angriff im Sinne der UN-Charta. Wollen die Europäer da mit dem Segen der UN ein Massaker gegen Menschen verursachen, um ihren Wohlstand zu verteidigen? Dieses kriminelle Muster ist bekannt und hat in Europa Tradition.
Am Sitz der Vereinten Nationen in New York heißt es, die Vertreter Washingtons hätten zudem zu erkennen gegeben, dass sie die Anregung des Abtrünnigen stellvertretenden Missionschefs der libyschen UN-Botschaft, der Sicherheitsrat möge angesichts eines begonnenen „Völkermords“ Gaddafis an seinem eigenen Volk ein Flugverbot über Libyen verhängen, vorerst nicht unterstützen.
Echo eines solchen déjà-vu Wahnsinns gab es nur in Europa. Die Verhängung eines Flugverbots über Libyen bedürfe einer Resolution – und nicht nur völkerrechtlich irrelevanter Erklärungen des UN-Sicherheitsrates: Die Sprache des State Department war klar und deutlich, ebenso wie die vom Weißen Haus unter dem US-Präsident Barack Obama. Außenminister Guido Westerwelle distanzierte sich schnell von der impertinenten Begrifflichkeit „Völkermord“ und erklärte „es gäbe keinen Sinn“, so zu sprechen. In Wirklichkeit, steht damit die Öffentlichkeit vor einer erfundenen verheerenden Begrifflichkeit, die zu oft missbraucht wurde, um perfid andere Völker und Menschen aus egoistischen Interessen zu morden.
Der Leitartikel „Israels neue Welt“ von Peter Münch vom 26.2.11. enthält unzutreffende Anmerkungen, die stutzig machen: Er übersieht die Annexion der DDR durch die BRD, will auch nicht das fremde US-Diktat hinsichtlich der sogenannten deutsche Einheit wahrnehmen, eine Zwangsbedingung, die von Anfang an der US-Außenminister James Backer gegenüber der Kohl-Regierung durchsetzte. Dazu eilte Baker schon am 8.11.1989 nach Bonn. Das deutsche Volk konnte sich gemäß dem Art.146 des Grundgesetz nicht äußern, Grundgesetz-Artikel, der ohne Anwendung blieb.
Ist das eine Revolution? Auffällig ist auch, dass Peter Münch den Unsinn vom „Clash der Zivilisationen“ wieder ins Spiel bringt, eine propagandistische tendenziöse Masche der Bush-Ära, völlig überwunden und beiseite gelassen von der Obama-Regierung. Was soll diese kuriose Merkwürdigkeit im Zusammenhang mit den Ereignissen in der arabischen Welt?
Kurz nach der UN-Sitzung brach der Abteilungsleiter im US-Außenministerium für den Nahen Osten, Jeffrey Feltman, zu Besuchen nach Katar, Kuweit, Bahrein, Oman und in den Emiraten auf (23.2.). Konfliktpotential ist nämlich auch in Saudi-Arabien genug vorhanden. Darüber hinaus hatte Feltman mehrfach mit dem libyschen Außenminister Moussa Koussa telefoniert. Es ist anzumerken, dass der libysche Außenminister dem State Department ständig über die Lage des Landes informierte, denn die Gespräche waren sachlich, wie aus Washington bekannt wurde.
Bestimmte ultrarechte europäische Kreise in Verbindung mit ultrarechten CDU-Cliquen in Deutschland und Europa bleiben immer noch mit der Bush-Cheney-Clique verbunden und sind bis heute nicht bereit, sich mit der Obama-Linie abzufinden. Niemand sollte sich wundern, wenn solche faschistoiden Populisten einen Konflikt wie in Libyen benutzen, um zu versuchen, Obama zu stürzen. Energisch muss der US-Präsident solchem unheilvollen militaristischen Druck widerstehen, vor allem innerhalb der NATO, deren Generalsekretär ein Mann mit den Fäden zur Cheney-Bush-Clique ist. (Siehe auch http://www.jungewelt.de/2011/02-26/056.php, http://www.jungewelt.de/2011/02-26/036.php, http://www.jungewelt.de/2011/02-25/055.php )
Offensichtlich distanzieren sich die USA eindeutig von Europa, und wenn es notwendig ist, ernste Gespräche zu führen, dann nicht mit Deutschland. Mit seinem direkten Draht nach Tel-Aviv (offizielle ständige Regierungskonsultationen) schließt sich Berlin selbst aus. Merken das die deutschen Politiker, merkt das die Öffentlichkeit? Fragen sie sich, warum?
Das Bundeskanzleramt muss zukünftig die Außenpolitik voll und ganz dem Außenministerium überlassen, anstatt wie bisher viel zu oft dem blamabel kleinkarierten Greti und Pleti von der CDU im Bundeskanzleramt und außerhalb bis hinauf an die Spitze der bundesdeutschen Republik. Wie würde es der Bundespräsident Christian Wolff wahrnehmen, wenn ein anderes Staatsoberhaupt ihn öffentlich herablassend und in beleidigender Art bezeichnete? Was für ein Land ist das, wo man einen Gefallenen mit dem Fuß treten kann und dafür Zustimmung in der Bevölkerung findet? Wo bleiben hierzulande Würde und Anstand, die Anzeichen für eine humane Erziehung?
Die Autorin Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D.
Zudem ist hier der Reichtum um einiges gleichmäßiger verteilt als in den meisten anderen Ländern der Region. Auf der ökonomischen Ebene verfügt Libyen über ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen, das mit 12.020 Dollar fast europäischen Standard erreicht und das mehr als viermal so hoch wie in Tunesien ist, und das Sechsfache des ägyptischen beträgt. Für Güter des Grundbedarfs gelten Preisobergrenzen. Medizinische Versorgung und kostenlose Ausbildung sind in Libyen gesichert.
Diese regional relativ guten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Libyen sind eigentlich kein Boden für einen sozialen Aufstand wie in Ägypten und Tunesien.
Wer hätte Interesse, das Land so sehr zu destabilisieren, dass Chaos und mörderische Gewalt plötzlich in offenbaren Vordergrund stehen und westliche Länder dazu veranlassen, unter dem Vorwand „humanitäre Intervention“, ihre eigene Lesart von Freiheit dorthin exportieren zu wollen.
Dabei kursieren in der europäischen Öffentlichkeit merkwürdige Begriffe wie „Völkermord“ und das falsche Gerücht, Gaddafi befinde sich auf der Flucht nach Venezuela. Inzwischen erweist sich, dass diese Falschmeldung ursprünglich aus London kam. Eine solche Falschheit zielte nicht nur auf Gaddafi, sondern auch darauf, den Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, zu belasten. Bemerkenswert ist es auch, dass ausgerechnet die Öl-Provinzen Libyens in die Hände der abtrünnigen militärischen Einheiten fallen. Ein Zufall? Ausgerechnet aus diesen Öl-Provinzen beginnen sofort britische Stellen wie Reuter und BBC zu berichten.
Zu Recht hat sich die US-Außenministerin Hillary Clinton im Zusammenhang mit dem Massaker von Zivilisten nicht so schnell geäußert. Sicherlich hat sie sich auch danach gefragt, was dahinter steckt und versucht, sich vor einer öffentlichen Stellungnahme Klarheit über die obskure Lage zu verschaffen.
Auch zu Recht verlangt die UN-Kommissarin für Menschenrechte eine Untersuchung über die Bombardierung von Zivilisten durch Luftangriffe in Libyen, um die Verantwortlichen zu identifizieren. Die SZ gibt eine zu schnelle Antwort darauf, indem sie das libysche Regime anklagt zu morden.
Aber es gibt Dementis sowohl von Gaddafi selbst als auch von seinem Sohn, denen zufolge keiner von beiden angeordnet habe, die Demonstranten zu bombardieren. Nur ein Munitionsdepot sei das Ziel gewesen. Also bleibt die Frage offen: Wer ordnete an zu morden? Wer hat Interesse daran, Gaddafi so zu diskreditieren und zu demontieren, und wer hat die Bereitschaft und die kaltblütige Fähigkeit dazu, ein entsetzliches Szenarium für eine solche Demontage und „humanitäre Intervention“ in Libyen zu schaffen, gerade dann, als sich Ägypten aus den Fängen des Westens beginnt zu befreien.
Wie das „anti-imperialistische“ Ägypten Nassers verstand sich auch Gaddafis Lilbyen als blockfrei. Der ägyptische Staatschef Gamal Abdel Nasser war Muammar al Gaddafis großes Vorbild. Aufgrund ebenso falscher Beschuldigungen aus London wurde Gaddafi in den achtziger Jahren als „Erzterrorist“ bezeichnet. Die US-Regierung Ronald Reagan nahm diese falschen Beschuldigungen zum Anlass, Libyen zu bombardieren (1986). Dabei wurde seine 15 Monate alte Adoptivtochter Hana getötet. Jahrelang wurde Libyen als Paria-Staat behandelt. Erst Mitte der neunziger Jahren korrigierten die USA ihre Beziehungen zu Libyen.
Der Panarabismus strebte theoretisch nach einer Vereinigung aller arabischen Völker vom Atlantik bis zum Golf. In der ersten Hälfte seiner Herrschaft unternahm auch Gaddafi zahlreiche Versuche, sich mit einem der Nachbarn zusammenzuschließen – nach dem Vorbild der kurzlebigen Vereinigten Arabischen Republik Ägyptens und Syriens, die zwischen 1958 und 1961 bestanden hatte. Alle diese Versuche scheiterten, aber sie galten und gelten sicherlich immer noch als ein Alptraum für westliche Staaten und vor allem für Israel.
Europa ist weit davon entfernt in vielerlei Hinsicht, ein demokratisches rechtsstaatliches Image von sich auszustrahlen. Eine europäische Außenpolitik hat es auch nie gegeben. Auf europäischer Bühne geht das egoistische Klein-Klein unvermindert weiter. Auf die Wende, die sich in der arabischen Welt profiliert, hat Europa keine Antwort, weil es keine gemeinschaftliche Außenpolitik hat, kein Konzept, um sie zu formulieren.
Längst war die soziale Bombe aus dem armen Süden vorherzusehen. Aber Europa und Deutschland waren mit ihrem militaristischen Größenwahn (NATO und ähnliche verheerende EU-Unternehmen) so beschäftigt, dass sie nicht begriffen haben, dass eine winzige Insel von Reichtum wie die EU inmitten eines Meeres von Armut nicht bestehen kann. Nicht nur Europäer existieren auf dieser Welt. Der arabische Aufstand lässt unmissverständlich erkennen, dass Europa nicht den Gang der Welt bestimmt. Genauso wie die Europäer ihre Einheit anstreben, haben die Araber dasselbe Recht, sich zu vereinigen. Europa sollte diese Entwicklung unterstützen, anstatt sie zu bremsen und sich für eine verheerende Intervention herzugeben.
Anstatt mit dem Kopf realistisch und fair die Ereignisse zu beurteilen, ist Europa wieder dabei, sich in militärische Inkursionen zu stürzen, weil es anscheinend anders nicht fähig oder nicht willig ist. Allein das Einschreiten des NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, eine NATO-Sondersitzung zu veranstalten, stellt diesen alten verhängnisvollen europäischen Geist bloß. Kriegsschiffe werden nicht zu zivilen Zwecken gebaut und auf Reise geschickt.
Auf keinen Fall darf sich Deutschland oder Europa in einen von Frankreich und Großbritannien ausgehenden längst überwunden geglaubten Kolonialismus dirigieren lassen. Der britische Versuch, eine neue Sicherheitsordnung im Nahen Osten mit Paris abzusprechen, hat keine Legitimation. Keine dieser im Nahen Osten fremden kriegerischen Mächte kann erwarten, von einem arabischen Volk anerkannt zu werden, um dort nach Zerstörung und Tod der Bevölkerung, die Gründung einer Ordnung gemäß ihrer fremden Interessen zu beanspruchen.
Sollte sich auch die USA auf eine von Europa angezettelten neuen abenteuerlichen militärischen Intervention einlassen, engagiert sich das Weiße Haus wieder in derselben Doppelzüngigkeit wie Großbritannien und Frankreich damals zu Zeiten ihrer imperialen Herrschaft in dieser Region. Mit dieser trügerischen, unseriösen und stark vom Kolonialwahn geprägten Politik gegenüber der arabischen Welt darf Deutschland nicht kooperieren.
Im Gegenteil, diese fatale Politik verdient von Europa, von den USA und Deutschland verurteilt zu werden oder mindestens, sich davon zu distanzieren. Wird dies versäumt, verliert auch Deutschland weiter seine Glaubwürdigkeit und zerstört die Hoffnungen für eine bessere und gerechtere Weltordnung, die nicht mit allen, sondern nur mit den gerechten und rechtlichen Mitteln zu schaffen ist. Die Zivilisation verlangt, zu aller erst Respekt gegenüber eines jeden Menschen und allen Völkern.
Alle Menschen haben die Chance auf einen demokratischen Wandel verdient. Europa kann sich nicht weiter als eine Festung gegen den Ansturm afrikanischer Migranten verstehen. Die Stunde hat geschlagen, Reichtum zu verteilen - sowohl im Inland als auch im Ausland.
Im Gegensatz zu europäischen Regierungen hält sich Washington in der Sache Libyen auffällig zurück, wie vor der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York am Abend des 22.2. offensichtlich war. Dort hatte sich Washington nicht formal dem Antrag der Europäer im Rat zur Einberufung der Sitzung angeschlossen. Völkerrechtlich gab es tatsächlich keinen Grund für eine solche Einberufung des Sicherheitsrats, der nur zuständig ist, wenn der Frieden eines Landes durch den Angriff eines anderen bedroht ist.
Libyen ist nicht ein solcher Fall. Der Nachbar Ägypten verstand auch nicht die Lage in Libyen als Bedrohung, wie sicherlich der britische Premier David Cameron mit seinem überraschenden Besuch in Kairo (21.2.) versuchte, die ägyptische Führung zu alarmieren, Vergebens. Die seltsame britische Geheim-Mission in Ägypten ist gescheitert. Dieses Scheitern des britischen Premiers ist der Öffentlichkeit entgangen. Kein ägyptischer Diplomat hat sich für die Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates entschieden. Anders als früher, war diesmal der britische Premier nicht zuerst nach Washington geflogen, sondern direkt nach Kairo, da London aller Wahrscheinlichkeit nach wusste, dass die US-Regierung von Barack Obama sich nicht wie die vorherigen auf eine solche abgekartete Intrige einlassen würde.
Ägypten hat das Spiel Großbritanniens durchschaut, anders als vormals Saudi-Arabien, als es sich der US-Mission 1991 beugte, gegen seine eigene Wahrnehmung Irak als Gefahr anzusehen und amerikanische Truppen auf sein Territorium erlaubte, um die Invasion Iraks zu ermöglichen. Alles nach Initiative von Margaret Thatcher, die zuerst nach Washington eilte, um dem Weißen Haus den britischen Plan vorzulegen.
Schon die Kriegsmaschinerie in Saudi-Arabien wurde im August 1991 auf alleinige Initiative der USA mit der Unterstützung von Großbritannien aufgestellt. Nicht nur beim militärischen Aufmarsch in Saudi-Arabien, sondern auch bei der ganzen Vorbereitung zum ersten Golfkrieg, bei seinem Angriffseinsatz gegen den Irak am 17. Januar 1991 wurde das Weiße Haus von Großbritannien angeheizt und geführt. Ebenso das intrigante Verhalten der US-Botschafterin in Bagdad, die damals das Oberhaupt Iraks, Saddam Hussein, davon überzeugte, die USA würden auf einen irakischen Einmarsch in Kuwait nicht reagieren.
Die Falle wurde dann gelegt, um den ersten Angriffskrieg gegen den Irak anzuzetteln (1991). Ebenso wie beim zweiten Golfkrieg gegen den Irak 2003: Das falsche Dossier über Massenvernichtungswaffen, das der US-Außenminister Colin Powell vor dem Sicherheitsrat vorlegte (Februar 2003), wurde in London konstruiert, gestempelt vom Premier Anthony Blair, der auch nach Washington eilte, um den hilflosen dummen George Bush Jr. leicht zu belügen und zu überzeugen.
Und welchen Manipulationen und Lügen werden wir aufgrund welcher Interessenlage jetzt ausgesetzt? Wer bezahlt die Milizionäre in Libyen? Was machen die Leute der Ölkonzerne wie BP, Shell, Eni und Standard Oil in Libyen? Eine UN-Untersuchungskommission der mörderischen Ereignisse in Libyen sollte die Aktivitäten dieser Leute klären.
Die massive Flüchtlingswelle nach Europa bedeutet auch kein Angriff im Sinne der UN-Charta. Wollen die Europäer da mit dem Segen der UN ein Massaker gegen Menschen verursachen, um ihren Wohlstand zu verteidigen? Dieses kriminelle Muster ist bekannt und hat in Europa Tradition.
Am Sitz der Vereinten Nationen in New York heißt es, die Vertreter Washingtons hätten zudem zu erkennen gegeben, dass sie die Anregung des Abtrünnigen stellvertretenden Missionschefs der libyschen UN-Botschaft, der Sicherheitsrat möge angesichts eines begonnenen „Völkermords“ Gaddafis an seinem eigenen Volk ein Flugverbot über Libyen verhängen, vorerst nicht unterstützen.
Echo eines solchen déjà-vu Wahnsinns gab es nur in Europa. Die Verhängung eines Flugverbots über Libyen bedürfe einer Resolution – und nicht nur völkerrechtlich irrelevanter Erklärungen des UN-Sicherheitsrates: Die Sprache des State Department war klar und deutlich, ebenso wie die vom Weißen Haus unter dem US-Präsident Barack Obama. Außenminister Guido Westerwelle distanzierte sich schnell von der impertinenten Begrifflichkeit „Völkermord“ und erklärte „es gäbe keinen Sinn“, so zu sprechen. In Wirklichkeit, steht damit die Öffentlichkeit vor einer erfundenen verheerenden Begrifflichkeit, die zu oft missbraucht wurde, um perfid andere Völker und Menschen aus egoistischen Interessen zu morden.
Der Leitartikel „Israels neue Welt“ von Peter Münch vom 26.2.11. enthält unzutreffende Anmerkungen, die stutzig machen: Er übersieht die Annexion der DDR durch die BRD, will auch nicht das fremde US-Diktat hinsichtlich der sogenannten deutsche Einheit wahrnehmen, eine Zwangsbedingung, die von Anfang an der US-Außenminister James Backer gegenüber der Kohl-Regierung durchsetzte. Dazu eilte Baker schon am 8.11.1989 nach Bonn. Das deutsche Volk konnte sich gemäß dem Art.146 des Grundgesetz nicht äußern, Grundgesetz-Artikel, der ohne Anwendung blieb.
Ist das eine Revolution? Auffällig ist auch, dass Peter Münch den Unsinn vom „Clash der Zivilisationen“ wieder ins Spiel bringt, eine propagandistische tendenziöse Masche der Bush-Ära, völlig überwunden und beiseite gelassen von der Obama-Regierung. Was soll diese kuriose Merkwürdigkeit im Zusammenhang mit den Ereignissen in der arabischen Welt?
Kurz nach der UN-Sitzung brach der Abteilungsleiter im US-Außenministerium für den Nahen Osten, Jeffrey Feltman, zu Besuchen nach Katar, Kuweit, Bahrein, Oman und in den Emiraten auf (23.2.). Konfliktpotential ist nämlich auch in Saudi-Arabien genug vorhanden. Darüber hinaus hatte Feltman mehrfach mit dem libyschen Außenminister Moussa Koussa telefoniert. Es ist anzumerken, dass der libysche Außenminister dem State Department ständig über die Lage des Landes informierte, denn die Gespräche waren sachlich, wie aus Washington bekannt wurde.
Bestimmte ultrarechte europäische Kreise in Verbindung mit ultrarechten CDU-Cliquen in Deutschland und Europa bleiben immer noch mit der Bush-Cheney-Clique verbunden und sind bis heute nicht bereit, sich mit der Obama-Linie abzufinden. Niemand sollte sich wundern, wenn solche faschistoiden Populisten einen Konflikt wie in Libyen benutzen, um zu versuchen, Obama zu stürzen. Energisch muss der US-Präsident solchem unheilvollen militaristischen Druck widerstehen, vor allem innerhalb der NATO, deren Generalsekretär ein Mann mit den Fäden zur Cheney-Bush-Clique ist. (Siehe auch http://www.jungewelt.de/2011/02-26/056.php, http://www.jungewelt.de/2011/02-26/036.php, http://www.jungewelt.de/2011/02-25/055.php )
Offensichtlich distanzieren sich die USA eindeutig von Europa, und wenn es notwendig ist, ernste Gespräche zu führen, dann nicht mit Deutschland. Mit seinem direkten Draht nach Tel-Aviv (offizielle ständige Regierungskonsultationen) schließt sich Berlin selbst aus. Merken das die deutschen Politiker, merkt das die Öffentlichkeit? Fragen sie sich, warum?
Das Bundeskanzleramt muss zukünftig die Außenpolitik voll und ganz dem Außenministerium überlassen, anstatt wie bisher viel zu oft dem blamabel kleinkarierten Greti und Pleti von der CDU im Bundeskanzleramt und außerhalb bis hinauf an die Spitze der bundesdeutschen Republik. Wie würde es der Bundespräsident Christian Wolff wahrnehmen, wenn ein anderes Staatsoberhaupt ihn öffentlich herablassend und in beleidigender Art bezeichnete? Was für ein Land ist das, wo man einen Gefallenen mit dem Fuß treten kann und dafür Zustimmung in der Bevölkerung findet? Wo bleiben hierzulande Würde und Anstand, die Anzeichen für eine humane Erziehung?
Die Autorin Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D.
sfux - 27. Feb, 16:12 Article 3496x read