Spione machen den Kotau
Simon Spengler, Sandro Brotz & Alexander Sautter - KNIEFALL Die Schweizer Geheimdienste und der Bundesrat machen vor der US-Regierung den Bückling. Dass es sogar eine Entschuldigung bei der CIA gab, wird die Parlamentsdelegation morgen vor der Öffentlichkeit verschweigen. Ein Bericht aus der Dunkelkammer.
E s ist ein Kampf mit Platzpatronen, den der frühere Mafia-Jäger Dick Marty (61) gegen die CIA führt. Der Europarats-Sonderermittler hat nur eine einzige Waffe: «Ich kann öffentlich anprangern und so Druck erzeugen. Mein Ziel ist es, ein Klima zu schaffen, das die Leute zum Reden bringt.»
Geheimdienst-Kommission sagt nicht ganze Wahrheit
Dieses Ziel hat Marty in der Schweiz erreicht. Die Leute wollen reden. Bei SonntagsBlick melden sich seit der Veröffentlichung des ägyptischen Fax immer wieder Mitarbeiter der Nachrichtendienste. Aber auch bei Beamten in den Departementen der Bundesräte Christoph Blocher (65), Samuel Schmid (58) und Micheline Calmy-Rey (60) wächst der Unmut darüber, wie die offizielle Schweiz mit der CIA-Affäre umgeht.
Aus diesen Gesprächen mit zuverlässigen Quellen, bei denen den Geheimnisträgern absolute Anonymität zugestanden wurde, geht hervor:
Der Inlandgeheimdienst DAP (Dienst für Analyse und Prävention) und der Auslandgeheimdienst SND (Strategischer Nachrichtendienst) haben sich auf informeller Ebene bei hochrangigen CIA-Vertretern entschuldigt. Der DAP unter Urs von Daeniken (54) und der SND unter Hans Wegmüller (60) drückten gegenüber dem US-Geheimdienst ihr Bedauern über das Leck in den eigenen Reihen aus. Den Schlapphüten ging es in den Kontakten nicht um die Frage der Menschenrechte, sondern um die weitere Zusammenarbeit. Sie entschuldigten sich lieber für die Indiskretion, als nachzufragen, was es mit den Folterfliegern und Geheimgefängnissen auf sich hat.
Geheimdienst-Kommission sagt nicht ganze Wahrheit
«Über Kontakte zu ausländischen Diensten geben wir den Medien und der Öffentlichkeit grundsätzlich keine Auskünfte», sagt SND-Sprecher Roman Weissen. Dieselbe Auskunft erteilt auch DAP-Sprecherin Danièle Bersier. Was offiziell nie bestätigt würde, tönt auch SVP-Ständerat Hans Hofmann (66, ZH) nur an: «Jetzt muss wieder Vertrauen hergestellt werden. Dazu gehören Gespräche mit den Staaten und den Nachrichtendiensten. Es gehört sich, dass aktiv auf sie zugegangen wird, das Leck bedauert und in persönlichen Gesprächen wieder Vertrauen aufgebaut wird.»
Hofmann muss es wissen: Er ist Präsident der geheimsten Arbeitsgruppe der Schweiz, der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel). Ihre sechs Mitglieder haben den Auftrag, die Arbeit der Geheimdienste zu kontrollieren. Selbst der Treffpunkt ihrer letzten Sitzung hätte nicht bekannt werden sollen. Erfolglos. Mittwochmorgen um neun Uhr trafen sich die GPDel-Mitglieder vor dem Eingang des Bundeshauses West. Erst im Innern des Gebäudes erfahren sie, wo die Sitzung stattfindet. Und wo am Nachmittag der Sicherheitsausschuss mit den Bundesräten Blocher, Schmid und Calmy-Rey antraben muss. «Wir wurden von ihnen umfassend orientiert und dokumentiert», sagt Hofmann. Ob damit alle Fragen beantworten seien, werde er erst an der Präsentation des Berichts am Montag sagen.
Die Schweizer Geheimdienste hängen am Tropf der CIA.
Wird man uns die ganze Wahrheit sagen? Nein. SonntagsBlick weiss: Die Kommission wird behaupten, dass der Bundesrat und die Geheimdienste in der Fax-Affäre alles richtig gemacht hätten. Die Entschuldigung der Schlapphüte an die Adresse der CIA soll der Öffentlichkeit verschwiegen werden. Der Hintergrund ist klar: Die Schweizer Geheimdienste hängen am Tropf der CIA. Die meisten vom SND oder DAP intern als Erfolge verkauften Informationen beruhen auf Erkenntnissen des amerikanischen Geheimdienstes. «Diese Zusammenarbeit will man unter keinen Umständen aufs Spiel setzen», sagen übereinstimmend Quellen im In- und Auslandgeheimdienst. «Wenn ein Leck bekannt wird, betreiben die Dienste Schadenbegrenzung», sagt der renommierte deutsche Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom. «In diesem Fall besteht die Angst, dass die CIA ihren Informationsfluss in die Schweiz stoppen könnte.» Das Leck kümmert Bundesbern mehr, als dass die USA im Krieg gegen den Terrorismus zu unheiligen Mitteln greifen.
Nichts sehen. Nichts hören. Nichts sagen. Nur einer schaut hin: Europarats-Sonderermittler Dick Marty, der Washington diese Woche in seinem CIA-Zwischenbericht eine «systematische Auslagerung von Folter» vorgeworfen hat. Möglicherweise seien mehr als hundert Terrorverdächtige in andere Länder geflogen und dort misshandelt worden.
Von dem will unsere Regierung lieber nichts wissen. Ein Geheimdienst-Insider: «Das Schlimmste wäre für den Bundesrat, wenn seine Geheimdienste einen Beweis für die illegalen CIA-Machenschaften finden würden.» Warum interessiert sich der Bundesrat nicht für die Wahrheit? Der Insider: «Dann müsste er reagieren und einen wichtigen Handelspartner verärgern. Deshalb ist die Regierung heilfroh, dass die Schweizer Nachrichtendienste gar nicht erst genau hinschauen.» Selbst die NZZ forderte gestern in einem Kommentar: «Die Politik kann im Einsatz für die Menschenrechte nicht warten, bis ihr Beweise vorliegen.»
Nur gerade Aussenministerin Micheline Calmy-Rey versucht mit Interventionen bei der US-Botschaft in Bern, Informationen über die Überflüge und Landungen von CIA-Maschinen in der Schweiz zu bekommen. Auf eine Antwort wartet sie noch heute. Justizminister Blocher fällt ihr dabei in den Rücken: «Vermutlich werden wir keine Auskunft bekommen. Wir müssten zuerst beweisen, dass sie etwas Unrechtes gemacht haben», sagte er am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos gegenüber SonntagsBlick.
Calmy-Rey will sich dazu nicht äussern, aber aus ihrem Umfeld ist zu hören, dass mit Blochers Aussage ihre Interventionen torpediert wurden.
Es ist ein Trauerspiel, was der Bundesrat in der CIA-Affäre aufführt.
Keifen.
Kneifen.
Kuschen.
Mitarbeit: Christian Dorer
Der Artikel erschien im Sonntagsblick und erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autoren.
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Geheimdienst-Kommission sagt nicht ganze Wahrheit
Dieses Ziel hat Marty in der Schweiz erreicht. Die Leute wollen reden. Bei SonntagsBlick melden sich seit der Veröffentlichung des ägyptischen Fax immer wieder Mitarbeiter der Nachrichtendienste. Aber auch bei Beamten in den Departementen der Bundesräte Christoph Blocher (65), Samuel Schmid (58) und Micheline Calmy-Rey (60) wächst der Unmut darüber, wie die offizielle Schweiz mit der CIA-Affäre umgeht.
Aus diesen Gesprächen mit zuverlässigen Quellen, bei denen den Geheimnisträgern absolute Anonymität zugestanden wurde, geht hervor:
Der Inlandgeheimdienst DAP (Dienst für Analyse und Prävention) und der Auslandgeheimdienst SND (Strategischer Nachrichtendienst) haben sich auf informeller Ebene bei hochrangigen CIA-Vertretern entschuldigt. Der DAP unter Urs von Daeniken (54) und der SND unter Hans Wegmüller (60) drückten gegenüber dem US-Geheimdienst ihr Bedauern über das Leck in den eigenen Reihen aus. Den Schlapphüten ging es in den Kontakten nicht um die Frage der Menschenrechte, sondern um die weitere Zusammenarbeit. Sie entschuldigten sich lieber für die Indiskretion, als nachzufragen, was es mit den Folterfliegern und Geheimgefängnissen auf sich hat.
Geheimdienst-Kommission sagt nicht ganze Wahrheit
«Über Kontakte zu ausländischen Diensten geben wir den Medien und der Öffentlichkeit grundsätzlich keine Auskünfte», sagt SND-Sprecher Roman Weissen. Dieselbe Auskunft erteilt auch DAP-Sprecherin Danièle Bersier. Was offiziell nie bestätigt würde, tönt auch SVP-Ständerat Hans Hofmann (66, ZH) nur an: «Jetzt muss wieder Vertrauen hergestellt werden. Dazu gehören Gespräche mit den Staaten und den Nachrichtendiensten. Es gehört sich, dass aktiv auf sie zugegangen wird, das Leck bedauert und in persönlichen Gesprächen wieder Vertrauen aufgebaut wird.»
Hofmann muss es wissen: Er ist Präsident der geheimsten Arbeitsgruppe der Schweiz, der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel). Ihre sechs Mitglieder haben den Auftrag, die Arbeit der Geheimdienste zu kontrollieren. Selbst der Treffpunkt ihrer letzten Sitzung hätte nicht bekannt werden sollen. Erfolglos. Mittwochmorgen um neun Uhr trafen sich die GPDel-Mitglieder vor dem Eingang des Bundeshauses West. Erst im Innern des Gebäudes erfahren sie, wo die Sitzung stattfindet. Und wo am Nachmittag der Sicherheitsausschuss mit den Bundesräten Blocher, Schmid und Calmy-Rey antraben muss. «Wir wurden von ihnen umfassend orientiert und dokumentiert», sagt Hofmann. Ob damit alle Fragen beantworten seien, werde er erst an der Präsentation des Berichts am Montag sagen.
Die Schweizer Geheimdienste hängen am Tropf der CIA.
Wird man uns die ganze Wahrheit sagen? Nein. SonntagsBlick weiss: Die Kommission wird behaupten, dass der Bundesrat und die Geheimdienste in der Fax-Affäre alles richtig gemacht hätten. Die Entschuldigung der Schlapphüte an die Adresse der CIA soll der Öffentlichkeit verschwiegen werden. Der Hintergrund ist klar: Die Schweizer Geheimdienste hängen am Tropf der CIA. Die meisten vom SND oder DAP intern als Erfolge verkauften Informationen beruhen auf Erkenntnissen des amerikanischen Geheimdienstes. «Diese Zusammenarbeit will man unter keinen Umständen aufs Spiel setzen», sagen übereinstimmend Quellen im In- und Auslandgeheimdienst. «Wenn ein Leck bekannt wird, betreiben die Dienste Schadenbegrenzung», sagt der renommierte deutsche Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom. «In diesem Fall besteht die Angst, dass die CIA ihren Informationsfluss in die Schweiz stoppen könnte.» Das Leck kümmert Bundesbern mehr, als dass die USA im Krieg gegen den Terrorismus zu unheiligen Mitteln greifen.
Nichts sehen. Nichts hören. Nichts sagen. Nur einer schaut hin: Europarats-Sonderermittler Dick Marty, der Washington diese Woche in seinem CIA-Zwischenbericht eine «systematische Auslagerung von Folter» vorgeworfen hat. Möglicherweise seien mehr als hundert Terrorverdächtige in andere Länder geflogen und dort misshandelt worden.
Von dem will unsere Regierung lieber nichts wissen. Ein Geheimdienst-Insider: «Das Schlimmste wäre für den Bundesrat, wenn seine Geheimdienste einen Beweis für die illegalen CIA-Machenschaften finden würden.» Warum interessiert sich der Bundesrat nicht für die Wahrheit? Der Insider: «Dann müsste er reagieren und einen wichtigen Handelspartner verärgern. Deshalb ist die Regierung heilfroh, dass die Schweizer Nachrichtendienste gar nicht erst genau hinschauen.» Selbst die NZZ forderte gestern in einem Kommentar: «Die Politik kann im Einsatz für die Menschenrechte nicht warten, bis ihr Beweise vorliegen.»
Nur gerade Aussenministerin Micheline Calmy-Rey versucht mit Interventionen bei der US-Botschaft in Bern, Informationen über die Überflüge und Landungen von CIA-Maschinen in der Schweiz zu bekommen. Auf eine Antwort wartet sie noch heute. Justizminister Blocher fällt ihr dabei in den Rücken: «Vermutlich werden wir keine Auskunft bekommen. Wir müssten zuerst beweisen, dass sie etwas Unrechtes gemacht haben», sagte er am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos gegenüber SonntagsBlick.
Calmy-Rey will sich dazu nicht äussern, aber aus ihrem Umfeld ist zu hören, dass mit Blochers Aussage ihre Interventionen torpediert wurden.
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sfux - 1. Feb, 11:42 Article 4307x read