Mit Schaum vor dem Mund
Karl Weiss - Am kommenden Freitag kommt der Film zum Bestseller „Sakrileg" in die Filmtheater. Dies Werk und der jetzt folgende Film hat eine beispiellose Kampagne der katholischen Kirche und einiger ihrer Apologeten hervorgerufen, die Gift und Galle spucken. Man höre nur, wie einer der Artikel überschrieben ist: „Der Da Vinci Kot". Warum soviel Schaum vor dem Mund?
Noch als Großinquisitor hatte der jetzige Papst bereits das Buch verurteilt, es sage nicht die Wahrheit. Jetzt aber, da der Film droht, wird die Kampagne immer schriller. Selbst ein Presseorgan wie die ‚Süddeutsche Zeitung’, die sonst nicht so extrem kirchennah angesiedelt war, hat ihre Zeilen für religiöse Eiferer geöffnet, die ihren Kot loswerden müssen.
Selbst der famose Autor des „Kot"-Titels muß zugeben, das Buch „... ist spannend, witzig, unterhaltsam und nie langweilig. Das Buch ist zu Recht weltweit an 50 Millionen mal verkauft worden. Bessere Kurzweillesekost hat selten einen Computer verlassen." So werden denn auch wohl Hunderttausende, wenn nicht Millionen sich den Film ansehen, einschließlich des Autors dieser Zeilen, denn der Film mit Tom Hanks verspricht genauso spannend und unterhaltsam zu werden.
Was ist es also, was so viel Haßtiraden hervorruft?
Der Autor des Buches, Dan Brown, hat den Finger in einige offene Wunden der christlichen Religionen, speziell der katholischen, gelegt. Die christliche Lehre, wie wir sie kennen, ist nämlich nicht von Jesus oder seinen Jüngern oder Aposteln erfunden worden. Sie wurde vielmehr dreihundert Jahre später geboren, als sie offizielle Religion des Römischen Reiches wurde und dazu verschiedenen Ansprüchen zu genügen hatte.
Man wählte aus allen Schriften, die bis dahin über den Jesus von Nazareth überliefert waren, einige aus, die am besten paßten, ließ andere zur Seite, die diesen widersprachen. So wurde aus dem Propheten Jesus der Gott Jesus. Da aber in den Schriften Jesus sich wiederholt auf Gott im Himmel beruft, mußte die Konstruktion der Dreifaltigkeit erfunden werden. Es mußten die Traditionen anderer Religionen berücksichtigt werden, in denen es immer auch mindestens eine Göttin gab. So verklärte man Jesus Mutter zur Gottesmutter, die ohne Erbsünde geboren wurde.
Als Gott durfte Jesus auch nicht mehr verheiratet sein und keine Kinder gehabt haben, also eliminierte man alle Schriften, in denen dies erwähnt wird, aus der Anzahl, die der „Heiligen Schrift" zugeordnet wurden. Eine durchaus irdische Auswahl.
Dan Brown erinnert an diese Manipulationen, die praktisch alle wesentlichen Grundlagen des christlichen Glaubens erst erschaffen haben. Er läßt Maria Magdalena Jesus Frau sein und beide eine Tochter haben. Er läßt Leonardo da Vinci an diese Geschichte glauben und interpretiert in das berühmte Abendmahl-Gemälde hinein, er habe dies versteckt, aber ebenso deutlich damit ausdrücken wollen.
Unwichtig, ob das tatsächlich so ist (die Argumente sind allerdings ganz schon überzeugend). Wichtig aber, daß er damit auf eine schwärende Wunde hinweist, die Grundlagen des christlichen Glaubens betreffend.
Dan Browns Theorien mögen falsch und widerlegbar sein, nur ist es auch die Grundstory der christlichen Lehre. Deshalb sind die Reaktionen so harsch. Man muß darauf bestehen, daß die eigene Version die einzig richtige ist, die göttliche. Wer Versionen aufbringt, die man zurückgewiesen hat, ja überhaupt den Gedanken aufkommen läßt, es gäbe Versionen über Jesus, der rührt an Unberührbares und muß ausgetrieben werden wie der Leibhaftige.
Da nimmt man denn schon mal zu etwas handfesten Worten Zuflucht. Da ist nicht nur der Kot. Man schreibt auch: „In seinem Bestseller ‚Sakrileg’ verkauft Dan Brown Halbwahrheiten als historische Tatsachen." „Der Thriller verknüpft geschickt Verschwörungstheorien und Legenden." „...die kunstvoll aufgeschäumte These ..." „...nicht der geringste Hinweis auf solches Zeug ...." „...synthetisch erzeugte Welle der Aufregung ...". Die „...Thesen seien so absurd wie die Behauptung, dass die Erde eine Scheibe sei..." „Fiktion" „...zugehe wie bei Hempels unterm Sofa..." „...synthetisch stilisierte Skandalisierung..." „...ein Sakrileg an der Literatur...". Alles Zitate aus zwei Artikeln der „Süddeutschen", der eine, mit dem Kot im Titel, vom 15. Mai - rechtzeitig zur Filmpremiere - der andere schon zwei Wochen vorher, von einem gewissen Titus Arnu, mit dem ironischen Titel „Der eilige Gral".
Nun kann man natürlich den Katholiken, oder auch anderen Christen, nicht übel nehmen, daß sie ihre Glaubenssätze verteidigen. Aber muß man dazu so erregt schimpfen? Man bekommt den Eindruck, sie sind deshalb so aufgeregt, weil sie ihre Thesen genauso wenig beweisen können wie Dan Brown seine. Deshalb braucht man ja einen unfehlbaren Papst, damit ist dann alles bewiesen.
Immerhin ist es interessant, daß man sich dabei u.a. ausgerechnet auf die Story bezieht, daß es Leute gab, die fest und steif behaupteten, daß die Erde eine Scheibe sei und jeder, der anderes sage, der heiligen Inquisition ausgeliefert werden müsse. Wenn jemand, der so etwas in der Geschichte hat, die er verteidigt und jetzt ausgerechnet dieses Beispiel nimmt, um einen anderen unglaubwürdig zu machen, so wird die Ironie ungewollt und daher umso ironischer.
Da kommt es dann auch schon vor, daß man sich ein wenig vergaloppiert in der frenetischen Sicherheit, die man als Gläubiger hat. So lastet Titus Arnu Dan Brown an, daß er sagt, die Schriftrollen vom Toten Meer hätten andere Stories über Jesus beinhaltet und es hätte viel mehr als die vier Evangelien über Jesus gegeben. Sei nicht wahr, die Schriftrollen vom Toten Meer hätten überhaupt keinen Inhalt über Jesus. Da ist es natürlich peinlich, daß kurz nach dem Artikel die Geschichte mit dem „Judas-Evangelium", gefunden auf einer der Schriftrollen vom Toten Meer, in allen Zeitungen steht, wo eine andere Version über den angeblichen Verrat von Judas an Jesus erzählt wird. Dann muß man auch noch zugeben, daß es wirklich viel mehr Evangelien gab als die vier, die man verwendete, um die Story im richtigen Bild zu haben, nämlich 17.
So wird dann der Ankläger entlarvt: Es hatte Recht der Angeklagte, in diesem Fall Dan Brown.
Wenn wir uns also den Film ansehen, werden wir die Story mit aller Skepsis aufnehmen, so wie wir es mit der christlichen tun.
Noch als Großinquisitor hatte der jetzige Papst bereits das Buch verurteilt, es sage nicht die Wahrheit. Jetzt aber, da der Film droht, wird die Kampagne immer schriller. Selbst ein Presseorgan wie die ‚Süddeutsche Zeitung’, die sonst nicht so extrem kirchennah angesiedelt war, hat ihre Zeilen für religiöse Eiferer geöffnet, die ihren Kot loswerden müssen.
Selbst der famose Autor des „Kot"-Titels muß zugeben, das Buch „... ist spannend, witzig, unterhaltsam und nie langweilig. Das Buch ist zu Recht weltweit an 50 Millionen mal verkauft worden. Bessere Kurzweillesekost hat selten einen Computer verlassen." So werden denn auch wohl Hunderttausende, wenn nicht Millionen sich den Film ansehen, einschließlich des Autors dieser Zeilen, denn der Film mit Tom Hanks verspricht genauso spannend und unterhaltsam zu werden.
Was ist es also, was so viel Haßtiraden hervorruft?
Der Autor des Buches, Dan Brown, hat den Finger in einige offene Wunden der christlichen Religionen, speziell der katholischen, gelegt. Die christliche Lehre, wie wir sie kennen, ist nämlich nicht von Jesus oder seinen Jüngern oder Aposteln erfunden worden. Sie wurde vielmehr dreihundert Jahre später geboren, als sie offizielle Religion des Römischen Reiches wurde und dazu verschiedenen Ansprüchen zu genügen hatte.
Man wählte aus allen Schriften, die bis dahin über den Jesus von Nazareth überliefert waren, einige aus, die am besten paßten, ließ andere zur Seite, die diesen widersprachen. So wurde aus dem Propheten Jesus der Gott Jesus. Da aber in den Schriften Jesus sich wiederholt auf Gott im Himmel beruft, mußte die Konstruktion der Dreifaltigkeit erfunden werden. Es mußten die Traditionen anderer Religionen berücksichtigt werden, in denen es immer auch mindestens eine Göttin gab. So verklärte man Jesus Mutter zur Gottesmutter, die ohne Erbsünde geboren wurde.
Als Gott durfte Jesus auch nicht mehr verheiratet sein und keine Kinder gehabt haben, also eliminierte man alle Schriften, in denen dies erwähnt wird, aus der Anzahl, die der „Heiligen Schrift" zugeordnet wurden. Eine durchaus irdische Auswahl.
Dan Brown erinnert an diese Manipulationen, die praktisch alle wesentlichen Grundlagen des christlichen Glaubens erst erschaffen haben. Er läßt Maria Magdalena Jesus Frau sein und beide eine Tochter haben. Er läßt Leonardo da Vinci an diese Geschichte glauben und interpretiert in das berühmte Abendmahl-Gemälde hinein, er habe dies versteckt, aber ebenso deutlich damit ausdrücken wollen.
Unwichtig, ob das tatsächlich so ist (die Argumente sind allerdings ganz schon überzeugend). Wichtig aber, daß er damit auf eine schwärende Wunde hinweist, die Grundlagen des christlichen Glaubens betreffend.
Dan Browns Theorien mögen falsch und widerlegbar sein, nur ist es auch die Grundstory der christlichen Lehre. Deshalb sind die Reaktionen so harsch. Man muß darauf bestehen, daß die eigene Version die einzig richtige ist, die göttliche. Wer Versionen aufbringt, die man zurückgewiesen hat, ja überhaupt den Gedanken aufkommen läßt, es gäbe Versionen über Jesus, der rührt an Unberührbares und muß ausgetrieben werden wie der Leibhaftige.
Da nimmt man denn schon mal zu etwas handfesten Worten Zuflucht. Da ist nicht nur der Kot. Man schreibt auch: „In seinem Bestseller ‚Sakrileg’ verkauft Dan Brown Halbwahrheiten als historische Tatsachen." „Der Thriller verknüpft geschickt Verschwörungstheorien und Legenden." „...die kunstvoll aufgeschäumte These ..." „...nicht der geringste Hinweis auf solches Zeug ...." „...synthetisch erzeugte Welle der Aufregung ...". Die „...Thesen seien so absurd wie die Behauptung, dass die Erde eine Scheibe sei..." „Fiktion" „...zugehe wie bei Hempels unterm Sofa..." „...synthetisch stilisierte Skandalisierung..." „...ein Sakrileg an der Literatur...". Alles Zitate aus zwei Artikeln der „Süddeutschen", der eine, mit dem Kot im Titel, vom 15. Mai - rechtzeitig zur Filmpremiere - der andere schon zwei Wochen vorher, von einem gewissen Titus Arnu, mit dem ironischen Titel „Der eilige Gral".
Nun kann man natürlich den Katholiken, oder auch anderen Christen, nicht übel nehmen, daß sie ihre Glaubenssätze verteidigen. Aber muß man dazu so erregt schimpfen? Man bekommt den Eindruck, sie sind deshalb so aufgeregt, weil sie ihre Thesen genauso wenig beweisen können wie Dan Brown seine. Deshalb braucht man ja einen unfehlbaren Papst, damit ist dann alles bewiesen.
Immerhin ist es interessant, daß man sich dabei u.a. ausgerechnet auf die Story bezieht, daß es Leute gab, die fest und steif behaupteten, daß die Erde eine Scheibe sei und jeder, der anderes sage, der heiligen Inquisition ausgeliefert werden müsse. Wenn jemand, der so etwas in der Geschichte hat, die er verteidigt und jetzt ausgerechnet dieses Beispiel nimmt, um einen anderen unglaubwürdig zu machen, so wird die Ironie ungewollt und daher umso ironischer.
Da kommt es dann auch schon vor, daß man sich ein wenig vergaloppiert in der frenetischen Sicherheit, die man als Gläubiger hat. So lastet Titus Arnu Dan Brown an, daß er sagt, die Schriftrollen vom Toten Meer hätten andere Stories über Jesus beinhaltet und es hätte viel mehr als die vier Evangelien über Jesus gegeben. Sei nicht wahr, die Schriftrollen vom Toten Meer hätten überhaupt keinen Inhalt über Jesus. Da ist es natürlich peinlich, daß kurz nach dem Artikel die Geschichte mit dem „Judas-Evangelium", gefunden auf einer der Schriftrollen vom Toten Meer, in allen Zeitungen steht, wo eine andere Version über den angeblichen Verrat von Judas an Jesus erzählt wird. Dann muß man auch noch zugeben, daß es wirklich viel mehr Evangelien gab als die vier, die man verwendete, um die Story im richtigen Bild zu haben, nämlich 17.
So wird dann der Ankläger entlarvt: Es hatte Recht der Angeklagte, in diesem Fall Dan Brown.
Wenn wir uns also den Film ansehen, werden wir die Story mit aller Skepsis aufnehmen, so wie wir es mit der christlichen tun.
sfux - 17. Mai, 08:25 Article 2499x read