Das Menschenbild des Grundgesetzes „...datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar"
Karl Weiss - Die Datenschutzbeauftragten der Länder haben eine gemeinsame Erklärung zum Hartz-IV-Verschärfungsgesetz abgegeben, nachdem der Bundes-Datenschutzbeauftragte sich bereits im gleichen Sinne erklärt hatte. Neben Selbstverständlichkeiten enthält die Erklärung einiges Bemerkenswertes. Das Gesetz wird insgesamt als „datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar" angesehen.
Als ersten und am offensichtlichsten im Widerspruch zum Datenschutz stehenden Punkt identifizieren die Beauftragten die neue Regelung über die „Bedarfsgemeinschaften", eine juristische Konstruktion, die schon im eigentlichen Hartz-IV-Gesetz nicht klar definiert war und daher auch eigentlich keine rechtliche Wirkung hätte entfalten dürfen. Tatsächlich sind die Bedarfsgemeinschaften aber das am häufigsten benutzte Instrument, um Antragstellern kein Arbeitslosengeld II (ALG II) zu gewähren, unter dem Vorwand er (sie) lebe mit einer Person oder Personen in der gleichen Wohnung, die ihn (sie) unterhalten könnten.
Es gibt eine ins Gewicht fallende Anzahl von Prozessen gegen solche Ablehnungen, die auch bereits in der Hauptsache auf die Ebene der Landessozialgerichte, also der zweiten Instanz, gekommen sind. Trotzdem haben alle bisher damit befaßten Richter geurteilt, als gäbe es eine ausreichende Definition der „Bedarfsgemeinschaften" oder als ob sie überhaupt keine neue rechtliche Konstruktion seinen.
Kriterium Sex
Statt einer Sprungrevision direkt zum Bundesverfassungsgericht haben sie zum Teil so getan, als sei da anstelle von „Bedarfsgemeinschaft" der Begriff „eheähnliche Gemeinschaft" geschrieben, der aber von der Regierung und dem Gesetzgeber ausdrücklich nicht gebraucht wurde. Andere Richter haben so getan, als sei die „Bedarfsgemeinschaft" ausreichend konkret im Gesetz beschrieben, was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Jeder stellt sich darunter vor, was er will. So hat die Broschüre des Arbeitsministeriums, damals noch unter Clement, z.B. die Frage, ob eine Frau oder ein Mann Sex mit jemandem hat, als Kriterium für die „Bedarfsgemeinschaft" beschrieben.
Auch eine gemeinsame Urlaubsreise wurde als Begründung einer„Bedarfsgemeinschaf " angesehen. Selbst Sex mit einer Person, die gar nicht in der Wohnung lebt, wurde bereits als Begründung der „Bedarfsgemeinschaft" gesehen.
Auch das Bundesverfassungsgericht hatte bereits ausreichend die Möglichkeit, eine der Klagen gegen Hartz IV anzunehmen und diese Fragen zu klären. Alle Versuche wurden aber vom BVG abgeschmettert, z.T. offensichtlich unter Vorwänden.
Karriere an der Wand
Sowohl die Richter als auch die Verfassungsrichter wissen, was von ihnen erwartet wird. Auch wenn das Hartz-IV-Gesetz offensichtlich unzuläßig und nicht verfassungsgemäß war, so wird doch von ihnen erwartet, daß sie die politische Bedeutung des Gesetzes sehen (nämlich die Löhne zu senken und Niedriglohnbereiche zu schaffen) und dementsprechend staatstragend handeln, d.h. das Gesetz nicht angreifen. Hätte es ein Richter gewagt, so hätte er seine Karriere in den Wind schreiben können. Daß es aber auch nicht einen einzigen gegeben hat, der aufzumucken wagte, ist ein Armutszeugnis für die Richterschaft. Selbst unter der faschistischen Hitler-Herrschaft, als ein Aufmucken oft ein Todesurteil war, gab es vereinzelte Richter, die nicht mitmachten. Doch heute: nur Schweigen im Walde.
Und dabei haben wir hier noch gar nicht die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit angesprochen, sondern eine viel grundsätzlichere: Nämlich daß alle neuen juristischen Konstruktionen, die (noch) keine allgemein anerkannte Auslegung gefunden haben, ausreichend genau definiert sein müssen, um juristisch Wirkung entfalten zu können.
Das neue Gesetz zur Verschärfung von Hartz IV hat ja diesbezüglich eine noch viel absurdere Situation geschaffen als vorher (man wollte offenbar den Preis des absurdesten Gesetzes der Menschheitsgeschichte gewinnen). Nun wurde die Beweislast umgedreht: Der Antragsteller hat zu beweisen, daß er mit Personen, die in der gleichen Wohnung leben oder mit denen er sonst irgendwie Beziehungen hat, KEINE Bedarfsgemeinschaft bildet. Dabei ist die Bedarfsgemeinschaft weiterhin nicht klar definiert. Es ist schon praktisch unmöglich, zu widerlegen, daß etwas besteht, was nicht klar definiert ist. Zu beweisen, daß etwas NICHT besteht, was gar nicht klar definiert wird, ist objektiv unmöglich.
Datenschutz ist Menschenrecht
Genau auf diese Situation beziehen sich die Datenschutzbeauftragten, haben allerdings dabei auch den Fehler gemacht, die „Bedarfsgemeinschaften" einfach als „eheähnliche Gemeinschaften" zu definieren (Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hatte er ausreichend Zeit, dies klar zu machen). Sie schreiben:„... müßten Betroffene selbst nachweisen, daß sie nicht in eheähnlichen Gemeinschaften mit Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern leben. Wie dies in der Praxis geschehen soll, ist unklar. Betroffene könnten sich genötigt sehen, zum einen ihre Hilfsbedürftigkeit Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern und damit Dritten zu offenbaren, zum anderen deren sensible Daten preiszugeben.
Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Eine solche exzessive Datenerhebung wäre datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar." Die anderen Mängel, die die Datenschutzbeauftragten sehen, laufen darauf hinaus, daß sie darauf hinweisen, wie bestimmte Regelungen gehandhabt werden müßten. Da aber bereits ausreichend Erfahrungen vorliegen, daß sie nicht datenschutzrechtlich einwandfrei gehandhabt werden, hätten die Datenschutzbeauftragten hier deutlicher werden müssen.
Es sieht so aus, daß sowohl die Politiker als auch die Datenschutzbeauftragten offensichtliche Verstöße gegen Datenschutzgrundsätze als Kavalierdelikte ansehen. Da kann man schon mal den Zeigefinger erheben - und dabei bleibt es. In Wirklichkeit ist Datenschutz Menschenrecht,Teil der Grundrechte. Da wird ein Lehrer, der Antifaschist ist und dies nicht verheimlicht, als „verfassungsfeindlich" aus seinem Beruf entfernt, während die Politiker und ihre ausführenden Gehilfen offen Grundrechte brechen und selbstverständlich kein Härchen gekrümmt bekommen.
Das schlimmste, was passieren kann, ist, daß irgendwann in grauer Zukunft das Verfassungsgericht irgendein Detail für unzuläßig erklärt und dann wird man das eben ein bißchen ändern, wenn man mal Zeit hat.Die Datenschutzbeauftragten weisen auch noch auf einen besonders infamen Trick hin, den die von allen so geliebten Politiker schön öfters angewandt haben: Man läßt die Verantwortlichkeiten an zwei Stellen. In diesem Fall ist die Datenschutzverantwortung bei der Bundesagentur, aber die organisatorische Seite liegt bei den Ländern - und dort fallen die datenschutzrechtlichen Fragen ja an. Dadurch schafft man wissentlich ein Wirrwarr, das einen später leichter durch die Lücken der Datenschutzbestimmungen schlüpfen läßt. Die Datenschutzbeauftragten bemerken lakonisch: „Eine effektive Datenschutzkontrolle wird dadurch unmöglich".
Dabei ist das natürlich genau, was die Politik beabsichtigte.Nun, man kann schon voraussehen, was diese Erklärung der Datenschutzbeauftragten bewirken wird: Nichts. Schließlich wurden die Beauftragten ja nicht geschaffen um effektiv zu kontrollieren, sondern nur, damit man immer eine Ausrede hat.
Das schönste an der ganzen Erklärung ist aber zweifellos die Anrufung des „Menschenbildes des Grundgesetzes". „Es ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, auf diese Weise alle Arbeitsuchenden, die Grundsicherung beanspruchen, unter Generalverdacht zu stellen." Tatsächlich fast rührend, daß sich noch jemand erinnert, daß einmal ein paar unverbesserliche Gutmenschen ein bestimmtes ‚Menschenbild’ ins Grundgesetz geschrieben haben und sogar die Würde des Menschen als oberstes Gebot für alle Staatsgewalt genannt haben. Das ist doch nichts weiter als überholtes Anspruchdenken! Was wir brauchen, ist der schlanke Staat! Sch..... auf das Menschenbild des Grundgesetzes!
19 Fälle - Wie es in Wirklichkeit um Hartz IV aussieht
Hartz IV: Hausbesuche nur bei konkretem Verdacht
5 Millionen Arbeitslose einstellen
Künftig so gut wie keine Rentenversorgung
Als ersten und am offensichtlichsten im Widerspruch zum Datenschutz stehenden Punkt identifizieren die Beauftragten die neue Regelung über die „Bedarfsgemeinschaften", eine juristische Konstruktion, die schon im eigentlichen Hartz-IV-Gesetz nicht klar definiert war und daher auch eigentlich keine rechtliche Wirkung hätte entfalten dürfen. Tatsächlich sind die Bedarfsgemeinschaften aber das am häufigsten benutzte Instrument, um Antragstellern kein Arbeitslosengeld II (ALG II) zu gewähren, unter dem Vorwand er (sie) lebe mit einer Person oder Personen in der gleichen Wohnung, die ihn (sie) unterhalten könnten.
Es gibt eine ins Gewicht fallende Anzahl von Prozessen gegen solche Ablehnungen, die auch bereits in der Hauptsache auf die Ebene der Landessozialgerichte, also der zweiten Instanz, gekommen sind. Trotzdem haben alle bisher damit befaßten Richter geurteilt, als gäbe es eine ausreichende Definition der „Bedarfsgemeinschaften" oder als ob sie überhaupt keine neue rechtliche Konstruktion seinen.
Kriterium Sex
Statt einer Sprungrevision direkt zum Bundesverfassungsgericht haben sie zum Teil so getan, als sei da anstelle von „Bedarfsgemeinschaft" der Begriff „eheähnliche Gemeinschaft" geschrieben, der aber von der Regierung und dem Gesetzgeber ausdrücklich nicht gebraucht wurde. Andere Richter haben so getan, als sei die „Bedarfsgemeinschaft" ausreichend konkret im Gesetz beschrieben, was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Jeder stellt sich darunter vor, was er will. So hat die Broschüre des Arbeitsministeriums, damals noch unter Clement, z.B. die Frage, ob eine Frau oder ein Mann Sex mit jemandem hat, als Kriterium für die „Bedarfsgemeinschaft" beschrieben.
Auch eine gemeinsame Urlaubsreise wurde als Begründung einer„Bedarfsgemeinschaf " angesehen. Selbst Sex mit einer Person, die gar nicht in der Wohnung lebt, wurde bereits als Begründung der „Bedarfsgemeinschaft" gesehen.
Auch das Bundesverfassungsgericht hatte bereits ausreichend die Möglichkeit, eine der Klagen gegen Hartz IV anzunehmen und diese Fragen zu klären. Alle Versuche wurden aber vom BVG abgeschmettert, z.T. offensichtlich unter Vorwänden.
Karriere an der Wand
Sowohl die Richter als auch die Verfassungsrichter wissen, was von ihnen erwartet wird. Auch wenn das Hartz-IV-Gesetz offensichtlich unzuläßig und nicht verfassungsgemäß war, so wird doch von ihnen erwartet, daß sie die politische Bedeutung des Gesetzes sehen (nämlich die Löhne zu senken und Niedriglohnbereiche zu schaffen) und dementsprechend staatstragend handeln, d.h. das Gesetz nicht angreifen. Hätte es ein Richter gewagt, so hätte er seine Karriere in den Wind schreiben können. Daß es aber auch nicht einen einzigen gegeben hat, der aufzumucken wagte, ist ein Armutszeugnis für die Richterschaft. Selbst unter der faschistischen Hitler-Herrschaft, als ein Aufmucken oft ein Todesurteil war, gab es vereinzelte Richter, die nicht mitmachten. Doch heute: nur Schweigen im Walde.
Und dabei haben wir hier noch gar nicht die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit angesprochen, sondern eine viel grundsätzlichere: Nämlich daß alle neuen juristischen Konstruktionen, die (noch) keine allgemein anerkannte Auslegung gefunden haben, ausreichend genau definiert sein müssen, um juristisch Wirkung entfalten zu können.
Das neue Gesetz zur Verschärfung von Hartz IV hat ja diesbezüglich eine noch viel absurdere Situation geschaffen als vorher (man wollte offenbar den Preis des absurdesten Gesetzes der Menschheitsgeschichte gewinnen). Nun wurde die Beweislast umgedreht: Der Antragsteller hat zu beweisen, daß er mit Personen, die in der gleichen Wohnung leben oder mit denen er sonst irgendwie Beziehungen hat, KEINE Bedarfsgemeinschaft bildet. Dabei ist die Bedarfsgemeinschaft weiterhin nicht klar definiert. Es ist schon praktisch unmöglich, zu widerlegen, daß etwas besteht, was nicht klar definiert ist. Zu beweisen, daß etwas NICHT besteht, was gar nicht klar definiert wird, ist objektiv unmöglich.
Datenschutz ist Menschenrecht
Genau auf diese Situation beziehen sich die Datenschutzbeauftragten, haben allerdings dabei auch den Fehler gemacht, die „Bedarfsgemeinschaften" einfach als „eheähnliche Gemeinschaften" zu definieren (Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hatte er ausreichend Zeit, dies klar zu machen). Sie schreiben:„... müßten Betroffene selbst nachweisen, daß sie nicht in eheähnlichen Gemeinschaften mit Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern leben. Wie dies in der Praxis geschehen soll, ist unklar. Betroffene könnten sich genötigt sehen, zum einen ihre Hilfsbedürftigkeit Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern und damit Dritten zu offenbaren, zum anderen deren sensible Daten preiszugeben.
Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Eine solche exzessive Datenerhebung wäre datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar." Die anderen Mängel, die die Datenschutzbeauftragten sehen, laufen darauf hinaus, daß sie darauf hinweisen, wie bestimmte Regelungen gehandhabt werden müßten. Da aber bereits ausreichend Erfahrungen vorliegen, daß sie nicht datenschutzrechtlich einwandfrei gehandhabt werden, hätten die Datenschutzbeauftragten hier deutlicher werden müssen.
Es sieht so aus, daß sowohl die Politiker als auch die Datenschutzbeauftragten offensichtliche Verstöße gegen Datenschutzgrundsätze als Kavalierdelikte ansehen. Da kann man schon mal den Zeigefinger erheben - und dabei bleibt es. In Wirklichkeit ist Datenschutz Menschenrecht,Teil der Grundrechte. Da wird ein Lehrer, der Antifaschist ist und dies nicht verheimlicht, als „verfassungsfeindlich" aus seinem Beruf entfernt, während die Politiker und ihre ausführenden Gehilfen offen Grundrechte brechen und selbstverständlich kein Härchen gekrümmt bekommen.
Das schlimmste, was passieren kann, ist, daß irgendwann in grauer Zukunft das Verfassungsgericht irgendein Detail für unzuläßig erklärt und dann wird man das eben ein bißchen ändern, wenn man mal Zeit hat.Die Datenschutzbeauftragten weisen auch noch auf einen besonders infamen Trick hin, den die von allen so geliebten Politiker schön öfters angewandt haben: Man läßt die Verantwortlichkeiten an zwei Stellen. In diesem Fall ist die Datenschutzverantwortung bei der Bundesagentur, aber die organisatorische Seite liegt bei den Ländern - und dort fallen die datenschutzrechtlichen Fragen ja an. Dadurch schafft man wissentlich ein Wirrwarr, das einen später leichter durch die Lücken der Datenschutzbestimmungen schlüpfen läßt. Die Datenschutzbeauftragten bemerken lakonisch: „Eine effektive Datenschutzkontrolle wird dadurch unmöglich".
Dabei ist das natürlich genau, was die Politik beabsichtigte.Nun, man kann schon voraussehen, was diese Erklärung der Datenschutzbeauftragten bewirken wird: Nichts. Schließlich wurden die Beauftragten ja nicht geschaffen um effektiv zu kontrollieren, sondern nur, damit man immer eine Ausrede hat.
Das schönste an der ganzen Erklärung ist aber zweifellos die Anrufung des „Menschenbildes des Grundgesetzes". „Es ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, auf diese Weise alle Arbeitsuchenden, die Grundsicherung beanspruchen, unter Generalverdacht zu stellen." Tatsächlich fast rührend, daß sich noch jemand erinnert, daß einmal ein paar unverbesserliche Gutmenschen ein bestimmtes ‚Menschenbild’ ins Grundgesetz geschrieben haben und sogar die Würde des Menschen als oberstes Gebot für alle Staatsgewalt genannt haben. Das ist doch nichts weiter als überholtes Anspruchdenken! Was wir brauchen, ist der schlanke Staat! Sch..... auf das Menschenbild des Grundgesetzes!
19 Fälle - Wie es in Wirklichkeit um Hartz IV aussieht
Hartz IV: Hausbesuche nur bei konkretem Verdacht
5 Millionen Arbeitslose einstellen
Künftig so gut wie keine Rentenversorgung
sfux - 30. Mai, 07:54 Article 2361x read