Abteilung Späh und Horch - eine Farce?
Karl Weiss - Ich habe einen Bekannten von mir über seine Erfahrungen mit den (west)deutschen Schnüffeldiensten interviewt, nachdem das Thema nun mit der ‚Oberaufsicht’ über Peter Grottian, über Ramelow und über Lafontaine sowie die ganze Linksfraktion wieder ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist. Ich nenne den Interviewten Max.
Wie bist du in das Fadenkreuz der bundesdeutschen Späher und Schnüffler geraten?
Max: Ich hatte in den 70er Jahren bei der BASF in Ludwigshafen angefangen zu arbeiten und war dann dort in der Gewerkschaft, der IG Chemie, aktiv. Ich wurde zunächst zum Vertrauensmann von meinen Kollegen gewählt, später dann aber auch zum stellvertretenden und noch später ersten Sprecher der Vertrauensleute meines Bereichs. Ich habe als solcher verschiedentlich auf großen Vertrauensleuteversammlungen das Wort ergriffen. Wenn mal wieder ein beschämend niedriger Tarifabschluß da war, weil man das Kämpfen mit allen Mitteln verhindert wollte, habe ich das angeprangert und nicht nur die Leitung des Werkes, sondern auch jene Art von Gewerkschaftsführern angegriffen, die in engster Umarmung mit den Kapitalisten handelten.
Da gerietst du schnell in Verdacht, Kommunist zu sein?
Max: Ja. Ich war mit dessen eigentlich nicht so bewußt, aber als ich zum Vertrauensmann kandidierte, wurde ich bereits befragt, ob ich in der DKP sei. Als ich meine tiefe Verachtung des damaligen Systems in der DDR zum Ausdruck brachte, war man zunächst etwas ratlos, glaubte aber dann wohl, mich noch weiter links einordnen zu müssen.
Gab es da viele linke Gruppierungen in der Gewerkschaftsarbeit?
Max: Ja, einige. Die stärkste war die der DKP, die ich bald kennenlernte, auch persönlich. Es gab den freigestellten Betriebsrat Zimpelmann, einen gut bei den Arbeitern verankerten alten Kommunisten, der aber leider auch den Weg der DDR-Führung gegangen war. Als ich einmal zum Vertrauensmann kandidierte, sprach er sich offen gegen mich aus, denn er wußte, das ich die damaligen Regimes in der UdSSR und der DDR ablehnte.Aber es gab auch eine Anzahl von Trotzkisten, mit denen ich oft zusammenarbeitete, wenn ich mich auch von deren Organisation fernhielt. Schließlich gab es auch die KPD (ML) und den KAB (ML). Es gab eine fest installierte Gruppe linker Gewerkschafter, die sich regelmäßig traf und das Vorgehen absprach. So kamen wir damals schnell überein, die Forderung der 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich zu unterstützen, die von der IG-Chemie-Führung kategorisch abgelehnt wurde.
Im Jahr 1977 gelang es, in der Tarifrunde große Gruppen von Arbeitern zu aktivieren und die IG-Chemie-Führung konnte nicht mehr so einfach einen faulen Kompromiß abschließen. Unter deutlicher Einflußnahme unserer Gruppe von ‚Linken’ kamen wir bis zur Urabstimmung, die auch mit über 80% der Stimmen für den Streik positiv ausging. Dann gelang es aber der BASF-Leitung, in Zusammenarbeit mit den rechten Gewerkschaftsführern den Streik noch zu verhindern.
Wie kam es, daß du auf die Abteilung Späh und Horch des Staates aufmerksam wurdest?
Max: Nach der 77er-Tarifrunde hatte man uns anscheinend als Ziel der Ausspähung ausgemacht. Es begann, daß es im Telephon knackte, kurz nachdem eine Verbindung hergestellt war. Meine Frau sagte zwar, ich sei paranoid und die hätten, wenn schon, dann gewiß auch die Technik, daß es nicht knackt, aber einige Jahre später kam der Beweis, daß mein Telephon wirklich abgehört wurde: Wir hatten eine Feier unserer linken Gewerkschaftsgruppe vereinbart, aber der Ort mußte im letzten Moment in eine andere Kneipe verlegt werden. Von meinem Telephon aus waren alle vom neuen Ort benachrichtigt worden. Während der Feier dort kam dann ein Anruf von einer Person, die sich nicht identifizierte, aber einen nach dem anderen von den bekannten Personen ans Telephon rufen ließ. Wir als unerfahrene junge Leute fielen voll darauf herein. Nun hatte der VS oder wer auch immer da am Telephon war, die Bestätigung der fast vollständigen Liste der Gewerkschaftslinken in der BASF.
War das alles, nur abgehörte Telephone?
Max: Nein. Der nächste Schritt war persönlicher Druck. Ich war Reserveoffizier der Bundeswehr und bekam plötzlich einen Vorladung des „Militärischen Abschirm-Dienstes" (MAD). Ich sollte während der normalen Arbeitszeit beim örtlichen zuständigen Kreiswehrersatzamt erscheinen. Ich sagte, da müsse ich arbeiten, aber die Stimme am Telephon sagte, ich solle bei der BASF freinehmen, man werde mir schon freigeben. Da die Politik der BASF in dieser Hinsicht sehr restriktiv war, wunderte ich mich, als ich tatsächlich ohne weiteres frei bekam. Es gibt nur die Erklärung, daß die BASF dies gemeinsam mit dem MAD vorbereitet hatte.
Dort angekommen, ließ man mich zuerst Erklärungen zur Sicherheitseinstufung ausfüllen, die ich während der Bundeswehrzeit längst ausgefüllt hatte. Als man mich dann zu einer Befragung holte, wurde auch gleich klar, daß es nur um eine der Fragen ging, die sofort aufgeschlagen wurde: Mitgliedschaft in einer kommunistischen Organisation. Ich bestätigte, was ich bereits ausgefüllt hatte: Nein, ich sei nicht Mitglied.
Wie begründeten sie, diese Frage zu haben?
Max: Ja, genau das habe ich sie gefragt. Und dann kam der Hammer. Der Offizier, der mich befragte, holte ein Papier heraus und sagtem, er habe hier einen Bericht darüber, was ich auf der letzten Vertrauensleuteversammlung der BASF gesagt habe. Ich hätte eine aufrührerische Rede gehalten, hätte die eigene Gewerkschaft angegriffen und sei in jeder Beziehung als Systemgegner aufgetreten. Tatsächlich hatte ich auf jener Vollversammlung lediglich den faulen Kompromiß im Abschluß der damaligen Tarifrunde als solchen bezeichnet und hervorgehoben, es wäre deutlich mehr drin gewesen, wenn gekämpft worden wäre. Ich habe nie die Gewerkschaft angegriffen, sondern lediglich bestimmte Führer, die gemeinsame Sache mit dem Kapital machen.
Bezeichnend, was für eine Art von Spitzeln die damalige westdeutsche Stasi in solchen Versammlungen hatte: Leute, die es für aufrührerisch halten, wenn man dagegen ist, daß Tarifrunden kampflos verloren gegeben werden, oder anders ausgedrückt: Fanatische Extremisten mit obrigkeitsstaatlichem Denken, für die eine Kritik an einem Tarifabschluß bereits systemfeindlich ist. Wer auf solche „Informanten" angewiesen ist, wird praktisch jeden aufrechten Menschen ins Visier nehmen, genau das, was in der DDR die Stasi machte.
Wurdest du irgendwie bestraft für so viel Systemfeindlichkeit?
Max: Na, wie mans nimmt. Jedenfalls kam kurz danach eine neue Einstufung in eine spezielle Reserveeinheit der Bundeswehr, die nicht mehr bei der allgemeinen Mobilmachung einberufen wird, wie alle anderen Bundeswehrreservisten, sondern unabhängig davon gerufen werden kann. Das heißt nichts anderes, als daß die Bundeswehrreservisten, die als links gelten, im Falle eines Aufstandes gegen die kapitalistische Herrschaft einberufen und interniert werden.
Was hast du für Schlußfolgerungen daraus gezogen?
Max: Ich hatte damals kein großes Zutrauen zur Kraft der Arbeiter gehabt. Dann mußte ich mir aber sagen, warum haben die Herrschenden so eine Angst vor einem Aufstand, wenn der doch so unwahrscheinlich ist, wie ich meinte.Ich vertraue heute darauf, daß die Arbeiter sich all dies auf Dauer nicht gefallen lassen und den Herrschenden Grund geben, so besorgt gewesen zu sein.
Wie bist du in das Fadenkreuz der bundesdeutschen Späher und Schnüffler geraten?
Max: Ich hatte in den 70er Jahren bei der BASF in Ludwigshafen angefangen zu arbeiten und war dann dort in der Gewerkschaft, der IG Chemie, aktiv. Ich wurde zunächst zum Vertrauensmann von meinen Kollegen gewählt, später dann aber auch zum stellvertretenden und noch später ersten Sprecher der Vertrauensleute meines Bereichs. Ich habe als solcher verschiedentlich auf großen Vertrauensleuteversammlungen das Wort ergriffen. Wenn mal wieder ein beschämend niedriger Tarifabschluß da war, weil man das Kämpfen mit allen Mitteln verhindert wollte, habe ich das angeprangert und nicht nur die Leitung des Werkes, sondern auch jene Art von Gewerkschaftsführern angegriffen, die in engster Umarmung mit den Kapitalisten handelten.
Da gerietst du schnell in Verdacht, Kommunist zu sein?
Max: Ja. Ich war mit dessen eigentlich nicht so bewußt, aber als ich zum Vertrauensmann kandidierte, wurde ich bereits befragt, ob ich in der DKP sei. Als ich meine tiefe Verachtung des damaligen Systems in der DDR zum Ausdruck brachte, war man zunächst etwas ratlos, glaubte aber dann wohl, mich noch weiter links einordnen zu müssen.
Gab es da viele linke Gruppierungen in der Gewerkschaftsarbeit?
Max: Ja, einige. Die stärkste war die der DKP, die ich bald kennenlernte, auch persönlich. Es gab den freigestellten Betriebsrat Zimpelmann, einen gut bei den Arbeitern verankerten alten Kommunisten, der aber leider auch den Weg der DDR-Führung gegangen war. Als ich einmal zum Vertrauensmann kandidierte, sprach er sich offen gegen mich aus, denn er wußte, das ich die damaligen Regimes in der UdSSR und der DDR ablehnte.Aber es gab auch eine Anzahl von Trotzkisten, mit denen ich oft zusammenarbeitete, wenn ich mich auch von deren Organisation fernhielt. Schließlich gab es auch die KPD (ML) und den KAB (ML). Es gab eine fest installierte Gruppe linker Gewerkschafter, die sich regelmäßig traf und das Vorgehen absprach. So kamen wir damals schnell überein, die Forderung der 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich zu unterstützen, die von der IG-Chemie-Führung kategorisch abgelehnt wurde.
Im Jahr 1977 gelang es, in der Tarifrunde große Gruppen von Arbeitern zu aktivieren und die IG-Chemie-Führung konnte nicht mehr so einfach einen faulen Kompromiß abschließen. Unter deutlicher Einflußnahme unserer Gruppe von ‚Linken’ kamen wir bis zur Urabstimmung, die auch mit über 80% der Stimmen für den Streik positiv ausging. Dann gelang es aber der BASF-Leitung, in Zusammenarbeit mit den rechten Gewerkschaftsführern den Streik noch zu verhindern.
Wie kam es, daß du auf die Abteilung Späh und Horch des Staates aufmerksam wurdest?
Max: Nach der 77er-Tarifrunde hatte man uns anscheinend als Ziel der Ausspähung ausgemacht. Es begann, daß es im Telephon knackte, kurz nachdem eine Verbindung hergestellt war. Meine Frau sagte zwar, ich sei paranoid und die hätten, wenn schon, dann gewiß auch die Technik, daß es nicht knackt, aber einige Jahre später kam der Beweis, daß mein Telephon wirklich abgehört wurde: Wir hatten eine Feier unserer linken Gewerkschaftsgruppe vereinbart, aber der Ort mußte im letzten Moment in eine andere Kneipe verlegt werden. Von meinem Telephon aus waren alle vom neuen Ort benachrichtigt worden. Während der Feier dort kam dann ein Anruf von einer Person, die sich nicht identifizierte, aber einen nach dem anderen von den bekannten Personen ans Telephon rufen ließ. Wir als unerfahrene junge Leute fielen voll darauf herein. Nun hatte der VS oder wer auch immer da am Telephon war, die Bestätigung der fast vollständigen Liste der Gewerkschaftslinken in der BASF.
War das alles, nur abgehörte Telephone?
Max: Nein. Der nächste Schritt war persönlicher Druck. Ich war Reserveoffizier der Bundeswehr und bekam plötzlich einen Vorladung des „Militärischen Abschirm-Dienstes" (MAD). Ich sollte während der normalen Arbeitszeit beim örtlichen zuständigen Kreiswehrersatzamt erscheinen. Ich sagte, da müsse ich arbeiten, aber die Stimme am Telephon sagte, ich solle bei der BASF freinehmen, man werde mir schon freigeben. Da die Politik der BASF in dieser Hinsicht sehr restriktiv war, wunderte ich mich, als ich tatsächlich ohne weiteres frei bekam. Es gibt nur die Erklärung, daß die BASF dies gemeinsam mit dem MAD vorbereitet hatte.
Dort angekommen, ließ man mich zuerst Erklärungen zur Sicherheitseinstufung ausfüllen, die ich während der Bundeswehrzeit längst ausgefüllt hatte. Als man mich dann zu einer Befragung holte, wurde auch gleich klar, daß es nur um eine der Fragen ging, die sofort aufgeschlagen wurde: Mitgliedschaft in einer kommunistischen Organisation. Ich bestätigte, was ich bereits ausgefüllt hatte: Nein, ich sei nicht Mitglied.
Wie begründeten sie, diese Frage zu haben?
Max: Ja, genau das habe ich sie gefragt. Und dann kam der Hammer. Der Offizier, der mich befragte, holte ein Papier heraus und sagtem, er habe hier einen Bericht darüber, was ich auf der letzten Vertrauensleuteversammlung der BASF gesagt habe. Ich hätte eine aufrührerische Rede gehalten, hätte die eigene Gewerkschaft angegriffen und sei in jeder Beziehung als Systemgegner aufgetreten. Tatsächlich hatte ich auf jener Vollversammlung lediglich den faulen Kompromiß im Abschluß der damaligen Tarifrunde als solchen bezeichnet und hervorgehoben, es wäre deutlich mehr drin gewesen, wenn gekämpft worden wäre. Ich habe nie die Gewerkschaft angegriffen, sondern lediglich bestimmte Führer, die gemeinsame Sache mit dem Kapital machen.
Bezeichnend, was für eine Art von Spitzeln die damalige westdeutsche Stasi in solchen Versammlungen hatte: Leute, die es für aufrührerisch halten, wenn man dagegen ist, daß Tarifrunden kampflos verloren gegeben werden, oder anders ausgedrückt: Fanatische Extremisten mit obrigkeitsstaatlichem Denken, für die eine Kritik an einem Tarifabschluß bereits systemfeindlich ist. Wer auf solche „Informanten" angewiesen ist, wird praktisch jeden aufrechten Menschen ins Visier nehmen, genau das, was in der DDR die Stasi machte.
Wurdest du irgendwie bestraft für so viel Systemfeindlichkeit?
Max: Na, wie mans nimmt. Jedenfalls kam kurz danach eine neue Einstufung in eine spezielle Reserveeinheit der Bundeswehr, die nicht mehr bei der allgemeinen Mobilmachung einberufen wird, wie alle anderen Bundeswehrreservisten, sondern unabhängig davon gerufen werden kann. Das heißt nichts anderes, als daß die Bundeswehrreservisten, die als links gelten, im Falle eines Aufstandes gegen die kapitalistische Herrschaft einberufen und interniert werden.
Was hast du für Schlußfolgerungen daraus gezogen?
Max: Ich hatte damals kein großes Zutrauen zur Kraft der Arbeiter gehabt. Dann mußte ich mir aber sagen, warum haben die Herrschenden so eine Angst vor einem Aufstand, wenn der doch so unwahrscheinlich ist, wie ich meinte.Ich vertraue heute darauf, daß die Arbeiter sich all dies auf Dauer nicht gefallen lassen und den Herrschenden Grund geben, so besorgt gewesen zu sein.
sfux - 26. Jun, 08:00 Article 1462x read