Der amerikanische Aufschrei
Karl Weiss - In Europa unterliegen wir leicht der Illusion, daß das US-amerikanische Volk in weiten Teilen mit der Politik ihrer Oberen überinstimmt. Das ist nicht der Fall. Es handelt um Minderheiten im Bereich von 20%, die tatsächlich auf Bush-Kurs sind. Ein Artikel und seine Kommentare zeigt erneut, wie weit die Sensibilität der US-Amerikaner geht und wie kritisch die meisten gegen ihre Regierung eingestellt sind, trotz der Einheitsbrei-Gehirnwäsche der US-Medien.
Der Artikel „The struggle to Recapture our Soul" („Der Kampf, unsere Seele wiederzugewinnen") von Mike Whitney in der vielgelesenen US-oppositionellen Site „Information Clearing House" vom 18.6.06 und seine fast einhundert Kommentare sind ein neuer Beweis für diese kritische Sensibilität. Es kann ohne Übertreibung als ‚der amerikanische Aufschrei’ bezeichnet werden.
Im Artikel selbst greift Whitney die Regierung wegen ihrer Irak-Politik an. Er zitiert den Ex-US-General William Odom mit Bezug auf den Irak: "Dies ist das größte strategische Desaster in der US-Geschichte."
Whitney weist darauf hin, daß Bush, wo auch immer er auftaucht, nur noch unter schwerstem Polizei- und oft auch militärischem Schutz auftreten kann und ausschließlich vor ausgewähltem Publikum sprechen kann. Sein Kurzbesuch in Bagdad letzte Woche war nur in der festungsartig geschützten „Grünen Zone" möglich so wie auch der Besuch in Großbritannien, der von 3500 voll bewaffneten Schutztruppen abgesichert werden mußte. Er hebt weiterhin hervor, daß die Besatzungstruppen in all den Jahren der Besetzung es nicht geschafft haben, auch nur einen Quadratzentimeter irakischen Bodens zu kontrollieren außerhalb ihrer Festung. Selbst innerhalb der „Grünen Zone"mußte Bush schon nach 5 Stunden wieder heimgeschickt werden, weil sonst das Sicherheitsschema nicht mehr hätte durchgehalten werden können.
Er schreibt:
„By every objective standard, things were better under Saddam." „Welchen objektiven Vergleich man auch benutzen mag, die Zustände waren auf jeden Fall besser unter Saddam [Hussein]."
Dann kommt einer jener Sätze, die man nur als „amerikanischer Aufschrei" interpretieren kann: „The long litany of war crimes is finally wearing away at the fragile American psyche." „Die lange Litanei von Kriegsverbrechen ist letzendlich dabei, die verletzliche amerikanische Psyche auszuhöhlen." Und fährt fort: „Die Marke „Bush" ist nun unrückholbar verbunden mit kriminellen Entführungen, Mißbrauch von Gefangenen und massiven Schlächtereien."
Und er zitiert Brzezinsky:
„Dies ist schlimmer als die schlechtesten Tage in Vietnam. (...) Wir haben keine freie und demokratische Regierung, die funktioniert (...) Die Autorität, die wir eingesetzt haben, ist umstellt und relativ hilflos; ein Bürgerkrieg beginnt aus den Ecken zu kriechen, während die Besatzungsmacht unfähig ist, die Aufständischen [offizielle US-Bezeichnung für den Widerstand] zu vernichten, weil es eine ausländische Besatzung ist ..."
Er besorgt sich zusammen mit Brzezinski um einen möglichen ‚kulturellen Abstieg’ Amerikas. Er zeigt damit, daß er nicht aus moralischen oder ethischen Gründen gegen den Irak-Krieg ist, sondern weil er das Ansehens der Vereinigten Staaten auf Dauer schädigt und der Herrschaft über die Welt abträglich ist. So endet er dann mit dem Satz: „Nun müssen wir kämpfen, um unsere Seele wiederzugewinnen."
Noch beeindruckender als der eigentlich Artikel aber die Zig Kommentare, die zum großen Teil die fortschrittllichere Position der Grundsatzkritik einnehmen.
Es wird die Frage gestellt: „Welche Seele?" Welche Seele sei denn Zurückzugewinnen.
Es wird geschrieben: „Es sieht doch so aus, daß wir unsere längst dem Teufel verkauft haben."
Einer schreibt: „Wenn denn eine Seele zu erkennen wäre, würden wir keine Leute abschlachten, ihre Rohstoffe stehlen, den Politikern erlauben, die öffentlichen Mittel der Arbeitslosenversicherung und der Gesundheitsvorsorge zu rauben, die älteren zum alten Eisen zu werfen, usw. usw. (...) In den Vereinigten Staaten ist die Bestie frei, lebend, tobend und außer Kontrolle. Nur Opfer und Schmerzen können dies Land wieder mit dem Rest der Menschheit in Verbindung bringen, Schmerzen (...) hier in unseren eigenen Straßen (...). Daß eine Seele sich bilden könnte, müßte Mitleid kultiviert und die Apathie zerstört werden."
Ein anderer schreibt über die US-Führerschaft: „...eine Führerschaft, die chronisch ethische geistige Verwirrung zeigt, chronische Unredlichkeit, desaströse Dummheit, ebenso wie öffentliche Erklärungen und Verhalten eines krinminellen Geisteskranken."
Ein dritter schreibt: „... da geht ein totes System."
Ein anderer: „... zu hören, wie man darüber spricht, ob es „das wert" war, unschuldige Menschen zu töten und zu foltern, gibt mir das Gefühl, mich übergeben zu müssen..."
Der gleiche über Rumsfeld und seine Clique: „... Dümmlinge, unfähig zu sozialen Kontakten - niemand kann wiedergutmachen, was sie getan haben (...)"
„Derek" schreibt: „Hitler hat solche Dinge getan. Kriegsverbrechen sind mit der Todesstrafe zu ahnden."Ein anderer: „Es ist höchste Zeit, daß dieses Reich fällt. Je schneller dies passiert, desto besser, denn jeder weitere Tag bringt neue Katastrophen über diesen Planeten (...)"
Ein anderer kommt auf die Seele zurück: „Amerika, deine Seele ist in der Brieftasche, wie immer - und die wird bald leer sein."
Noch einer ist ziemlich pessimistisch angesichts des Zweiparteiensystems: „ .... der Witz ist, daß die demokratische Wendung sich als die gleiche herausstellt wie die republikanische (...) Man geht im Kreis, bis die Sache genannt Amerika sich dreht und wirbelt und im Staub der Geschichte verschwindet."
Oder dieser hier: „Welche Seele? Amerika wurde gebaut auf dem Blut der eingeborenen Indianer ... die Vereinigten Staaten sind in fast jeden Krieg verstrickt ... hat Regierungen abgesetzt und getötet und Millionen und Millionen verstümmelt rund um den Globus ... sie haben das souveräne Land Irak überfallen aufgrund von Lügen ... die Vereinigten Staaten unterstützen staatlich promovierten Terrorismus gegen die Palästinenser für über 58 Jahre ... ich frage erneut: Welche Seele?"
Schließlich: „Unsere Seele wiedergewinnen? Welche Seele? Die Indianer Seele? Die Sklaven Seele? Wessen Seele? Wie wärs mit einer völlig neuen, direkt geformt aus Lehm? Mit der alten kann man nicht mehr viel anfangen, Mike."
Und so geht es weiter und weiter, seitenlang. Fast alle Antworten nicht um das Ansehen Amerikas besorgt und nicht um die Dauer der Weltherrschaft, sondern um die Werte, die einmal der Menschheit aus den USA entgegenleuchteten. Der amerikanische Aufschrei.
Der Artikel „The struggle to Recapture our Soul" („Der Kampf, unsere Seele wiederzugewinnen") von Mike Whitney in der vielgelesenen US-oppositionellen Site „Information Clearing House" vom 18.6.06 und seine fast einhundert Kommentare sind ein neuer Beweis für diese kritische Sensibilität. Es kann ohne Übertreibung als ‚der amerikanische Aufschrei’ bezeichnet werden.
Im Artikel selbst greift Whitney die Regierung wegen ihrer Irak-Politik an. Er zitiert den Ex-US-General William Odom mit Bezug auf den Irak: "Dies ist das größte strategische Desaster in der US-Geschichte."
Whitney weist darauf hin, daß Bush, wo auch immer er auftaucht, nur noch unter schwerstem Polizei- und oft auch militärischem Schutz auftreten kann und ausschließlich vor ausgewähltem Publikum sprechen kann. Sein Kurzbesuch in Bagdad letzte Woche war nur in der festungsartig geschützten „Grünen Zone" möglich so wie auch der Besuch in Großbritannien, der von 3500 voll bewaffneten Schutztruppen abgesichert werden mußte. Er hebt weiterhin hervor, daß die Besatzungstruppen in all den Jahren der Besetzung es nicht geschafft haben, auch nur einen Quadratzentimeter irakischen Bodens zu kontrollieren außerhalb ihrer Festung. Selbst innerhalb der „Grünen Zone"mußte Bush schon nach 5 Stunden wieder heimgeschickt werden, weil sonst das Sicherheitsschema nicht mehr hätte durchgehalten werden können.
Er schreibt:
„By every objective standard, things were better under Saddam." „Welchen objektiven Vergleich man auch benutzen mag, die Zustände waren auf jeden Fall besser unter Saddam [Hussein]."
Dann kommt einer jener Sätze, die man nur als „amerikanischer Aufschrei" interpretieren kann: „The long litany of war crimes is finally wearing away at the fragile American psyche." „Die lange Litanei von Kriegsverbrechen ist letzendlich dabei, die verletzliche amerikanische Psyche auszuhöhlen." Und fährt fort: „Die Marke „Bush" ist nun unrückholbar verbunden mit kriminellen Entführungen, Mißbrauch von Gefangenen und massiven Schlächtereien."
Und er zitiert Brzezinsky:
„Dies ist schlimmer als die schlechtesten Tage in Vietnam. (...) Wir haben keine freie und demokratische Regierung, die funktioniert (...) Die Autorität, die wir eingesetzt haben, ist umstellt und relativ hilflos; ein Bürgerkrieg beginnt aus den Ecken zu kriechen, während die Besatzungsmacht unfähig ist, die Aufständischen [offizielle US-Bezeichnung für den Widerstand] zu vernichten, weil es eine ausländische Besatzung ist ..."
Er besorgt sich zusammen mit Brzezinski um einen möglichen ‚kulturellen Abstieg’ Amerikas. Er zeigt damit, daß er nicht aus moralischen oder ethischen Gründen gegen den Irak-Krieg ist, sondern weil er das Ansehens der Vereinigten Staaten auf Dauer schädigt und der Herrschaft über die Welt abträglich ist. So endet er dann mit dem Satz: „Nun müssen wir kämpfen, um unsere Seele wiederzugewinnen."
Noch beeindruckender als der eigentlich Artikel aber die Zig Kommentare, die zum großen Teil die fortschrittllichere Position der Grundsatzkritik einnehmen.
Es wird die Frage gestellt: „Welche Seele?" Welche Seele sei denn Zurückzugewinnen.
Es wird geschrieben: „Es sieht doch so aus, daß wir unsere längst dem Teufel verkauft haben."
Einer schreibt: „Wenn denn eine Seele zu erkennen wäre, würden wir keine Leute abschlachten, ihre Rohstoffe stehlen, den Politikern erlauben, die öffentlichen Mittel der Arbeitslosenversicherung und der Gesundheitsvorsorge zu rauben, die älteren zum alten Eisen zu werfen, usw. usw. (...) In den Vereinigten Staaten ist die Bestie frei, lebend, tobend und außer Kontrolle. Nur Opfer und Schmerzen können dies Land wieder mit dem Rest der Menschheit in Verbindung bringen, Schmerzen (...) hier in unseren eigenen Straßen (...). Daß eine Seele sich bilden könnte, müßte Mitleid kultiviert und die Apathie zerstört werden."
Ein anderer schreibt über die US-Führerschaft: „...eine Führerschaft, die chronisch ethische geistige Verwirrung zeigt, chronische Unredlichkeit, desaströse Dummheit, ebenso wie öffentliche Erklärungen und Verhalten eines krinminellen Geisteskranken."
Ein dritter schreibt: „... da geht ein totes System."
Ein anderer: „... zu hören, wie man darüber spricht, ob es „das wert" war, unschuldige Menschen zu töten und zu foltern, gibt mir das Gefühl, mich übergeben zu müssen..."
Der gleiche über Rumsfeld und seine Clique: „... Dümmlinge, unfähig zu sozialen Kontakten - niemand kann wiedergutmachen, was sie getan haben (...)"
„Derek" schreibt: „Hitler hat solche Dinge getan. Kriegsverbrechen sind mit der Todesstrafe zu ahnden."Ein anderer: „Es ist höchste Zeit, daß dieses Reich fällt. Je schneller dies passiert, desto besser, denn jeder weitere Tag bringt neue Katastrophen über diesen Planeten (...)"
Ein anderer kommt auf die Seele zurück: „Amerika, deine Seele ist in der Brieftasche, wie immer - und die wird bald leer sein."
Noch einer ist ziemlich pessimistisch angesichts des Zweiparteiensystems: „ .... der Witz ist, daß die demokratische Wendung sich als die gleiche herausstellt wie die republikanische (...) Man geht im Kreis, bis die Sache genannt Amerika sich dreht und wirbelt und im Staub der Geschichte verschwindet."
Oder dieser hier: „Welche Seele? Amerika wurde gebaut auf dem Blut der eingeborenen Indianer ... die Vereinigten Staaten sind in fast jeden Krieg verstrickt ... hat Regierungen abgesetzt und getötet und Millionen und Millionen verstümmelt rund um den Globus ... sie haben das souveräne Land Irak überfallen aufgrund von Lügen ... die Vereinigten Staaten unterstützen staatlich promovierten Terrorismus gegen die Palästinenser für über 58 Jahre ... ich frage erneut: Welche Seele?"
Schließlich: „Unsere Seele wiedergewinnen? Welche Seele? Die Indianer Seele? Die Sklaven Seele? Wessen Seele? Wie wärs mit einer völlig neuen, direkt geformt aus Lehm? Mit der alten kann man nicht mehr viel anfangen, Mike."
Und so geht es weiter und weiter, seitenlang. Fast alle Antworten nicht um das Ansehen Amerikas besorgt und nicht um die Dauer der Weltherrschaft, sondern um die Werte, die einmal der Menschheit aus den USA entgegenleuchteten. Der amerikanische Aufschrei.
sfux - 27. Jun, 08:23 Article 1665x read
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