TV-Nachrichten: Eine Militarisierte Zone
Norman Solomon - Als die Bombardierung Aghanistans am 8. Oktober 2001 wieder aufgenommen wurde, zeigten pensionierte Generale, auf ihren Posten unter den gleissenden Scheinwerfer der Fernsehstudios kein Zeichen von Müdigkeit. Auf CNN setzte sich der ehemalige NATO Oberkommandierende Wesley Clark mit Maj. General Don Shepperd zusammen, um militärische Strategien zu erklären; ihre Einsichten teilten sie der Welt als Angestellte von AOL Time Warner mit.
Weit entfernt fliegen Raketen und explodieren Bomben - aber in Fernsehland herrscht ein Gleichgewichtssinn. Die Stimmen sind ruhig, die Korrespondenten gefasst. Nachrichtenbulletine kriechen über den unteren Bildschirmrand, zusammen mit Einladungen mehr zu erfahren. "Betrachten sie ein U.S. Militärflugzeug in 3-D auf CNN.com."
Auf den Presseerklärungen des Pentagons, die live übertragen werden, sieht der Verteidigungsminister einem seiner Vorgänger, McNamara, erschreckend ähnlich. Aber die Sprache von Donald Rumsfeld ist durch und durch modern, als er ein Krieg ohne Ende ankündigt: "In dem Kampf gegen Terrorismus gibt es keine Silberkugel." Aber es wird viele Kugeln, Raketen und Bomben geben. Wir hören die gewöhnlichen Versicherungen, dass die Luftschläge chirurgisch genau sein werden, und Rumsfeld wiederholt die Metapher wie ein Echo: "Terrorismus ist ein Krebsgeschwür der Menschheit."
Die Berichte über die Bombardierungen sind mit Referenzen über Lebensmittelabwürfe durchgespickt. Die Details waren unscharf. Aber die Selbstgratulation im Fernsehen ist verschwenderisch gewesen, nun eine feuerfreie Zone für Kriegspropaganda.
Am Sonntag Nacht (7.Okt.) bei "Larry King Live," bestätigten eine bipartisane Gruppe von Senatoren ihre Loyalität zum Präsidenten. Der leitende GOP Mitglied des Senatskomitees für Waffendienst, ein ehemaliger Navy-Sekretär, beleuchtete unsere Herzensgüte.
Senator John Warner sagte: "Ich glaube, dies ist das erste Mal in der zeitgenössischen Militärgeschichte, dass eine militärische Operation gegen die Regierung eines Landes geführt wird, während gleichzeitig mit den Truppen die unsere Mission ausführen, andere Truppen versuchen sich um die unschuldigen Opfer zu kümmern, die allzu oft in die Schusslinie geraten."
Stunden nach Warners Erklärung der Amerikanischen Heiligkeit, stellte das UN Welternährungsprogramm seine Nothilfskonvois an Afghanistan wegen der Bombardierungskampagne ein.
Währenddessen meldeten private Hilfsarbeiter zunehmende Panik. Eine Nachricht, die von meine Kollegen am Institut für Öffentliche Genauigkeit (www.accuracy.org) veröffentlich wurde, zitiert den Präsident der humanitären Hilfsorganisation Conscience International, Jim Jennings: "Lebensmittelabwürfe aus grosser Höhe können absolut keine ausreichende und effektive Hilfe liefern, die dringend notwendig ist um eine Hungerkatastrophe zu verhindern."
Die U.S. Regierung hat zwei C-17 Flugzeuge losgeschickt um Rationen abzuwerfen. Jennings, der zwei Jahrzehnte lang an humanitäre Arbeit rund um den Globus beteiligt gewesen ist, war nicht beeindruckt. In einem einzigen Lager in Afghanistan, in Herat, "befinden sich 600.000 Mensche an der Grenze zum Hungertod," sagte er. "Wenn man ein Pfund Lebensmittel pro Tag liefert, das Minimum fürs blanke Überleben, würde es 500 Flugzeugladungen pro Monat erfordern, um nur ein einziges Lager in Herat zu versorgen, und Afghanistan ist so gross wie Texas. Die Regierung hat erklärt, dass bisher zwei Flugzeuge für Lebensmittelabwürfe eingesetzt werden - für ganz Afghanistan."
Nach eigener Aussage, sind die Hauptziele der Bombardierung die Angehörige des Bin Laden Netzwerkes. Aber die rhetorischen Salven werden im breiteren Kontext nur allzu deutlich verstanden werden. "Wir werden sie entwurzeln und aushungern," sagte Rumsfeld, kurz vor der Beendigung einer Pressekonferenz mit einer hallenden Erklärung: "Wir sind entschlossen uns nicht terrorisieren zu lassen."
"Dieser letzte Zitat sagt alles," warf der MSNBC Sprecher Brian Williams ein Moment später ein, bevor er an den "NBC Militäranalysten" Bernard Trainor weitergab, ein ehemaliger General des Marine Corps. Wie die anderen Ex-Generäle die von Fernsehsender bezahlt werden, benutzt Trainor ständig das Wort "wir", um U.S. Militäraktionen zu erklären. ("Wir haben nun die Möglichkeit...") Die Erörterungen von Kriegsspielszenarios sind verschwenderisch mit high-tech Landkarten und Videografiken ausgestattet.
Ehemalige Diplomaten können auch mitspielen. Auf NBC plauderte Richard Holbrooke -- ein Liebling der Presse, der in Frühling 1999 das diplomatische Vorspiel auf die Bombardierung auf Jugoslawien organisiert hat - mit Tom Brokaw, während er ein Zeiger und eine hell erleuchtete Landkarte benutzte um die geopolitische Dynamiken darzulegen.
Ständig kriecht irgendetwas über die Fernsehbildschirme, Zitatfetzen verschwimmen... Bin Laden sagt dass die Gläubigen triumphieren werden, Bush erklärt "möge Gott Amerika weiterhin segnen," der Taliban beschuldigt die U.S. "terroristischer" Attacken... im Laufe der Zeit scheinen die Gegner immer mehr die selbe Sprache zu sprechen.
Die Logos auf den Bildschirmen, in Rot-Weiss-Blau umrissen, fliessen über vor Stolz auf einer sich wiedererhebenden Nation. CBS hat sich für "Amerika Kämpft Zurück" entschieden. NBC und MSNBC verwenden "Amerika Schlägt Zurück". Ab und zu wechselt MSNBC zu einer alternativen Phrase über "Verteidigung des Heimatlandes"
Die Bombardierung Afghanistans soll uns angeblich hier drüben in der USA sicherer machen. Aber Stunden nachdem die Angriffe am 7. Oktober 2001 begonnen hatten, rief der FBI eine erhöhte Alarmbereitschaft für die ganzen Vereinigten Staaten aus -- weil die Gefahr eines weiteren tödlichen Angriffs auf dieses Land soeben gestiegen war. Wenn Krieg Frieden sein kann, wieso kann grössere Gefahr uns dann keine grössere Sicherheit bringen?
Am Montagnachmittag zeigten die Fernsehsender Bomber beim Abheben von Flugzeugträgern, auf dem Weg nach Afghanistan. Die Zuschauer von MSNBC kriegten Aufnahmen von Sprengköpfe zu sehen, mit "NYPD" bekritzelt; im Hintergrund flatterte die amerikanische Flagge am Deck.
Und so nähert sich eine Köderkampagne patriotischer Bilder ihrer Vollendung. Wochenlang, nach den schrecklichen Ereignissen des 11. Septembers, umarmte das Publikum die Alte Glorie als ein Symbol der Trauer, menschlichen Solidarität und Vaterlandsliebe. Nun wird die allgegenwärtige amerikanische Flagge an militärische Massenvernichtungswaffen befestigt.
"Es wird ein langer Krieg werden," versprach George W. Bush am Montag. Allen Anzeichen nach, sind die Fernsehsender bereit ihren Teil für die Militäroperation zu leisten, die gerade auf "Enduring Freedom - Dauernde Freiheit" getauft wurde. Aber weit entfernt von den Bequemlichkeiten von Fernsehland, werden viele Menschen lediglich unsere Freiheit zu töten dauernd ertragen.
Dieser Artikel erschien in der deutschen Übersetzung von Andrea Noll erstmalig bei Zmag.de
Norman Solomons aktuelles Buch 'War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death'
Weit entfernt fliegen Raketen und explodieren Bomben - aber in Fernsehland herrscht ein Gleichgewichtssinn. Die Stimmen sind ruhig, die Korrespondenten gefasst. Nachrichtenbulletine kriechen über den unteren Bildschirmrand, zusammen mit Einladungen mehr zu erfahren. "Betrachten sie ein U.S. Militärflugzeug in 3-D auf CNN.com."
Auf den Presseerklärungen des Pentagons, die live übertragen werden, sieht der Verteidigungsminister einem seiner Vorgänger, McNamara, erschreckend ähnlich. Aber die Sprache von Donald Rumsfeld ist durch und durch modern, als er ein Krieg ohne Ende ankündigt: "In dem Kampf gegen Terrorismus gibt es keine Silberkugel." Aber es wird viele Kugeln, Raketen und Bomben geben. Wir hören die gewöhnlichen Versicherungen, dass die Luftschläge chirurgisch genau sein werden, und Rumsfeld wiederholt die Metapher wie ein Echo: "Terrorismus ist ein Krebsgeschwür der Menschheit."
Die Berichte über die Bombardierungen sind mit Referenzen über Lebensmittelabwürfe durchgespickt. Die Details waren unscharf. Aber die Selbstgratulation im Fernsehen ist verschwenderisch gewesen, nun eine feuerfreie Zone für Kriegspropaganda.
Am Sonntag Nacht (7.Okt.) bei "Larry King Live," bestätigten eine bipartisane Gruppe von Senatoren ihre Loyalität zum Präsidenten. Der leitende GOP Mitglied des Senatskomitees für Waffendienst, ein ehemaliger Navy-Sekretär, beleuchtete unsere Herzensgüte.
Senator John Warner sagte: "Ich glaube, dies ist das erste Mal in der zeitgenössischen Militärgeschichte, dass eine militärische Operation gegen die Regierung eines Landes geführt wird, während gleichzeitig mit den Truppen die unsere Mission ausführen, andere Truppen versuchen sich um die unschuldigen Opfer zu kümmern, die allzu oft in die Schusslinie geraten."
Stunden nach Warners Erklärung der Amerikanischen Heiligkeit, stellte das UN Welternährungsprogramm seine Nothilfskonvois an Afghanistan wegen der Bombardierungskampagne ein.
Währenddessen meldeten private Hilfsarbeiter zunehmende Panik. Eine Nachricht, die von meine Kollegen am Institut für Öffentliche Genauigkeit (www.accuracy.org) veröffentlich wurde, zitiert den Präsident der humanitären Hilfsorganisation Conscience International, Jim Jennings: "Lebensmittelabwürfe aus grosser Höhe können absolut keine ausreichende und effektive Hilfe liefern, die dringend notwendig ist um eine Hungerkatastrophe zu verhindern."
Die U.S. Regierung hat zwei C-17 Flugzeuge losgeschickt um Rationen abzuwerfen. Jennings, der zwei Jahrzehnte lang an humanitäre Arbeit rund um den Globus beteiligt gewesen ist, war nicht beeindruckt. In einem einzigen Lager in Afghanistan, in Herat, "befinden sich 600.000 Mensche an der Grenze zum Hungertod," sagte er. "Wenn man ein Pfund Lebensmittel pro Tag liefert, das Minimum fürs blanke Überleben, würde es 500 Flugzeugladungen pro Monat erfordern, um nur ein einziges Lager in Herat zu versorgen, und Afghanistan ist so gross wie Texas. Die Regierung hat erklärt, dass bisher zwei Flugzeuge für Lebensmittelabwürfe eingesetzt werden - für ganz Afghanistan."
Nach eigener Aussage, sind die Hauptziele der Bombardierung die Angehörige des Bin Laden Netzwerkes. Aber die rhetorischen Salven werden im breiteren Kontext nur allzu deutlich verstanden werden. "Wir werden sie entwurzeln und aushungern," sagte Rumsfeld, kurz vor der Beendigung einer Pressekonferenz mit einer hallenden Erklärung: "Wir sind entschlossen uns nicht terrorisieren zu lassen."
"Dieser letzte Zitat sagt alles," warf der MSNBC Sprecher Brian Williams ein Moment später ein, bevor er an den "NBC Militäranalysten" Bernard Trainor weitergab, ein ehemaliger General des Marine Corps. Wie die anderen Ex-Generäle die von Fernsehsender bezahlt werden, benutzt Trainor ständig das Wort "wir", um U.S. Militäraktionen zu erklären. ("Wir haben nun die Möglichkeit...") Die Erörterungen von Kriegsspielszenarios sind verschwenderisch mit high-tech Landkarten und Videografiken ausgestattet.
Ehemalige Diplomaten können auch mitspielen. Auf NBC plauderte Richard Holbrooke -- ein Liebling der Presse, der in Frühling 1999 das diplomatische Vorspiel auf die Bombardierung auf Jugoslawien organisiert hat - mit Tom Brokaw, während er ein Zeiger und eine hell erleuchtete Landkarte benutzte um die geopolitische Dynamiken darzulegen.
Ständig kriecht irgendetwas über die Fernsehbildschirme, Zitatfetzen verschwimmen... Bin Laden sagt dass die Gläubigen triumphieren werden, Bush erklärt "möge Gott Amerika weiterhin segnen," der Taliban beschuldigt die U.S. "terroristischer" Attacken... im Laufe der Zeit scheinen die Gegner immer mehr die selbe Sprache zu sprechen.
Die Logos auf den Bildschirmen, in Rot-Weiss-Blau umrissen, fliessen über vor Stolz auf einer sich wiedererhebenden Nation. CBS hat sich für "Amerika Kämpft Zurück" entschieden. NBC und MSNBC verwenden "Amerika Schlägt Zurück". Ab und zu wechselt MSNBC zu einer alternativen Phrase über "Verteidigung des Heimatlandes"
Die Bombardierung Afghanistans soll uns angeblich hier drüben in der USA sicherer machen. Aber Stunden nachdem die Angriffe am 7. Oktober 2001 begonnen hatten, rief der FBI eine erhöhte Alarmbereitschaft für die ganzen Vereinigten Staaten aus -- weil die Gefahr eines weiteren tödlichen Angriffs auf dieses Land soeben gestiegen war. Wenn Krieg Frieden sein kann, wieso kann grössere Gefahr uns dann keine grössere Sicherheit bringen?
Am Montagnachmittag zeigten die Fernsehsender Bomber beim Abheben von Flugzeugträgern, auf dem Weg nach Afghanistan. Die Zuschauer von MSNBC kriegten Aufnahmen von Sprengköpfe zu sehen, mit "NYPD" bekritzelt; im Hintergrund flatterte die amerikanische Flagge am Deck.
Und so nähert sich eine Köderkampagne patriotischer Bilder ihrer Vollendung. Wochenlang, nach den schrecklichen Ereignissen des 11. Septembers, umarmte das Publikum die Alte Glorie als ein Symbol der Trauer, menschlichen Solidarität und Vaterlandsliebe. Nun wird die allgegenwärtige amerikanische Flagge an militärische Massenvernichtungswaffen befestigt.
"Es wird ein langer Krieg werden," versprach George W. Bush am Montag. Allen Anzeichen nach, sind die Fernsehsender bereit ihren Teil für die Militäroperation zu leisten, die gerade auf "Enduring Freedom - Dauernde Freiheit" getauft wurde. Aber weit entfernt von den Bequemlichkeiten von Fernsehland, werden viele Menschen lediglich unsere Freiheit zu töten dauernd ertragen.
Dieser Artikel erschien in der deutschen Übersetzung von Andrea Noll erstmalig bei Zmag.de
Norman Solomons aktuelles Buch 'War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death'
sfux - 27. Jun, 08:51 Article 2804x read