Wird der „linke" Kandidat Lopez Obrador neuer Präsident?
Karl Weiss - In Mexiko waren am Sonntag (2.7.) Präsidentenwahlen. Der „linke" Kandidat Lopez Obrador hat eine Chance zu gewinnen, wenn die Wahlen nicht gefälscht werden oder Anlaß zu einem Militärputsch geben. Nach letzten Umfragen lagen die beiden hauptsächlichen Kandidaten, neben Obrador noch der neoliberale Calderon von der PAN, in etwa gleichauf. Zwar gab die letzte Umfrage Obrador einen Vorteil von 3 bis 4%, aber das will nicht viel besagen bei der Vorhersagegenauigkeit der Meinungsforschungsinstitute in letzter Zeit.
Vor einem Jahr lag Obrador von der klassischen linken Partei PRD bei weitem in Front, aber seitdem wurde bereits mehrfach versucht, ihn zu schädigen bzw. sogar vom Wahlprozeß auszuschließen. Als aber Millionen für ihn auf die Straße gingen, bevorzugte die Mexikanische Oligarchie, ihn doch lieber antreten zu lassen als einen Bürgerkrieg zu riskieren.
Aber genau das, ein Bürgerkrieg, ist auch nun keineswegs ausgeschlossen in Mexiko im Zusammenhang mit dem Ausgang der Wahlen und was da passieren mag. Wie in weiten Teilen Lateinamerikas, ist auch in Mexiko die Lage der Klassenkämpfe äußerst zugespitzt. Es gibt eine revolutionäre Gärung. Da ist nicht nur eine bewaffnete Guerrilla, die Zapatistas, sondern auch eine erwachte Arbeiterklasse, die sich zu Wort meldet, wie in den großen Demonstrationen zu Tage trat, als die Verschwörung gegen Obrador bekämpft wurde.
Die Zapatistas unter dem Commandante Marcos haben der ganzen scheindemokratischen Wahlfarce bereits eine Abfuhr erteilt. Sie haben aber nicht ausgeschlossen, daß jene, die mit ihnen sympathisieren, nicht doch Obrador wählen können. Sie sagen aber gleichzeitig, daß dies die grundlegenden sozialen Probleme Mexikos nicht lösen kann - und haben damit zweifelsohne Recht.
Ein kleines Wunder in Lateinamerika
Obrador hat sich als Bürgermeister von Ciudad de Mexico (Mexico City) einen guten Namen im Volk gemacht, als er viel für die älteren Leute tat und anscheinend nicht nur im Amt war, um sich zu bereichern, was in Lateinamerika schon ein kleines Wunder ist. Er hat versprochen, die laufenden Privatisierungen der Öl- und Gasindustrie zu stoppen.
Er hat allen über 65 freien Zugang zurGesundheitsversorgung und Zuschüsse für ihre täglichen Mahlzeiten versprochen - etwas, was er in Mexiko Stadt schon vorexerziert hat. Die Armen in Mexiko - und das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung - lieben ihn. Wo er auftritt, zieht er die Massen an, die ihn mit einer Inbrunst feiern, daß er schon einige Male paralysiert erschien. Er tritt nicht unter den Baldachins auf, die man in Mexiko für die Reichen und Mächtigen aufstellt, sondern unter den brennenden Strahlen der mexikanischen Sonne. Er hat sich einen einfachen Lebensstil bewahrt und unterscheidet sich so wesentlich von der pompsüchtigen mexikanischen Oligarchie.
Und - er hat versprochen, eine Revision des Nafta-Abkommens mit den Vereinigten Staaten und Kanada durchzusetzen, daß für Mexiko fast nur Nachteile gebracht hat. Die subsidierten, billigen Agrarprodukte aus den USA haben den mexikanischen Markt überschwemmt und die Bauern in den Ruin getrieben. Er hat versprochen, daß die Unterstützungsleistungen mexikanischer Bauern, deren Beendigung bereits terminiert ist, nicht auslaufen werden und Mexiko vor Dumping aus den USA geschützt werden wird.
Und - das wird viele Tausende von Emigranten aus den USA zu den Wahlen nach Mexiko locken - er hat versprochen, dafür zu sorgen, daß die mexikanischen Arbeiter in den USA ihre Rechte wahrnehmen könne. Er will die mexikanischen Konsulate in den US-Städten zu Rechtsberatungsstellen für die Emigranten (oder Immigranten aus US-Sicht) machen.
Gringos
Kein Wunder bei einem solchen Programm, daß die traditionellen Herrscher Mexikos, die Oligarchie, die fast immer alles in der Hand hatte, in Alarmstimmung geriet. Nachdem ihre Verschwörung, ihn von den Wahlen fernzuhalten, gescheitert war, haben sie eine Furcht- und Verächtlichmachungskampagne begonnen, die keineswegs völlig ohne Wirkung blieb. Obrador wird als eine Mischung von Fidel Castro und Hugo Chávez dargestellt, der die Demokratie in Mexiko gefährden würde. Er sei eine Gefahr für die friedliche Entwicklung Mexikos (welche Entwicklung?) und die fruchtbare gegenseitige Zusammenarbeit mit den Nachbarn im Norden.
Was die breite Bevölkerung von solchen Sprüchen halten mag, kann man erahnen, wenn man jemand von ihnen das Wort ‚Gringo’ für die Bürger der USA aussprechen hört, wozu meist noch ausgespuckt wird.
Was aber auf eine gewisse Resonanz stieß, waren die Insinuationen, er würde mit Hugo Chávez und Evo Morales gemeinsame Sache machen und Mexiko in fremde Hände geben. Die Mexikaner haben einen ausgeprägten Nationalstolz und reagieren feinfühlig auf solche Zwischentöne. Wenn jemand einmal Gelegenheit hat, so sehe er sich nur das Völkerkundemuseum in Mexico Stadt an - das ist das, wo das Original des „Sonnenrades" der Azteken gezeigt wird. Dort weiß man, wie man seine eigene Vergangenheit feiert.
Obrador hat deshalb auch jeden Zusammenhang mit Morales, Chávez oder Castro abgestritten. Er betont, daß er in einer rein mexikanischer Tradition steht, die Morelo, Juarez, Zapato, Madero und vor allem Cardenas einschließt. Er wird, falls er gewählt werden sollte, auch den Teufel tun und als erste Amtshandlung Kuba besuchen oder Venezuela oder Bolivien. Ob sich später nicht, unter Mithilfe von Brasiliens Präsident Lula (Brasilien ist das einzige lateinamerikanische Land, mit dem die Mexikaner sich auf gleicher Augenhöhe fühlen können), doch eine Zusammenarbeit ergibt, sei dahingestellt.
In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß Mexiko mit ergiebigen Ölquellen sich z.B. mit seiner staatlichen Ölfirma mit der bereits gegründeten gemeinsamen Ölfirma von Venezuela, Brasilien und Argentinien zusammentun könnte, was den größten Ölkonzern weltweit schaffen würde. Würde Mexiko im Verlauf mit Brasilien, Argentinien und Venezuela einen gemeinsamen Markt gründen und die NAFTA verlassen, so wäre das Gesicht der „Neuen Welt" ein für alle mal geändert. Das sind aber bis auf weiteres Zukunftsträume.
Die konkrete Situation in Mexiko ist nämlich aufgeheizt wie nur selten zuvor. Die Zapatisten haben den Wahltag zu einem „Tag der direkten Aktion" erklärt. Man wird mit einer Menge von Besetzungen von Straßenkreuzungen rechnen müssen. Die Reaktion ist sicherlich bereits darauf vorbereitet, solche Aktionen mit aller Gewalt zu unterdrücken. Es wird vermutlich wieder zum Schießbefehl und Toten kommen. Je nachdem, welchen Umfang das Ganze annimt, könnte von verschiedenen Seiten der Vorwurf der Wahlbeeinflussung kommen.
Sollte Calderon gewinnen, wird mit Sicherheit eine Volksbewegung Wahlfälschungen anklagen - und mit einer guten Chance, Recht zu haben. Es könnte zu volksaufstandsähnlichen Zuständen kommen wie kürzlich nach den Wahlen in Thailand. Dies wiederum könnte das Militär als Vorwand nehmen, eine Putsch durchzuführen. Der wiederum hätte eine gute Chance, auf geschlossenen Volkswiderstand zu treffen - das wäre Bürgerkrieg.
Militärputsch für die Ordnung?
Sollte Obrador gewinnen, besteht ebenfalls die Chance, daß unter einem Vorwand (und sicherlich nicht ohne Einflußnahme der US-Regierung) ein Militärputsch „für Ordnung sorgen" wird. Nur könnte das eben, wie gesagt, das Signal für einen Volksaufstand sein und zu einem Bürgerkrieg führen. Ob die US-Regierung in diesem Moment an ihrer Südgrenze einen Bürgerkrieg brauchen kann - in den sie ja indirekt verwickelt wäre - ist fraglich. Man darf also davon ausgehen, daß in diesem Fall die US-Regierung - ein weiteres Mal - wird tatenlos zusehen müssen, wie in ihrem „Hinterhof" Dinge geschehen, die ihr gar nicht Recht sein können.
Das wahrscheinlichste ist also, daß Obrador gewinnt und die Dinge ihren natürlichen Lauf nehmen werden, wobei man nicht voraussehen kann, ob er sich ausschließlich in der Innenpolitik fortschrittlich geben wird oder ob er auch eine Politik des Zusammenschlusses Lateinamerikas ohne die USA verfolgen wird. Es muß hervorgehoben werden, daß es keinerlei Ankündigungen von ihm in dieser Richtung gibt, aber das könnte eben auch Taktik sein.
Vor einem Jahr lag Obrador von der klassischen linken Partei PRD bei weitem in Front, aber seitdem wurde bereits mehrfach versucht, ihn zu schädigen bzw. sogar vom Wahlprozeß auszuschließen. Als aber Millionen für ihn auf die Straße gingen, bevorzugte die Mexikanische Oligarchie, ihn doch lieber antreten zu lassen als einen Bürgerkrieg zu riskieren.
Aber genau das, ein Bürgerkrieg, ist auch nun keineswegs ausgeschlossen in Mexiko im Zusammenhang mit dem Ausgang der Wahlen und was da passieren mag. Wie in weiten Teilen Lateinamerikas, ist auch in Mexiko die Lage der Klassenkämpfe äußerst zugespitzt. Es gibt eine revolutionäre Gärung. Da ist nicht nur eine bewaffnete Guerrilla, die Zapatistas, sondern auch eine erwachte Arbeiterklasse, die sich zu Wort meldet, wie in den großen Demonstrationen zu Tage trat, als die Verschwörung gegen Obrador bekämpft wurde.
Die Zapatistas unter dem Commandante Marcos haben der ganzen scheindemokratischen Wahlfarce bereits eine Abfuhr erteilt. Sie haben aber nicht ausgeschlossen, daß jene, die mit ihnen sympathisieren, nicht doch Obrador wählen können. Sie sagen aber gleichzeitig, daß dies die grundlegenden sozialen Probleme Mexikos nicht lösen kann - und haben damit zweifelsohne Recht.
Ein kleines Wunder in Lateinamerika
Obrador hat sich als Bürgermeister von Ciudad de Mexico (Mexico City) einen guten Namen im Volk gemacht, als er viel für die älteren Leute tat und anscheinend nicht nur im Amt war, um sich zu bereichern, was in Lateinamerika schon ein kleines Wunder ist. Er hat versprochen, die laufenden Privatisierungen der Öl- und Gasindustrie zu stoppen.
Er hat allen über 65 freien Zugang zurGesundheitsversorgung und Zuschüsse für ihre täglichen Mahlzeiten versprochen - etwas, was er in Mexiko Stadt schon vorexerziert hat. Die Armen in Mexiko - und das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung - lieben ihn. Wo er auftritt, zieht er die Massen an, die ihn mit einer Inbrunst feiern, daß er schon einige Male paralysiert erschien. Er tritt nicht unter den Baldachins auf, die man in Mexiko für die Reichen und Mächtigen aufstellt, sondern unter den brennenden Strahlen der mexikanischen Sonne. Er hat sich einen einfachen Lebensstil bewahrt und unterscheidet sich so wesentlich von der pompsüchtigen mexikanischen Oligarchie.
Und - er hat versprochen, eine Revision des Nafta-Abkommens mit den Vereinigten Staaten und Kanada durchzusetzen, daß für Mexiko fast nur Nachteile gebracht hat. Die subsidierten, billigen Agrarprodukte aus den USA haben den mexikanischen Markt überschwemmt und die Bauern in den Ruin getrieben. Er hat versprochen, daß die Unterstützungsleistungen mexikanischer Bauern, deren Beendigung bereits terminiert ist, nicht auslaufen werden und Mexiko vor Dumping aus den USA geschützt werden wird.
Und - das wird viele Tausende von Emigranten aus den USA zu den Wahlen nach Mexiko locken - er hat versprochen, dafür zu sorgen, daß die mexikanischen Arbeiter in den USA ihre Rechte wahrnehmen könne. Er will die mexikanischen Konsulate in den US-Städten zu Rechtsberatungsstellen für die Emigranten (oder Immigranten aus US-Sicht) machen.
Gringos
Kein Wunder bei einem solchen Programm, daß die traditionellen Herrscher Mexikos, die Oligarchie, die fast immer alles in der Hand hatte, in Alarmstimmung geriet. Nachdem ihre Verschwörung, ihn von den Wahlen fernzuhalten, gescheitert war, haben sie eine Furcht- und Verächtlichmachungskampagne begonnen, die keineswegs völlig ohne Wirkung blieb. Obrador wird als eine Mischung von Fidel Castro und Hugo Chávez dargestellt, der die Demokratie in Mexiko gefährden würde. Er sei eine Gefahr für die friedliche Entwicklung Mexikos (welche Entwicklung?) und die fruchtbare gegenseitige Zusammenarbeit mit den Nachbarn im Norden.
Was die breite Bevölkerung von solchen Sprüchen halten mag, kann man erahnen, wenn man jemand von ihnen das Wort ‚Gringo’ für die Bürger der USA aussprechen hört, wozu meist noch ausgespuckt wird.
Was aber auf eine gewisse Resonanz stieß, waren die Insinuationen, er würde mit Hugo Chávez und Evo Morales gemeinsame Sache machen und Mexiko in fremde Hände geben. Die Mexikaner haben einen ausgeprägten Nationalstolz und reagieren feinfühlig auf solche Zwischentöne. Wenn jemand einmal Gelegenheit hat, so sehe er sich nur das Völkerkundemuseum in Mexico Stadt an - das ist das, wo das Original des „Sonnenrades" der Azteken gezeigt wird. Dort weiß man, wie man seine eigene Vergangenheit feiert.
Obrador hat deshalb auch jeden Zusammenhang mit Morales, Chávez oder Castro abgestritten. Er betont, daß er in einer rein mexikanischer Tradition steht, die Morelo, Juarez, Zapato, Madero und vor allem Cardenas einschließt. Er wird, falls er gewählt werden sollte, auch den Teufel tun und als erste Amtshandlung Kuba besuchen oder Venezuela oder Bolivien. Ob sich später nicht, unter Mithilfe von Brasiliens Präsident Lula (Brasilien ist das einzige lateinamerikanische Land, mit dem die Mexikaner sich auf gleicher Augenhöhe fühlen können), doch eine Zusammenarbeit ergibt, sei dahingestellt.
In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß Mexiko mit ergiebigen Ölquellen sich z.B. mit seiner staatlichen Ölfirma mit der bereits gegründeten gemeinsamen Ölfirma von Venezuela, Brasilien und Argentinien zusammentun könnte, was den größten Ölkonzern weltweit schaffen würde. Würde Mexiko im Verlauf mit Brasilien, Argentinien und Venezuela einen gemeinsamen Markt gründen und die NAFTA verlassen, so wäre das Gesicht der „Neuen Welt" ein für alle mal geändert. Das sind aber bis auf weiteres Zukunftsträume.
Die konkrete Situation in Mexiko ist nämlich aufgeheizt wie nur selten zuvor. Die Zapatisten haben den Wahltag zu einem „Tag der direkten Aktion" erklärt. Man wird mit einer Menge von Besetzungen von Straßenkreuzungen rechnen müssen. Die Reaktion ist sicherlich bereits darauf vorbereitet, solche Aktionen mit aller Gewalt zu unterdrücken. Es wird vermutlich wieder zum Schießbefehl und Toten kommen. Je nachdem, welchen Umfang das Ganze annimt, könnte von verschiedenen Seiten der Vorwurf der Wahlbeeinflussung kommen.
Sollte Calderon gewinnen, wird mit Sicherheit eine Volksbewegung Wahlfälschungen anklagen - und mit einer guten Chance, Recht zu haben. Es könnte zu volksaufstandsähnlichen Zuständen kommen wie kürzlich nach den Wahlen in Thailand. Dies wiederum könnte das Militär als Vorwand nehmen, eine Putsch durchzuführen. Der wiederum hätte eine gute Chance, auf geschlossenen Volkswiderstand zu treffen - das wäre Bürgerkrieg.
Militärputsch für die Ordnung?
Sollte Obrador gewinnen, besteht ebenfalls die Chance, daß unter einem Vorwand (und sicherlich nicht ohne Einflußnahme der US-Regierung) ein Militärputsch „für Ordnung sorgen" wird. Nur könnte das eben, wie gesagt, das Signal für einen Volksaufstand sein und zu einem Bürgerkrieg führen. Ob die US-Regierung in diesem Moment an ihrer Südgrenze einen Bürgerkrieg brauchen kann - in den sie ja indirekt verwickelt wäre - ist fraglich. Man darf also davon ausgehen, daß in diesem Fall die US-Regierung - ein weiteres Mal - wird tatenlos zusehen müssen, wie in ihrem „Hinterhof" Dinge geschehen, die ihr gar nicht Recht sein können.
Das wahrscheinlichste ist also, daß Obrador gewinnt und die Dinge ihren natürlichen Lauf nehmen werden, wobei man nicht voraussehen kann, ob er sich ausschließlich in der Innenpolitik fortschrittlich geben wird oder ob er auch eine Politik des Zusammenschlusses Lateinamerikas ohne die USA verfolgen wird. Es muß hervorgehoben werden, daß es keinerlei Ankündigungen von ihm in dieser Richtung gibt, aber das könnte eben auch Taktik sein.
sfux - 3. Jul, 08:31 Article 3262x read