Ein Schlag gegen den „Quadratschädel“ - Hintergründe des Militärputsches in Thailand
Malte Olschewski - Mit Premier Thaksin Shinawatra hat das thailändische Militär ein ganzes System gestürzt, in dem sich ein Familienclan über Geld und Medien nahezu diktatorische Vollmachten anmassen konnte. Im 20. Staatsstreich seit Einführung der konstitutionellen Monarchie 1932 hat Armeechef Sonthi Boonyaratglin Thaksins Reise zur UNO-Versammlung in New York zu einem unblutigen Umsturz genutzt. Thaksin und seine Familie sind auf getrennten Wegen in London eingetroffen. Seine engsten Vertrauten wurden in Bangkok verhaftet. Der kometenhafte Aufstieg des „Quadratschädels“, so der Spitz-name Thaksins, hat nach fünf turbulenten Jahren ein schnelles Ende gefunden.
Sonthi Boonyaratglin: Korruption, Vetternwirtschaft, nationaler Streit und Unterwanderung unabhängiger Behörden haben das Militär zum Handeln gezwungen.
Thaksin (*1949) kommt aus einer Mittelklassefamilie Nordthailands. Nach einer Karriere als Polizeioffizier machte er ab 1987 mit seiner Firma „Shin Corp“ in der Telekommunikation ein Vermögen. Er ging 1994 in die Politik und besetzte in schnell wechselnden Kabinetten mehrmals Spitzen-positionen. 1998 gründete er mit „Thai Rak Thai“ ( d.h. „Thais lieben Thais“ oder TRT) seine eigene Partei. Mit einem auf ärmere Schichten zielenden Programm und durch massive Stimmenkäufe gewann Shinawatra die Wahlen von 2001. In Thailand gilt der weit verbreitete Irrglaube, dass der reichste Mann des Landes wohl auch der beste Regierungschef sein müsste. Da die Verfassung vom Premier und seinen Ministern eine Offenlegung der jeweiligen Vermögen verlangt, hat Thaksin vor Amtsantritt seine Besitztümer und Konten auf Familienangehörige übertragen.
In seiner Amtszeit wollten die Skandale nicht abreissen. Thaksin schob ununterbrochen Verwandte, Anhänger und Freunde in Spitzen-positionen. Gegen die unruhigen Moslemgebiete des Südens ging er mit harter Hand vor. Er führte einen Kreuzzug gegen die Drogen. Nach Zählung der =Bangkok Post= sind über 2 000 oft unschuldige Personen geheimen Killerkommandos der Polizei zum Opfer gefallen. Grossaufträge wie etwa für den neuen Flugplatz Suvanabhumi wurden seinen Anhängern zugeschanzt. Gegen Kritik war der „thai-ländische Berlusconi“ äusserst empfindlich. Er brachte fast alle TV-Stationen und Radiosender unter seine Kontrolle. Im September 2005 wurden mehrere regimekritische Sender geschlossen, weil sie angeblich den Flugverkehr gestört hätten. Die „Thaksikratie“ hat Thailand tief gestalten. Die Hauptstadt Bangkok und der Süden des Landes unterstützten die oppositio-nelle „Demokratische Partei“, während sich der verarmte Norden hinter Thaksin versammelte.
Bei Neuwahlen im Februar 2005 gewann die TRT 374 der 500 Parlamentssitze. Nach diesen Sieg wurde Thaksin immer öfter Arroganz, Überheblichkeit und totalitäre Neigungen vorgeworfen. Die Zeitschrift „Manager“ veröffentlichte einen ganzen Katalog von Positionen, die sich Thaksin gekauft haben soll. Der Regierungschef konnte im Vorjahr eine Gesetzesänderung durchpeitschen, die ihm den steuerfreien Verkauf seines Shin-Konzernes an die Singapurer Holding „Temasek“ erlaubte. Für umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro gingen Konzessionen für Mobilfunk, Internet, Marketing, TV-Stationen, Satellitenempfang und eine Fluglinie an Singapur. Die Opposition sprach von einem „nationalen Ausverkauf“. Es würden durch dieses Geschäft auch Staatsgeheimnisse an das Ausland verraten werden, hiess es. Es formierte sich eine breite, partei-übergreifende Front gegen den Premier. Thailand kam nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder zogen Demonstrationen durch die Hauptstadt. Thaksin rief den Norden zu Hilfe, worauf eine lange Kolonne von Traktoren zu seiner Unterstützung nach Bangkok rollte. Es kam zu Schlägereien und Zusammenstössen. Die regimefeindlichen Demonstrationen wurden von einem Spottlied über den „Qudaratschädel“ Thaksin begleitet. In diesem Thai-Rap „Ai Khon Na Liam“ werden in vielen Wortspielen alle Sünden des Regierungschefs aufgezählt. Gegen Ende steigert sich der Sprechgesang mit der Nennung all jener Personen, die sich Thaksin gekauft hatte.
Der Regierungschef geriet in Bedrängnis. Am 24. Februar liess er das Parlament auflösen. Für den 2. April wurden Neuwahlen angesetzt. Die Opposition boykottierte den Urnengang und rief zur Abgabe ungültiger Stimmen auf. Bei einer geringen Beteiligung von 60 Prozent errang Thaksins TRT 56 Prozent der Stimmen. Etwa 30 Prozent aller abgegebenen Wahlzettel waren ungütlig. Da im Süden 38 TRT-Kandidaten unter den notwendigen 20 Prozent lagen, mussten hier Nachwahlen abgehalten werden. Dabei ist es zu massiver Wahlfälschung und zu Stimmenkäufen gekommen. Nach einer Audienz bei König Bhumipol erklärte Thaksin seinen Amtsverzicht, doch blieb er interimistischer Regierungschef. Die Opposition ersuchte den König, einen neuen Ministerpräsidenten zu bestimmen, was Bhumipol jedoch ablehnte.
Das Verfassungsgericht erklärte am 8. Mai die Wahlen für ungültig. Neuwahlen wurden für den 15. Oktober angesetzt. Drei Mitglieder der Obersten Wahlbehörde sind wegen Betruges verhaftet worden. In der Opposition begannen bald Details eines Planes zu kursieren: Thaksin würde die Entmachtung oder gar den Sturz des Königs und eine neuartige Diktatur anstreben, hiess es. Nun hat der König seit der Revolution von 1932 keine konkrete Macht mehr, aber er kann mit Gesten und symbolischen Handlungen immer wieder in das politische Geschehen eingreifen. Er schwebt als unantastbare, fast heilige Figur der nationalen Identität über den Parteien. Als Bhumipol 1973 den von Soldaten gehetzten Studenten die Palastküchen öffnen liess, wussten die Militär-machthaber Thanom, Prapas und Narong, dass sie verloren hatten. Die Krise nach den Massakern im „Schwarzen Mai“ 1992 war beendet, nachdem der Monarch die beiden Kontrahenten zu sich gerufen hatte. Armeechef General Suchinda und Parteiführer Chamlong rutschten damals auf Knien über teure Teppiche, um vor den Füssen des Königs zu sitzen und dessen Belehrung zu hören.
Die Militärs, die Thaksin gestürzt haben, wollen als ein "Rat für Verwaltungsreform (ARC)" nicht lange an der Macht bleiben. Der Rat wird von den Chefs der drei Waffengattungen, dem Oberstbefehlshaber und dem Polizeichef des Landes gebildet. In einer Fernseh-ansprache erklärte Armeechef und Ratsvorsitzender Sonthi, Korruption, Vetternwirtschaft, nationaler Streit und Unterwanderung unabhängiger Behörden hätten das Militär zum Handeln gezwungen. Ausserdem habe die Regierung Thaksin mehr-mals den König beleidigt. Sonthi betonte seine Treue und Loyalität gegenüber dem Königshaus. Dass der Coup die Unterstützung des Königs hat, beweist auch die Tatsache, dass er seine Anführer noch in der Nacht zum 20.9. zu einer Audienz empfangen hat. In den ersten Mass-nahmen des Rates sind mehrere Personen aus hohen Positionen entfernt worden, in die sie von Thaksin berufen worden waren. Erste Schritte zur Beschlagnahme seines Vermögens sind eingeleitet worden. Thaskin ist am 20.9. in London eingetroffen, wo er für den Fall des Exils mit dem Kauf eines grosses Anwesens vorgesorgt hat.
Sonthi Boonyaratglin: Korruption, Vetternwirtschaft, nationaler Streit und Unterwanderung unabhängiger Behörden haben das Militär zum Handeln gezwungen.
Thaksin (*1949) kommt aus einer Mittelklassefamilie Nordthailands. Nach einer Karriere als Polizeioffizier machte er ab 1987 mit seiner Firma „Shin Corp“ in der Telekommunikation ein Vermögen. Er ging 1994 in die Politik und besetzte in schnell wechselnden Kabinetten mehrmals Spitzen-positionen. 1998 gründete er mit „Thai Rak Thai“ ( d.h. „Thais lieben Thais“ oder TRT) seine eigene Partei. Mit einem auf ärmere Schichten zielenden Programm und durch massive Stimmenkäufe gewann Shinawatra die Wahlen von 2001. In Thailand gilt der weit verbreitete Irrglaube, dass der reichste Mann des Landes wohl auch der beste Regierungschef sein müsste. Da die Verfassung vom Premier und seinen Ministern eine Offenlegung der jeweiligen Vermögen verlangt, hat Thaksin vor Amtsantritt seine Besitztümer und Konten auf Familienangehörige übertragen.
In seiner Amtszeit wollten die Skandale nicht abreissen. Thaksin schob ununterbrochen Verwandte, Anhänger und Freunde in Spitzen-positionen. Gegen die unruhigen Moslemgebiete des Südens ging er mit harter Hand vor. Er führte einen Kreuzzug gegen die Drogen. Nach Zählung der =Bangkok Post= sind über 2 000 oft unschuldige Personen geheimen Killerkommandos der Polizei zum Opfer gefallen. Grossaufträge wie etwa für den neuen Flugplatz Suvanabhumi wurden seinen Anhängern zugeschanzt. Gegen Kritik war der „thai-ländische Berlusconi“ äusserst empfindlich. Er brachte fast alle TV-Stationen und Radiosender unter seine Kontrolle. Im September 2005 wurden mehrere regimekritische Sender geschlossen, weil sie angeblich den Flugverkehr gestört hätten. Die „Thaksikratie“ hat Thailand tief gestalten. Die Hauptstadt Bangkok und der Süden des Landes unterstützten die oppositio-nelle „Demokratische Partei“, während sich der verarmte Norden hinter Thaksin versammelte.
Bei Neuwahlen im Februar 2005 gewann die TRT 374 der 500 Parlamentssitze. Nach diesen Sieg wurde Thaksin immer öfter Arroganz, Überheblichkeit und totalitäre Neigungen vorgeworfen. Die Zeitschrift „Manager“ veröffentlichte einen ganzen Katalog von Positionen, die sich Thaksin gekauft haben soll. Der Regierungschef konnte im Vorjahr eine Gesetzesänderung durchpeitschen, die ihm den steuerfreien Verkauf seines Shin-Konzernes an die Singapurer Holding „Temasek“ erlaubte. Für umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro gingen Konzessionen für Mobilfunk, Internet, Marketing, TV-Stationen, Satellitenempfang und eine Fluglinie an Singapur. Die Opposition sprach von einem „nationalen Ausverkauf“. Es würden durch dieses Geschäft auch Staatsgeheimnisse an das Ausland verraten werden, hiess es. Es formierte sich eine breite, partei-übergreifende Front gegen den Premier. Thailand kam nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder zogen Demonstrationen durch die Hauptstadt. Thaksin rief den Norden zu Hilfe, worauf eine lange Kolonne von Traktoren zu seiner Unterstützung nach Bangkok rollte. Es kam zu Schlägereien und Zusammenstössen. Die regimefeindlichen Demonstrationen wurden von einem Spottlied über den „Qudaratschädel“ Thaksin begleitet. In diesem Thai-Rap „Ai Khon Na Liam“ werden in vielen Wortspielen alle Sünden des Regierungschefs aufgezählt. Gegen Ende steigert sich der Sprechgesang mit der Nennung all jener Personen, die sich Thaksin gekauft hatte.
Der Regierungschef geriet in Bedrängnis. Am 24. Februar liess er das Parlament auflösen. Für den 2. April wurden Neuwahlen angesetzt. Die Opposition boykottierte den Urnengang und rief zur Abgabe ungültiger Stimmen auf. Bei einer geringen Beteiligung von 60 Prozent errang Thaksins TRT 56 Prozent der Stimmen. Etwa 30 Prozent aller abgegebenen Wahlzettel waren ungütlig. Da im Süden 38 TRT-Kandidaten unter den notwendigen 20 Prozent lagen, mussten hier Nachwahlen abgehalten werden. Dabei ist es zu massiver Wahlfälschung und zu Stimmenkäufen gekommen. Nach einer Audienz bei König Bhumipol erklärte Thaksin seinen Amtsverzicht, doch blieb er interimistischer Regierungschef. Die Opposition ersuchte den König, einen neuen Ministerpräsidenten zu bestimmen, was Bhumipol jedoch ablehnte.
Das Verfassungsgericht erklärte am 8. Mai die Wahlen für ungültig. Neuwahlen wurden für den 15. Oktober angesetzt. Drei Mitglieder der Obersten Wahlbehörde sind wegen Betruges verhaftet worden. In der Opposition begannen bald Details eines Planes zu kursieren: Thaksin würde die Entmachtung oder gar den Sturz des Königs und eine neuartige Diktatur anstreben, hiess es. Nun hat der König seit der Revolution von 1932 keine konkrete Macht mehr, aber er kann mit Gesten und symbolischen Handlungen immer wieder in das politische Geschehen eingreifen. Er schwebt als unantastbare, fast heilige Figur der nationalen Identität über den Parteien. Als Bhumipol 1973 den von Soldaten gehetzten Studenten die Palastküchen öffnen liess, wussten die Militär-machthaber Thanom, Prapas und Narong, dass sie verloren hatten. Die Krise nach den Massakern im „Schwarzen Mai“ 1992 war beendet, nachdem der Monarch die beiden Kontrahenten zu sich gerufen hatte. Armeechef General Suchinda und Parteiführer Chamlong rutschten damals auf Knien über teure Teppiche, um vor den Füssen des Königs zu sitzen und dessen Belehrung zu hören.
Die Militärs, die Thaksin gestürzt haben, wollen als ein "Rat für Verwaltungsreform (ARC)" nicht lange an der Macht bleiben. Der Rat wird von den Chefs der drei Waffengattungen, dem Oberstbefehlshaber und dem Polizeichef des Landes gebildet. In einer Fernseh-ansprache erklärte Armeechef und Ratsvorsitzender Sonthi, Korruption, Vetternwirtschaft, nationaler Streit und Unterwanderung unabhängiger Behörden hätten das Militär zum Handeln gezwungen. Ausserdem habe die Regierung Thaksin mehr-mals den König beleidigt. Sonthi betonte seine Treue und Loyalität gegenüber dem Königshaus. Dass der Coup die Unterstützung des Königs hat, beweist auch die Tatsache, dass er seine Anführer noch in der Nacht zum 20.9. zu einer Audienz empfangen hat. In den ersten Mass-nahmen des Rates sind mehrere Personen aus hohen Positionen entfernt worden, in die sie von Thaksin berufen worden waren. Erste Schritte zur Beschlagnahme seines Vermögens sind eingeleitet worden. Thaskin ist am 20.9. in London eingetroffen, wo er für den Fall des Exils mit dem Kauf eines grosses Anwesens vorgesorgt hat.
sfux - 21. Sep, 08:05 Article 2254x read