Wackelige Atomkraftwerke an der Donau
Michael Schulze von Glaßer – „Leistung die Leiden schafft.“ - So lautet der Vorschlag einiger Mitglieder der Anti-Atomkraft-Bewegung zum Slogan der Deutschen Bank. Es geht um Geld, Korruption in einem Erdbebengebiet an der rumänisch- bulgarischen-Grenze und einem zu Sowjet-Zeiten errichteten Betonfundament.
Auf der bulgarischen Seite des Grenzflusses Donau, der Rumänien von Bulagrien trennt, liegen zwei kleine Städte namens Belene und Svishlov. In der überwiegend landwirtschaftlich geprägten Region gibt es aber nicht nur Äcker und Felder, sondern auch ein massives Betonfundament, an dem schon ab 1992 keine Arbeiten mehr verrichtet werden. Zu diesem Zeitpunkt, sieben Jahre nach Beginn des Projekts „Belene“, stoppte das bulgarische Kabinett aufgrund von Protesten, Zweifel an der Wirtschaftlichkeit und anderen Bedenken, den Bau des Atomkraftwerkes Belene.
Die mutmaßlichen Bauruinen der AKWs von Belene, direkt an der Grenze zu Rumänien: Zwei Flächen, die wie Industriegebiete aussehen, sind auf dem Satellitenbild zu erkennen.
© 2006 TerraMetrics / Europa Technologies / Google Earth
Ausschnittvergrößerung 1: Eine bessere Auflösung des Satellitenfotos gibt es derzeit bei Google Earth nicht.
Ausschnittvergrößerung 2: Direkt an der Donau gelegen und auf Erdbeben gefährdeten Flächen, die zweite Industriefläche – vermutlich auch ein AKW.
Nachdem elf Jahre verstrichen, entschied sich 2003 die bulgarische Regierung, das Projekt „Belene“ wieder aufzunehmen. Zwei Reaktorblöcke vom Typ WWER-1000 sollen auf den alten Fundamenten errichtet werden. Dabei gibt es von einigen Seiten, und vor allem von Seiten der Umwelt- und Anti-Atomkraft-Verbände erhebliche Vorbehalte gegen den Bau. Einerseits ist die Region stark Erdbeben gefährdet. So starben 1977 unweit Belenes etwa 200 Menschen bei einem Erdbeben. Wann das nächste große Beben kommt, ist nicht voraussagbar. Anderseits ist der Reaktortyp WWER-1000 sehr umstritten, was das Atomkraftwerk in Kozloduj, das sich ebenfalls an der Donau befindet, zeigt.
Das Atomkraftwerk Kozloduj setzt sich aus sechs Reaktorblöcken zusammen (Kozloduj 1 – 6), wovon vier Reaktoren dem alten Typ WWER-440/230 entsprechen und laut Experten äußerst unsicher sind. Bis Ende 2006 sollen daher alle Reaktoren dieses Typs abgeschaltet werden, was aber auch eine Bedingung der Beitrittsverhandlungen zur EU war. Kozloduj 5 und 6 sind vom moderneren sowjetischen Typ WWER-1000/320 und sollen erst im Jahr 2018 beziehungsweise 2023 abgeschaltet werden. Das Kraftwerk deckt mit seinen gegenwärtig noch laufenden vier Blöcken 42 Prozent des bulgarischen Energiebedarfs. Um diesen Anteil nach der Abschaltung der letzten zwei WWER-440/230 Reaktoren zu halten, benötigt Bulgarien neue Reaktoren; das ist der Grund für das Projekt „Belene“. Der Meiler in Kozloduj genießt unter den Atomkraftwerken in aller Welt einen außergewöhnlich schlechten Ruf. Störfälle gab es etliche und im März 2006 war gar ein super - GAU denkbar als die Hauptkühlmittelpumpe versagte und das ebenfalls defekte Schnellabschaltsystem erst nach 6 Stunden funktionierte. Übrigens wurde das deutsche Atomkraftwerk Mühlheim-Kährlich auch abgeschaltet, weil es in einer seismisch aktiven Region lag.
Das Atomkraftwerk Kozloduy mit seinen sechs Reaktorblöcken, von denen momentan noch vier in Betrieb sind.
Ausschnittvergrößerung: Das AKW Kozloduy
© 2006 TerraMetrics / Europa Technologies / Google Earth
Der Typ der beiden Reaktorblöcke in Belene steht noch nicht genau fest. Entweder sollen es die Reaktoren vom Typ WWER-1000/320 sein oder das überarbeitete Model vom Typ WWER-1000/466B soll zum ersten Mal industriell genutzt werden. Wie auch in Deutschland gibt es in Bulgarien kein Endlager für atomar verseuchten Müll und es gibt folglich keinen Plan für die Entsorgung der radioaktiven Brennelemente. 2011 soll der erste Block in Belene ans Netz gehen, zwei Jahre später soll Belene 2 folgen. Vor diesem Szenario fürchtet sich vor allem die bäuerliche Bevölkerung, da die Region vor allem wegen ihrer natürlichen Öko-Landwirtschaft bekannt ist.
„Das ist doch grotesk: Der eine gefährliche, russische Reaktor muss abgeschaltet werden und soll durch einen anderen gefährlichen, russischen Reaktor ersetzt werden“, zitiert die taz die bulgarische Umweltaktivistin Albena Simeonova kürzlich. Simeonova nahm schon 1992 bei den Protesten gegen das Atomkraftwerk Belene teil, und war mitverantwortlich für den Baustopp der Reaktoren. Nun kämpft Sie wieder gegen den Bau und musste feststellen, dass der Ton inzwischen rauer ist. Simeonova erhielt mehrere Morddrohungen, und laut Greenpeace gab es schon zwei Mordversuche, die ihr galten und scheiterten. Wer genau hinter den Repressionen an der Goldman-Preis-Trägerin steckt, ist noch nicht bekannt. Die Aktivistin will sich jedoch nach eigenen Aussagen nicht von ihren Protesten abbringen lassen und hat vor weiter gegen den Bau des Meilers zu kämpfen.
Im Jahr 2004 kam es zum politischen Super–GAU: Das Projekt „Belene“ wurde wiederbelebt. Eine Umweltverträglichkeitsstudie, die laut Greenpeace und lokalen Umweltverbänden grobe Mängel aufweist, wurde der Regierung vorgelegt. Fast zur gleichen Zeit warf die bulgarische Regierung dem kanadischen Kraftwerksbauer AECL Bestechungsversuche vor. Das Unternehmen wiederum beschuldigt die bulgarische Regierung des Amtsmissbrauchs. Als Reaktion darauf verringerten sich die interessierten Unternehmen von fünf auf nur noch zwei. Die beiden verbleibenden Unternehmen sind der russische Kraftwerksbauer Atomstroyeksport und die tschechische Skoda Allianz – beide bauen Druckwasserreaktoren des sowjetischen Typs. An Atomstroyeksport hält der deutsche SIEMENS-Konzern 34 Prozent. Die Skoda Allianz ist vor allem durch den Bau des tschechischen Atomkraftswerks Temelín bekannt. Interessanterweise hält der russische Gazprom-Konzern an beiden Unternehmen große Anteile und ist energisch dabei, den Auftrag für die Reaktoren in Belene zu bekommen. Atomstroyeksport gehört zu 84 Prozent Gazprom, bei der Skoda-Allianz hält ein Tochterunternehmen einen Anteil von 53 Prozent. Bulgarien ist zurzeit abhängig von Energielieferungen des russischen Gazprom-Konzerns. Die Reaktoren in Belene sollen einen Teil zur Unabhängigkeit vom gigantischen Gazprom Konzern beitragen, doch wie es scheint wird Bulgarien sich nicht aus den Fesseln lösen können. Anfang des Jahres drohte Gazprom sogar mit einer Erhöhung der Energiekosten und erpresste auf diese Weise die Regierung. Das russische Unternehmen weiß nicht erst seit der Energiekrise in der Ukraine, wie es seine Ziele durchsetzen kann.
Auf dem 21 Jahre alten bröckeligen Fundament wird das neue Atomkraftwerk Belene gebaut (oben). Ein verrostetes Warnschild, das wahrscheinlich ebenfalls noch aus Sowjetzeiten stammt (unten).
Bei dem gesamten Projekt entstehen Kosten in Höhe von circa 2,5 Milliarden Euro; ein horrender Betrag wurde zuvor schon für das Fundament ausgegeben. Bis zum Zerfall des Warschauer Pakts wurden sogar 40 Prozent des Reaktorblocks Belene 1 fertig gestellt, 80 Prozent der Ausrüstung soll bis dato gar schon geliefert worden sein. Trotzdem blieb das Projekt „Belene“ lange eine Bauruine.
Um die Milliarden aufzubringen, muss auf Kredite zurückgegriffen werden. Vor allem die Deutsche Bank, die Commerzbank und die deutsche Hypo Vereinsbank zeigten sich sehr interessiert mit Geldern beim Aufbau der zwei Reaktoren in Belene auszuhelfen. Belene wird als Modelversuch der Banken angesehen. Mit der Hypo-Vereinsbank ist zwar eine weitere deutsche Bank an dem Risikoprojekt beteiligt, doch hier geht die Initiative vor allem vom italienischen Mutterkonzern der Uni-Credit Gruppe aus.
Atomkraft boomt zurzeit in den ehemaligen Ostblockstaaten. So will in den nächsten 25 Jahren die Ukraine 14 neue Reaktoren errichten, Russland plant sogar den Bau 40 neuer Reaktorblöcke. Wenn sich das Projekt „Belene“ für die deutschen Banken rechnet, werden diese wahrscheinlich auch bei der Finanzierung weiterer Atomkraftwerke helfen wollen – und ihren Profit daraus ziehen. Daher wurde gegen die deutsche Finanzierung des bulgarischen Kraftwerks ein Bündnis aus deutschen Umweltschutzverbänden gegründet, das nach eigenen Angaben mittlerweile 15.000 Unterschriften gegen die deutschen Banken sammeln konnte. Kritische Aktionäre informieren auf den Hauptversammlungen der Aktien Gesellschaften über das Projekt und warnen vor den Risiken. Wird das Atomkraftwerk Belene zu einer Gefahr für Mensch und Umwelt in der Grenzregion oder kommt es aufgrund eines Erdbebens oder einer anderen Katastrophe zum GAU, sind die Namen der Banken unwiderruflich mit einer Katastrophe á la Tschernobyl verbunden. Deren „gutes“ Image wäre dahin.
Das deutsche Umweltbündnis kooperiert auch mit lokalen Organisationen in Bulgarien und Rumänien, wo sich ebenfalls großer Widerstand regt. Vor allem das bulgarische Bündnis „BeleNE!“ (Nein zu Belene) kämpft vor Ort gegen den Kraftwerksbau. Zwar leben in der näheren Umgebung des Meilers „nur“ etwa 100.000 Menschen, doch auch in der Ferne regt sich Widerstand. Und wer sich in Erinnerung ruft, wie weit 1986 der Wind radioaktiven Staub aus Tschernobyl getragen hat, wird auch beim Kraftwerk Belene nachdenklich. Von Belene bis zur Grenze Österreichs sind es 800 Kilometer, bis nach Deutschland 1.000 Kilometer. Selbst die Befürworter des Projekts „Belene“ müssen ein erhöhtes Risiko aufgrund der Erdbeben und des alten Reaktors sowjetischer Bauart zugeben. Dieses erhöhte Risiko hat auch die Commerzbank erkannt, die sich vor kurzem aus dem Projekt zurückzog, um ihr Gesicht und ihrem Image nicht zu schaden.
Die Deutsche Bank und die Hypo Vereinsbank haben jedoch andere Taktiken im Umgang mit dem Thema. So informierte die Hypo-Vereinsbank ihre Angestellten über das Projekt „Belene“ und die Finanzierungsanfrage der Bank – zum bedauern vieler Mitarbeiter. Die Deutsche Bank fährt eine radikalere Taktik und hat ihre Angestellten nicht über die eigenen Machenschaften informiert. Außerdem schrieb die Deutsche Bank der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „urgewald“ jüngst einen Brief, in dem es heißt, sie sei in eine Finanzierung für Belene „nicht involviert“. Die Presse in Bulgarien sagt jedoch das Gegenteil und so erschienen in Belene an Ort und Stelle schon Artikel, in denen sich die Deutsche Bank stolz als Produzent des Atomkraftwerkes präsentierte.
Doch nicht nur deutsche Banken beteiligen sich an dem Projekt, auch der deutsche Energieriese E.ON hat seine Finger im Spiel. In Deutschland ist E.ON dazu verpflichtet, sich langsam aus dem Geschäft mit atomarer Energie zurückzuziehen. Warum dann also nicht in anderen Ländern Atomkraft produzieren, müssen sich die Chefs des Konzerns gedacht haben als Sie sich für den Einstieg in das Projekt „Belene“ entschieden.
Viele Firmen treiben bei diesem Projekt ihre Machenschaften. Allein die Anzahl der Konzerne, die Interesse an dem Projekt haben, ist gigantisch und unübersichtlich. Über verzweigte Kanäle und Aktienbeteiligungen kann sich, wie in diesem Fall bei Gazprom, hinter zwei Unternehmen allein ein einziges verbergen. Diese Intransparenz allein schon macht Kritiker mürrisch.
„Deutsche Firmen und Banken sollten sich gut überlegen, ob sie sich an diesem Projekt beteiligen wollen. Schließlich lehnt die Bevölkerungsmehrheit in Deutschland Atomkraft ab.“ sagte Heffa Schücking, Finanzexpertin vom Umweltverband „urgewald“ zum Projekt „Belene“. Schücking spricht hier eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2005 an, in der sich 70 Prozent der Befragten für einen Atomausstieg aussprachen. 26 Prozent dieser Befragten forderten sogar einen schnelleren Ausstieg als den von der Regierung bisher beschlossenen. Atomkraft ist in Deutschland immer noch unbeliebt, die deutschen Unternehmen, die eine Weiterverbreitung von Atomkraft unterstützen, machen sich keine Freunde in der Bevölkerung. Nach jüngsten Umfragen sind sogar 88 Prozent der EU-Bürger gegen weitere Investitionen in die Atomkraft. „Atomkraft – Nein danke!“ ist also aktueller denn je.
Urgewald
Ausgestrahlt
Greenpeace
Auf der bulgarischen Seite des Grenzflusses Donau, der Rumänien von Bulagrien trennt, liegen zwei kleine Städte namens Belene und Svishlov. In der überwiegend landwirtschaftlich geprägten Region gibt es aber nicht nur Äcker und Felder, sondern auch ein massives Betonfundament, an dem schon ab 1992 keine Arbeiten mehr verrichtet werden. Zu diesem Zeitpunkt, sieben Jahre nach Beginn des Projekts „Belene“, stoppte das bulgarische Kabinett aufgrund von Protesten, Zweifel an der Wirtschaftlichkeit und anderen Bedenken, den Bau des Atomkraftwerkes Belene.
Die mutmaßlichen Bauruinen der AKWs von Belene, direkt an der Grenze zu Rumänien: Zwei Flächen, die wie Industriegebiete aussehen, sind auf dem Satellitenbild zu erkennen.
© 2006 TerraMetrics / Europa Technologies / Google Earth
Ausschnittvergrößerung 1: Eine bessere Auflösung des Satellitenfotos gibt es derzeit bei Google Earth nicht.
Ausschnittvergrößerung 2: Direkt an der Donau gelegen und auf Erdbeben gefährdeten Flächen, die zweite Industriefläche – vermutlich auch ein AKW.
Nachdem elf Jahre verstrichen, entschied sich 2003 die bulgarische Regierung, das Projekt „Belene“ wieder aufzunehmen. Zwei Reaktorblöcke vom Typ WWER-1000 sollen auf den alten Fundamenten errichtet werden. Dabei gibt es von einigen Seiten, und vor allem von Seiten der Umwelt- und Anti-Atomkraft-Verbände erhebliche Vorbehalte gegen den Bau. Einerseits ist die Region stark Erdbeben gefährdet. So starben 1977 unweit Belenes etwa 200 Menschen bei einem Erdbeben. Wann das nächste große Beben kommt, ist nicht voraussagbar. Anderseits ist der Reaktortyp WWER-1000 sehr umstritten, was das Atomkraftwerk in Kozloduj, das sich ebenfalls an der Donau befindet, zeigt.
Das Atomkraftwerk Kozloduj setzt sich aus sechs Reaktorblöcken zusammen (Kozloduj 1 – 6), wovon vier Reaktoren dem alten Typ WWER-440/230 entsprechen und laut Experten äußerst unsicher sind. Bis Ende 2006 sollen daher alle Reaktoren dieses Typs abgeschaltet werden, was aber auch eine Bedingung der Beitrittsverhandlungen zur EU war. Kozloduj 5 und 6 sind vom moderneren sowjetischen Typ WWER-1000/320 und sollen erst im Jahr 2018 beziehungsweise 2023 abgeschaltet werden. Das Kraftwerk deckt mit seinen gegenwärtig noch laufenden vier Blöcken 42 Prozent des bulgarischen Energiebedarfs. Um diesen Anteil nach der Abschaltung der letzten zwei WWER-440/230 Reaktoren zu halten, benötigt Bulgarien neue Reaktoren; das ist der Grund für das Projekt „Belene“. Der Meiler in Kozloduj genießt unter den Atomkraftwerken in aller Welt einen außergewöhnlich schlechten Ruf. Störfälle gab es etliche und im März 2006 war gar ein super - GAU denkbar als die Hauptkühlmittelpumpe versagte und das ebenfalls defekte Schnellabschaltsystem erst nach 6 Stunden funktionierte. Übrigens wurde das deutsche Atomkraftwerk Mühlheim-Kährlich auch abgeschaltet, weil es in einer seismisch aktiven Region lag.
Das Atomkraftwerk Kozloduy mit seinen sechs Reaktorblöcken, von denen momentan noch vier in Betrieb sind.
Ausschnittvergrößerung: Das AKW Kozloduy
© 2006 TerraMetrics / Europa Technologies / Google Earth
Der Typ der beiden Reaktorblöcke in Belene steht noch nicht genau fest. Entweder sollen es die Reaktoren vom Typ WWER-1000/320 sein oder das überarbeitete Model vom Typ WWER-1000/466B soll zum ersten Mal industriell genutzt werden. Wie auch in Deutschland gibt es in Bulgarien kein Endlager für atomar verseuchten Müll und es gibt folglich keinen Plan für die Entsorgung der radioaktiven Brennelemente. 2011 soll der erste Block in Belene ans Netz gehen, zwei Jahre später soll Belene 2 folgen. Vor diesem Szenario fürchtet sich vor allem die bäuerliche Bevölkerung, da die Region vor allem wegen ihrer natürlichen Öko-Landwirtschaft bekannt ist.
„Das ist doch grotesk: Der eine gefährliche, russische Reaktor muss abgeschaltet werden und soll durch einen anderen gefährlichen, russischen Reaktor ersetzt werden“, zitiert die taz die bulgarische Umweltaktivistin Albena Simeonova kürzlich. Simeonova nahm schon 1992 bei den Protesten gegen das Atomkraftwerk Belene teil, und war mitverantwortlich für den Baustopp der Reaktoren. Nun kämpft Sie wieder gegen den Bau und musste feststellen, dass der Ton inzwischen rauer ist. Simeonova erhielt mehrere Morddrohungen, und laut Greenpeace gab es schon zwei Mordversuche, die ihr galten und scheiterten. Wer genau hinter den Repressionen an der Goldman-Preis-Trägerin steckt, ist noch nicht bekannt. Die Aktivistin will sich jedoch nach eigenen Aussagen nicht von ihren Protesten abbringen lassen und hat vor weiter gegen den Bau des Meilers zu kämpfen.
Im Jahr 2004 kam es zum politischen Super–GAU: Das Projekt „Belene“ wurde wiederbelebt. Eine Umweltverträglichkeitsstudie, die laut Greenpeace und lokalen Umweltverbänden grobe Mängel aufweist, wurde der Regierung vorgelegt. Fast zur gleichen Zeit warf die bulgarische Regierung dem kanadischen Kraftwerksbauer AECL Bestechungsversuche vor. Das Unternehmen wiederum beschuldigt die bulgarische Regierung des Amtsmissbrauchs. Als Reaktion darauf verringerten sich die interessierten Unternehmen von fünf auf nur noch zwei. Die beiden verbleibenden Unternehmen sind der russische Kraftwerksbauer Atomstroyeksport und die tschechische Skoda Allianz – beide bauen Druckwasserreaktoren des sowjetischen Typs. An Atomstroyeksport hält der deutsche SIEMENS-Konzern 34 Prozent. Die Skoda Allianz ist vor allem durch den Bau des tschechischen Atomkraftswerks Temelín bekannt. Interessanterweise hält der russische Gazprom-Konzern an beiden Unternehmen große Anteile und ist energisch dabei, den Auftrag für die Reaktoren in Belene zu bekommen. Atomstroyeksport gehört zu 84 Prozent Gazprom, bei der Skoda-Allianz hält ein Tochterunternehmen einen Anteil von 53 Prozent. Bulgarien ist zurzeit abhängig von Energielieferungen des russischen Gazprom-Konzerns. Die Reaktoren in Belene sollen einen Teil zur Unabhängigkeit vom gigantischen Gazprom Konzern beitragen, doch wie es scheint wird Bulgarien sich nicht aus den Fesseln lösen können. Anfang des Jahres drohte Gazprom sogar mit einer Erhöhung der Energiekosten und erpresste auf diese Weise die Regierung. Das russische Unternehmen weiß nicht erst seit der Energiekrise in der Ukraine, wie es seine Ziele durchsetzen kann.
Auf dem 21 Jahre alten bröckeligen Fundament wird das neue Atomkraftwerk Belene gebaut (oben). Ein verrostetes Warnschild, das wahrscheinlich ebenfalls noch aus Sowjetzeiten stammt (unten).
Bei dem gesamten Projekt entstehen Kosten in Höhe von circa 2,5 Milliarden Euro; ein horrender Betrag wurde zuvor schon für das Fundament ausgegeben. Bis zum Zerfall des Warschauer Pakts wurden sogar 40 Prozent des Reaktorblocks Belene 1 fertig gestellt, 80 Prozent der Ausrüstung soll bis dato gar schon geliefert worden sein. Trotzdem blieb das Projekt „Belene“ lange eine Bauruine.
Um die Milliarden aufzubringen, muss auf Kredite zurückgegriffen werden. Vor allem die Deutsche Bank, die Commerzbank und die deutsche Hypo Vereinsbank zeigten sich sehr interessiert mit Geldern beim Aufbau der zwei Reaktoren in Belene auszuhelfen. Belene wird als Modelversuch der Banken angesehen. Mit der Hypo-Vereinsbank ist zwar eine weitere deutsche Bank an dem Risikoprojekt beteiligt, doch hier geht die Initiative vor allem vom italienischen Mutterkonzern der Uni-Credit Gruppe aus.
Atomkraft boomt zurzeit in den ehemaligen Ostblockstaaten. So will in den nächsten 25 Jahren die Ukraine 14 neue Reaktoren errichten, Russland plant sogar den Bau 40 neuer Reaktorblöcke. Wenn sich das Projekt „Belene“ für die deutschen Banken rechnet, werden diese wahrscheinlich auch bei der Finanzierung weiterer Atomkraftwerke helfen wollen – und ihren Profit daraus ziehen. Daher wurde gegen die deutsche Finanzierung des bulgarischen Kraftwerks ein Bündnis aus deutschen Umweltschutzverbänden gegründet, das nach eigenen Angaben mittlerweile 15.000 Unterschriften gegen die deutschen Banken sammeln konnte. Kritische Aktionäre informieren auf den Hauptversammlungen der Aktien Gesellschaften über das Projekt und warnen vor den Risiken. Wird das Atomkraftwerk Belene zu einer Gefahr für Mensch und Umwelt in der Grenzregion oder kommt es aufgrund eines Erdbebens oder einer anderen Katastrophe zum GAU, sind die Namen der Banken unwiderruflich mit einer Katastrophe á la Tschernobyl verbunden. Deren „gutes“ Image wäre dahin.
Das deutsche Umweltbündnis kooperiert auch mit lokalen Organisationen in Bulgarien und Rumänien, wo sich ebenfalls großer Widerstand regt. Vor allem das bulgarische Bündnis „BeleNE!“ (Nein zu Belene) kämpft vor Ort gegen den Kraftwerksbau. Zwar leben in der näheren Umgebung des Meilers „nur“ etwa 100.000 Menschen, doch auch in der Ferne regt sich Widerstand. Und wer sich in Erinnerung ruft, wie weit 1986 der Wind radioaktiven Staub aus Tschernobyl getragen hat, wird auch beim Kraftwerk Belene nachdenklich. Von Belene bis zur Grenze Österreichs sind es 800 Kilometer, bis nach Deutschland 1.000 Kilometer. Selbst die Befürworter des Projekts „Belene“ müssen ein erhöhtes Risiko aufgrund der Erdbeben und des alten Reaktors sowjetischer Bauart zugeben. Dieses erhöhte Risiko hat auch die Commerzbank erkannt, die sich vor kurzem aus dem Projekt zurückzog, um ihr Gesicht und ihrem Image nicht zu schaden.
Die Deutsche Bank und die Hypo Vereinsbank haben jedoch andere Taktiken im Umgang mit dem Thema. So informierte die Hypo-Vereinsbank ihre Angestellten über das Projekt „Belene“ und die Finanzierungsanfrage der Bank – zum bedauern vieler Mitarbeiter. Die Deutsche Bank fährt eine radikalere Taktik und hat ihre Angestellten nicht über die eigenen Machenschaften informiert. Außerdem schrieb die Deutsche Bank der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „urgewald“ jüngst einen Brief, in dem es heißt, sie sei in eine Finanzierung für Belene „nicht involviert“. Die Presse in Bulgarien sagt jedoch das Gegenteil und so erschienen in Belene an Ort und Stelle schon Artikel, in denen sich die Deutsche Bank stolz als Produzent des Atomkraftwerkes präsentierte.
Doch nicht nur deutsche Banken beteiligen sich an dem Projekt, auch der deutsche Energieriese E.ON hat seine Finger im Spiel. In Deutschland ist E.ON dazu verpflichtet, sich langsam aus dem Geschäft mit atomarer Energie zurückzuziehen. Warum dann also nicht in anderen Ländern Atomkraft produzieren, müssen sich die Chefs des Konzerns gedacht haben als Sie sich für den Einstieg in das Projekt „Belene“ entschieden.
Viele Firmen treiben bei diesem Projekt ihre Machenschaften. Allein die Anzahl der Konzerne, die Interesse an dem Projekt haben, ist gigantisch und unübersichtlich. Über verzweigte Kanäle und Aktienbeteiligungen kann sich, wie in diesem Fall bei Gazprom, hinter zwei Unternehmen allein ein einziges verbergen. Diese Intransparenz allein schon macht Kritiker mürrisch.
„Deutsche Firmen und Banken sollten sich gut überlegen, ob sie sich an diesem Projekt beteiligen wollen. Schließlich lehnt die Bevölkerungsmehrheit in Deutschland Atomkraft ab.“ sagte Heffa Schücking, Finanzexpertin vom Umweltverband „urgewald“ zum Projekt „Belene“. Schücking spricht hier eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2005 an, in der sich 70 Prozent der Befragten für einen Atomausstieg aussprachen. 26 Prozent dieser Befragten forderten sogar einen schnelleren Ausstieg als den von der Regierung bisher beschlossenen. Atomkraft ist in Deutschland immer noch unbeliebt, die deutschen Unternehmen, die eine Weiterverbreitung von Atomkraft unterstützen, machen sich keine Freunde in der Bevölkerung. Nach jüngsten Umfragen sind sogar 88 Prozent der EU-Bürger gegen weitere Investitionen in die Atomkraft. „Atomkraft – Nein danke!“ ist also aktueller denn je.
Urgewald
Ausgestrahlt
Greenpeace
sfux - 18. Okt, 08:00 Article 6146x read
Hoppel-Heide als Schutzpatronin vom Monopol
Dank der unvergessenen "Hoppel-Heide" darf die kriminelle Atomwirtschaft in Deutschland schalten und walten wie sie gerade will.
Steuerzahler und Bürger werden vom Monopol der Nuklearindustrie gnadenlos abGEZockt.
PS.
Heide Simonis darf heute den guten Ruf von UNICEF riunieren
http://www.contranetz.de/atom/news/newsanzeige.php?anzeige=true&newsid=574