Blauer Halbmond und kurdische Sonne
Beginnende Dreiteilung des Irak führt zu Flaggenstreit
Malte Olschewski - Ein blassblauer Halbmond auf weissem Grund wird von den Irakern schon deswegen abgelehnt, weil die Farbkombination an den verhassten Davidstern auf der Fahne Israels erinnert. Das blau-gelb-blaue Streifenband soll für die beiden grossen Flüsse Euphrat und Tigris, gleichzeitig aber auch für Sunniten und Schiiten stehen, womit der gelbe Streifen die Kurden symbolisieren würde. Es kommen auch die historischen, arabischen Farben Schwarz, Rot, Weiss und Grün in diesem Entwurf nicht vor, mit dem die Suche nach einer neuen irakischen Nationalfahne vorerst gescheitert ist.
Als Kurdenführer Barzani im September die öffentlichen Gebäude in Kirkuk mit der historischen Fahne seines Volkes beflaggte, kam es zu einer Serie von Bombenanschlägen mit Dutzenden Toten. Die Sunniten wehren sich mit allen Mitteln gegen die Staatswerdung Kurdistans, während die kurdische Autonomieregierung bereits vorsichtige Schritte in diese Richtung unternimmt. Man einigte sich vorläufig mit der Regierung in Bagdad auf Doppelbeflaggung: Neben der kurdischen kann nunmehr auch die irakische Fahne des Jahres 1958 gehisst werden.
Die Dreiteilung des Iraks in eine Konföderation aus einem kurdischen, sunnitischen und schiitischen Staat wird von Experten wie Vali Nasr ("When the Shiites Rise" in "Foreign Affairs" von 7/8/2006 oder "The Shia Revival" Norton, 2006) als einzige Möglichkeit angesehen, das Blutvergiessen zu beenden. Geheimdienste sehen in den derzeitigen Kämpfen zwischen verschiedenen Milizen Auseinandersetzungen zur Festlegung künftiger Grenzen in dieser Konföderation. Sinnvolle Aufgabe der amerikanischen Besatzungsmacht bis zum endgültigen Abzug läge daher in einer Entflechtung der gemischten Siedlungsgebiete. Das ist vor allem in Bagdad ungemein schwierig, sodass sogar eine Mauerbau zwischen schiitischen und sunnitischen Stadtvierteln vorstellbar wird. Die US-Armee könnte auch ihre Transportkapazität für notwendig werdende Umsiedlungen einsetzen.
Die Kurden machen 21 Prozent der gesamten Bevölkerung aus. Sie siedeln hauptsächlich im Nordosten, wo in kleineren Enklaven auch Assyrer, Chaldäer und Turkmenen anzutreffen sind. Sunnitische Araber mit 19 Prozent der Bevölkerung sind im mittleren Teil des Iraks entlang der Flüsse von Euphrat und Tigris etwa bis Bagdad anzutreffen. Schiiten sind mit 55 Prozent die Mehrheit und leben in relativ geschlossenen Gebieten des Südens. Bei der gegenwärtigen Siedlungsstruktur sind die Sunniten extrem benachteiligt, da sie von den Erdölfeldern im Norden wie im Süden ausgeschlossen bleiben. Die laufenden Kämpfe spiegeln sich auch in den verschiedenen Flaggen wieder, die oft unerwünscht im Wind flattern.
Der Irak war von den Briten 1921 aus der Masse des Osmanischen Reiches als haschemitisches Königreich begründet worden. Die Flagge zeigte die schwarz-weiss-grünen Streifen mit einem Trapez, in dem zwei siebenzackige Sterne glühten. Die sieben Zacken standen für die sieben Provinzen des Grossreiches, das von den Haschemiten als Abkommen des Propheten beansprucht wurde. Nach Sturz der Monarchie 1958 blieben in der Ersten Republik die drei Streifen, in deren Zentrum eine achtstrahlige Sonne leuchtete. 1963 ersetzte die Zweite Republik die Sonne durch drei grüne Sterne auf rot-weiss-schwarzen Längsstreifen. Die Sterne standen für die geplante Vereinigung von Irak, Syrien und Ägypten zu einer Arabischen Union. Unter Saddam Hussein wurde am 14.1.1991, kurz vor dem Angriff der USA, zwischen den Sternen der Schriftzug "Gott ist gross" eingefügt. Damit wollte Saddam den islamischen Charakter des Irak betonen und auch um die Hilfe anderer, sunnitischer Staaten werben. Irakische Flaggenparade
Da im Irak wie viele andere Staaten politischer Umsturz seine Auswirkungen auf Fahnen und Wappen haben, suchte man auch in Bagdad seit 2004 nach neuen Staatsymbolen. Da der Entwurf mit dem blauen Halbmond auf wütende Ablehnung stiess, setzte die Regierung in Bagdad die Fahne von 1958 als Übergangslösung ein. Dieweil begannen in den drei Landesteilen immer öfter Konkurrenz-tücher im Wind zu flattern.
Die Kurden hatten aus den Schatztruhen der Familie Barzani die Flagge der Republik von Mahabad hervorgeholt und in abgeänderter Form neu flattern lassen. 1920 war den Kurden im Vertrag von Sevres ein eigener Staat versprochen worden. Man hatte schon eine eigene Fahne entworfen, als sich 1923 im Vertrag von Lausanne die Türkei durchsetzte und einen Kurdenstaat verhinderte. 1946 war den Kurden im Westen des Irans mit sowjetischer Hilfe die Gründung der Republik von Mahabad gelungen, die aber bald von den Truppen des Reza Khan niedergewalzt wurde. Auf rot-weiss-grünem Grund waren auf der Fahne von Mahabad eine Schreibfeder, eine Weizenähre und eine Sonne zu sehen. Die Fahne von Irakisch-Kurdistan behielt die Anordnung der Farben und die Sonne. Die Sonne hatte 21 Strahlen, da diese Zahl in der kurdischen Yazidenreligion für heilig gehalten wird.
In sunnitischen Regionen ist immer öfter die Fahne Saudiarabien zu sehen, da Riyad einen möglichst grossen Sunnitenstaat unter-stützt. Die Flagge der herrschenden Wahabiten trägt auf grünem Grund den weissen Schriftzug: „Es gibt keinen Gott ausser Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“ Es ist dies die einzige Fahne der Welt, die aus Respekt vor ihrer Aussage nie auf halbmast gesetzt werden darf. Nachdem am 1.8.2005 König Fahd gestorben war, blieb in Saudiarabien die Fahne hoch am Flaggenmast.
In den vorwiegend von Schiiten besiedelten Gebieten ist immer öfter die Fahne des Irans zu entdecken. Sie besteht aus grün-weiss-roten Längsstreifen. Hierbei symbolisiert Grün den Islam und eine blühende Kultur. Weiss steht für Frieden und Freundschaft, während Blut und Mut durch die rote Farbe ausgedrückt werden. Bis zum Sturz des Schahs stand im Zentrum den Schwert tragende Pahlewi-Löwe. Die Ayatollahs haben ihn durch ein mehrdeutiges Symbol ersetzt, das als Lilie, als vier Halbmonde oder als eine Kalligraphie für das Wort „Allah“ interpretiert werden kann. Der weisse Mittelstreifen wurde nun mit zwei Mal elf Schriftzügen für „Allahu Akbar“ gerahmt. Das sollte bedeuten: Die islamische Revolution begann am 22. Tag im 11. Monat des iranischen Kalenders.
In den Bagdader Zeitungen erschienen in letzter Zeit mehrere Vorschläge für eine neue Fahne. Hierbei hat man eine neue Disziplin der „Persiflag(g)en“ entwickelt. Flaggen mit bitteren Anspielungen auf Saddam, die USA und Israel heizen den Streit weiter an. Man scheint aber einig zu sein, dass die neue Fahne in den arabischen Farben Schwarz, Rot, Weiss und Grün gehalten sein sollte. Diese Farben waren schon über den arabischen Aufständen gegen die Osmanen geflattert. Schwarz symbolisierte die fremde Unterdrückung, während Weiß eine strahlende Zukunft verhiess. Grün galt als die Farbe des Propheten, während Rot das vergossene Blut symbolisierte. Mit der späteren Unabhängigkeit haben fast alle arabischen Länder in Nahost ihre Fahne in diesen Farben gestaltet. Will der Irak eine neue Flagge in den arabischen Farben einführen, so muss er eine originelle Kombination dieser Farben mit einem kraftvollen Symbol seiner 7000 Jahre alten Geschichte verbinden.
Pentagons „Blutgrenzen“ in Nahost (Teil 1) - Proteste gegen US-Pläne für Neuordnung der Krisenregion
Pentagons „Blutgrenzen“ in Nahost (Teil 2)- Umstrittene US-Pläne
Malte Olschewski - Ein blassblauer Halbmond auf weissem Grund wird von den Irakern schon deswegen abgelehnt, weil die Farbkombination an den verhassten Davidstern auf der Fahne Israels erinnert. Das blau-gelb-blaue Streifenband soll für die beiden grossen Flüsse Euphrat und Tigris, gleichzeitig aber auch für Sunniten und Schiiten stehen, womit der gelbe Streifen die Kurden symbolisieren würde. Es kommen auch die historischen, arabischen Farben Schwarz, Rot, Weiss und Grün in diesem Entwurf nicht vor, mit dem die Suche nach einer neuen irakischen Nationalfahne vorerst gescheitert ist.
Als Kurdenführer Barzani im September die öffentlichen Gebäude in Kirkuk mit der historischen Fahne seines Volkes beflaggte, kam es zu einer Serie von Bombenanschlägen mit Dutzenden Toten. Die Sunniten wehren sich mit allen Mitteln gegen die Staatswerdung Kurdistans, während die kurdische Autonomieregierung bereits vorsichtige Schritte in diese Richtung unternimmt. Man einigte sich vorläufig mit der Regierung in Bagdad auf Doppelbeflaggung: Neben der kurdischen kann nunmehr auch die irakische Fahne des Jahres 1958 gehisst werden.
Die Dreiteilung des Iraks in eine Konföderation aus einem kurdischen, sunnitischen und schiitischen Staat wird von Experten wie Vali Nasr ("When the Shiites Rise" in "Foreign Affairs" von 7/8/2006 oder "The Shia Revival" Norton, 2006) als einzige Möglichkeit angesehen, das Blutvergiessen zu beenden. Geheimdienste sehen in den derzeitigen Kämpfen zwischen verschiedenen Milizen Auseinandersetzungen zur Festlegung künftiger Grenzen in dieser Konföderation. Sinnvolle Aufgabe der amerikanischen Besatzungsmacht bis zum endgültigen Abzug läge daher in einer Entflechtung der gemischten Siedlungsgebiete. Das ist vor allem in Bagdad ungemein schwierig, sodass sogar eine Mauerbau zwischen schiitischen und sunnitischen Stadtvierteln vorstellbar wird. Die US-Armee könnte auch ihre Transportkapazität für notwendig werdende Umsiedlungen einsetzen.
Die Kurden machen 21 Prozent der gesamten Bevölkerung aus. Sie siedeln hauptsächlich im Nordosten, wo in kleineren Enklaven auch Assyrer, Chaldäer und Turkmenen anzutreffen sind. Sunnitische Araber mit 19 Prozent der Bevölkerung sind im mittleren Teil des Iraks entlang der Flüsse von Euphrat und Tigris etwa bis Bagdad anzutreffen. Schiiten sind mit 55 Prozent die Mehrheit und leben in relativ geschlossenen Gebieten des Südens. Bei der gegenwärtigen Siedlungsstruktur sind die Sunniten extrem benachteiligt, da sie von den Erdölfeldern im Norden wie im Süden ausgeschlossen bleiben. Die laufenden Kämpfe spiegeln sich auch in den verschiedenen Flaggen wieder, die oft unerwünscht im Wind flattern.
Der Irak war von den Briten 1921 aus der Masse des Osmanischen Reiches als haschemitisches Königreich begründet worden. Die Flagge zeigte die schwarz-weiss-grünen Streifen mit einem Trapez, in dem zwei siebenzackige Sterne glühten. Die sieben Zacken standen für die sieben Provinzen des Grossreiches, das von den Haschemiten als Abkommen des Propheten beansprucht wurde. Nach Sturz der Monarchie 1958 blieben in der Ersten Republik die drei Streifen, in deren Zentrum eine achtstrahlige Sonne leuchtete. 1963 ersetzte die Zweite Republik die Sonne durch drei grüne Sterne auf rot-weiss-schwarzen Längsstreifen. Die Sterne standen für die geplante Vereinigung von Irak, Syrien und Ägypten zu einer Arabischen Union. Unter Saddam Hussein wurde am 14.1.1991, kurz vor dem Angriff der USA, zwischen den Sternen der Schriftzug "Gott ist gross" eingefügt. Damit wollte Saddam den islamischen Charakter des Irak betonen und auch um die Hilfe anderer, sunnitischer Staaten werben. Irakische Flaggenparade
Da im Irak wie viele andere Staaten politischer Umsturz seine Auswirkungen auf Fahnen und Wappen haben, suchte man auch in Bagdad seit 2004 nach neuen Staatsymbolen. Da der Entwurf mit dem blauen Halbmond auf wütende Ablehnung stiess, setzte die Regierung in Bagdad die Fahne von 1958 als Übergangslösung ein. Dieweil begannen in den drei Landesteilen immer öfter Konkurrenz-tücher im Wind zu flattern.
Die Kurden hatten aus den Schatztruhen der Familie Barzani die Flagge der Republik von Mahabad hervorgeholt und in abgeänderter Form neu flattern lassen. 1920 war den Kurden im Vertrag von Sevres ein eigener Staat versprochen worden. Man hatte schon eine eigene Fahne entworfen, als sich 1923 im Vertrag von Lausanne die Türkei durchsetzte und einen Kurdenstaat verhinderte. 1946 war den Kurden im Westen des Irans mit sowjetischer Hilfe die Gründung der Republik von Mahabad gelungen, die aber bald von den Truppen des Reza Khan niedergewalzt wurde. Auf rot-weiss-grünem Grund waren auf der Fahne von Mahabad eine Schreibfeder, eine Weizenähre und eine Sonne zu sehen. Die Fahne von Irakisch-Kurdistan behielt die Anordnung der Farben und die Sonne. Die Sonne hatte 21 Strahlen, da diese Zahl in der kurdischen Yazidenreligion für heilig gehalten wird.
In sunnitischen Regionen ist immer öfter die Fahne Saudiarabien zu sehen, da Riyad einen möglichst grossen Sunnitenstaat unter-stützt. Die Flagge der herrschenden Wahabiten trägt auf grünem Grund den weissen Schriftzug: „Es gibt keinen Gott ausser Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“ Es ist dies die einzige Fahne der Welt, die aus Respekt vor ihrer Aussage nie auf halbmast gesetzt werden darf. Nachdem am 1.8.2005 König Fahd gestorben war, blieb in Saudiarabien die Fahne hoch am Flaggenmast.
In den vorwiegend von Schiiten besiedelten Gebieten ist immer öfter die Fahne des Irans zu entdecken. Sie besteht aus grün-weiss-roten Längsstreifen. Hierbei symbolisiert Grün den Islam und eine blühende Kultur. Weiss steht für Frieden und Freundschaft, während Blut und Mut durch die rote Farbe ausgedrückt werden. Bis zum Sturz des Schahs stand im Zentrum den Schwert tragende Pahlewi-Löwe. Die Ayatollahs haben ihn durch ein mehrdeutiges Symbol ersetzt, das als Lilie, als vier Halbmonde oder als eine Kalligraphie für das Wort „Allah“ interpretiert werden kann. Der weisse Mittelstreifen wurde nun mit zwei Mal elf Schriftzügen für „Allahu Akbar“ gerahmt. Das sollte bedeuten: Die islamische Revolution begann am 22. Tag im 11. Monat des iranischen Kalenders.
In den Bagdader Zeitungen erschienen in letzter Zeit mehrere Vorschläge für eine neue Fahne. Hierbei hat man eine neue Disziplin der „Persiflag(g)en“ entwickelt. Flaggen mit bitteren Anspielungen auf Saddam, die USA und Israel heizen den Streit weiter an. Man scheint aber einig zu sein, dass die neue Fahne in den arabischen Farben Schwarz, Rot, Weiss und Grün gehalten sein sollte. Diese Farben waren schon über den arabischen Aufständen gegen die Osmanen geflattert. Schwarz symbolisierte die fremde Unterdrückung, während Weiß eine strahlende Zukunft verhiess. Grün galt als die Farbe des Propheten, während Rot das vergossene Blut symbolisierte. Mit der späteren Unabhängigkeit haben fast alle arabischen Länder in Nahost ihre Fahne in diesen Farben gestaltet. Will der Irak eine neue Flagge in den arabischen Farben einführen, so muss er eine originelle Kombination dieser Farben mit einem kraftvollen Symbol seiner 7000 Jahre alten Geschichte verbinden.
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sfux - 30. Okt, 08:02 Article 1870x read