Die neue (Un)Sicherheitspolitik Deutschlands (7) Abschottung und Versagen
Michael Schulze von Glaßer – Deutschland rüstet sich mit Abschiebeknästen gegen den Ansturm von Flüchtlingen aus den Staaten der „Dritten Welt“ und treibt die Abschottung der EU voran. Bundeswehr und Regierung sagen zwar, sie wollen den Flüchtlingen helfen und Missstände beheben, doch soll offensichtlich - koste was es wolle - verhindert werden, dass Flüchtlinge in die EU eindringen. Notfalls müsse deren Heimatland eben mit Waffengewalt so weit wieder zusammengeflickt werden, um Flüchtlinge ohne großen Aufschrei in der eigenen Bevölkerung und in den Medien wieder zurückführen zu können.
Die Autoren des Weißbuches der Bundeswehr verschweigen auch dies nicht. So soll es bis 1998 gelungen sein, in Bosnien und Herzegowina ein sicheres Umfeld zu schaffen, „das den Wiederaufbau und die Rückführung von über 400.000 Flüchtlingen aus Deutschland ermöglichte“. Was hier unter „Rückführung“ gelistet wird, sind meist Abschiebungen gegen den Willen der Flüchtlinge, die nicht in ihr zerstörtes Land, das immer noch ein Krisenherd ist, zurück wollen. Die Bundeswehr hilft also dabei mit die EU weiter vor unerwünschten Flüchtlingen abzuschotten - eine unerwartete neue Aufgabe.
Intervention im Land der „pfiffigen Wüstenhippies“
Schon 1997 kontrollierten die radikal islamistischen Taliban unter ihrem Anführer Osama bin Laden weit über die Hälfte des Afghanischen Staatsgebietes. Kameras, Kino, Internet und andere Medien verboten sie. Frauen durften nur in Begleitung von männlichen Verwandten außer Haus und mussten vollkommen verhüllt herumlaufen. Todesstrafe und Folter waren legitime Herrschaftsmittel der Taliban-Regierung. Männer, deren Bart zu kurz war, sollen sogar verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden sein bis ihr Bart lang genug war, um wieder in die Öffentlichkeit zu gehen.
Als die Sowjetunion im Dezember 1979 in das Bürgerkriegsland einfiel, erfuhren die Taliban einen großen Aufschwung und konnten sich auf westliche Hilfe, die zumeist aus Waffenlieferungen seitens der USA bestand, stützen. Sogar mediale Unterstützung erhielten sie aus Hollywood und wurden in einigen Action-Filmen (z.B. mit Michael Douglas und Danny DeVito in den Hauptrollen) als pfiffige Wüstenhippies dargestellt, die in der Lage sind die verhassten Russen zu vertreiben, damit die Amerikaner siegen.
Heute brüstet sich der Westen damit, die Afghanen von dem bösen Taliban-Regime „befreit“ und die Lage in dem Land stabilisiert zu haben. Auch im Bundeswehr-Weißbuch ist dies zu finden: Seite 25. Momentan entgleitet den westlichen Besatzern jedoch die Macht. Die Stabilität in dem Land am Hindukusch beginnt zu bröckeln. Beinahe täglich werden Anschläge auf die Besatzer verübt. Afghanistan scheint zu einem zweiten Desaster wie im Irak zu werden. Auf dem NATO-Gipfel in der lettischen Hauptstadt Riga Anfang Dezember 2006 drängten vor allem Kanada und die Niederlande auf mehr deutsche Beteiligung im Süden Afghanistans. Vornehmlich in den südlichen Provinzen Helmand und Kandahar, wo Kanadier und Niederländer stationiert sind, gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle.
42 Kanadier sind bereits bei Gefechten oder Anschlägen der Taliban ums Leben gekommen. 18 Deutsche wurden bislang ebenfalls Opfer. Die Niederlande reagierten mit einer massiven Aufstockung ihrer Ausrüstung und flogen kurzerhand drei Panzerhaubitzen vom Typ „PzH 2000“ nach Afghanistan ein, um die Taliban in den Bergen und den Dörfern wegzubomben. Im September 2006 griffen etwa 100 bewaffnete Taliban-Kämpfer die niederländische Operationsbasis „Martello“ an. Doch diese Attacke konnten die niederländischen Soldaten ohne eigene Verluste abwehren.
Die Bundeswehr ist in Nordafghanistan stationiert. Auch wenn sich die Bundesregierung gegen den Einsatz im Süden Afghanistans sträubt, wächst der Druck auf eine Ausweitung des Einsatzes. Als ersten Schritt hat die Bundeswehr im Dezember 2006 einige Panzer vom Typ „Marder“ nach Afghanistan verlegt, um der erhöhten Gefahr entgegenzutreten.
Als nächster Schritt wird erwogen deutsche Kampfflugzeuge vom Typ „Tornado“ zu Überwachungsflügen und Informationsbeschaffung in Afghanistan einzusetzen. Diese Aufgabe hatten „Tornados“ schon während des Krieges in Jugoslawien übernommen, um Ziele der westlichen Armeen zu lokalisieren und zu checken, die daraufhin eliminiert wurden.
Ein weiterer Beweis für das Versagen der westlichen Truppen in Afghanistan ist der boomende Mohnanbau, wie Karl Weiss schreibt. Noch vor dem letzten Afghanistan Krieg verbot das Taliban-Regime im Jahr 2000 den Anbau von Mohn zur Drogengewinnung, was die geerntete Menge vor allem von Kleinbauern drastisch reduzierte und die Weltmarktpreise der Droge Opium explodieren ließ.
Die Anbauflächen von Mohn, das zur Herstellung sowohl von der Droge Opium als auch von Heroin benötigt wird in Hektar (Quelle: Vereinte Nationen):
1995 - 54 000 ha
1996 - 57 000 ha
1997 - 58 000 ha
1998 - 64 000 ha
1999 - 91 000 ha
2000 - 82 000 ha
Im Jahr 2000 tritt das Mohnanbauverbot des Taliban Regimes in Kraft:
2001 - 8 000 ha
Durch den Sturz des Regimes und den Einmarsch der Amerikaner und Briten in Afghanistan trauen sich die Bauern wieder Mohn anzubauen. Dabei war es ein Ziel der Besatzer, den Mohnanbau vollkommen zu stoppen. Die Hälfte der gesamten Mohnanbaufläche des Landes liegt im umkämpften Gebiet Helmand, wo die Anbauflächen allein 2006 um etwa 160 Prozent stiegen:
2002 - 74 000 ha
2003 - 80 000 ha
2005 - 104 000 ha
2006 - 150 000 ha
In viele Konflikte greifen Bundeswehr und Bündnispartner nicht ein. Oft wird das Leid durch Einflüsse und Interessen des Westens sogar noch vergrößert. Egal wo die Bundeswehr eingreift, es scheint immer nur um Profitinteressen Deutschlands und deutscher Unternehmen zu gehen. Die Ursachen von Armut und anderer Missstände werden von der Bundeswehr und ihrer Partner nicht effektiv bekämpft, wie der Mohnanbau in Afghanistan drastisch zeigt. Dieser zeigt auch, dass die westlichen Besatzer die Lage in den Staaten, in denen sie einmarschieren, nicht kontrollieren können.
„Taliban erhöhen durch Zauberkräfte die Drogenproduktion in Afghanistan“
© by Michael Schulze von Glaßer
Die mehrteilige Serie wird morgen weitergeführt
Die Autoren des Weißbuches der Bundeswehr verschweigen auch dies nicht. So soll es bis 1998 gelungen sein, in Bosnien und Herzegowina ein sicheres Umfeld zu schaffen, „das den Wiederaufbau und die Rückführung von über 400.000 Flüchtlingen aus Deutschland ermöglichte“. Was hier unter „Rückführung“ gelistet wird, sind meist Abschiebungen gegen den Willen der Flüchtlinge, die nicht in ihr zerstörtes Land, das immer noch ein Krisenherd ist, zurück wollen. Die Bundeswehr hilft also dabei mit die EU weiter vor unerwünschten Flüchtlingen abzuschotten - eine unerwartete neue Aufgabe.
Intervention im Land der „pfiffigen Wüstenhippies“
Schon 1997 kontrollierten die radikal islamistischen Taliban unter ihrem Anführer Osama bin Laden weit über die Hälfte des Afghanischen Staatsgebietes. Kameras, Kino, Internet und andere Medien verboten sie. Frauen durften nur in Begleitung von männlichen Verwandten außer Haus und mussten vollkommen verhüllt herumlaufen. Todesstrafe und Folter waren legitime Herrschaftsmittel der Taliban-Regierung. Männer, deren Bart zu kurz war, sollen sogar verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden sein bis ihr Bart lang genug war, um wieder in die Öffentlichkeit zu gehen.
Als die Sowjetunion im Dezember 1979 in das Bürgerkriegsland einfiel, erfuhren die Taliban einen großen Aufschwung und konnten sich auf westliche Hilfe, die zumeist aus Waffenlieferungen seitens der USA bestand, stützen. Sogar mediale Unterstützung erhielten sie aus Hollywood und wurden in einigen Action-Filmen (z.B. mit Michael Douglas und Danny DeVito in den Hauptrollen) als pfiffige Wüstenhippies dargestellt, die in der Lage sind die verhassten Russen zu vertreiben, damit die Amerikaner siegen.
Heute brüstet sich der Westen damit, die Afghanen von dem bösen Taliban-Regime „befreit“ und die Lage in dem Land stabilisiert zu haben. Auch im Bundeswehr-Weißbuch ist dies zu finden: Seite 25. Momentan entgleitet den westlichen Besatzern jedoch die Macht. Die Stabilität in dem Land am Hindukusch beginnt zu bröckeln. Beinahe täglich werden Anschläge auf die Besatzer verübt. Afghanistan scheint zu einem zweiten Desaster wie im Irak zu werden. Auf dem NATO-Gipfel in der lettischen Hauptstadt Riga Anfang Dezember 2006 drängten vor allem Kanada und die Niederlande auf mehr deutsche Beteiligung im Süden Afghanistans. Vornehmlich in den südlichen Provinzen Helmand und Kandahar, wo Kanadier und Niederländer stationiert sind, gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle.
42 Kanadier sind bereits bei Gefechten oder Anschlägen der Taliban ums Leben gekommen. 18 Deutsche wurden bislang ebenfalls Opfer. Die Niederlande reagierten mit einer massiven Aufstockung ihrer Ausrüstung und flogen kurzerhand drei Panzerhaubitzen vom Typ „PzH 2000“ nach Afghanistan ein, um die Taliban in den Bergen und den Dörfern wegzubomben. Im September 2006 griffen etwa 100 bewaffnete Taliban-Kämpfer die niederländische Operationsbasis „Martello“ an. Doch diese Attacke konnten die niederländischen Soldaten ohne eigene Verluste abwehren.
Die Bundeswehr ist in Nordafghanistan stationiert. Auch wenn sich die Bundesregierung gegen den Einsatz im Süden Afghanistans sträubt, wächst der Druck auf eine Ausweitung des Einsatzes. Als ersten Schritt hat die Bundeswehr im Dezember 2006 einige Panzer vom Typ „Marder“ nach Afghanistan verlegt, um der erhöhten Gefahr entgegenzutreten.
Als nächster Schritt wird erwogen deutsche Kampfflugzeuge vom Typ „Tornado“ zu Überwachungsflügen und Informationsbeschaffung in Afghanistan einzusetzen. Diese Aufgabe hatten „Tornados“ schon während des Krieges in Jugoslawien übernommen, um Ziele der westlichen Armeen zu lokalisieren und zu checken, die daraufhin eliminiert wurden.
Ein weiterer Beweis für das Versagen der westlichen Truppen in Afghanistan ist der boomende Mohnanbau, wie Karl Weiss schreibt. Noch vor dem letzten Afghanistan Krieg verbot das Taliban-Regime im Jahr 2000 den Anbau von Mohn zur Drogengewinnung, was die geerntete Menge vor allem von Kleinbauern drastisch reduzierte und die Weltmarktpreise der Droge Opium explodieren ließ.
Die Anbauflächen von Mohn, das zur Herstellung sowohl von der Droge Opium als auch von Heroin benötigt wird in Hektar (Quelle: Vereinte Nationen):
1995 - 54 000 ha
1996 - 57 000 ha
1997 - 58 000 ha
1998 - 64 000 ha
1999 - 91 000 ha
2000 - 82 000 ha
Im Jahr 2000 tritt das Mohnanbauverbot des Taliban Regimes in Kraft:
2001 - 8 000 ha
Durch den Sturz des Regimes und den Einmarsch der Amerikaner und Briten in Afghanistan trauen sich die Bauern wieder Mohn anzubauen. Dabei war es ein Ziel der Besatzer, den Mohnanbau vollkommen zu stoppen. Die Hälfte der gesamten Mohnanbaufläche des Landes liegt im umkämpften Gebiet Helmand, wo die Anbauflächen allein 2006 um etwa 160 Prozent stiegen:
2002 - 74 000 ha
2003 - 80 000 ha
2005 - 104 000 ha
2006 - 150 000 ha
In viele Konflikte greifen Bundeswehr und Bündnispartner nicht ein. Oft wird das Leid durch Einflüsse und Interessen des Westens sogar noch vergrößert. Egal wo die Bundeswehr eingreift, es scheint immer nur um Profitinteressen Deutschlands und deutscher Unternehmen zu gehen. Die Ursachen von Armut und anderer Missstände werden von der Bundeswehr und ihrer Partner nicht effektiv bekämpft, wie der Mohnanbau in Afghanistan drastisch zeigt. Dieser zeigt auch, dass die westlichen Besatzer die Lage in den Staaten, in denen sie einmarschieren, nicht kontrollieren können.
„Taliban erhöhen durch Zauberkräfte die Drogenproduktion in Afghanistan“
© by Michael Schulze von Glaßer
Die mehrteilige Serie wird morgen weitergeführt
sfux - 11. Jan, 08:07 Article 3700x read