Drei deutsche Bundesminister – verfassungswidrig und infam?
Michael Schulze von Glaßer – Egal, ob es sich um rechts-, links- oder religiös-extremistische Organisationen handelt: Penibel werden im Verfassungsschutzbericht Details über diskreditierte Organisationen festgehalten. Im aktuellsten 394 Seiten starken Verfassungsschutzbericht [1] (aus dem Jahr 2005) wird augenscheinlich jede auch nur annähernd verfassungsfeindliche Organisation oder Person genannt. Die mutmaßlich größten Feinde der Verfassung aber werden alljährlich vergessen. Hier eine aktuelle Liste jener im Verfassungsschutzbericht fehlender Personen, die meiner Meinung nach dafür in Betracht kämen.
Wolfgang Schäuble (CDU)
Der 64-jährige Wolfgang Schäuble ist Bundesminister des Innern und gehört den Christdemokraten an [2]. Engagiertes Machtstreben zeichnet ihn aus. So will Schäuble den Einsatz der Bundeswehr im Innern [3], den Abschuss mutmaßlich von Terroristen entführten Passagierflugzeugen [4] und eine Vernetzung von Polizei und Geheimdiensten [5] durchsetzen, doch alle diese drei Forderungen verstoßen (noch) gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.
Die Bundeswehr darf bisher nur bei Notfällen, wie dem Oder-Hochwasser 2002, im Inland eingesetzt werden. Das im Grundgesetz verankerte Verbot von Inlandseinsätzen der Bundeswehr wird, dank Schäuble, jedoch schon heute durchlöchert. Immer wieder hilft die Bundeswehr meist unauffällig im Inland aus. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 leistete die Bundeswehr der Polizei Unterstützung indem sie den Polizisten Schlafplätze und Verpflegung zur Verfügung stellte [6]. Dies war ein unterstützender Einsatz im Inland, der zwar ganz nett und generös wirkte, doch klar gegen die Verfassung verstieß:
"Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es erlaubt" GG Artikel 87 a [Streitkräfte] (2)
Das Grundgesetz erlaubt den Einsatz der Bundeswehr zur Unterstützung und Übernahme polizeilicher Aufgaben nur, wenn es zum Verteidigungs- oder Spannungsfall kommt. Manche aggressive Zeitgenossen, Hooligans genannt, sehen im Fußball zwar so etwas wie Krieg, doch offiziell tritt der "Verteidigungsfall" nur ein, wenn Deutschland von einem anderen Staat angegriffen wird - dann herrscht Krieg. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bestand zwar eine erhöhte Sicherheitsgefahr, aber sie war unzureichend, um damit den "Spannungsfall" auszurufen, der durch den Bundestag hätte beschlossen werden müssen. Der "Spannungsfall" kann vor einem unmittelbar anstehenden Krieg ausgerufen werden - dann können auch Reservisten eingezogen werden. Der Einsatz der Bundeswehr im Inland war und ist somit verfassungswidrig.
Ein weiterer Gesetzeswunsch Schäubles [7] ist, den Piloten der deutschen Luftwaffe zu ermöglichen auch einmal ein reales Flugzeug vom Himmel zu pusten. So erklärte der Innenminister am 2. Januar 2007 gegenüber der Süddeutschen Zeitung, er wolle das zuvor beim Bundesverfassungsgericht durchgefallene Luftsicherheitsgesetz "verfassungsgemäß" machen. Das Luftsicherheitsgesetz soll es der Bundeswehr erlauben, ein von Terroristen gekapertes Zivilflugzeug abzuschießen bevor dieses, wie im Fall des 11. Septembers 2001 in New York, als Waffe benutzt wird. Das Gesetz scheiterte im Februar 2006 vor dem Bundesverfassungsgericht [8].
Mit Blick auf die Garantie der Menschenwürde sei es
"schlechterdings unvorstellbar, auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten",
urteilten die Verfassungsrichter.
Nun wagt der Innenminister einen neuen Versuch indem er einen "Quasi-Verteidigungsfall" als rechtliches Konstrukt etabliert [9]. Laut Schäuble wäre mit dem "Quasi-Verteidigungsfall" der Abschuss eines vollbesetzten Zivilflugzeuges zur Vermeidung einer mutmaßlich noch größeren Katastrophe rechtens. Dies führe jedoch zu einer rechtsfreien Grauzone, weil ein permanenter Ausnahmezustand problemlos ausgerufen werden könnte. Außerdem verwischten sich damit die Grenzen zwischen Kriegs- und Friedensrecht, womit die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden könnte - möglicherweise sogar gegen unbescholtene und völlig unbeteiligte Deutsche. Besonders sie wären der staatlichen Willkür und einer bislang nur im Zweiten Weltkrieg existierenden Todesgefahr ausgesetzt, denn über dem dichtbesiedelten Deutschland kann kein Verkehrsflugzeug abgeschossen werden, ohne nicht auch am Boden, auf dem die brennenden Trümmer prasseln, Gebäude, Fahrzeuge, Tiere und vor allem Menschen zu treffen. Ein Abschuss, die so genannte „Vermeidung einer noch größeren Katastrophe“, könnte somit eine weitaus größere Katastrophe verursachen, eine Kettenreaktion von tragischen Ereignissen am Erdboden, und damit genau das Ziel von Terroristen unterstützen.
Aber das Luftsicherheitsgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt, weil es zweifelsfrei gegen die Verfassung verstößt; Menschenleben können nun einmal nicht gegen andere Menschenleben abgewogen werden. Trotz dieses höchstrichterlichen Rückschlags versucht Innenminister Schäuble, mit Unterstützung der SPD, erneut das Luftsicherheitsgesetz durchzupeitschen. Dies zeigt, mit welcher unmenschlichen und menschenverachtenden Ignoranz er dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland begegnet.
Schon Schäubles Vorgänger im Amt des Innenministers, Otto Schily (SPD), machte sich am Anti-Terror-Gesetz, auch "Otto-Katalog" genannt, zu schaffen. Das Gesetz ist sehr umfassend und wird stets, dank solch ehrgeiziger Politiker wie Wolfgang Schäuble, erweitert. Direkt nach den Terroranschlägen von New York und Washington wurden so genannte Rasterfahndungen eingeleitet. Die Antwort des Verfassungsgerichts im Urteil vom 4. April 2006:
"Eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen reichen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus." 1 BvR 518/02
Die Anti-Terror-Gesetze sind jedoch weit umfangreicher als die verfassungswidrige Rasterfahndung. Auch das verfassungswidrige Luftsicherheitsgesetz und das Terrorismusbekämpfungsgesetz [10] fallen in den Bereich der Anti-Terror-Gesetze. Letzteres hat die Befugnisse der Geheimdienste erweitert und das Post- und Fernmeldegeheimnis drastisch eingeschränkt.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz trat am 1. Januar 2002 in Kraft und führte zu Pässen mit biometrischen Daten und einer Verschärfung des Ausländerrechts.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist ein Angriff auf die Pressefreiheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung [11]. Dem Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst wurden horrende Rechte eingeheimst. Die Geheimdienste können jetzt ohne juristische Hindernisse in Wohnungen lauschen, Bankkonten überprüfen und harmlose Bürger ohne konkreten Verdacht bespitzeln.
Wermutstropfen an dieses Gesetz: Es wurde auf fünf Jahre beschränkt. Aber Anfang 2007 sollte das Terrorismusbekämpfungsgesetz nicht mehr tonangebend sein, doch "Anti-Terror-Kämpfer" Schäuble kam dem zuwider und legte 2006 das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz vor [12]. Der Zungenbrecher ist eine Verlängerung und zusätzliche Verschärfung des Vorgängergesetzes. Vor allem die im Zuge des Gesetzpaketes angestrebte Anti-Terror-Datei ist sehr umstritten.
Die Innenministerkonferenz unter dem Vorsitz von Günther Beckstein (CSU) bereitete der Anti-Terror-Datei am 4. September 2006 mit dem Beschluss für die Datei den Weg [13]. Die Datei kann von allen bundesdeutschen Polizeidienststellen und Geheimdiensten des Bundes und der Länder erweitert und benutzt werden. Dies führt zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Polizei, was einen Bruch des Grundgesetzes gleichkommt. Die Geschichte lehrt uns, wie fatal die Verzahnung von Geheimdiensten mit der Polizei sein kann: Im Nazi-Deutschland unter dem Diktator Hitler vereinte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) beide Organe in sich. Auch die Staatssicherheit (Stasi) in der Deutschen Demokratischen Republik war Geheimdienst und Polizei zugleich.
Schnell griff Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Idee der Innenministerkonferenz auf und entwarf das "Gemeinsame-Dateien-Gesetz" [14]. Die Bundesregierung segnete das Gesetz am 20. September 2006 ab, im Bundestag wurde das Gesetz am 1. Dezember 2006 beschlossen [15]. Schäuble begründete die Notwendigkeit der Anti-Terror-Datei, die ursprünglich als "Islamistendatei" geplant war, mit den Attentatsversuchen auf Züge der Bahn in Dortmund und Koblenz. Dabei wären die beiden Attentäter, hätte es eine Anti-Terror-Datei zum Zeitpunkt der Anschlagsversuche schon gegeben, nie in ihr erschienen, weil die beiden mutmaßlichen Täter weder polizeilich noch geheimdienstlich auffällig waren. Aus gut informierten, regierungsnahen Kreisen sickerte zudem kürzlich das Gerücht, beide Täter seien von geheimer Stelle angeheuert worden, um Schäuble bei der Durchsetzung seiner Ziele zu helfen. Dafür spreche die dilettantische Konstruktion der Bomben, die offensichtlich vorsätzlich als Blindgänger gebaut wurden. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Hinweis nur um eine diskreditierende Propaganda Oppositioneller. Doch dafür, dass es eine "üble Nachrede" ist, gibt es weder Beweise noch Indizien.
Bei der geplanten Anti-Terror-Datei, die im März 2007 in Betrieb genommen werden und vom Bundeskriminalamt geführt werden soll, handelt sich um präventive Datensammlung. Ins Fadenkreuz kommen vornehmlich Menschen mit ausländischem Hintergrund, die aus dem arabischen Raum kommen. Fast vierzig staatliche Behörden sollen Eingabe- und Zugriffsbefugnisse auf die Dateien bekommen, darunter unter anderem: Bundespolizei, Zollkriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst aber in begründeten Fällen auch einfache Polizeidienststellen. Die Datei soll online abrufbar sein und ist in zwei Bereiche geteilt: Im ersten Dateibereich, der für alle Institutionen einsehbar ist, befinden sich die Identifikationsdaten der gesuchten Person (z.B. Name, Adresse). Im zweiten Datenbereich befinden sich persönlichste Angaben (z.B. Waffenbesitz, Flug- und Führerscheinbesitz). Um den Zugang zum Datenbereich Zwei zu erhalten, müssen sich die staatlichen Stellen an das Innenministerium wenden. Dieses prüft die Anfrage. Es ist davon auszugehen, dass nur wenige Anfragen abgelehnt werden. Eilanfragen werden erst gar nicht kontrolliert, der Zugriff auf die sensiblen Daten wird einfach gewehrt.
Wenn es nach dem SPD Innenexperten Dieter Wiefelspütz ginge, sollten sogar sexuelle Auffälligkeiten gespeichert werden. Besteht der erste Datenbereich noch aus Indexdaten, so sollen sich im zweiten Bereich ganze Volltexte über verdächtigte Personen finden lassen. Diese präventive und hochsensible Datensammlung stellt viele zumeist ausländische Menschen, die in Deutschland leben, unter Generalverdacht - unabhängig davon, ob von ihnen eine Gefahr ausgeht oder nicht. Wie einst im Nazi-Deutschland jeder Jude im Fadenkreuz des Staates geriet, so wird es künftig jeder Ausländer und besonders jeder Orientale sein, egal ob Muslim oder Jude.
Anti-Terror-Einsatz in London: Hysterie und Hass
Was passieren kann, wenn Regierungen die Stimmung mit der Angst vor Terroranschlägen aufheizen, wie die Bundesregierung und vor allem deren Innenminister Schäuble es maßgeblich machen, mussten die Briten am 22. Juli 2005 erfahren. Bei einem Anti-Terroreinsatz der Londoner Polizei wurde der 27-jährige Jean Charles de Menezes, ein damals seit drei Jahren in London lebender Brasilianer, in der Londoner U-Bahn gezielt getötet [16]. Polizisten hatten ihn mit einem Terrorverdächtigen verwechselt. Elf Schüsse wurden auf den harmlosen Menezes abgefeuert, sieben trafen ihn in den Kopf – letztere aus nur einer Waffe in der Hand eines Zivilfahnders. Bei der Untersuchung durch die „Independent Police Complaints Commission“ wurde erhebliches Fehlverhalten der Polizei festgestellt. Die Londoner Polizei versuchte den Fall herunterzuspielen, verstrickte sich bei der Untersuchung jedoch immer wieder in Widersprüche. Warum gerade Jean Charles de Menezes ins Fadenkreuz der Ermittler geriet? Am 7. Juli 2005 ereigneten sich Terroranschläge auf Londoner U-Bahnen und Busse, dabei wurden 50 Menschen getötet, in einem Wrack fand die Polizei einen Rucksack, der wahrscheinlich einem der Attentäter gehörte. In dem Rucksack befand sich wohl eher zufällig ein Zettel mit der Anschrift des Wohnblocks Menezes.
Genau dies ist der Knackpunkt: In der deutschen Anti-Terror-Datei sollen auch Freunde, Arbeitskollegen, Bekannte, Sportkameraden und alle Personen die irgendwie und irgendwann Kontakt mit der Zielperson haben, eingetragen werden und mit überwacht werden. So wird aus einem grundlos Verdächtigten eine ganze Horde Verdächtiger. Jeder Kioskbesitzer, Tankwart, Briefträger, Bankangestellter, Handwerker und sogar Rettungssanitäter, der mit einem Verdächtigten Kontakt hatte, geriete in die Gefahr von einem in Anti-Terror-Ekstase geratenen Polizisten während eines Einsatzes erschossen zu werden.
Großbritannien aber ist kein fernes, exotisches Land. Schließlich betonen immer wieder Politiker wie Innenminister Schäuble, dass die dort existierenden Gefahren auch auf Deutschland zutreffen könnten, folglich auch die „unbeabsichtigte“ Tötung unbescholtener Menschen – aber das wird gerne unter dem Teppich der Verschwiegenheit gekehrt. Dabei ist der „Generalverdacht“ ebenso wenig im Sinne des Grundgesetzes wie das „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)“ in Berlin [17].
In der 2004 gegründeten Behörde tauschen 220 Beamte von Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Zollkriminalamt und Militärischem Abschirmdienst, sowie Vertreter der Landeskriminalämter, der Bundespolizei und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Erkenntnisse und Erfahrungen über Terrorismus aus - eine weitere Verschmelzung von Geheimdiensten, der Polizei und weiteren staatlichen Organen. Eine Trennung der Organe, wie sie von den Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg angestrebt wurde und im Polizeigesetz sowie im Grundgesetz (GG Art. 73 Nr. 10 und 87 Abs. 1 Satz 2) verschrieben ist, findet nicht mehr statt. Deutschland ist zwar souverän geworden. Aber darf die Regierung deshalb gleich wieder kriminell, d.h. verfassungswidrig handeln?
Die Auffassung des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble über Recht und Unrecht sorgt für Negativschlagzeilen und Entrüstung, Beispielsweise im Dezember 2005 verlangte er, die Aussagen von Gefolterten bei der Ermittlungsarbeit von Sicherheitsbehörden zu nutzen. Schäuble: Gerade im „Kampf gegen den Terror“ könnten durch Folter erwirkte Aussagen nützlich sein. Eine Vorgehensweise, die in der Zeit der Inquisition praktiziert wurde. Und eine Haltung, von der sich die katholische Kirche distanzierte – wenn auch dies spät durch den Vorgänger des jetzigen Papstes erfolgte. Unter Folter erzwungene Geständnisse wurden immerhin zum Sinnbild der Inquisition. Die Abkehr des Vatikan von derlei bestialischen Praktiken hätte längst auch bei christlichen Politikern wie Schäuble bekannt sein müssen. Hätten die Rektoren der Universität Freiburg (Schweiz) diese Haltung Schäubles schon im November 2005 gewusst, wäre ihm wohl nie der Ehrendoktortitel der rechtswissenschaftlichen Fakultät verliehen worden.
Es ist somit festzuhalten, dass der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble permanent mit seinen unfassbaren Gesetzesvorschlägen gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstößt und somit die Sicherheit des deutschen Volkes maßgeblich gefährdet.
Dr. Franz Josef Jung (CDU)
Der promovierte Jurist wurde 1949 im Rheingau geboren und ist seit 2005 Bundesminister der Verteidigung [18]. An der Seite von Wolfgang Schäuble versucht Jung den Einsatz der Bundeswehr im Inland so wie die Änderung des Luftsicherheitsgesetzes zu erstreiten. Bei letzterem geht Jung sogar noch einen Schritt weiter als Innenminister Schäuble. Am 7. Juni 2006 sagte der Verteidigungsminister einem Journalisten in Brüssel, die Bundeswehr wolle auch entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2006 mutmaßlich entführte Passagierflugzeuge abschießen wird:
„In der Zwischenzeit würden wir beispielsweise unter Berufung auf einen übergesetzlichen Notstand eingreifen, auch wenn keine grundgesetzliche Klarstellung erfolgt ist“ Handelsblatt 8. Juni 2006
Jung spielt hier auf die für den Flugzeugabschuss notwendige Grundgesetzänderung an und gibt sogleich zu, dass er dieses brechen wird, wenn es zu einem Ernstfall käme [19]. Wahrscheinlich hat er den Verfassungsbruch des ehemaligen Hamburger Innensenators Helmut Schmidt (der später Bundeskanzler wurde), begangen während der großen Sturmflut von 1962, völlig missverstanden. Schmidt hatte damals eigenmächtig die Bundeswehr nach Hamburg geholt, um Leben zu retten, um (so Wikipedia) „trotz fehlender Rechts- und Vorschriftenlage schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten“. Jungs Coups aber sind Kriegseinsätze im Ausland mit der ihm unterstehenden deutschen „Bundeswehr“.
Einen aalglatten Verfassungsbruch beging die Bundesmarine, als sie Kriegsschiffen der amerikanischen und britischen Marine, die sich im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak befanden, Geleitschutz gaben [20]. In 26 Fällen konnte dies stichhaltig bewiesen werden. Trotzdem wurde das Mandat der am „Horn von Afrika“ stationierten Marine im letzten Jahr zum fünften Mal verlängert. Jeder Bundestagsabgeordnete, der für die Verlängerung des Einsatzes gestimmt hat, hat somit auch für weitere Verfassungsbrüche gestimmt – dabei war dieser Skandal den Abgeordneten zur Zeit der Abstimmung längst bekannt.
Gemäß Artikel 26 des Grundgesetzes ist es Deutschland verboten einen Angriffskrieg vorzubereiten:
„(1), Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
Angriffskriege vorzubereiten ist also verboten, einen Angriffskrieg zu führen jedoch nicht. Was die Väter des Grundgesetzes mit dem Artikel 26 aussagen wollten, ist klar: Nie wieder sollte Deutschland einen Angriffskrieg führen. Nach zwei Weltkriegen sollte Deutschland endlich friedlich werden. Doch 50 Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung, sind besonders Militärs wie Franz Josef Jung wieder an Angriffskriegen interessiert.
Mit Biegen und Brechen schafften es die Militärs 1999 am völkerrechtswidrigen Krieg gegen die ehemals souveräne Bundesrepublik Jugoslawien mit teilzunehmen. Die Ausreden der damaligen rot-grünen Regierung und der Bundeswehr waren dabei primitiv wie keck: Sie hätten den Krieg schließlich nicht vorbereitet, diese Aufgabe den anderen Staaten überlassen.
Was im 20. Jahrhundert funktionierte, funktioniert im 21. Jahrhundert sogar noch besser - weiß der derzeitige Verteidigungsminister. Wo früher selbst in den Mainstream-Medien auf das Grundgesetz verwiesen wurde, wird heute nicht mehr nachgefragt mit welchem rechtlichen Hintergrund Einsätze passieren. So geschehen beim Bundeswehreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo und auch beim Einsatz der Marine vor der libanesischen Küste. Der Mechanismus dahinter ist längst publik: Journalisten, die beim Bundespresseamt akkreditiert sind und die sich als regierungskritisch erweisen, werden ganz einfach kalt gestellt und nicht mehr in die „gut informierten Kreise“ der Bundesregierung zu Häppchen und Umtrunks eingeladen.
Gegen Gesetz und wahrscheinlich auch Mandat verstieß auch der Einsatz deutscher Kommando-Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan. Bei der „Operation Anaconda“, die im März 2002 stattfand, wurden etwa 1.000 Soldaten von Spezialeinheiten verschiedener Nationen in den Südosten Afghanistans gebracht, um Taliban und El-Kaida-Anhänger aufzuspüren und zu eliminieren [21]. An dem offensiven Kriegseinsatz nahmen auch deutsche KSK-Soldaten teil. Die Ausrede, nur zu schießen, wenn die Soldaten selbst beschossen würden, zählte bei dem Angriff nicht. Wie so oft wurde der Einsatz von den USA geplant und geleitet. Das Bundestagsmandat war für die „Operation Anaconda“ jedoch keinesfalls ausreichend.
Was die KSK-Soldaten genau in Afghanistan suchten, wurde der Öffentlichkeit bisher verschwiegen und wird zurzeit im Untersuchungsausschuss des Bundestages erörtert. Auch sollen KSK-Soldaten den Bremer Murrat Kurnaz verhört und vielleicht sogar gefoltert haben. Des Weiteren kam kürzlich heraus, dass deutsche Soldaten auf einem amerikanischen Militärstützpunkt in Afghanistan mithalfen, Gefangene zu transportieren. Die deutschen Soldaten sollen außerdem bei der Bewachung und Sicherung des Stützpunktes geholfen haben [22].
Auch mit der Wehrgerechtigkeit nimmt es die Bundeswehr nicht mehr ernst. Ob ein junger Mann gemustert wird oder nicht hängt wie beim Lotto vom Glück ab [23]. Die gesetzlich vorgeschriebene Wehrgerechtigkeit wird seit Jahren nicht mehr eingehalten. Die Wehrgerechtigkeit soll für eine Gleichbehandlung aller jungen Männer dienen. Niemand soll aus Zufall und Willkür zum Dienst herangezogen werden. Mittlerweile werden nur noch ein Viertel aller jungen Männer zum Wehrdienst herangezogen, von denen gar ein Drittel ausgemustert werden und weder Wehpflicht noch Zivildienst ableisten müssen.
Der 21. April 2004 war ein folgenschwerer Tag für die Verfechter der Wehrpflicht. Das Verwaltungsgericht Köln entschied erstmals in der deutschen Geschichte, dass ein zur Wehrpflicht herangezogener Mann seinen Dienst nicht antreten muss, da die Wehrgerechtigkeit wie sie im Grundgesetz verankert ist, nicht existiert [24]. Das Bundesverwaltungsgericht hob das Urteil später jedoch auf und wies es an das Verwaltungsgericht Köln zurück. Diese leitete den Prozess weiter an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wo bald ein Urteil gefällt werden soll.
Dies könnte zu einer Abschaffung der Wehrpflicht aufgrund der Verfassungswidrigkeit führen. Insbesondere wird gegen den Artikel 12 des Grundgesetzes verstoßen, in dem die Wehrpflicht „allgemein und für alle gleich“ sein muss. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sieht jedoch keinen Handlungsbedarf die Wehrgerechtigkeit – so sehr sie überhaupt gerecht sein kann – wiederherzustellen.
Jung und seine Truppe machen was sie wollen – ohne jegliche rechtliche Handhabe. Dafür bestraft wurde der Oberbefehlshaber Jung bislang noch nicht, dabei sollte gerade er als promovierter Jurist es besser wissen.
Brigitte Zypries (SPD)
Die Bundesministerin der Justiz ist schon seit dem Jahr 2002 im Amt. Zypries wurde 1953 in Kassel geboren und studierte Rechtswissenschaften in Gießen [25]. Als langjährige Justizministerin war Zypries vor allem an den Gesetzen für den „Großen Lauschangriff“ beteiligt, wofür sie den „Big Brother Award 2004“ in der Rubrik „Politik“ erhielt [26]. Ist folglich selbst die Bundesministerin der Justiz verfassungsfeindlich?
Am 3. März 2004 erklärte das Bundesverfassungsgericht den „Großen Lauschangriff“ für nicht verfassungskonform und gab dem Bundesministerium der Justiz bis zum 30. Juni 2005 Zeit das Gesetz konform zu gestalten. Bei dem Gesetz geht es um das Abhören privater Wohnungen. Obwohl das Gesetz gegen die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ (GG Artikel 13) verstößt, war dies nicht der Hauptgrund für die ablehnende Haltung des Verfassungsgerichts: Es sah die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde in Gefahr. Nur in absoluten Ausnahmefällen sollte das Abhören von Wohnungen, so das Gericht, erlaubt sein. Die anfallenden Daten müssten dabei sofort gelöscht werden:
"Von der Möglichkeit zur akustischen Wohnraumüberwachung können Einschüchterungseffekte ausgehen, denen insbesondere auch der Unverdächtige ausgesetzt ist, weil auch er [...] jederzeit und ohne sein Wissen von der Ermittlungsmaßnahme betroffen werden kann“ (BVerfGE 109, 279 [354])
Schon drei Monate nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes legte das Ministerium der Justiz unter ihrer Chefin Brigitte Zypries einen neuen Referentenentwurf für den „Großen Lauschangriff“ vor. Dieser Entwurf wurde binnen weniger Tage zurückgezogen, da es in der Öffentlichkeit heftige Kritik an dem Entwurf gab [27]. Zum Teil wurden Anmerkungen des Verfassungsgerichts ins Gegenteil verkehrt, wie Kritiker urteilten. Rechtswissenschaftler und Datenschützer plädierten dafür, ganz auf den „Großen Lauschangriff“ zu verzichten. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger trat 1996 sogar als Bundesjustizministerin zurück, weil sie das Gesetz nicht mittragen wollte [28]. Sie erkannte die Verfassungsfeindlichkeit des Gesetzes.
Doch lässt sich meiner Meinung nach Brigitte Zypries nicht lumpen, wenn es um sensible Daten geht. Mitte 2007 soll die EG-„Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung“ in Kraft treten [29] – mit freundlicher Hilfe von Brigitte Zypries. Datenschützer kritisieren, dass die Menschen unter Generalverdacht gestellt werden. Sowohl gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre als auch gegen die Meinungsfreiheit werde verstoßen [30].
Das Gesetz erlaubt es den EU-Staaten Telefon-, Mobilfunk-, Internet- und E-Mail-Daten aller Menschen in der EU für mindestens 12 und höchstens 36 Monate zu speichern. Im Gegensatz zum „Lauschangriff“ werden die Gespräche jedoch nicht abgehört, sondern andere anfallende Daten gespeichert: Rufnummer, IP-Adresse, Benutzerkennung, E-Mail Adressen, Standorte der Nutzer, angerufene Telefonnummern, Telefonnetz, Provider, usw. das Ganze natürlich versehen mit dem Namen und der Adresse des Nutzers.
Das EU-Gesetz ist daher sehr umstritten. Irland klagt zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das Gesetz.
Die Bundesministerin der Justiz aber kämpft offensichtlich mit dem Grundgesetz, schließlich hat sie es nicht gemacht und ich mutmaße, dass auch sie von dem unter deutschen Politikern gegenwärtig bornierten Reformstreben beseelt ist. Brigitte Zypries ist somit nicht die Justitia, die sie sein sollte.
Fazit
Ich stelle fest, dass einige Mitglieder der Regierung immer wieder mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen auffallen und sogar offen verfassungswidrig handeln. Bestraft wurde deshalb noch keiner von ihnen. Und an Rücktritt wegen ihrer Rückschritte, die sie als „Reformen“ umschreiben, denken sie selbst am allerwenigsten. Selbst die Ankündigung Franz Josef Jungs die Verfassung zu brechen, wurde vom Verfassungsschutz nicht verfolgt. Forderungen wie „Wehret den Anfängen“ in Erinnerung an den Hitler-Faschismus bleiben offensichtlich von jenen ungehört, die das demokratische Deutschland sichern und es als Minister vertreten sollten. Aber einmal im Jahr, im Januar, lauschen sie elegischen Geigenklängen im Bundestag, wenn während einer Feierstunde dem Holocaust gedacht wird.
Quellen
[1] http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2005.pdf
[2] http://www.wolfgang-schaeuble.de/
[3] http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/schaeuble-bundeswehr-im-inneren/83832.asp
[4] http://www.sueddeutsche.de/,tt1l2/deutschland/artikel/855/96759/
[5] http://www.bigbrotherawards.de/2006/.pol/pol-02/
[6] http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=299
[7] http://www.netzeitung.de/deutschland/432978.html
[8] http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802.html
[9] http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=333
[10] http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl102003s0361.pdf
[11] http://www.labournet.de/diskussion/grundrechte/terror/index.html
[12] http://buzer.dyndns.org/gesetz/4197/index.htm
[13] http://www.bigbrotherawards.de/2006/.pol/pol-02/
[14] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5876802_REF1_NAV_BAB,00.html
[15] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81859/from/rss09
[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Charles_de_Menezes
[17] http://www.ulla-jelpke.de/uploads/PE_070109_BSHA.pdf
[18] http://www.franz-josef-jung.de/
[19] http://www.handelsblatt.com/news/Default.aspx?_p=200050&_t=ft&_b=1090075
[20] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Bundeswehr/end-freedom-zumach.html
[21] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afghanistan/kriegschronik/maerz02.html
[22] DER SPIEGEL Nr.4/22.1.2007 „Elektroschocks im Drahtkäfig“
[23] http://www.zentralstelle-kdv.de/wehrgerechtigkeit-2005.pdf
[24] http://www.vg-koeln.nrw.de/presse/pressem/2004/p040421.htm
[25] http://www.brigitte-zypries.de/
[26] http://www.bigbrotherawards.de/2004/.pol/
[27] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17849/1.html
[28] http://www.leutheusser-schnarrenberger.de/index.php/Person/Lebenslauf?MttgSession=7291ccec9cab2324626c8ca72a8b7dac
[29] http://www.heise.de/newsticker/meldung/69881
[30] http://www.vorratsdatenspeicherung.de/
Wolfgang Schäuble (CDU)
Der 64-jährige Wolfgang Schäuble ist Bundesminister des Innern und gehört den Christdemokraten an [2]. Engagiertes Machtstreben zeichnet ihn aus. So will Schäuble den Einsatz der Bundeswehr im Innern [3], den Abschuss mutmaßlich von Terroristen entführten Passagierflugzeugen [4] und eine Vernetzung von Polizei und Geheimdiensten [5] durchsetzen, doch alle diese drei Forderungen verstoßen (noch) gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.
Die Bundeswehr darf bisher nur bei Notfällen, wie dem Oder-Hochwasser 2002, im Inland eingesetzt werden. Das im Grundgesetz verankerte Verbot von Inlandseinsätzen der Bundeswehr wird, dank Schäuble, jedoch schon heute durchlöchert. Immer wieder hilft die Bundeswehr meist unauffällig im Inland aus. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 leistete die Bundeswehr der Polizei Unterstützung indem sie den Polizisten Schlafplätze und Verpflegung zur Verfügung stellte [6]. Dies war ein unterstützender Einsatz im Inland, der zwar ganz nett und generös wirkte, doch klar gegen die Verfassung verstieß:
"Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es erlaubt" GG Artikel 87 a [Streitkräfte] (2)
Das Grundgesetz erlaubt den Einsatz der Bundeswehr zur Unterstützung und Übernahme polizeilicher Aufgaben nur, wenn es zum Verteidigungs- oder Spannungsfall kommt. Manche aggressive Zeitgenossen, Hooligans genannt, sehen im Fußball zwar so etwas wie Krieg, doch offiziell tritt der "Verteidigungsfall" nur ein, wenn Deutschland von einem anderen Staat angegriffen wird - dann herrscht Krieg. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bestand zwar eine erhöhte Sicherheitsgefahr, aber sie war unzureichend, um damit den "Spannungsfall" auszurufen, der durch den Bundestag hätte beschlossen werden müssen. Der "Spannungsfall" kann vor einem unmittelbar anstehenden Krieg ausgerufen werden - dann können auch Reservisten eingezogen werden. Der Einsatz der Bundeswehr im Inland war und ist somit verfassungswidrig.
Ein weiterer Gesetzeswunsch Schäubles [7] ist, den Piloten der deutschen Luftwaffe zu ermöglichen auch einmal ein reales Flugzeug vom Himmel zu pusten. So erklärte der Innenminister am 2. Januar 2007 gegenüber der Süddeutschen Zeitung, er wolle das zuvor beim Bundesverfassungsgericht durchgefallene Luftsicherheitsgesetz "verfassungsgemäß" machen. Das Luftsicherheitsgesetz soll es der Bundeswehr erlauben, ein von Terroristen gekapertes Zivilflugzeug abzuschießen bevor dieses, wie im Fall des 11. Septembers 2001 in New York, als Waffe benutzt wird. Das Gesetz scheiterte im Februar 2006 vor dem Bundesverfassungsgericht [8].
Mit Blick auf die Garantie der Menschenwürde sei es
"schlechterdings unvorstellbar, auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten",
urteilten die Verfassungsrichter.
Nun wagt der Innenminister einen neuen Versuch indem er einen "Quasi-Verteidigungsfall" als rechtliches Konstrukt etabliert [9]. Laut Schäuble wäre mit dem "Quasi-Verteidigungsfall" der Abschuss eines vollbesetzten Zivilflugzeuges zur Vermeidung einer mutmaßlich noch größeren Katastrophe rechtens. Dies führe jedoch zu einer rechtsfreien Grauzone, weil ein permanenter Ausnahmezustand problemlos ausgerufen werden könnte. Außerdem verwischten sich damit die Grenzen zwischen Kriegs- und Friedensrecht, womit die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden könnte - möglicherweise sogar gegen unbescholtene und völlig unbeteiligte Deutsche. Besonders sie wären der staatlichen Willkür und einer bislang nur im Zweiten Weltkrieg existierenden Todesgefahr ausgesetzt, denn über dem dichtbesiedelten Deutschland kann kein Verkehrsflugzeug abgeschossen werden, ohne nicht auch am Boden, auf dem die brennenden Trümmer prasseln, Gebäude, Fahrzeuge, Tiere und vor allem Menschen zu treffen. Ein Abschuss, die so genannte „Vermeidung einer noch größeren Katastrophe“, könnte somit eine weitaus größere Katastrophe verursachen, eine Kettenreaktion von tragischen Ereignissen am Erdboden, und damit genau das Ziel von Terroristen unterstützen.
Aber das Luftsicherheitsgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt, weil es zweifelsfrei gegen die Verfassung verstößt; Menschenleben können nun einmal nicht gegen andere Menschenleben abgewogen werden. Trotz dieses höchstrichterlichen Rückschlags versucht Innenminister Schäuble, mit Unterstützung der SPD, erneut das Luftsicherheitsgesetz durchzupeitschen. Dies zeigt, mit welcher unmenschlichen und menschenverachtenden Ignoranz er dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland begegnet.
Schon Schäubles Vorgänger im Amt des Innenministers, Otto Schily (SPD), machte sich am Anti-Terror-Gesetz, auch "Otto-Katalog" genannt, zu schaffen. Das Gesetz ist sehr umfassend und wird stets, dank solch ehrgeiziger Politiker wie Wolfgang Schäuble, erweitert. Direkt nach den Terroranschlägen von New York und Washington wurden so genannte Rasterfahndungen eingeleitet. Die Antwort des Verfassungsgerichts im Urteil vom 4. April 2006:
"Eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen reichen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus." 1 BvR 518/02
Die Anti-Terror-Gesetze sind jedoch weit umfangreicher als die verfassungswidrige Rasterfahndung. Auch das verfassungswidrige Luftsicherheitsgesetz und das Terrorismusbekämpfungsgesetz [10] fallen in den Bereich der Anti-Terror-Gesetze. Letzteres hat die Befugnisse der Geheimdienste erweitert und das Post- und Fernmeldegeheimnis drastisch eingeschränkt.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz trat am 1. Januar 2002 in Kraft und führte zu Pässen mit biometrischen Daten und einer Verschärfung des Ausländerrechts.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist ein Angriff auf die Pressefreiheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung [11]. Dem Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst wurden horrende Rechte eingeheimst. Die Geheimdienste können jetzt ohne juristische Hindernisse in Wohnungen lauschen, Bankkonten überprüfen und harmlose Bürger ohne konkreten Verdacht bespitzeln.
Wermutstropfen an dieses Gesetz: Es wurde auf fünf Jahre beschränkt. Aber Anfang 2007 sollte das Terrorismusbekämpfungsgesetz nicht mehr tonangebend sein, doch "Anti-Terror-Kämpfer" Schäuble kam dem zuwider und legte 2006 das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz vor [12]. Der Zungenbrecher ist eine Verlängerung und zusätzliche Verschärfung des Vorgängergesetzes. Vor allem die im Zuge des Gesetzpaketes angestrebte Anti-Terror-Datei ist sehr umstritten.
Die Innenministerkonferenz unter dem Vorsitz von Günther Beckstein (CSU) bereitete der Anti-Terror-Datei am 4. September 2006 mit dem Beschluss für die Datei den Weg [13]. Die Datei kann von allen bundesdeutschen Polizeidienststellen und Geheimdiensten des Bundes und der Länder erweitert und benutzt werden. Dies führt zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Polizei, was einen Bruch des Grundgesetzes gleichkommt. Die Geschichte lehrt uns, wie fatal die Verzahnung von Geheimdiensten mit der Polizei sein kann: Im Nazi-Deutschland unter dem Diktator Hitler vereinte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) beide Organe in sich. Auch die Staatssicherheit (Stasi) in der Deutschen Demokratischen Republik war Geheimdienst und Polizei zugleich.
Schnell griff Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Idee der Innenministerkonferenz auf und entwarf das "Gemeinsame-Dateien-Gesetz" [14]. Die Bundesregierung segnete das Gesetz am 20. September 2006 ab, im Bundestag wurde das Gesetz am 1. Dezember 2006 beschlossen [15]. Schäuble begründete die Notwendigkeit der Anti-Terror-Datei, die ursprünglich als "Islamistendatei" geplant war, mit den Attentatsversuchen auf Züge der Bahn in Dortmund und Koblenz. Dabei wären die beiden Attentäter, hätte es eine Anti-Terror-Datei zum Zeitpunkt der Anschlagsversuche schon gegeben, nie in ihr erschienen, weil die beiden mutmaßlichen Täter weder polizeilich noch geheimdienstlich auffällig waren. Aus gut informierten, regierungsnahen Kreisen sickerte zudem kürzlich das Gerücht, beide Täter seien von geheimer Stelle angeheuert worden, um Schäuble bei der Durchsetzung seiner Ziele zu helfen. Dafür spreche die dilettantische Konstruktion der Bomben, die offensichtlich vorsätzlich als Blindgänger gebaut wurden. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Hinweis nur um eine diskreditierende Propaganda Oppositioneller. Doch dafür, dass es eine "üble Nachrede" ist, gibt es weder Beweise noch Indizien.
Bei der geplanten Anti-Terror-Datei, die im März 2007 in Betrieb genommen werden und vom Bundeskriminalamt geführt werden soll, handelt sich um präventive Datensammlung. Ins Fadenkreuz kommen vornehmlich Menschen mit ausländischem Hintergrund, die aus dem arabischen Raum kommen. Fast vierzig staatliche Behörden sollen Eingabe- und Zugriffsbefugnisse auf die Dateien bekommen, darunter unter anderem: Bundespolizei, Zollkriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst aber in begründeten Fällen auch einfache Polizeidienststellen. Die Datei soll online abrufbar sein und ist in zwei Bereiche geteilt: Im ersten Dateibereich, der für alle Institutionen einsehbar ist, befinden sich die Identifikationsdaten der gesuchten Person (z.B. Name, Adresse). Im zweiten Datenbereich befinden sich persönlichste Angaben (z.B. Waffenbesitz, Flug- und Führerscheinbesitz). Um den Zugang zum Datenbereich Zwei zu erhalten, müssen sich die staatlichen Stellen an das Innenministerium wenden. Dieses prüft die Anfrage. Es ist davon auszugehen, dass nur wenige Anfragen abgelehnt werden. Eilanfragen werden erst gar nicht kontrolliert, der Zugriff auf die sensiblen Daten wird einfach gewehrt.
Wenn es nach dem SPD Innenexperten Dieter Wiefelspütz ginge, sollten sogar sexuelle Auffälligkeiten gespeichert werden. Besteht der erste Datenbereich noch aus Indexdaten, so sollen sich im zweiten Bereich ganze Volltexte über verdächtigte Personen finden lassen. Diese präventive und hochsensible Datensammlung stellt viele zumeist ausländische Menschen, die in Deutschland leben, unter Generalverdacht - unabhängig davon, ob von ihnen eine Gefahr ausgeht oder nicht. Wie einst im Nazi-Deutschland jeder Jude im Fadenkreuz des Staates geriet, so wird es künftig jeder Ausländer und besonders jeder Orientale sein, egal ob Muslim oder Jude.
Anti-Terror-Einsatz in London: Hysterie und Hass
Was passieren kann, wenn Regierungen die Stimmung mit der Angst vor Terroranschlägen aufheizen, wie die Bundesregierung und vor allem deren Innenminister Schäuble es maßgeblich machen, mussten die Briten am 22. Juli 2005 erfahren. Bei einem Anti-Terroreinsatz der Londoner Polizei wurde der 27-jährige Jean Charles de Menezes, ein damals seit drei Jahren in London lebender Brasilianer, in der Londoner U-Bahn gezielt getötet [16]. Polizisten hatten ihn mit einem Terrorverdächtigen verwechselt. Elf Schüsse wurden auf den harmlosen Menezes abgefeuert, sieben trafen ihn in den Kopf – letztere aus nur einer Waffe in der Hand eines Zivilfahnders. Bei der Untersuchung durch die „Independent Police Complaints Commission“ wurde erhebliches Fehlverhalten der Polizei festgestellt. Die Londoner Polizei versuchte den Fall herunterzuspielen, verstrickte sich bei der Untersuchung jedoch immer wieder in Widersprüche. Warum gerade Jean Charles de Menezes ins Fadenkreuz der Ermittler geriet? Am 7. Juli 2005 ereigneten sich Terroranschläge auf Londoner U-Bahnen und Busse, dabei wurden 50 Menschen getötet, in einem Wrack fand die Polizei einen Rucksack, der wahrscheinlich einem der Attentäter gehörte. In dem Rucksack befand sich wohl eher zufällig ein Zettel mit der Anschrift des Wohnblocks Menezes.
Genau dies ist der Knackpunkt: In der deutschen Anti-Terror-Datei sollen auch Freunde, Arbeitskollegen, Bekannte, Sportkameraden und alle Personen die irgendwie und irgendwann Kontakt mit der Zielperson haben, eingetragen werden und mit überwacht werden. So wird aus einem grundlos Verdächtigten eine ganze Horde Verdächtiger. Jeder Kioskbesitzer, Tankwart, Briefträger, Bankangestellter, Handwerker und sogar Rettungssanitäter, der mit einem Verdächtigten Kontakt hatte, geriete in die Gefahr von einem in Anti-Terror-Ekstase geratenen Polizisten während eines Einsatzes erschossen zu werden.
Großbritannien aber ist kein fernes, exotisches Land. Schließlich betonen immer wieder Politiker wie Innenminister Schäuble, dass die dort existierenden Gefahren auch auf Deutschland zutreffen könnten, folglich auch die „unbeabsichtigte“ Tötung unbescholtener Menschen – aber das wird gerne unter dem Teppich der Verschwiegenheit gekehrt. Dabei ist der „Generalverdacht“ ebenso wenig im Sinne des Grundgesetzes wie das „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)“ in Berlin [17].
In der 2004 gegründeten Behörde tauschen 220 Beamte von Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Zollkriminalamt und Militärischem Abschirmdienst, sowie Vertreter der Landeskriminalämter, der Bundespolizei und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Erkenntnisse und Erfahrungen über Terrorismus aus - eine weitere Verschmelzung von Geheimdiensten, der Polizei und weiteren staatlichen Organen. Eine Trennung der Organe, wie sie von den Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg angestrebt wurde und im Polizeigesetz sowie im Grundgesetz (GG Art. 73 Nr. 10 und 87 Abs. 1 Satz 2) verschrieben ist, findet nicht mehr statt. Deutschland ist zwar souverän geworden. Aber darf die Regierung deshalb gleich wieder kriminell, d.h. verfassungswidrig handeln?
Die Auffassung des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble über Recht und Unrecht sorgt für Negativschlagzeilen und Entrüstung, Beispielsweise im Dezember 2005 verlangte er, die Aussagen von Gefolterten bei der Ermittlungsarbeit von Sicherheitsbehörden zu nutzen. Schäuble: Gerade im „Kampf gegen den Terror“ könnten durch Folter erwirkte Aussagen nützlich sein. Eine Vorgehensweise, die in der Zeit der Inquisition praktiziert wurde. Und eine Haltung, von der sich die katholische Kirche distanzierte – wenn auch dies spät durch den Vorgänger des jetzigen Papstes erfolgte. Unter Folter erzwungene Geständnisse wurden immerhin zum Sinnbild der Inquisition. Die Abkehr des Vatikan von derlei bestialischen Praktiken hätte längst auch bei christlichen Politikern wie Schäuble bekannt sein müssen. Hätten die Rektoren der Universität Freiburg (Schweiz) diese Haltung Schäubles schon im November 2005 gewusst, wäre ihm wohl nie der Ehrendoktortitel der rechtswissenschaftlichen Fakultät verliehen worden.
Es ist somit festzuhalten, dass der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble permanent mit seinen unfassbaren Gesetzesvorschlägen gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstößt und somit die Sicherheit des deutschen Volkes maßgeblich gefährdet.
Dr. Franz Josef Jung (CDU)
Der promovierte Jurist wurde 1949 im Rheingau geboren und ist seit 2005 Bundesminister der Verteidigung [18]. An der Seite von Wolfgang Schäuble versucht Jung den Einsatz der Bundeswehr im Inland so wie die Änderung des Luftsicherheitsgesetzes zu erstreiten. Bei letzterem geht Jung sogar noch einen Schritt weiter als Innenminister Schäuble. Am 7. Juni 2006 sagte der Verteidigungsminister einem Journalisten in Brüssel, die Bundeswehr wolle auch entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2006 mutmaßlich entführte Passagierflugzeuge abschießen wird:
„In der Zwischenzeit würden wir beispielsweise unter Berufung auf einen übergesetzlichen Notstand eingreifen, auch wenn keine grundgesetzliche Klarstellung erfolgt ist“ Handelsblatt 8. Juni 2006
Jung spielt hier auf die für den Flugzeugabschuss notwendige Grundgesetzänderung an und gibt sogleich zu, dass er dieses brechen wird, wenn es zu einem Ernstfall käme [19]. Wahrscheinlich hat er den Verfassungsbruch des ehemaligen Hamburger Innensenators Helmut Schmidt (der später Bundeskanzler wurde), begangen während der großen Sturmflut von 1962, völlig missverstanden. Schmidt hatte damals eigenmächtig die Bundeswehr nach Hamburg geholt, um Leben zu retten, um (so Wikipedia) „trotz fehlender Rechts- und Vorschriftenlage schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten“. Jungs Coups aber sind Kriegseinsätze im Ausland mit der ihm unterstehenden deutschen „Bundeswehr“.
Einen aalglatten Verfassungsbruch beging die Bundesmarine, als sie Kriegsschiffen der amerikanischen und britischen Marine, die sich im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak befanden, Geleitschutz gaben [20]. In 26 Fällen konnte dies stichhaltig bewiesen werden. Trotzdem wurde das Mandat der am „Horn von Afrika“ stationierten Marine im letzten Jahr zum fünften Mal verlängert. Jeder Bundestagsabgeordnete, der für die Verlängerung des Einsatzes gestimmt hat, hat somit auch für weitere Verfassungsbrüche gestimmt – dabei war dieser Skandal den Abgeordneten zur Zeit der Abstimmung längst bekannt.
Gemäß Artikel 26 des Grundgesetzes ist es Deutschland verboten einen Angriffskrieg vorzubereiten:
„(1), Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
Angriffskriege vorzubereiten ist also verboten, einen Angriffskrieg zu führen jedoch nicht. Was die Väter des Grundgesetzes mit dem Artikel 26 aussagen wollten, ist klar: Nie wieder sollte Deutschland einen Angriffskrieg führen. Nach zwei Weltkriegen sollte Deutschland endlich friedlich werden. Doch 50 Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung, sind besonders Militärs wie Franz Josef Jung wieder an Angriffskriegen interessiert.
Mit Biegen und Brechen schafften es die Militärs 1999 am völkerrechtswidrigen Krieg gegen die ehemals souveräne Bundesrepublik Jugoslawien mit teilzunehmen. Die Ausreden der damaligen rot-grünen Regierung und der Bundeswehr waren dabei primitiv wie keck: Sie hätten den Krieg schließlich nicht vorbereitet, diese Aufgabe den anderen Staaten überlassen.
Was im 20. Jahrhundert funktionierte, funktioniert im 21. Jahrhundert sogar noch besser - weiß der derzeitige Verteidigungsminister. Wo früher selbst in den Mainstream-Medien auf das Grundgesetz verwiesen wurde, wird heute nicht mehr nachgefragt mit welchem rechtlichen Hintergrund Einsätze passieren. So geschehen beim Bundeswehreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo und auch beim Einsatz der Marine vor der libanesischen Küste. Der Mechanismus dahinter ist längst publik: Journalisten, die beim Bundespresseamt akkreditiert sind und die sich als regierungskritisch erweisen, werden ganz einfach kalt gestellt und nicht mehr in die „gut informierten Kreise“ der Bundesregierung zu Häppchen und Umtrunks eingeladen.
Gegen Gesetz und wahrscheinlich auch Mandat verstieß auch der Einsatz deutscher Kommando-Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan. Bei der „Operation Anaconda“, die im März 2002 stattfand, wurden etwa 1.000 Soldaten von Spezialeinheiten verschiedener Nationen in den Südosten Afghanistans gebracht, um Taliban und El-Kaida-Anhänger aufzuspüren und zu eliminieren [21]. An dem offensiven Kriegseinsatz nahmen auch deutsche KSK-Soldaten teil. Die Ausrede, nur zu schießen, wenn die Soldaten selbst beschossen würden, zählte bei dem Angriff nicht. Wie so oft wurde der Einsatz von den USA geplant und geleitet. Das Bundestagsmandat war für die „Operation Anaconda“ jedoch keinesfalls ausreichend.
Was die KSK-Soldaten genau in Afghanistan suchten, wurde der Öffentlichkeit bisher verschwiegen und wird zurzeit im Untersuchungsausschuss des Bundestages erörtert. Auch sollen KSK-Soldaten den Bremer Murrat Kurnaz verhört und vielleicht sogar gefoltert haben. Des Weiteren kam kürzlich heraus, dass deutsche Soldaten auf einem amerikanischen Militärstützpunkt in Afghanistan mithalfen, Gefangene zu transportieren. Die deutschen Soldaten sollen außerdem bei der Bewachung und Sicherung des Stützpunktes geholfen haben [22].
Auch mit der Wehrgerechtigkeit nimmt es die Bundeswehr nicht mehr ernst. Ob ein junger Mann gemustert wird oder nicht hängt wie beim Lotto vom Glück ab [23]. Die gesetzlich vorgeschriebene Wehrgerechtigkeit wird seit Jahren nicht mehr eingehalten. Die Wehrgerechtigkeit soll für eine Gleichbehandlung aller jungen Männer dienen. Niemand soll aus Zufall und Willkür zum Dienst herangezogen werden. Mittlerweile werden nur noch ein Viertel aller jungen Männer zum Wehrdienst herangezogen, von denen gar ein Drittel ausgemustert werden und weder Wehpflicht noch Zivildienst ableisten müssen.
Der 21. April 2004 war ein folgenschwerer Tag für die Verfechter der Wehrpflicht. Das Verwaltungsgericht Köln entschied erstmals in der deutschen Geschichte, dass ein zur Wehrpflicht herangezogener Mann seinen Dienst nicht antreten muss, da die Wehrgerechtigkeit wie sie im Grundgesetz verankert ist, nicht existiert [24]. Das Bundesverwaltungsgericht hob das Urteil später jedoch auf und wies es an das Verwaltungsgericht Köln zurück. Diese leitete den Prozess weiter an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wo bald ein Urteil gefällt werden soll.
Dies könnte zu einer Abschaffung der Wehrpflicht aufgrund der Verfassungswidrigkeit führen. Insbesondere wird gegen den Artikel 12 des Grundgesetzes verstoßen, in dem die Wehrpflicht „allgemein und für alle gleich“ sein muss. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sieht jedoch keinen Handlungsbedarf die Wehrgerechtigkeit – so sehr sie überhaupt gerecht sein kann – wiederherzustellen.
Jung und seine Truppe machen was sie wollen – ohne jegliche rechtliche Handhabe. Dafür bestraft wurde der Oberbefehlshaber Jung bislang noch nicht, dabei sollte gerade er als promovierter Jurist es besser wissen.
Brigitte Zypries (SPD)
Die Bundesministerin der Justiz ist schon seit dem Jahr 2002 im Amt. Zypries wurde 1953 in Kassel geboren und studierte Rechtswissenschaften in Gießen [25]. Als langjährige Justizministerin war Zypries vor allem an den Gesetzen für den „Großen Lauschangriff“ beteiligt, wofür sie den „Big Brother Award 2004“ in der Rubrik „Politik“ erhielt [26]. Ist folglich selbst die Bundesministerin der Justiz verfassungsfeindlich?
Am 3. März 2004 erklärte das Bundesverfassungsgericht den „Großen Lauschangriff“ für nicht verfassungskonform und gab dem Bundesministerium der Justiz bis zum 30. Juni 2005 Zeit das Gesetz konform zu gestalten. Bei dem Gesetz geht es um das Abhören privater Wohnungen. Obwohl das Gesetz gegen die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ (GG Artikel 13) verstößt, war dies nicht der Hauptgrund für die ablehnende Haltung des Verfassungsgerichts: Es sah die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde in Gefahr. Nur in absoluten Ausnahmefällen sollte das Abhören von Wohnungen, so das Gericht, erlaubt sein. Die anfallenden Daten müssten dabei sofort gelöscht werden:
"Von der Möglichkeit zur akustischen Wohnraumüberwachung können Einschüchterungseffekte ausgehen, denen insbesondere auch der Unverdächtige ausgesetzt ist, weil auch er [...] jederzeit und ohne sein Wissen von der Ermittlungsmaßnahme betroffen werden kann“ (BVerfGE 109, 279 [354])
Schon drei Monate nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes legte das Ministerium der Justiz unter ihrer Chefin Brigitte Zypries einen neuen Referentenentwurf für den „Großen Lauschangriff“ vor. Dieser Entwurf wurde binnen weniger Tage zurückgezogen, da es in der Öffentlichkeit heftige Kritik an dem Entwurf gab [27]. Zum Teil wurden Anmerkungen des Verfassungsgerichts ins Gegenteil verkehrt, wie Kritiker urteilten. Rechtswissenschaftler und Datenschützer plädierten dafür, ganz auf den „Großen Lauschangriff“ zu verzichten. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger trat 1996 sogar als Bundesjustizministerin zurück, weil sie das Gesetz nicht mittragen wollte [28]. Sie erkannte die Verfassungsfeindlichkeit des Gesetzes.
Doch lässt sich meiner Meinung nach Brigitte Zypries nicht lumpen, wenn es um sensible Daten geht. Mitte 2007 soll die EG-„Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung“ in Kraft treten [29] – mit freundlicher Hilfe von Brigitte Zypries. Datenschützer kritisieren, dass die Menschen unter Generalverdacht gestellt werden. Sowohl gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre als auch gegen die Meinungsfreiheit werde verstoßen [30].
Das Gesetz erlaubt es den EU-Staaten Telefon-, Mobilfunk-, Internet- und E-Mail-Daten aller Menschen in der EU für mindestens 12 und höchstens 36 Monate zu speichern. Im Gegensatz zum „Lauschangriff“ werden die Gespräche jedoch nicht abgehört, sondern andere anfallende Daten gespeichert: Rufnummer, IP-Adresse, Benutzerkennung, E-Mail Adressen, Standorte der Nutzer, angerufene Telefonnummern, Telefonnetz, Provider, usw. das Ganze natürlich versehen mit dem Namen und der Adresse des Nutzers.
Das EU-Gesetz ist daher sehr umstritten. Irland klagt zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das Gesetz.
Die Bundesministerin der Justiz aber kämpft offensichtlich mit dem Grundgesetz, schließlich hat sie es nicht gemacht und ich mutmaße, dass auch sie von dem unter deutschen Politikern gegenwärtig bornierten Reformstreben beseelt ist. Brigitte Zypries ist somit nicht die Justitia, die sie sein sollte.
Fazit
Ich stelle fest, dass einige Mitglieder der Regierung immer wieder mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen auffallen und sogar offen verfassungswidrig handeln. Bestraft wurde deshalb noch keiner von ihnen. Und an Rücktritt wegen ihrer Rückschritte, die sie als „Reformen“ umschreiben, denken sie selbst am allerwenigsten. Selbst die Ankündigung Franz Josef Jungs die Verfassung zu brechen, wurde vom Verfassungsschutz nicht verfolgt. Forderungen wie „Wehret den Anfängen“ in Erinnerung an den Hitler-Faschismus bleiben offensichtlich von jenen ungehört, die das demokratische Deutschland sichern und es als Minister vertreten sollten. Aber einmal im Jahr, im Januar, lauschen sie elegischen Geigenklängen im Bundestag, wenn während einer Feierstunde dem Holocaust gedacht wird.
Quellen
[1] http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2005.pdf
[2] http://www.wolfgang-schaeuble.de/
[3] http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/schaeuble-bundeswehr-im-inneren/83832.asp
[4] http://www.sueddeutsche.de/,tt1l2/deutschland/artikel/855/96759/
[5] http://www.bigbrotherawards.de/2006/.pol/pol-02/
[6] http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=299
[7] http://www.netzeitung.de/deutschland/432978.html
[8] http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802.html
[9] http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=333
[10] http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl102003s0361.pdf
[11] http://www.labournet.de/diskussion/grundrechte/terror/index.html
[12] http://buzer.dyndns.org/gesetz/4197/index.htm
[13] http://www.bigbrotherawards.de/2006/.pol/pol-02/
[14] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5876802_REF1_NAV_BAB,00.html
[15] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81859/from/rss09
[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Charles_de_Menezes
[17] http://www.ulla-jelpke.de/uploads/PE_070109_BSHA.pdf
[18] http://www.franz-josef-jung.de/
[19] http://www.handelsblatt.com/news/Default.aspx?_p=200050&_t=ft&_b=1090075
[20] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Bundeswehr/end-freedom-zumach.html
[21] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afghanistan/kriegschronik/maerz02.html
[22] DER SPIEGEL Nr.4/22.1.2007 „Elektroschocks im Drahtkäfig“
[23] http://www.zentralstelle-kdv.de/wehrgerechtigkeit-2005.pdf
[24] http://www.vg-koeln.nrw.de/presse/pressem/2004/p040421.htm
[25] http://www.brigitte-zypries.de/
[26] http://www.bigbrotherawards.de/2004/.pol/
[27] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17849/1.html
[28] http://www.leutheusser-schnarrenberger.de/index.php/Person/Lebenslauf?MttgSession=7291ccec9cab2324626c8ca72a8b7dac
[29] http://www.heise.de/newsticker/meldung/69881
[30] http://www.vorratsdatenspeicherung.de/
sfux - 1. Feb, 08:16 Article 4022x read