Europas gefährliche Sümpfe (1) - Schweden
Harald Haack – Europa wird rechtsextrem. Die gefährlichen braunen Sümpfe gibt es längst in jedem EU-Land, nicht nur in Frankreich, in Deutschland oder Italien, sondern auch in Schweden.
Wikinger-Sümpfe
Nicht erst durch den bislang ungeklärten Mord an Olof Palme, Sozialdemokrat und zweimaliger Premierminister Schwedens, wurden die Schweden aufgeschreckt, sondern auch durch eine Mordserie vor einigen Jahren, deren Täter Nazis waren.
Ein Beispiel [1]: Björn Söderberg wohnte im Stockholmer Vorort Sätra, eine Plattenbausiedlung, eingebettet in dem idyllischen Grün alter Bäume und hochgewachsener Büsche. Als es an der Wohnungstür läutete, öffnete er arglos die Tür. Vor ihm standen seine Mörder, die ihm sofort mehrere Kugeln einer feinkalibrigen Waffe in den Kopf schossen. Die Polizei stand zunächst vor einem Rätsel. Doch Nachbarn hatten die Täter aus dem Haus fliehen sehen und konnten sie beschreiben. Kurz darauf nahm die Polizei drei Neonazis fest, die sie dringend des Mordes und der Beihilfe verdächtigte.
Bruno Jarlestad, Sprecher der Stockholmer Fahndungsleitung, erklärte den Mord als politisch motiviert, denn das Opfer war Aktivist im Gewerkschaftsverband SAC und Antirassist und überzeugter Pazifist, wie seine Genossen sagen. Ins Fadenkreuz der Nazis geriet er, als einer seiner Arbeitskollegen Nazirock dröhnen ließ. Doch sein Arbeitskollege, gegen den er sich wehrte, war aktives Mitglied in Schwedens „Nationalsozialistischer Front“ und Redakteur von „Info-14“, einer rechten Agitationszeitung. Als der sich zum Vertrauensmann des Unternehmens wählen ließ, in dem beide arbeiteten, informierte Söderberg einen ihm bekannten Journalisten, der die Angelegenheit öffentlich machte.
Die schwedische Polizei kam den Nazi-Tätern angeblich nur deshalb so schnell auf die Spur, weil sie sich wie auch die Staatssicherheit seit längerem der rechten Szene widmete und somit sensibilisiert war, um keines der sorgsam zusammengetragene Mosaiksteinchen der Morduntersuchungen ihrer Aufmerksamkeit entgehen zu lassen. Das meinte später die für „Demokratiefragen“ zuständige Vizejustizministerin Britta Lejon. Nun gut, es war ihre Meinung. Meinungen müssen nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Mutmaßlich konnte die schwedische Polizei die Täter nur deshalb so schnell fassen, weil sie geopfert werden mussten, um nicht deren rechtsextremistische Führer innerhalb der Polizei zu enttarnen.
Margaretha Linderoth von der Sicherheitspolizei Säpo sagte, die rechte Szene werde immer unüberschaubarer, weil die Propaganda verstärkt übers Internet verbreitet werde. Das mag stimmen, aber muss das Internet nicht für alles Schlechte in der Welt herhalten? Schwedens führende Expertin Helene Lööw ergänzte, die Zahl der rechtsradikalen Aktivisten sei zwar „immer noch eher in Hunderten als in Tausenden zu rechnen“, werde aber ständig größer. Das war noch im Jahr 1999.
Die Nähe von Schwedens Nazis zu den Stay behind, einer vom CIA nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten und zu Zeiten des Kalten Kriegs unterstützten rechtsextremen Geheimorganisation zur Abwehr sowjetischer Infiltration und Invasion, ist kein Zufall.
Wie John Foster LeMay im Jahr 1996 schreibt [2], sei es dem Botschaftsattaché und CIA-Offizier William Colby, der später zum CIA-Chef aufstieg, Anfang der Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gelungen, zusammen mit Otto Hallberg in Schweden aus der rechtsextremen Waffenbrüderschaft „Sveaborg“, die ursprünglich aus einer Unterorganisation der faschistischen Vereinigung „Schwedens Sozialistische Sammlung“ (SSS) formiert wurde, die Stay behind zu organisieren.
Um eine von der CIA in Schweden befürchtete sowjetische Invasion zu stoppen, gab es ein Netzwerk aus circa 1.200 zumeist militärisch geschulten Kontaktpersonen, die im Ernstfall ihre Guerillatruppen mobilisieren und selbstständig hätten führen können. Sie sollten mutmaßliche Unterstützer der Sowjets ausschalten – was ausnahmslos immer Mord bedeutete.
Doch 1953 flogen die Stay behind auf. Viele deren Schergen wurden von der schwedischen Polizei verhaftet. Darunter auch Otto Hallberg, der schon die SSS gegründet hatte. Aber in einem geheimen Verfahren wurde er freigesprochen. Er lebte bis 1968.
Die Ermittlungsakten über Hallberg blieben bis 2004 gesperrt und sollten jetzt eigentlich im schwedischen Reichsarchiv für jedermann zugänglich sein. Doch wer danach fragt, erntet nur Achselzucken und Schatten – farblose Gestalten, die einem auf Schritt und Tritt durch Stockholm folgen und nach einer passenden Gelegenheit suchen, um zuzuschlagen.
So wurden 1999 ein schwedischer Journalisten und sein damals achtjähriger Sohn Opfer einer Autobombe. Sie überlebten schwer verletzt. Der Mann hatte angeblich zusammen mit einem Kollegen und einer Kollegin, die damals 28-jährige Jytte Elofsson, über die Stay-behind und Nazi-Aktivitäten in Schweden recherchiert und berichtet. Seine Kollegin wurde 2005, nach ihren Erkundigungen im Reichsarchiv, an der viel befahrenen Stockholmer Straßenkreuzung Sergels Torg im Stadtteil Norrmalm von Unbekannten in ein Transportfahrzeug gezerrt und entführt. Ihre Leiche fand die Polizei Wochen später am Ufer eines Sees neben der Autobahn bei Södertalje. Diesbezügliche Anfragen an die Sicherheitspolizei Säpo ergaben eine spontane, negative Antwort: Der Fall sei den Beamten nicht geläufig.
Die Stay behind soll, so schreibt John Foster LeMay, noch 1989 intakt gewesen sein. Es ist daher nicht abwegig, dass sich die alten Stay-behind-Guerillas autonom junge Truppen geschaffen haben, die gegenwärtig als Schwedens Nazis ihre Mordspuren hinterlassen und sogar schon in der schwedischen Polizei feste Positionen haben. Ihre Opfer: Menschen wie der Gewerkschaftler Björn Söderberg oder Journalisten, die sich für die Akte „Otto Hallberg“ interessieren. John Foster LeMay vermutete also nicht grundlos einen Zusammenhang der Stay-behind mit dem Mord am schwedischen Ministerpräsidenten und Sozialdemokraten Olof Palme.
Strickmuster brauner Wolle
Und immer wieder die CIA, die nicht nur in Europa ein anrüchiges Images hat, der noch nicht einmal mehr der amerikanische Präsident George W. Bush vertraut und deren Agenten in Italien und nun auch in Deutschland steckbrieflich gesucht werden!
Laut John Foster LeMay „soll der zweite Mann der CIA in Europa und Chef des Intelligence Tactical Assessment Center (ITAC), ein gewisser Oswald LeWinter, Papiere vorgelegt haben, die beweisen sollen“, Palme sollte „im Zuge einer "Operation Tree" ermordet“ werden. Und dann geschah der Mord und es gab viele Spuren, von denen etliche von der schwedischen Polizei verwischt wurden. Zu groß wurden die Vorwürfe in der Öffentlichkeit, so dass der Ruf der schwedischen Polizei weder durch Dementis noch durch Schwedenkrimis gerettet werden konnte.
Olof Palme wurde am 28.2.1986 vor dem Scandia-Haus in Stockholm mit einem Revolver der Marke Smith & Wesson erschossen, nachdem er ausdrücklich auf seine Leibwächter verzichtet hatte.
Palme-Mord, Spur 1
Das Scandia-Haus – früher das „Thule-Haus“ – soll die Zentrale des Stay-behind-Netzwerkes gewesen sein. Der frühere Scandia-Versicherungs-Direktor Alvar Lindencrona, angeblich Chef der Stay-behind, und der Chef der Operativen Abteilung (B) des schwedischen Sicherheitsdienstes (SÄK) P. G. Näss nahmen an Treffen des Allied Clandestine Committee/ Special Operations Planning Staff (ACC/SOPS), dem Koordinierungszentrum der Stay-behind-Netzwerke, teil. Im Gespräch waren die Pläne Palmes den Norden kernwaffenfrei zu machen und seine etwaigen Verhandlungen darüber mit Moskau. Hatten sie Palme zu sich bestellt, um mit ihm allein eine geheime Verhandlung zu führen? Hatte er deshalb seine Bewacher wegschicken müssen? Ein Mordkomplott? Oder hatten andere faschistische Gruppierungen die Situation genutzt, um Palme zu ermorden?
Palme-Mord, Spur 2 (die so genannte „Kurdenspur“)
Die „World Anticommunist League“ (WACL) vereinigt weltweit alle möglichen rechtsextremen Gruppierungen, Vertreter der freien Marktwirtschaft und radikale Antikommunisten. Auch im Umfeld der Stay-behind-Mitglieder trifft man immer wieder auf die WACL.
- So den früheren Generalsekretär der Europa-Sektion der WACL, Anders Larsson, der über Palmes Vorhaben nach Moskau zu reisen informiert gewesen sein will.
- Michael Townly, Mitglied der WACL, soll Palmes Namen auf einer Todesliste geführt haben.
- Miro Baresic, Mitglied der WACL und der Ustascha, eine kroatische faschistische Organisation, soll den Revolver der Marke Smith & Wesson, mit dem Palme erschossen wurde, von einem Heroinhändler mit PKK-Verbindungen beschafft haben.
Von Larsson kam die Behauptung, das „Covert Action Department“ der CIA, das den WACL durch dessen internationalen Leiter General John Singlaub kontrollierte, habe den Mord angeordnet.
Schattenspiele
Der braune Sumpf aus Stay-behind, CIA, WACL und PKK wäre nicht komplett, gäbe es nicht Schattenspiele, die zu Rechtsextremen in der schwedischen Polizei führt. Sie sollen Mitglieder eines privaten Kampfschützenvereins sein. Rekrutierungsstelle für die Stay-behind-Netze des damaligen CIA-Residenten William Colby war eine Polizeischule, an der der Anführer der „Sturmabteilung Sveaborg“ als Psychologie-Dozent unterrichtete. Er soll im Umkreis von WACL-Mitgliedern agiert haben.
Außerdem gab es noch die rechtsextreme Baseball-Liga des Hans Holmér, die sich aus Polizisten zusammen setzte. Wegen eines ungeklärten Todesfalls wurde sie 1983 aufgelöst. Holmér gilt als Trojaner. Er war damals Polizeichef von Stockholm und Mitglied der schwedischen Sozialdemokraten. Lange Zeit führte er die Mordkommission im Fall Palme. Ihm wird die Verschleierung des Mordes angelastet.
Genau genommen war der Mord an Olof Palme nur einer von vielen, die wahrscheinlich aufs Konto rechtsextremer Organisationen gehen. Gemordet haben Schwedens Nazis viel:
- Ronny Landin, 21, zu Tode getreten von Skinheads. John Hron, 16, von jugendlichen Neonazis gequält und umgebracht.
- Gerard Gbeyo, 25, von Rassisten gejagt und erstochen.
- In der Kleinstadt Malexander wurden bei einem Banküberfall zwei Polizisten aus nächster Nähe von Tätern erschossen, die aus dem Umkreis der „Arischen Bruderschaft“ stammen. Unterstützt wurden angeblich sie von Svea SA, einer Organisation, die enge Beziehungen zur Nationalsozialistischen Front (Nationalsocialistisk Front, NSF) pflegt.
- Die schwedische Ex-Justizministerin Leila Freivalds erhielt eine Briefbombe zugeschickt, die nicht explodierte.
Sie sind nur die bekanntesten Opfer einer langen Liste. Olof Palme war sicherlich nur deren prominentester und dessen Mord vielleicht der spektakulärste. Die Nazi-Gewalt richtet sich, wie schon Anfang der Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die Stay behind nach Sympathisanten der Sowjetunion suchten und diese ermordeten, vornehmlich gegen jene, die für politisch links angesehen werden und die aus rassistischen Gründen ins ideologische Raster der Nazis fallen. Neu ist sicherlich, dass die Gewalt offen gegen Repräsentanten des Staates, der Justiz und der Presse gerichtet wird [3]. Richter, Staatsanwälte und Journalisten erhalten immer öfter Morddrohungen, wahrscheinlich um sie einzuschüchtern; ebenso wie Zeugen in Strafprozessen gegen Nazis, damit sie entweder keine Aussagen machen oder Aussagen widerrufen.
Zweierlei ermöglicht den schwedischen Nazis ihr Vorgehen: Einerseits existiert in Schweden das so genannte „Öffentlichkeitsprinzip“, um völlig legal Daten und Fotos von Personen und deren Familien von Behörden zu erhalten. Die schwedische Polizei ist sogar verpflichtet, Daten herauszugeben, wenn diese in „öffentlichen Akten“ enthalten sind. Und anderseits ist die schwedische Polizei von den Nazis längst unterwandert.
© 2007 Copyright by Harald Haack - Alle Rechte vorbehalten. Die Übernahme und Nutzung des Artikels und der Fotos zu anderen Zwecken und auf anderen WebSeiten und in Print-Medien sowie Fernsehen und Hörfunk bedarf der schriftlichen Zustimmung des Autoren.
[1] Kölner Stadt-Anzeiger / Frankfurter-Rundschau
[2] zoom.mediaweb
[3] wsws.org
Weitere Quellen:
Taz, 15. & 17.11.1990, 17.8.1991;
Die Presse, 2.7.1996;
Leo A. Müller: Gladio – das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Mit einem Beitrag von Werner Raith. Verlag Rowohlt Taschenbuch, Reinbeck bei Hamburg 1991;
Ola Tuander: Der vielfache Palme-Mord, in: Karl Markus Michel und Tilman Spengler (Hg.): Kursbuch 124,
Verschwörungstheorien. Juni 1996. Verlag Rowohlt, Berlin 1996;
Burkhard Nagel und Klaus D. Knapp: "Mord in Stockholm". Fernsehdokumentation in Zusammenarbeit von N3 und Arte, August 1996.
Polisen: Nu samkör vi utredningarna av syndikalistmordet och bilbomben
Wikinger-Sümpfe
Nicht erst durch den bislang ungeklärten Mord an Olof Palme, Sozialdemokrat und zweimaliger Premierminister Schwedens, wurden die Schweden aufgeschreckt, sondern auch durch eine Mordserie vor einigen Jahren, deren Täter Nazis waren.
Ein Beispiel [1]: Björn Söderberg wohnte im Stockholmer Vorort Sätra, eine Plattenbausiedlung, eingebettet in dem idyllischen Grün alter Bäume und hochgewachsener Büsche. Als es an der Wohnungstür läutete, öffnete er arglos die Tür. Vor ihm standen seine Mörder, die ihm sofort mehrere Kugeln einer feinkalibrigen Waffe in den Kopf schossen. Die Polizei stand zunächst vor einem Rätsel. Doch Nachbarn hatten die Täter aus dem Haus fliehen sehen und konnten sie beschreiben. Kurz darauf nahm die Polizei drei Neonazis fest, die sie dringend des Mordes und der Beihilfe verdächtigte.
Bruno Jarlestad, Sprecher der Stockholmer Fahndungsleitung, erklärte den Mord als politisch motiviert, denn das Opfer war Aktivist im Gewerkschaftsverband SAC und Antirassist und überzeugter Pazifist, wie seine Genossen sagen. Ins Fadenkreuz der Nazis geriet er, als einer seiner Arbeitskollegen Nazirock dröhnen ließ. Doch sein Arbeitskollege, gegen den er sich wehrte, war aktives Mitglied in Schwedens „Nationalsozialistischer Front“ und Redakteur von „Info-14“, einer rechten Agitationszeitung. Als der sich zum Vertrauensmann des Unternehmens wählen ließ, in dem beide arbeiteten, informierte Söderberg einen ihm bekannten Journalisten, der die Angelegenheit öffentlich machte.
Die schwedische Polizei kam den Nazi-Tätern angeblich nur deshalb so schnell auf die Spur, weil sie sich wie auch die Staatssicherheit seit längerem der rechten Szene widmete und somit sensibilisiert war, um keines der sorgsam zusammengetragene Mosaiksteinchen der Morduntersuchungen ihrer Aufmerksamkeit entgehen zu lassen. Das meinte später die für „Demokratiefragen“ zuständige Vizejustizministerin Britta Lejon. Nun gut, es war ihre Meinung. Meinungen müssen nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Mutmaßlich konnte die schwedische Polizei die Täter nur deshalb so schnell fassen, weil sie geopfert werden mussten, um nicht deren rechtsextremistische Führer innerhalb der Polizei zu enttarnen.
Margaretha Linderoth von der Sicherheitspolizei Säpo sagte, die rechte Szene werde immer unüberschaubarer, weil die Propaganda verstärkt übers Internet verbreitet werde. Das mag stimmen, aber muss das Internet nicht für alles Schlechte in der Welt herhalten? Schwedens führende Expertin Helene Lööw ergänzte, die Zahl der rechtsradikalen Aktivisten sei zwar „immer noch eher in Hunderten als in Tausenden zu rechnen“, werde aber ständig größer. Das war noch im Jahr 1999.
Die Nähe von Schwedens Nazis zu den Stay behind, einer vom CIA nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten und zu Zeiten des Kalten Kriegs unterstützten rechtsextremen Geheimorganisation zur Abwehr sowjetischer Infiltration und Invasion, ist kein Zufall.
Wie John Foster LeMay im Jahr 1996 schreibt [2], sei es dem Botschaftsattaché und CIA-Offizier William Colby, der später zum CIA-Chef aufstieg, Anfang der Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gelungen, zusammen mit Otto Hallberg in Schweden aus der rechtsextremen Waffenbrüderschaft „Sveaborg“, die ursprünglich aus einer Unterorganisation der faschistischen Vereinigung „Schwedens Sozialistische Sammlung“ (SSS) formiert wurde, die Stay behind zu organisieren.
Um eine von der CIA in Schweden befürchtete sowjetische Invasion zu stoppen, gab es ein Netzwerk aus circa 1.200 zumeist militärisch geschulten Kontaktpersonen, die im Ernstfall ihre Guerillatruppen mobilisieren und selbstständig hätten führen können. Sie sollten mutmaßliche Unterstützer der Sowjets ausschalten – was ausnahmslos immer Mord bedeutete.
Doch 1953 flogen die Stay behind auf. Viele deren Schergen wurden von der schwedischen Polizei verhaftet. Darunter auch Otto Hallberg, der schon die SSS gegründet hatte. Aber in einem geheimen Verfahren wurde er freigesprochen. Er lebte bis 1968.
Die Ermittlungsakten über Hallberg blieben bis 2004 gesperrt und sollten jetzt eigentlich im schwedischen Reichsarchiv für jedermann zugänglich sein. Doch wer danach fragt, erntet nur Achselzucken und Schatten – farblose Gestalten, die einem auf Schritt und Tritt durch Stockholm folgen und nach einer passenden Gelegenheit suchen, um zuzuschlagen.
So wurden 1999 ein schwedischer Journalisten und sein damals achtjähriger Sohn Opfer einer Autobombe. Sie überlebten schwer verletzt. Der Mann hatte angeblich zusammen mit einem Kollegen und einer Kollegin, die damals 28-jährige Jytte Elofsson, über die Stay-behind und Nazi-Aktivitäten in Schweden recherchiert und berichtet. Seine Kollegin wurde 2005, nach ihren Erkundigungen im Reichsarchiv, an der viel befahrenen Stockholmer Straßenkreuzung Sergels Torg im Stadtteil Norrmalm von Unbekannten in ein Transportfahrzeug gezerrt und entführt. Ihre Leiche fand die Polizei Wochen später am Ufer eines Sees neben der Autobahn bei Södertalje. Diesbezügliche Anfragen an die Sicherheitspolizei Säpo ergaben eine spontane, negative Antwort: Der Fall sei den Beamten nicht geläufig.
Die Stay behind soll, so schreibt John Foster LeMay, noch 1989 intakt gewesen sein. Es ist daher nicht abwegig, dass sich die alten Stay-behind-Guerillas autonom junge Truppen geschaffen haben, die gegenwärtig als Schwedens Nazis ihre Mordspuren hinterlassen und sogar schon in der schwedischen Polizei feste Positionen haben. Ihre Opfer: Menschen wie der Gewerkschaftler Björn Söderberg oder Journalisten, die sich für die Akte „Otto Hallberg“ interessieren. John Foster LeMay vermutete also nicht grundlos einen Zusammenhang der Stay-behind mit dem Mord am schwedischen Ministerpräsidenten und Sozialdemokraten Olof Palme.
Strickmuster brauner Wolle
Und immer wieder die CIA, die nicht nur in Europa ein anrüchiges Images hat, der noch nicht einmal mehr der amerikanische Präsident George W. Bush vertraut und deren Agenten in Italien und nun auch in Deutschland steckbrieflich gesucht werden!
Laut John Foster LeMay „soll der zweite Mann der CIA in Europa und Chef des Intelligence Tactical Assessment Center (ITAC), ein gewisser Oswald LeWinter, Papiere vorgelegt haben, die beweisen sollen“, Palme sollte „im Zuge einer "Operation Tree" ermordet“ werden. Und dann geschah der Mord und es gab viele Spuren, von denen etliche von der schwedischen Polizei verwischt wurden. Zu groß wurden die Vorwürfe in der Öffentlichkeit, so dass der Ruf der schwedischen Polizei weder durch Dementis noch durch Schwedenkrimis gerettet werden konnte.
Olof Palme wurde am 28.2.1986 vor dem Scandia-Haus in Stockholm mit einem Revolver der Marke Smith & Wesson erschossen, nachdem er ausdrücklich auf seine Leibwächter verzichtet hatte.
Palme-Mord, Spur 1
Das Scandia-Haus – früher das „Thule-Haus“ – soll die Zentrale des Stay-behind-Netzwerkes gewesen sein. Der frühere Scandia-Versicherungs-Direktor Alvar Lindencrona, angeblich Chef der Stay-behind, und der Chef der Operativen Abteilung (B) des schwedischen Sicherheitsdienstes (SÄK) P. G. Näss nahmen an Treffen des Allied Clandestine Committee/ Special Operations Planning Staff (ACC/SOPS), dem Koordinierungszentrum der Stay-behind-Netzwerke, teil. Im Gespräch waren die Pläne Palmes den Norden kernwaffenfrei zu machen und seine etwaigen Verhandlungen darüber mit Moskau. Hatten sie Palme zu sich bestellt, um mit ihm allein eine geheime Verhandlung zu führen? Hatte er deshalb seine Bewacher wegschicken müssen? Ein Mordkomplott? Oder hatten andere faschistische Gruppierungen die Situation genutzt, um Palme zu ermorden?
Palme-Mord, Spur 2 (die so genannte „Kurdenspur“)
Die „World Anticommunist League“ (WACL) vereinigt weltweit alle möglichen rechtsextremen Gruppierungen, Vertreter der freien Marktwirtschaft und radikale Antikommunisten. Auch im Umfeld der Stay-behind-Mitglieder trifft man immer wieder auf die WACL.
- So den früheren Generalsekretär der Europa-Sektion der WACL, Anders Larsson, der über Palmes Vorhaben nach Moskau zu reisen informiert gewesen sein will.
- Michael Townly, Mitglied der WACL, soll Palmes Namen auf einer Todesliste geführt haben.
- Miro Baresic, Mitglied der WACL und der Ustascha, eine kroatische faschistische Organisation, soll den Revolver der Marke Smith & Wesson, mit dem Palme erschossen wurde, von einem Heroinhändler mit PKK-Verbindungen beschafft haben.
Von Larsson kam die Behauptung, das „Covert Action Department“ der CIA, das den WACL durch dessen internationalen Leiter General John Singlaub kontrollierte, habe den Mord angeordnet.
Schattenspiele
Der braune Sumpf aus Stay-behind, CIA, WACL und PKK wäre nicht komplett, gäbe es nicht Schattenspiele, die zu Rechtsextremen in der schwedischen Polizei führt. Sie sollen Mitglieder eines privaten Kampfschützenvereins sein. Rekrutierungsstelle für die Stay-behind-Netze des damaligen CIA-Residenten William Colby war eine Polizeischule, an der der Anführer der „Sturmabteilung Sveaborg“ als Psychologie-Dozent unterrichtete. Er soll im Umkreis von WACL-Mitgliedern agiert haben.
Außerdem gab es noch die rechtsextreme Baseball-Liga des Hans Holmér, die sich aus Polizisten zusammen setzte. Wegen eines ungeklärten Todesfalls wurde sie 1983 aufgelöst. Holmér gilt als Trojaner. Er war damals Polizeichef von Stockholm und Mitglied der schwedischen Sozialdemokraten. Lange Zeit führte er die Mordkommission im Fall Palme. Ihm wird die Verschleierung des Mordes angelastet.
Genau genommen war der Mord an Olof Palme nur einer von vielen, die wahrscheinlich aufs Konto rechtsextremer Organisationen gehen. Gemordet haben Schwedens Nazis viel:
- Ronny Landin, 21, zu Tode getreten von Skinheads. John Hron, 16, von jugendlichen Neonazis gequält und umgebracht.
- Gerard Gbeyo, 25, von Rassisten gejagt und erstochen.
- In der Kleinstadt Malexander wurden bei einem Banküberfall zwei Polizisten aus nächster Nähe von Tätern erschossen, die aus dem Umkreis der „Arischen Bruderschaft“ stammen. Unterstützt wurden angeblich sie von Svea SA, einer Organisation, die enge Beziehungen zur Nationalsozialistischen Front (Nationalsocialistisk Front, NSF) pflegt.
- Die schwedische Ex-Justizministerin Leila Freivalds erhielt eine Briefbombe zugeschickt, die nicht explodierte.
Sie sind nur die bekanntesten Opfer einer langen Liste. Olof Palme war sicherlich nur deren prominentester und dessen Mord vielleicht der spektakulärste. Die Nazi-Gewalt richtet sich, wie schon Anfang der Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die Stay behind nach Sympathisanten der Sowjetunion suchten und diese ermordeten, vornehmlich gegen jene, die für politisch links angesehen werden und die aus rassistischen Gründen ins ideologische Raster der Nazis fallen. Neu ist sicherlich, dass die Gewalt offen gegen Repräsentanten des Staates, der Justiz und der Presse gerichtet wird [3]. Richter, Staatsanwälte und Journalisten erhalten immer öfter Morddrohungen, wahrscheinlich um sie einzuschüchtern; ebenso wie Zeugen in Strafprozessen gegen Nazis, damit sie entweder keine Aussagen machen oder Aussagen widerrufen.
Zweierlei ermöglicht den schwedischen Nazis ihr Vorgehen: Einerseits existiert in Schweden das so genannte „Öffentlichkeitsprinzip“, um völlig legal Daten und Fotos von Personen und deren Familien von Behörden zu erhalten. Die schwedische Polizei ist sogar verpflichtet, Daten herauszugeben, wenn diese in „öffentlichen Akten“ enthalten sind. Und anderseits ist die schwedische Polizei von den Nazis längst unterwandert.
© 2007 Copyright by Harald Haack - Alle Rechte vorbehalten. Die Übernahme und Nutzung des Artikels und der Fotos zu anderen Zwecken und auf anderen WebSeiten und in Print-Medien sowie Fernsehen und Hörfunk bedarf der schriftlichen Zustimmung des Autoren.
[1] Kölner Stadt-Anzeiger / Frankfurter-Rundschau
[2] zoom.mediaweb
[3] wsws.org
Weitere Quellen:
Taz, 15. & 17.11.1990, 17.8.1991;
Die Presse, 2.7.1996;
Leo A. Müller: Gladio – das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Mit einem Beitrag von Werner Raith. Verlag Rowohlt Taschenbuch, Reinbeck bei Hamburg 1991;
Ola Tuander: Der vielfache Palme-Mord, in: Karl Markus Michel und Tilman Spengler (Hg.): Kursbuch 124,
Verschwörungstheorien. Juni 1996. Verlag Rowohlt, Berlin 1996;
Burkhard Nagel und Klaus D. Knapp: "Mord in Stockholm". Fernsehdokumentation in Zusammenarbeit von N3 und Arte, August 1996.
Polisen: Nu samkör vi utredningarna av syndikalistmordet och bilbomben
onlineredaktion - 2. Feb, 01:26 Article 9293x read